TE Bvwg Beschluss 2020/4/20 W227 2226990-1

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Veröffentlicht am 20.04.2020
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Entscheidungsdatum

20.04.2020

Norm

B-VG Art131 Abs2
B-VG Art133 Abs4
UG §2
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W227 2226990-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von Mag. Mag. XXXX BSc., MSc., wegen Verletzung in Rechten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Zusammenhang mit der "Nichtzulassung der Beschwerdeführerin zu einer Lehrveranstaltung" an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien:

A)

Die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde aufgrund einer behaupteten Verletzung in Rechten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ein.

Begründend führte die Beschwerdeführerin Folgendes aus:

Sie habe sich bereits Anfang Oktober über das elektronische Anmeldesystem der BOKU Wien zur Lehrveranstaltung "Biotechnik der Fortpflanzung bei landwirtschaftlichen Nutztieren" des Masterstudiums "Nutztierwissenschaften" angemeldet. Daraufhin habe sie ein E-Mail zu Termine und Ort dieser Lehrveranstaltung erhalten. Ob eine verbindliche Anmeldung zur gegenständlichen Lehrveranstaltung vorgelegen sei, habe die Beschwerdeführerin aus dem "internen Anmeldesystem" nicht erschließen können.

Daher habe sie sich am 12. November 2019 persönlich an den zuständigen Studienprogrammleiter Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX gewandt und diesen um Zulassung zur gegenständlichen Lehrveranstaltung ersucht. Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX habe ihr jedoch mitgeteilt, dass er "[sie] schon kenne und [sie] sicher nicht anmelden werde".

Die Beschwerdeführerin habe sich sodann bei der Studienvertretung erkundigt, warum sie nicht zur gegenständlichen Lehrveranstaltung zugelassen werde. Diese habe ihr mitgeteilt, dass sie die durch den Studienprogrammleiter festgelegten Voraussetzungen für eine Zulassung nicht erfülle.

In Folge habe sie per E-Mail vom 1. Dezember 2019 um Auskunft über ihren Anmeldestatus ersucht. Da sie jedoch keine Antwort auf ihre Anfrage erhalten habe, sei sie am 4. Dezember 2019 zum ersten Termin der Lehrveranstaltung nach XXXX gefahren. Dort sei ihr mitgeteilt worden, Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX habe sie nicht "auf die Liste der 18 Teilnehmer aufgenommen", weshalb sie "nicht berechtigt sei, an der Lehrveranstaltung teilzunehmen". Daraufhin habe sie den Lehrsaal verlassen und ihre Heimreise antreten müssen.

Die Lehrveranstaltung sei für 25 Studierende des Masterstudiums "Nutztierwissenschaften" ausgeschrieben gewesen. Auf der am 4. Dezember 2019 verlesenen Anmeldeliste hätten sich bloß 18 Studierende befunden. Zwei davon seien trotz Anmeldung nicht erschienen. Im Studienplan gebe es keine aufgelisteten Voraussetzungen für die Teilnahme an der Lehrveranstaltung. Die "[ihr] gegenüber festgesetzten Voraussetzungen für die Teilnahme an der Lehrveranstaltung" seien "unsachlich und diskriminierend" festgelegt worden, zumal eine andere Studentin an der Lehrveranstaltung "ohne diese Voraussetzungen" habe teilnehmen können.

Die Nichtzulassung der Beschwerdeführerin zur Lehrveranstaltung stelle einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein der BOKU Wien zurechenbares Organ dar. Dadurch sei die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz gemäß Art. 7 Abs. 1 B-VG, auf Freiheit der Ausbildung gemäß Art. 18 StGG, auf Erwerbsfreiheit gemäß Art. 6 StGG und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG verletzt worden. Weiters sei das Legalitätsprinzip gemäß Art 18 B-VG verletzt worden, da die für eine Anmeldung zu einer Lehrveranstaltung erforderlichen Voraussetzungen im einschlägigen Curriculum festzulegen seien, was gegenständlich nicht erfolgt sei.

Weiters legte die Beschwerdeführerin ihren Behindertenpass, ein Foto vom 12. November 2019 über die Verlängerung der Anmeldefrist zur hier relevanten Lehrveranstaltung, ein Foto von ihrer Teilnahme an der Lehrveranstaltung am 4. Dezember 2019 und ein E-Mail der BOKU Wien vom 12. Dezember 2019 vor, wonach sich aufgrund des Studienfortschrittes der Beschwerdeführerin keinerlei Dringlichkeit für die Absolvierung der gegenständlichen Lehrveranstaltung im Wintersemester 2019/2020 ableiten lasse. Überdies beantragte sie die Einvernahme der Zeuginnen XXXX und Mag. XXXX .

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Am 12. November 2019 teilte Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX der Beschwerdeführerin mit, dass sie nicht zur Lehrveranstaltung "Biotechnik der Fortpflanzung bei landwirtschaftlichen Nutztieren" ihres Masterstudiums "Nutztierwissenschaften" im Wintersemester 2019/2020 zugelassen wird.

Am 4. Dezember 2019 gestattete Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX der Beschwerdeführerin nicht an der ersten Einheit der Lehrveranstaltung "Biotechnik der Fortpflanzung bei landwirtschaftlichen Nutztieren" in XXXX teilzunehmen bzw. ließ sie nicht zur gegenständlichen Lehrveranstaltung zu.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Zurückweisung der Beschwerde (Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

3.1.2. Zum Nichtvorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Die Verwaltungsgerichte erkennen nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die Erhebung einer solchen Maßnahmenbeschwerde ist dann zulässig, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Maßnahmenbeschwerde an das Verwaltungsgericht kann sich demnach nur gegen die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt durch Verwaltungsbehörden oder durch Organe in ihrem Dienst richten (vgl. VwGH 13.09.2016, Ro 2014/03/0062, m.w.N.).

Ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - das heißt ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird. Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl. VwGH 29.11.2018, Ra 2016/06/0124, m.w.N.).

Werden objektiv keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so handelt es sich um keine Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (VwGH 26.06.2018, Ra 2018/05/0184).

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte "Maßnahme" (Nichtgestattung der Teilnahme an einer Lehrveranstaltung bzw. Nichtzulassung zu einer Lehrveranstaltung) entbehrt gänzlich eines (normativen) Befehls- oder Zwangscharakters.

So übte Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX durch die Nichtgestattung der Teilnahme der Beschwerdeführerin an einer Lehrveranstaltung bzw. ihrer Nichtzulassung zu einer Lehrveranstaltung weder physischen Zwang aus noch erteilte er der Beschwerdeführerin einen Befehl, bei dessen Nichtbefolgung er eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion androhte. Die hier von Ass.Prof. Dipl.-Ing. Dr. XXXX ausgesprochene Aufforderung, den Lehrsaal zu verlassen und die Mitteilung über die Nichtzulassung der Beschwerdeführerin zur gegenständlichen Lehrveranstaltung, ohne allfällige physische Sanktionen anzudrohen, stellt keinen tauglichen Beschwerdegegenstand i.S.d. Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG dar.

Die vorliegende Beschwerde ist daher mangels Vorliegens eines Aktes der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch VwGH 18.02.2015, Ra 2015/10/0007 sowie VwGH 28.05.2019, Ra 2019/02/0099).

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018], § 24 VwGVG, Anm. 7 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass hier kein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Befehls- und Zwangsgewalt Lehrveranstaltung mangelnde Beschwer Maßnahmenbeschwerde Rechtsschutzinteresse Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W227.2226990.1.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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