TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 I409 2228756-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I409 2228756-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des ZXXXXAXXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch den "Verein Menschenrechte Österreich" in 1090 Wien, Alser Straße 20/5, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30. Jänner 2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Marokko, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 19. Jänner 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes machte er unter der Rubrik "Fluchtgrund" folgende Angaben:

"Ich habe im Jahr 2016 einen Abschluss als Mechatroniker gemacht, danach suchte ich vergeblich Arbeit in meinem Land. Jedoch ohne Erfolg. Mein psychischer Zustand verschlechterte sich, da ich keine Chance auf einen Arbeitsplatz hatte. Die Wirtschaftslage ist sehr schlecht."

Am 30. Jänner 2020 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er Folgendes an:

"LA (Leiter der Amtshandlung): Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe!

VP (Verfahrenspartei): Ich habe rein wirtschaftliche Gründe. Ich wollte z.B. weiter studieren, aber ich konnte mir das finanziell nicht leisten. Ich habe oft Arbeit gesucht und keine gefunden. Ich bin ein junger Mann mit 24 Jahren und machtlos, deshalb habe ich seelische Probleme bekommen und mich entschieden, Marokko zu verlassen. Ich habe gedacht und glaube noch immer daran, dass ich vielleicht in einem anderen Land weiter studieren kann oder eine Arbeit finden kann mit meiner bisherigen Ausbildung. Das sind all meine Fluchtgründe.

LA: Haben Sie sonst Probleme, außer den geschilderten, in Ihrem Heimatland?

VP: Nein."

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 30. Jänner 2020 wurde dem Beschwerdeführer zudem ab 30. Jänner 2020 die Unterkunftnahme im Quartier "XXXX" angeordnet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. Jänner 2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen und es wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III). Zudem wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß "§ 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-VG" die aufschiebende Wirkung aberkannt und festgestellt, dass eine Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß "§ 55 Absatz 1a FPG" nicht besteht (Spruchpunkt IV). Mit Spruchpunkt V wurde dem Beschwerdeführer gemäß "§ 15b Absatz 1 Asylgesetz 2005" aufgetragen, ab 30. Jänner 2020 im Quartier "XXXX" Unterkunft zu nehmen. Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß "§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG" ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI)

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos, gesund und erwerbsfähig, Staatsangehöriger von Marokko, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und er bekennt sich zum islamischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer hat in Marokko zwölf Jahre die Schule besucht und diese mit der Reifeprüfung abgeschlossen. Im Anschluss hat er eine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert. Überdies hat er mit diversen Gelegenheitsarbeiten Berufserfahrung gesammelt.

Seit 19. Jänner 2020 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf. Er hat hier keine privaten sowie keine familiären Anknüpfungspunkte.

Die Familie des Beschwerdeführers - insbesondere seine Eltern, ein Bruder sowie zwei Schwestern - lebt nach wie vor in Marokko und er steht in regelmäßigem Kontakt mit ihnen.

Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Erwerbstätigkeit nach und bestreitet seinen Lebensunterhalt über die staatliche Grundversorgung. Er weist keinerlei maßgebliche Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht auf.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Marokko aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Er wird im Fall seiner Rückkehr nach Marokko also mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:

Zur Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen:

"Politische Lage

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 6.5.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 8.2019a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 6.5.2019a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 8.2019a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel (AA 6.5.2019a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 8.2019a).

In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung ("Parti de la Justice et du Développement") hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premier-Minister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) (AA 6.5.2019a). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI - Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 8.2019a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 8.2019a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 21.1.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitslage

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 21.1.2020). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 21.1.2020). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 21.1.2020), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 21.1.2020).

Die Westsahara darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 21.1.2020). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 21.1.2020 ; vgl. FD 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020 ).

Im Jahr 2018 konnte Marokko das Terrorismusrisiko weitgehend eindämmen, obwohl das Land weiterhin sporadischen Bedrohungen ausgesetzt war, vor allem von kleinen, unabhängigen Terrorzellen, von denen die Mehrheit behauptete, vom sogenannten Islamischen Staat (IS) inspiriert oder mit dem IS verbunden zu sein. Marokko erlebte mit der Ermordung zweier skandinavischer Touristen im Dezember 2018 den ersten terroristischen Zwischenfall seit 2011. Im Jahr 2018 wurden gemäß Berichten der marokkanischen Strafverfolgungsbehörden 71 Personen verhaftet und mehr als 20 Terroristenzellen, die Angriffe planten, zerschlagen (USDOS 1.11.2019; vgl. AT 28.11.2019).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich (EDA 21.1.2020; vgl. IT-MAE 11.3.2020). Auch nicht genehmigte Demonstrationen verlaufen meist friedlich, es kommt jedoch vereinzelt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (IT-MAE 11.3.2020; vgl. AA 21.1.2020, BMEIA 21.1.2020, EDA 21.1.2020). In der Region Rif kann es zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in Drogenproduktion und -handel involviert sind (FD 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu. Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020; BMEIA 21.1.2020).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden (EDA 21.1.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

- AT - Africa Times (28.10.2019): Morocco's latest terror arrests renew a focus on chemical weapons, https://africatimes.com/2019/10/28/moroccos-latest-terror-arrests-renew-a-focus-on-chemical-weapons/, Zugriff 2.4.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (21.1.2020): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 21.1.2020

- EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (21.1.2020): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 21.1.2020

- FD - France Diplomatie (21.1.2020): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 21.1.2020

- IT-MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale (11.3.2020) : Viaggiare Sicuri - Marocco, http://www.viaggiaresicuri.it/country/MAR, Zugriff 2.4.2020

- USDOS - United States Department of State (1.11.2019): Country Reports on Terrorism 2018 - Morocco, S 143-145, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/11/Country-Reports-on-Terrorism-2018-FINAL.pdf, Zugriff 2.4.2020

Westsahara

Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko im Rahmen des sogenannten Grünen Marsches in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet seit der Annexion 1976 als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, welche die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall, dessen Baubeginn 1981 war, und der von der mauretanisch-marokkanischen Grenze durch die Sahara bis zum marokkanisch-algerisch-sahrauischen Dreiländereck verläuft, spaltet heute die Westsahara (GIZ 12.2019a). Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 75% des Territoriums. Die UNO erkennt Marokko jedoch nicht als Verwaltungsmacht für die Westsahara an. Seit 1991 überwacht sie den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente Polisario und seit Dezember 2018 wurden die Verhandlungen über den Status des Territoriums wieder aufgenommen (CIA 3.1.2020). 1991 endeten die Kampfhandlungen zwischen der Frente Polisario und Marokko. Die UNO installierte an mehreren Orten in der Westsahara zur Friedenssicherung die MINURSO (CIA 8.1.2020; vgl. GIZ 12.2019a; AA 6.5.2019b), und verlängerte zuletzt am 30.4.2019 das Mandat um sechs Monate (AA 6.5.2019b). Die Frente Polisario hatte im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, gebildet, die bis zu seinem Tod im Mai 2016 von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wurde. Sein Nachfolger Brahim Ghali wurde im Juli 2016 gewählt (GIZ 12.2019a). Für Marokko ist die Sicherung der Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko Staatsräson und zentrales Anliegen der marokkanischen Politik (AA 6.5.2019b).

Seit dem Ende der Kampfhandlungen im Jahr 1991 gelang es nicht, ein Referendum bzgl. des Status der Westsahara durchzuführen bzw. scheiterten Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario immer wieder. Seit November 2010 gab es mehrere Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario, doch eine Lösung des Konfliktes ist zurzeit nicht in Sicht. Die Zahl der Staaten, die die sahrauische Exilregierung anerkennen, ist von 80 auf gut die Hälfte gesunken (GIZ 12.2019a). Im Dezember 2018 wurden die Verhandlungen über den Status des Territoriums wieder aufgenommen (CIA 3.1.2020).

Als 1982 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) als offizielles Mitglied in die Organisation der Afrikanischen Union aufgenommen wurde, verließ Marokko diese als Reaktion darauf im Jahr 1984. Aufgrund des Westsahara-Konfliktes war Marokkos politische Position jedoch über Jahrzehnte schwach. In der Afrikanischen Union war Marokko mehr als 30 Jahre nicht Mitglied. In den vergangenen Jahren hat Marokko seine Beziehungen und Aktivitäten in Afrika jedoch intensiviert. In Westafrika gewinnt Marokko wirtschaftlich an Einfluss. Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 12.2019a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019b): Marokko - Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224118, Zugriff 21.1.2020

- CIA - Central Intelligence Agency (3.1.2020): The World Factbook - Morocco, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html, Zugriff 21.1.2020

- CIA - Central Intelligence Agency (8.1.2020): The World Factbook - Western Sahara, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html, Zugriff 21.1.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 11.3.2020). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 5.2019; AA 14.2.2018) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden setzen manchmal gerichtliche Anordnungen nicht zeitnah durch (USDOS 11.3.2020). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 14.2.2018).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 14.2.2018). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden. Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam ("garde à vue") zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 14.2.2018).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minder schweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 14.2.2018).

Seit Juli 2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben. Von der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurden die Angeklagten 2017 zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und lebenslänglich verurteilt (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 5.9.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Sicherheitsbehörden

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN "Direction Générale de la Sûreté Nationale" (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Nationalstraßen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED ("Direction Générale des Etudes et de Documentation") und den Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire") (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Im April 2015 wurde zusätzlich das "Bureau central d'investigations judiciaires" (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 14.2.2018).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 11.3.2020), gemäß auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung gewährleistet die Grundrechte und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Die Sicherheitsbehörden unterliegen der effektiven Kontrolle der zivilen Behörden. Für das Jahr 2018 lagen dem U.S. Department of State keine Berichte über willkürliche oder ungesetzliche Tötungen oder systematische Misshandlung oder Folter durch den Staat vor (BAMF 3.6.2019). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 11.3.2020).

Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Der CNDH (Conseil National des Droits de l'Homme / Nationaler Menschenrechtsrat) ist für den Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter zuständig (CDNH o.D.; vgl. AA 14.2.2018,A I 26.2.2019). Die marokkanische Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention. Systematische Folter findet nicht statt. Gleichwohl berichten NGOs über Fälle von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte. Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l'Homme") geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 14.2.2018).

Es gibt Berichte, dass Folter oder exzessive Polizeigewalt vorkommen (FH 1.4.2020). Der Staatsminister für Menschenrechte räumt ein, dass Folter in Einzelfällen auftritt, aber es sich nicht mehr um eine systematische Praxis handeln würde. Es besteht kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 11.3.2020). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat, insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST, vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien dokumentieren diese Vorwürfe nur bruchstückhaft (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- AI - Amnesty International (4.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003693/MDE2998912019ENGLISH.pdf, Zugriff 9.10.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2019/laenderreport-11-algerien-marokko-tunesien.pdf?__blob=publicationFile&v=5, Zugriff am 10.10.2019

- CDNH - Kingdom of Morocco, National Human Rights Council (o.D.): CNDH mandate for the protection of human rights, https://www.cndh.org.ma/an/presentation/cndhs-mandate-area-human-rights-protection, Zugriff 2.4.2020

- FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Korruption

Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um (USDOS 11.3.2020). Korruption ist in den staatlichen Institutionen und in der Wirtschaft weit verbreitet (FH 1.4.2020; vgl. GIZ 8.2019a). Staatsbedienstete,die in Korruptionsfälle verwickelt sind, gehen straffrei aus. Es gibt Berichte über Korruptionsfälle bei der Exekutive, Legislative und in der Justiz. Korruption ist bei der Polizei weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).

Trotz der offiziellen Rhetorik über die Korruptionsbekämpfung ist die Bilanz bei der Durchsetzung der Gesetze gemischt. Tiefgreifende Reformen zur Bekämpfung der Korruption werden durch einen Mangel an politischem Willen, geringe institutionelle Kapazitäten und den Einfluss von Eliten, die vom Status quo profitieren, gebremst (FH 1.4.2020; vgl. GIZ 8.2019a) .

Die Antikorruptionsbehörde National Authority for Probity, Prevention, and Fighting Corruption (INPPLC), das Justizministerium und die Hohe Rechnungskontrollbehörde (Government Accountability Court) sind für Korruptionsfragen zuständig. Die Behörden ermitteln in Fällen von Korruption kleineren Ausmaßes, jedoch hängen die Fälle manchmal in den Ermittlungs- oder Verhandlungsphasen fest. Korruptionsvorwürfe gegen die Polizei werden oft abgeschmettert, da ausschließlich die Aussagen der Polizisten berücksichtigt werden (USDOS 11.3.2020).

Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2019 den 80. von insgesamt 180 Plätzen (TI 23.1.2020).

Quellen:

- FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (8.2019a): LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 9.10.2019

- TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019 - Full Data Set, https://files.transparency.org/content/download/2450/14822/file/2019_CPI_FULLDATA.zip, Zugriff 11.2.2020

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Es gibt in Marokko eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen NGOs, die im Prinzip unbehelligt agieren kann. Verbote gegen einzelne Veranstaltungen und Einschränkungen für NGOs und Menschenrechtsorganisationen kommen jedoch vor. Ein NGO-Gesetz gibt es nicht. Für NGOs gilt das Vereinsrecht. Sie müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Es kommt vor, dass die Registrierungsanzeigen nicht fristgemäß mit einer Eingangsbestätigung beantwortet werden (AA 14.2.2018).

Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018).

Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains) und die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains). Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Ombudsmann

Zur Kontrolle der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte wurde nach der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 2011 ein "Nationaler Menschenrechtsrat" (Conseil National des droits de l'homme - CNDH) als besondere Verfassungsinstanz eingerichtet. Seine kritischen Bestandsaufnahmen und Empfehlungen zu Gesetzesentwürfen haben Gewicht und beeinflussen die Politik (AA 14.2.2018). Der CNDH ist sichtbar, aktiv und produktiv (Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten). Er legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung, bis hin zur Intervention (ÖB 5.2019). Menschenrechtsangelegenheiten werden somit durch den CNDH, die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Wehrdienst und Rekrutierungen

1966 hatte Marokko den Militärdienst eingeführt, 2006 war er abgeschafft worden, nun soll er wieder Pflicht werde. Bereits im Sommer 2018 hatte das marokkanische Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Am 26.12.2018 hat das Repräsentantenhaus in Rabat das Gesetz beschlossen (GIZ 12.2019a), und am 25.1.2019 trat das Gesetz in Kraft (DIS 7.2019). Das Gesetz sieht die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Marokkaner im Alter von 19 bis 25 Jahren vor. Insgesamt zwölf Monate sollen Männer und Frauen dienen, bis zum Alter von 25 Jahren (CIA 3.1.2020; vgl. DIS 7.2019; GIZ 12.2019a). Laut Medien hat König Mohammed VI. für 2019 festgelegt, dass die Regierung 10.000 Marokkaner rekrutieren soll, und dass die Anzahl bis Ende 2020 auf 15.000 erhöht werden soll. Wenn eine Person, die eingezogen wurde, der Vorladung ohne berechtigten Grund nicht nachkommt, wird sie mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und drei Monaten und eine Geldstrafe von 2.000 bis 5.000 DH bestraft (DIS 7.2019).

Quellen:

- CIA - Central Intelligence Agency (3.1.2020): The World Factbook - Morocco, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mo.html, Zugriff 21.1.2020

- DIS - Danish Immigration Service (7.2019): Morocco; Military service, Juli 2019,https://www.ecoi.net/en/file/local/2016126/brief+COI+report_military+service+in+Morocco_July+2019_final.pdf, Zugriff 10.10.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019a): LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage, v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 5.2019).

In den unter Titel II aufgeführten Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte (AA 14.2.2018).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt. Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 14.2.2018).

Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 14.2.2018).

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken jedoch die Meinungsfreiheit im Bereich der Presse und den sozialen Medien ein (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 14.2.2018). Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der drei Tabuthemen ersetzt. Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 14.2.2018).

Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 14.1.2020, AA 14.2.2018, FH 1.4.2020), sowie Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus. Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden. Für kritische Äußerungen in anderen Bereichen wurden Haftstrafen im Rahmen einer Änderung des Pressegesetzes im Juli 2016 abgeschafft und durch Geldstrafen ersetzt (HRW 14.1.2020).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die "kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 5.2019).

Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten - vor allem im Gebiet der Westsahara selbst - besonders exponiert sind (ÖB 5.2019).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die "roten Linien" Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 14.2.2018). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 11.3.2020). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 14.2.2018; vgl. FH 1.4.2020; USDOS 11.3.2020; HRW 14.1.2020).

2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort "Hirak" zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 14.2.2018).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 11.3.2020). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 14.1.2020). Politischen Oppositionsgruppen und Organisationen, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen, wird kein NGO-Status zuerkannt (USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

- FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022718.html, Zugriff 20.1.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Opposition

Die Gründung von neuen Parteien wurde mit der Verfassung von 2011 vereinfacht. Verboten bleibt die Gründung von Parteien auf ethnischer, religiöser, sprachlicher oder regionaler Grundlage. Zugelassene Oppositionsparteien sind in ihrer Arbeit nicht wesentlich eingeschränkt. Politische Debatten werden offen und kontrovers geführt. Parteiprogrammatik ist insgesamt schwach ausgeprägt (AA 14.2.2018).

Neben der parlamentarischen Opposition sind im außerparlamentarischen Bereich vor allem folgende Gruppierungen zu nennen (AA 14.2.2018):

- Die durch den gewaltsamen Unfalltod eines Fischhändlers in Al Hoceima im Norden Marokkos im Oktober 2016 ausgelöste Protestbewegung ("Hirak") war eine vor allem über die sozialen Netzwerke organisierte Bewegung ohne klare Strukturen mit sozioökonomischen Forderungen (AA 14.2.2018). Die Bewegung Hirak war hauptsächlich 2016 und 2017 aktiv, es kam zu starken Repressionen seitens des marokkanischen Staates (lvsl), aber auch zu Begnadigungen (AA 14.2.2018). Verfahren gegen Beteiligte führten in den Folgejahren zu Solidaritätsbekundungen in Form von Protesten (lvsl 28.12.2019).

- Die Bewegung "20. Februar", die Auslöser bzw. Anführer der Protestbewegung im Jahr 2011 war, hat seit der Verfassungsreform und den Parlamentswahlen an Bedeutung verloren. Bei Demonstrationen zu unterschiedlichen Anlässen 2016 und 2017 konnte sie nur noch einige hundert Teilnehmer mobilisieren (AA 14.2.2018).

- "al-Adl wal-Ihsan" ist die wichtigste islamistische Massenbewegung und der bedeutendste Gegenspieler der regierenden PJD im islamistischen Lager. Trotz Verbots 1990 wird sie von staatlicher Seite weitgehend geduldet. Die Organisation lehnt die Autorität des Königs als "Amir al-Mouminin" (Führer der Gläubigen) und damit einen der Grundpfeiler des marokkanischen Staates ab. Sie betätigt sich vor allem karitativ, mobilisiert für sozialpolitische Forderungen und kann vermutlich mehrere zehntausend Anhänger hinter sich versammeln (AA 14.2.2018).

- Die Bewegung "al-Tawhid wal-Islah" ("Monotheismus und Reform") ist die weltanschauliche Heimat und religiöse Parallelorganisation der Regierungspartei PJD. Sie hat Vorbehalte gegenüber westlichen Demokratie-Modellen und ist in ihren gesellschaftspolitischen Forderungen konservativer als die Partei PJD (AA 14.2.2018).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die schon zitierten "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen (ÖB 5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

- lvsl - le vent se lève (28.11.2019): Répression des mouvements du Rif par l'état marocain: aus origines de la fracture, https://lvsl.fr/repression-des-mouvements-du-rif-par-letat-marocain-aux-origines-de-la-fracture/, Zugriff 23.1.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Haftbedingungen

Die Zustände in den Gefängnissen haben sich verbessert, entsprechen jedoch in einigen Fällen nicht internationalen Standards (BAMF 3.6.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Obwohl 26 neue Haftanstalten, die internationalen Standards entsprechen, gebaut wurden, sind viele weiterhin überbelegt (BAMF 3.6.2019). Die zentrale Gefängnisverwaltung arbeitet am Bau von 36 weiteren Gefängnissen bis 2020 (AA 14.2.2018). Die neu errichteten Gefängnisse entsprechen - im Gegensatz zu den älteren Gefängnissen - internationalen Standards und verurteilte Straftäter und Untersuchungshäftlinge sind getrennt untergebracht (USDOS 11.3.2020).

Die Lage in den Haftanstalten bleibt problematisch. Trotz steigender Häftlingszahlen sinkt aufgrund des Baus neuer Haftanstalten die Überbelegungsquote langsam (2016 bei 38%). Insbesondere in Haftanstalten, die stark von der Überbelegung betroffen sind, müssen Gefangene wegen fehlender Betten auf dem Boden schlafen. Beklagt wird von vielen Häftlingen die schlechte Versorgungslage. Die Mahlzeiten sind unzulänglich und müssen durch gekaufte und durch die Familie mitgebrachte Nahrungsmittel aufgebessert werden. Jugendliche sind oft zusammen mit erwachsenen Straftätern untergebracht. Zwischen Männern und Frauen hingegen herrscht in den Haftanstalten eine strikte Trennung (AA 14.2.2018).

Der Menschenrechtsrat CNDH hat das Mandat, Haftbedingungen auf Anfrage des Inhaftierten zu prüfen. Ob Möglichkeiten der Abhilfe bestehen, wird mit der Gefängnisleitung aufgenommen, ggf. kommt eine Verlegung in eine andere Haftanstalt in Betracht. Die medizinische Versorgung ist in vielen Haftanstalten mangelhaft (AA 14.2.2018).

Die Regierung gestattet bestimmten NGOs mit Menschenrechtsauftrag, unbegleitete Kontrollbesuche durchzuführen. Die Regierungspolitik erlaubt den Zutritt zu den Gefangenen um diesen soziale, erzieherische oder religiöse Dienstleistungen zukommen zu lassen (USDOS 11.3.2020).

Inhaftierte berichteten über Folter und andere Misshandlungen im Polizeigewahrsam (BAMF 3.6.2019; vgl. FH 1.4.2020, USDOS 11.3.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen,

https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Herkunftslaenderinformationen/algerien-marokko-tunesien-laenderreport-11.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 10.10.2019

- FH - Freedom House (1.4.2020): Freedom in the World 2020 - Morocco, https://freedomhouse.org/country/morocco/freedom-world/2020, Zugriff 2.4.2020

- USDOS - United States Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Morocco, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/MOROCCO-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 2.4.2020

Todesstrafe

Marokko verhängt weiterhin die Todesstrafe. Seit 1993 gilt jedoch ein de-facto-Moratorium, Todesurteile werden nicht mehr vollstreckt (AA 14.2.2018; vgl. AI 26.2.2019; BAMF 3.6.2019).

Die Regierungspartei PJD sowie konservative gesellschaftliche Kräfte lehnen mit Verweis auf den Koran und islamisches Recht eine vollständige Abschaffung der Todesstrafe ab. Eine breite zivilgesellschaftliche Koalition, der die wichtigsten marokkanischen NGOs und viele Abgeordnete beider Kammern des Parlaments angehören, engagiert sich für die Abschaffung der Todesstrafe. Beobachter halten eine Wiederaufnahme der Vollstreckung von Todesurteilen für unwahrscheinlich (AA 14.2.2018).

Die Todesstrafe wurde 2015 neun, 2016 sechs Mal verhängt. Im Wege von Begnadigungen durch König Mohammed VI. werden immer wieder Todesstrafen in Haftstrafen umgewandelt (AA 14.2.2018). Zwischen Jänner und Oktober 2017 bestätigte das höchste Gericht die Todesstrafe in drei Fällen; elf weitere Todesurteile, die im Jahr 2017 verkündet wurden, waren zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht rechtskräftig (HRW 12.1.2018). In Auslieferungsverfahren besteht die Möglichkeit, eine Bestätigung zu erhalten, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Zusage von marokkanischer Seite nicht eingehalten wird. Die marokkanischen Behörden gewähren der deutschen Botschaft den Zugang zu ausgelieferten marokkanischen Inhaftierten (AA 14.2.2018).

Ein Berufungsgericht hat 2019 die Todesurteile gegen die drei Hauptangeklagten für die Morde an den skandinavischen Rucksacktouristinnen bestätigt. Im Falle des vierten Angeklagten hat ein anderes Berufungsgericht die lebenslange Haftstrafe ebenfalls in eine Todesstrafe umgewandelt (BAMF 11.11.2019; vgl. NZZ 31.10.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 14.10.2019

- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003693/MDE2998912019ENGLISH.pdf, Zugriff 21.1.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (11.11.2019): Briefing Notes 11 November 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2020352/briefingnotes-kw46-2019.pdf, Zugriff 21.1.2020

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen,

https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Herkunftslaenderinformationen/algerien-marokko-tunesien-laenderreport-11.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 10.10.2019

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2018): World Report 2018 - Morocco and Western Sahara, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422521.html, Zugriff 21.1.2020

- NZZ - Neue Zürcher Zeitung (31.10.2019): Gericht in Marokko bestätigt Todesurteil nach Mord an Touristinnen, https://www.nzz.ch/panorama/gericht-in-marokko-bestaetigt-todesurteil-nach-mord-an-touristinnen-ld.1518922, Zugriff 23.1.2020

Religionsfreiheit

Mehr als 99% der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha'i) machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 12.2019b; USDOS 21.6.2019).

In Marokko sind Staat und Religion nicht getrennt (GIZ 10.2019b). Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist die Staatsreligion in Marokko. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher "fatwas") ist weithin akzeptiert (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 10.2019b; USDOS 21.6.2019). Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 14.2.2018).

Art. 3 der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften wie etwa die Baha'i werden ebenso wenig staatlich anerkannt wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schia. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 14.2.2018).

Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim "zu erschüttern" und zu missionieren (Art. 220 Abs. 2 des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 14.2.2018).

Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt. Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Status rechtlich ist eine Konversion zum Christentum für Marokkaner nicht möglich. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 14.2.2018).

Nicht-Muslime müssten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019).

Die Behörden inhaftierten marokkanische Christen und befragten diese über ihren Kontakt zu anderen Christen. Passanten sollen während des Ramadan mindestens eine Person angegriffen haben, weil sie während des Ramadans in der Öffentlichkeit gegessen hatten (USDOS 21.6.2019).

Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus. Baha'i bekennen sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben, da ihre Glaubensrichtung als häretisch gilt (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 1.4.2020). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in "ausländischen" Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenig

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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