TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/14 LVwG-2020/25/1044-4

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Veröffentlicht am 14.07.2020
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Entscheidungsdatum

14.07.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft Adresse 1, Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, Y, vom 01.06.2020 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21.04.2020, Zl  ***, betreffend Verfahren gemäß § 87 Abs 1 Z 3 Gewerbeordnung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und das Verfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im bekämpften Bescheid in Spruchpunkt I. entzog der Landeshauptmann von Tirol AA die ihm mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 07.08.2015, ***, erteilte Konzession zur Ausübung der gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen in grenzüberschreitenden Verkehr mit einem Lastkraftwagen im Standort Z, Adresse 1, gemäß § 87 Abs 1 Z 3 GewO iVm § 5 Abs 1 Güterbeförderungsgesetz und Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/2009. In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 26 Abs 1 iVm § 13 Abs 1 GewO 1994 iVm Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/2009 iVm § 5 Abs 2 Güterbeförderungsgesetz der Antrag auf Erteilung einer Nachsicht als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen damit, dass AA zweimal wegen des Vergehens der Körperverletzung verurteilt wurde und damit seine Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben sei, welche als besondere Schutzinteressen zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes zu qualifizieren sei. Die Anzahl der Verwaltungsstrafen bei der Ausübung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs befänden sich im durchschnittlichen Maß. Die Verurteilungen ließen ein Persönlichkeitsbild gewinnen, welches vermuten lasse, dass der Genannte nicht gewillt ist, die körperliche Unversehrtheit anderer Personen zu respektieren und daher die Befürchtung gerechtfertigt wäre, dass dieser auch hinkünftig gegen die im Zusammenhang mit der Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes zu beachtenden öffentlichen Interessen verstoßen wird. Bei der Prüfung der Zuverlässigkeit sei zu berücksichtigen, dass schwerwiegende und wiederholte Verstöße sich nur auf im Zusammenhang mit dem Güterbeförderungsgewerbe zu beachtende Rechtsvorschriften beziehen können. Das Güterbeförderungsgesetz 1995 gehe von einem weiten Zuverlässigkeitsbegriff aus, was durch das Wort „insbesondere“ in § 5 Abs 2 zum Ausdruck komme. Die Zuverlässigkeit des Gewerbeinhabers sei durch die zweimalige gerichtliche Verurteilung nicht mehr gegeben. Die EG-VO Nr 1071/2009 sehe die Möglichkeit einer Nachsicht von den Voraussetzungen für die Erteilung einer Kraftfahrlinienkonzession nicht vor. Da die Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschlussgrund gemäß §  5  Abs  3  Güterbeförderungsgesetz gesetzlich nicht vorgesehen ist, erweise sich ein darauf gerichteter Antrag als unzulässig und sei als solcher zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Herr Aksu durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass er keine schwerwiegenden Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen begangen habe, welche im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gewerbe zu beachten sind. Die Tathandlungen mögen von strafrechtlicher Relevanz sein, sie dienten aber nicht dem Schutz des Ansehens des Berufsstandes. Aufgrund der eindeutigen und klaren Formulierung des § 87 Abs 1 Z 3 GewO müsse der schwerwiegende Verstoß stets im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachten sein. Wenn der Gesetzgeber nicht einmal die schwere Körperverletzung in seine Aufzählung aufgenommen hat, so sei der vom Gesetzgeber intendierte schwerwiegende Verstoß jedenfalls im Falle einer Verurteilung wegen leichter Körperverletzung nicht im Sinne des Gesetzes zu werten, welche einen Entzug rechtfertigen oder das Ansehen des Berufsstandes verletzen könnte. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 GewO lägen nicht vor. Die von § 13 Abs 1 GewO festgesetzte Strafgrenze einer Verurteilung zu mehr als 180 Tagessätzen liege nicht vor. §  5 Abs 2 Güterbeförderungsgesetz verweise für darüber hinausgehende Fälle auf Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/09. Diese Bestimmung verlange für die Überprüfung der Zuverlässigkeit eine schwerwiegende Straftat oder eine Sanktion wegen schwerster Verstöße. Schwerwiegende und wiederholte Verstöße wirkten sich nur dann aus, wenn sie im Zusammenhang mit dem Güterbeförderungsgewerbe zu beachtende Rechtsvorschriften beträfen. Diese Verordnung sieht vor, dass wiederholte Übertretungen vorliegen müssten; die erste Übertretung stehe in keinem Zusammenhang mit der Gewerbeausübung, weshalb eine wiederholte schwerwiegende Straftat nicht vorliege. Bei einer Entziehung müsse jedenfalls das Strafausmaß der einschlägigen Bestimmung mindestens erreicht sein, was gegenständlich jedoch nicht gegeben ist. Es werde deshalb Bescheidaufhebung und Verfahrenseinstellung beantragt.

II.      Sachverhalt:

Dem Rechtsmittelwerber AA wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 07.08.2015, ***, die Konzession zur Ausübung der gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr mit einem Lastkraftwagen erteilt. Mit Urteil des Bezirksgerichtes X vom 01.07.2016, 3 U 87/2016t, rechtskräftig am 21.10.2016, wurde AA wegen Vergehens nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt. Dieser Verurteilung lag jener Sachverhalt zugrunde, als sich der Verurteile am 24.12.2015 um ca 02:50 Uhr gemeinsam mit seinem Neffen CC zur Bar DD in X begab. Der Türsteher verweigerte den beiden aufgrund ihrer Alkoholisierung den Zutritt zum Lokal, woraufhin CC wütend wurde und versuchte, mit Gewalt am Türsteher vorbeizukommen. Dieser hielt ihn deshalb an beiden Armen fest und versetzte AA dem Türsteher einen Faustschlag ins Gesicht im Bereich seines rechten Auges. Der Türsteher schubste daraufhin CC weg und führte einen Schlag gegen AA. Dann packte er diesen und warf ihn aus dem Lokal ebenso wie CC. Der Türsteher erlitt durch den Schlag des AA eine Platzwunde oberhalb des rechten Auges.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes X vom 24.05.2019, 3 U 2/2019x, rechtskräftig am 18.05.2019, wurde AA wegen des Vergehens nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt. Dieser Verurteilung lag der Sachverhalt zugrunde, als AA gegen Abend des 28.11.2018 nach Absolvierung des letzten Transportauftrages an diesem Tag mit seinem Firmen LKW zur EE Tankstelle in X fuhr. Es kam dabei aus nichtigem Anlass (wer mit seinem LKW an welcher Seite zur Zapfsäule zufahren kann) zu einer vorerst verbalen Auseinandersetzung mit einem anderen LKW-Lenker. Als AA den Betankungsvorgang seines LKW beendet hatte und in Begriff war, die Zapfpistole wieder in der Zapfsäule einzuhängen, kam der andere LKW Lenker zu ihm und umklammerte ihn. Aksu versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien und so entstand ein Handgemenge in dessen Zug Aksu dem anderen LKW Lenker die Zapfpistole, welche Aksu zu dieser Zeit noch in der Hand hielt, an den Kopf schlug, wodurch sein Gegner eine Rissquetschwunde im Stirnbereich erlitt.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten des Landeshauptmannes von Tirol und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol und dabei insbesondere wiederum aus den Urteilen des Bezirksgerichtes X sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Das Verwaltungsgericht sah keinen Grund, die Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung des Rechtsmittelwerbers in der mündlichen Verhandlung in Zweifel zu ziehen.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 von Bedeutung:

㤠87

(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn

1. auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist oder

2. einer der im § 13 Abs. 4 oder Abs. 5 zweiter Satz angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliegt oder

3. der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt oder

4. der Gewerbeinhaber wegen Beihilfe zur Begehung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 oder § 366 Abs. 1 Z 10 bestraft worden ist und diesbezüglich ein weiteres vorschriftswidriges Verhalten zu befürchten ist oder

4a. im Sinne des § 117 Abs. 7 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung wegfällt oder ein Nachweis im Sinne des § 376 Z 16a nicht rechtzeitig erfolgt oder

4b. im Sinne des § 136a Abs. 5 oder des § 136b Abs. 3 das letzte Vertretungsverhältnis oder im Sinne des § 136a Abs. 10 das Vertretungsverhältnis weggefallen ist oder

4c. im Sinne des § 136a Abs. 12 eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung wegfällt oder ein Nachweis im Sinne des § 376 Z 2 nicht rechtzeitig erfolgt oder

4d. im Sinne des § 99 Abs. 7 eine Haftpflichtversicherung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden wegfällt oder ein Nachweis im Sinne des § 376 Z 13 nicht rechtzeitig erfolgt oder

5. im Sinne des § 137c Abs. 5 eine Berufshaftpflichtversicherung oder eine sonstige Haftungsabsicherung wegfällt oder

6. die folgenden Anforderungen wiederholt nicht erfüllt sind:

a) die gemäß § 136a Abs. 6 vorgesehene ständige berufliche Schulung und Weiterbildung für Gewerbliche Vermögensberater und deren Personal oder

b) die gemäß § 137b Abs. 1 bestimmte erforderliche fachliche Eignung gemäß den in der Anlage 9 festgelegten Mindestanforderungen für das Leitungsorgan eines Unternehmens hinsichtlich derjenigen Personen, die für die Versicherungsvermittlung maßgeblich verantwortlich sind sowie direkt bei der Versicherungsvermittlung mitwirkende Beschäftigte oder

c) die gemäß § 137b Abs. 3 bestimmten Anforderungen ständiger beruflicher Schulung und Weiterbildung von mindestens 15 Stunden pro Jahr für den Einzelunternehmer sowie das Leitungsorgan eines Unternehmens hinsichtlich derjenigen Personen, die für die Versicherungsvermittlung maßgeblich verantwortlich sind, sowie für direkt bei der Versicherungsvermittlung mitwirkende Beschäftigte.

Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintan Haltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z 4 SBBG vorliegt.

(2) Die Behörde kann im Falle des Vorliegens einer Berechtigung zu Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung von der im Abs. 1 Z 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

(3) Die Behörde kann die Gewerbeberechtigung auch nur für eine bestimmte Zeit entziehen, wenn nach den Umständen des Falles erwartet werden kann, daß diese Maßnahme ausreicht, um ein späteres einwandfreies Verhalten des Gewerbeinhabers zu sichern.

(4) Von der Entziehung der Gewerbeberechtigung kann abgesehen werden, wenn auf Grund des § 4 des Berufsausbildungsgesetzes, BGBl. Nr. 142/1969, ein Verbot des Ausbildens von Lehrlingen besteht und dieses Verbot im Hinblick auf die Eigenart des strafbaren Verhaltens ausreicht.

(5) Von der Entziehung der Gewerbeberechtigung kann abgesehen werden, wenn auf Grund des § 31 des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987, BGBl. Nr. 599, ein Verbot der Beschäftigung Jugendlicher besteht und dieses Verbot im Hinblick auf die Eigenart des strafbaren Verhaltens ausreicht.

(6) Treffen die für die Entziehung der Gewerbeberechtigung vorgesehenen Voraussetzungen nur auf einen Teil der gewerblichen Tätigkeit zu, so kann die Gewerbeberechtigung auch nur zum Teil entzogen werden, wenn auch durch die nur teilweise Entziehung der Gewerbeberechtigung der Zweck der Maßnahme erreicht wird.

(7) Das Insolvenzgericht hat die Behörde in den Fällen des Abs. 1 Z 2 und des § 85 Z 2 vom Vorliegen des jeweiligen Ausschlusstatbestandes unverzüglich zu verständigen.

(8) Das Strafgericht hat die Behörde von den einen Entziehungstatbestand gemäß Abs. 1 Z 1 bildenden rechtskräftigen Verurteilungen unverzüglich zu verständigen.“

V.       Erwägungen:

§ 87 Abs 1 Z 3 GewO sieht einen Entzug der Gewerbeberechtigung vor, wenn der Gewerbeinhaber in Folge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die zur Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Diese Schutzinteressen sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung. Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinn der Z 3 liegt auch dann nicht vor, wenn die Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz aufgrund dessen Abs 3 Z 4 vorliegt.

Nach den Gesetzesmaterialien zum Entziehungstatbestand des § 87 Abs 1 Z 3 ist ein Verstoß dann als schwerwiegend anzusehen, wenn er geeignet ist, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen; außerdem muss es sich dabei um Verstöße gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen handeln, die bei der Ausübung gerade des gegenständlichen Gewerbes besonders zu beachten sind, wozu etwa Verstöße gegen die Ausübungs- und Standesregeln gehören. Durch die Formulierung dieser Gesetzesstelle soll verdeutlicht werden, dass nicht jeder wie immer geartete Verstoß die Entziehung der Gewerbeberechtigung zur Folge hat. Es muss sich um schwerwiegende Verstöße gegen die durch die jeweiligen Rechtsvorschriften geschützten Interessen handeln. Das Gewicht des Verstoßes ergibt sich aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses. Die Bedeutung des Schutzinteresses ist abhängig von Art und Gegenstand des Gewerbes. Mit den „im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen“ sind alle im Zusammenhang mit einem Gewerbe relevanten Bestimmungen erfasst. Die Gewerbeberechtigung ist gemäß § 87 Abs 1 Z 3 dann zu entziehen, wenn der Verlust der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit auf schwerwiegenden Verstößen gegen Rechtsvorschriften und Schutzinteressen beruht, die der Gewerbeinhaber im Rahmen der Ausübung seiner Gewerbeberechtigung zu beachten hat; bei der Prüfung, ob ein Entziehungsgrund des § 87 Abs 1 Z 3 vorliegt, bedarf es, anders als beim Entziehungsgrund des Abs 1 Z 1, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers, weil nach der Regelung dieser Gesetzesstelle sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den dort genannten schwerwiegenden Verstößen ergibt (vgl VwGH 26.06.2001, 2000/04/0179).

§ 87 Abs 1 Z 3 GewO verlangt für die zwingende Rechtsvermutung des Wegfalls der erforderlichen Zuverlässigkeit das Vorliegen schwerwiegender Verstöße (Mehrzahl) gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen. Die gerichtliche Verurteilung des AA vom 01.07.2016 beruht auf einem Vorkommnis, welches mit der Berufsausübung desselben in keinem wie immer gearteten Zusammenhang steht. Es handelte sich um eine Auseinandersetzung im Zuge des versuchten Besuchs eines Nachtlokals. Anders ist die Lage betreffend die Verurteilung vom 24.05.2019; dort hat der Rechtsmittelwerber zwar keinen Transportauftrag mehr ausgeführt, seinen LKW und somit das Betriebsmittel aber für die Fahrten am Folgetag aufgetankt. Ohne Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes wäre diese Handlung nicht notwendig gewesen, weshalb die sich dabei ergebene Körperverletzung im Zusammenhang mit der Ausübung des betreffenden Gewerbes zu sehen ist. Die im Gesetz demonstrativ aufgezählten Schutzinteressen wurden durch die Körperverletzung nicht berührt.

Der Entzug erfolgte gegenständlichenfalls nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO iVm § 5 Abs 1 Güterbeförderungsgesetz und Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/2009; nicht erfolgte der Entzug nach §  13 Abs 1 lit b GewO.

§ 5 Abs 2 Z 1 Güterbeförderungsgesetz bestimmt, dass die Zuverlässigkeit, abgesehen von dem in Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/2009 geregelten Fällen, insbesondere dann nicht gegeben ist, wenn der Gewerbeberechtigte von einem Gericht zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen verurteilt wurde. Diese Voraussetzung ist durch die beiden Urteile des Bezirksgerichtes X nicht erfüllt.

Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/2009 definiert die Voraussetzungen der Zuverlässigkeit. Diese Bestimmung stellt die Zuverlässigkeit zwingend in Frage durch Verurteilungen oder Sanktionen aufgrund eines schwerwiegenden Verstoßes gegen geltende einzelstaatliche Vorschriften. Die diesbezüglichen Rechtsbereiche werden in weiterer Folge aufgezählt und umfassen neben Handels- und Insolvenzrecht, Entgelt- und Arbeitsbedingen der Branche, Berufshaftpflicht sowie dem Menschen- oder Drogenhandel eine Reihe von Fachbereichen, die im Verwaltungsrecht geregelt sind. Körperverletzung oder Vergleichbares findet sich dort nicht.

Daraus ergibt sich die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Entzugstatbestände nach §  5  Abs  2  GütbefG und Art 6 Abs 1 EG-VO 1071/2009 nicht gegeben sind. Somit verbleibt nur § 87 Abs 1 Z 3 GewO. Die dort demonstrativ aufgezählten Schutzinteressen sind nicht betroffen.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass nur die Verurteilung aufgrund des Vorfalls vom 28.11.2018 im Zusammenhang mit der Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes steht. Die Z 3 des § 87 Abs 1 verlangt jedoch für die zwingende Rechtsvermutung des Wegfalls der erforderlichen Zuverlässigkeit das Vorliegen schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften. Da im gegenständlichen Fall jedoch nur eine der beiden Verurteilungen wegen einer Tat im Zusammenhang mit der Ausübung des betreffenden Gewerbes erfolgte, liegt die vom Gesetzestext geforderte Mehrzahl, nämlich Verstöße, nicht vor, weshalb der Gewerbeentzugsgrund nach § 87 Abs 1 Z 3 GewO nicht vorliegt. Es war deshalb entsprechend dem Beschwerdebegehren der bekämpfte Bescheid zu beheben und das Entzugsverfahren einzustellen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Entziehung der Gewerbeberechtigung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.1044.4

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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