TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/24 VGW-031/070/15509/2019

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Entscheidungsdatum

24.04.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49 Abs1
VStG §49 Abs2
AVG §13
AVG §45 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Romaniewicz-Wenk über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Zurückweisungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 21.11.2019, Zl. MA67/…45/2019, mit welchem der Einspruch vom 23.09.2019 gegen die Strafverfügung vom 10.07.2019 gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG als verspätet zurückgewiesen wurde,

zu Recht e r k a n n t:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Abs. 1 iVm § 38 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG und iVm § 49 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Im Übrigen ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom 23.09.2019 (E-Mail) langte entweder am 24.09.2019 und/oder am 31.10.2019 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, ein Einspruch von Frau A. B. auszugsweise mit folgendem Inhalt ein:

Betreff: Einspruch MA 67/…45/2019 (Zahlenfolge hervorgehoben durch das Verwaltungsgericht Wien)

Betreff: Einspruch MA 67/…66/2019 (Zahlenfolge hervorgehoben durch das Verwaltungsgericht Wien)

Einspruch

Innerhalb offener Frist erhebe ich Einspruch gegen die Strafverfügung vom 09.09.2019, erhalten am 11.09.2019. Da ich das Fahrzeug nicht zum Halten aufgestellt habe, sondern notgedrungen anhalten mußte, da jemand das Tor zur Werkstätte geschlossen hatte und ich anhalten mußte, um dieses zu öffnen, da ich sonst nicht einfahren konnte. Der sogenannte nicht gekennzeichnete Platz ist der einzige freie Platz um in die Werkstätte zu fahren und man behindert auch niemanden.“

Dieser Einspruch wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom 21.11.2019, MA67/…45/2019 gemäß § 49 Abs. 1 VStG zurückgewiesen. Im Wesentlichen mit der Begründung, dass mit Strafverfügung von 10.07.2019 über Herrn C. D. eine Geldstrafe von EUR 68,-- verhängt worden sei. Der Einspruch von A. B. sei aber erst am 31.10.2019 eingebracht worden und daher trotz richtiger Belehrung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, sodass der Einspruch als verspätet zurückgewiesen werden müsse. Im Übrigen hat die Behörde bemerkt, dass A. B. nicht berechtigt sei in diesem Verfahren einen Einspruch einzubringen, zumal dies nur die in der Strafverfügung genannte Person dürfe.

Dagegen erhob A. B. (in weiterer Folge Beschwerdeführerin) fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass sehr wohl gegen die Strafverfügung vom 10.07.2019 am 22.07.2019 Einspruch erhoben worden sei.

In weiterer Folge legte die belangte Behörde mit E-Mail vom 03.12.2019 dem Verwaltungsgericht Wien den behördlichen Akt samt Beschwerde vor. Diese hat keine Beschwerdevorentscheidung erlassen und verzichtete auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Das Verwaltungsgericht Wien beraumte für den 23.03.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Ladung der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin an.

Mit Übermittlung der Ladung wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schriftstücks die Geschäftszahl der bekämpften Strafverfügung zu präzisieren (MA67/…45/2019 oder MA67/…66/2019).

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichts Wien vom 31.01.2020 bei der belangten Behörde, ob zur Zl. MA67/…66/2019 ein Verfahren gegen die Beschwerdeführerin anhängig sei oder gewesen sei, antwortete diese mit Schriftsatz vom 03.02.2020 auszugsweise Folgendes:

Bezug nehmend auf ihre Anfrage vom 31.1.2020 teilen wir mit, dass zur Zahl MA 67/…45/2019 ein Verfahren gegen Frau A. B. anhängig ist. Diese ist noch nicht abgeschlossen.“

Am 05.02.2020 informierte weiters die belangte Behörde das Verwaltungsgericht Wien, dass sie an der Verhandlung am 23.03.2020 nicht teilnehmen wird.

Mit Schriftsatz (E-Mail) vom 13.02.2020 teilte nun die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgericht Wien auf seine o.g. Aufforderung auszugsweise Folgendes mit:

Betreff: GZ: VGW-031/070/15509/2019-3

Die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 21.11.2019 MA67/…45/2019 sollte richtig  MA67/…66/2019 lauten.

Der Einspruch vom 31.10.2019 welcher richtigerweise gegen die Strafverfügung vom 9.9.2019 (MA67/…66/2019) gemeint war, welche innerhalb der Frist beeinsprucht wurde und lediglich einen Ziffernirrtum im Betreff beinhaltet.

Der Einspruch vom 23.9.2019 bezieht sich auf die Strafverfügung MA67/…66/2019

Anbei die Anzeige und Einspruch zu MA67/…66/2019

Mit dem gegenständlichen Schriftsatz übermittelte die Beschwerdeführerin eine Kopie einer Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom 09.09.2019 zur Zl. MA67/…66/2019, mit welcher dieser vorgeworfen worden sei, am 03.07.2019, 10.25 Uhr in der E.-gasse in Wien als Lenkerin des Fahrzeugs mit dem Kennzeichen W-1 dieses außerhalb eines Parkplatzes nicht am Rande der Fahrbahn, sondern neben einem anderen Fahrzeug aufgestellt zu haben, obwohl sich dies weder aus Bodenmarkierungen noch Straßenverkehrszeichen ergeben habe. Dadurch habe sie gegen § 23 Abs. 2 StVO verstoßen. Es wurde über sie eine Geldstrafe von EUR 68,- verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden vorgeschrieben.

Aufgrund der COVID-19-Maßnahmen hat das Verwaltungsgericht Wien mit Schriftstück vom 16.03.2020 die Verhandlung abberaumt.

2. Maßgeblicher Sachverhalt

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender Sachverhalt fest:

Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom 09.09.2019, Zl. MA67/…66/2019, wurde der Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 2 StVO zur Last gelegt und über sie gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 68,- (Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden) verhängt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom 23.09.2019 Einspruch, der entweder am 24.09.2019 oder 31.10.2019 bei der Behörde einlangte. Der Schriftsatz bezog sich irrtümlicherweise im Betreff und im Inhalt auf zwei verschiedene Geschäftszahlen, nämlich MA67/…66/2019 und MA67/…45/2019, wobei die Beschwerdeführerin in ihrem Einspruch die Strafverfügung ausdrücklich mit dem Datum „vom 09.09.2019, erhalten am 11.09.2019“ bezeichnete. Mit Schriftsatz vom 13.02.2020 stellte diese klar, dass sich der konkrete Einspruch gegen die bereits erwähnte Strafverfügung vom 09.09.2019, MA67/…66/2019 richtete.

Die belangte Behörde wertete diesen Einspruch jedoch ohne eine allfällige Verspätung der Beschwerdeführerin vorzuhalten oder diese zu einer Präzisierung ihres Begehrens aufzufordern, als verspäteten Einspruch gegen die Strafverfügung vom 10.07.2019, MA67/…45/2019 und wies diesen mit dem angefochtenen Bescheid zurück.

Der Beschuldigte, dem mit Strafverfügung vom 10.07.2019, Zl. MA67/…45/2019 vorgeworfen wurde, gegen § 23 Abs. 2 StVO verstoßen zu haben, war ausschließlich C. D..

3. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit das Verwaltungsgericht Wien nicht zweifelt sowie durch Würdigung des Parteienvorbringens.

Die Feststellungen zur Strafverfügung vom 10.07.2019, Zl. MA67/…45/2019 und zum Einspruch der Beschwerdeführerin vom 23.09.2019 (eingelangt bei der Behörde entweder am 24.09.2019 oder 31.10.2019) ergeben sich aus den entsprechenden dem verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Dokumenten und werden im Übrigen auch nicht bestritten.

Die Feststellungen zur Strafverfügung vom 09.09.2019, MA67/…66/2019 und dem Begehren der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihrem Einspruch sowie ihrer Stellungnahme vom 13.02.2020 und der dieser beigelegten Kopie der Strafverfügung vom 09.09.2019 (VGW-Akt). Der Beschwerdeführerin war Glauben zu schenken, weil sich bereits aus dem Einspruch der Beschwerdeführerin vom 23.09.2019 ergibt, dass diese Einspruch gegen die Strafverfügung vom 09.09.2019 erheben wollte und die Zl. MA67/…45/2019 offensichtlich irrtümlich im Betreff des Schriftsatzes (E-Mails) zusätzlich erwähnt wurde.

In Anwendung des § 44 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht Wien ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt erwogen:

4. Rechtliches

4.1. Keine Erforschung des Parteiwillens

Der Einspruch ist das ordentliche Rechtsmittel gegen eine Strafverfügung. Der Einspruch gegen eine Strafverfügung kann gemäß § 49 Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen ab Zustellung erhoben werden. Diese Frist bildet eine verfahrensrechtliche Frist, die gemäß § 32 Abs. 2 und § 33 AVG zu berechnen und nicht erstreckbar ist. Ein verspätet erhobener Einspruch ist bescheidförmig zurückzuweisen; auf ein Verschulden der Partei kommt es dabei nicht an. Warum kein rechtzeitiger Einspruch erhoben wurde, ist dabei rechtlich ohne Belang. Wird allerdings ein Einspruch mit Bescheid zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen, ist der Einspruchswerber dadurch in seinem Recht auf Einleitung eines ordentlichen Verfahrens (§ 49 Abs. 2 erster Satz VStG) verletzt.

Im Einspruch der Beschwerdeführerin vom 23.09.2019 hat sich diese gegen die Strafverfügung vom 09.09.2019, die sie laut eigenen Angaben am 11.09.2019 erhalten habe, gewendet. In diesem Schriftsatz hat die Beschwerdeführerin zwei Geschäftszahlen angegeben: Zl. MA67/…66/2019 und (offensichtlich irrtümlich) Zl. MA67/…45/2019. Jedoch bereits aufgrund der im Einspruch angegebenen Datierung der Strafverfügung vom 09.09.2019 hätte für die Behörde erkennbar sein müssen, dass dieser sich nicht gegen die Strafverfügung vom 10.07.2019 (!) zu MA67/…45/2019 richten kann.

Dazu ausführlich im Folgenden:

§ 49 VStG enthält – im Gegensatz zu bspw. § 9 VwGVG, der die inhaltlichen Voraussetzungen einer Beschwerde regelt ? keine näheren Angaben zum Inhalt des Einspruchs als Rechtsmittel. Wesentlich ist jedoch, dass der Einspruch die Strafverfügung, gegen die er sich richtet, erkennen lässt (arg: gegen die Strafverfügung) sowie, dass der Einspruchswerber die Bestrafung ablehnt. Der Einspruch muss keinen ausdrücklichen Antrag enthalten; ebenso wenig ist der Einspruchswerber verpflichtet, die Einstellung des Verfahrens zu beantragen (vgl jeweils VwGH 15. 5. 1991, 91/02/0002). Eine Bezeichnung der Eingabe als „Einspruch“ ist ebenso entbehrlich, noch schadet eine falsche Bezeichnung etwa als „Berufung“, solange der Wille der Partei, einen Einspruch zu erheben, erkennbar ist (VwGH 22.04. 1999, 99/07/0010; Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 49 Rn 8 [Stand 01.05.2017, rdb.at]). Alles in allem kann zusammengefasst werden, dass an das Rechtsmittel des Einspruchs nur wenige Voraussetzungen geknüpft werden.

Im konkreten Fall hat die Beschwerdeführerin all diese Voraussetzungen mit der Ausnahme, dass sie zwei Aktenzeichen genannt hat, erfüllt.

Dazu ist auszuführen, dass bei der Auslegung des Parteianbringens es auf das aus diesem erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters ankommt. Parteienerklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Dem Geist des AVG ist ein übertriebener Formalismus fremd, weswegen auch bei der Auslegung von Parteianbringen im Sinne des § 13 AVG kein streng formalistischer Maßstab anzulegen ist. Wenn der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens unklar ist, ist die Behörde entsprechend der ihr gemäß § 37 iVm § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Einschreiter zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0391 mwN). Insbesondere bei der Beurteilung, ob eine unmissverständliche Bezeichnung des „falschen“ Bescheides vorliegt, ist auch auf die übrigen Ausführungen im Rechtsmittel Bedacht zu nehmen (VwGH 08.10.2014, 2013/10/0062). In diesem Zusammenhang hat die Behörde auch geringfügige Ermittlungsschritte zu setzen, durch die die bekämpfte Entscheidung – ungeachtet einer allenfalls mangelhaften Bezeichnung – festgestellt werden kann (vgl. VwGH 05.11.2014, 2012/10/0252).

Im konkreten Fall hat die Beschwerdeführerin in ihrem Einspruch ausdrücklich festgehalten, dass sie die Strafverfügung vom 09.09.2019 beeinsprucht. Dabei fügte sie einerseits die GZ. MA67/…45/2019 im Betreff des E-Mails ein und andererseits erwähnte sie die (korrekte) GZ. MA67/…66/2019 im eigentlichen Schriftsatz als „Betreff“. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen und der Ergebnisse der durch das Verwaltungsgericht Wien geringfügig gesetzten Ermittlungsschritte sowie der mangelnden Legitimation der Beschwerdeführerin im Verfahren zu MA67/…45/2019, die im konkreten Fall zumindest ein Indiz darstellt, hegt das Verwaltungsgericht Wien keine Zweifel daran, dass aufgrund des objektiven Erklärungswerts des Rechtsmittels die Beschwerdeführerin einen Einspruch gegen die Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67 vom 09.09.2019, MA67/…66/2019 erhoben hat.

Die belangte Behörde hat dies jedoch trotz Offenkundigkeit nicht erkannt und auch bei allfälligen Zweifeln an der richtigen Bezeichnung des Bescheids keine (zumindest geringfügigen) Ermittlungsschritte gesetzt. Aufgrund dessen ist die belangte Behörde ohne Durchführung einer rechtskonformen Auslegung des Parteiwillens oder Setzung von Ermittlungsschritten eigenmächtig von dem durch die Beschwerdeführerin definierten Verfahrensgegenstand abgewichen. Diese hat in weiterer Folge einen Rechtsakt (Erlassung des angefochtenen Bescheids) gesetzt, zu dem sie nicht berufen und ermächtigt war und verweigerte somit eine ihr zukommende Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch im Verfahren zu MA67/…66/2019.

Daher war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. VwGH 15.5.1991, 91/02/0002).

4.2. Kein Vorhalt der Verspätung

Zudem wird festgehalten, dass vor Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet die Behörde gemäß § 24 VStG iVm § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet ist, dem Beschwerdeführer eine nach dem Akteninhalt offenkundige Verspätung seines Rechtsmittels vorzuhalten. Unterlässt sie dies und geht sie von einer Versäumung der Rechtsmittelfrist aus, ohne dies dem Rechtsmittelwerber vorgehalten zu haben, hat sie daher das Risiko einer Aufhebung des Bescheides zu tragen (vgl. VwGH 24.11.2011, 2011/23/0269).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Verspätung des Einspruches der Beschwerdeführerin nicht vorgehalten, sondern diesen mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesen. Dort brachte die Behörde die Zustellvermutung des § 26 Abs. 2 ZustG und § 6 ZustG sowie die mangelnde Legitimation der Beschwerdeführerin ins Treffen, ohne den Einspruch der Beschwerdeführerin jedoch nach seinem objektiven Erklärungswert auszulegen und bei Bedarf geringfügige Ermittlungsschritte zu setzen. Hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin zumindest vorgehalten, dass sie von einem verspäteten Einspruch ausgehe und daher beabsichtige diesen zurückzuweisen, so hätte die Beschwerdeführerin eine Möglichkeit gehabt sich zu dem durch die Behörde irrtümlich angenommenen Verfahrensgegenstand zu äußern. Diese Möglichkeit wurde der Beschwerdeführerin aber verwehrt.

Auch aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid als rechtswidrig zu beheben.

4.3. Weitere Vorgehensweise der belangten Behörde

§ 49 Abs. 2 vierter Satz VStG sieht vor, dass durch den Einspruch gegen eine Strafverfügung, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wurde und darin nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft tritt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0027). Aufgrund des erhobenen Einspruchs der Beschwerdeführerin vom 23.09.2019 gegen die Strafverfügung vom 09.09.2019 zu MA67/…66/2019 wird die Behörde in diesem Verfahren die Rechtzeitigkeit des Einspruchs zu prüfen haben und falls dieser fristgerecht eingebracht wurde, das ordentliche Verfahren gegen die Beschwerdeführerin einzuleiten und zu führen haben. Insbesondere wird aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien zur Rechtzeitigkeit zu prüfen sein, ob der konkrete Einspruch am 24.09.2019 oder erst am 31.10.2019 bei der Behörde eingelangt sei, da aufgrund der derzeitigen Aktenlage – entgegen der behördlichen Annahme des 31.10.2019 als Einbringungsdatum im angefochtenen Bescheid – dies nicht klar aus dem Akteninhalt hervorgeht.

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die neuerliche Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Die Kostenentscheidung gründet auf der im Spruch genannten Gesetzesstelle.

4.4. Zur Unzulässigkeit der Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 B-VG) gemäß § 25a Abs. 4 VwGG unzulässig, zumal wegen Übertretung des § 23 Abs. 2 StVO bloß eine Geldstrafe von bis zu EUR 726,-- und keine primäre Freiheitsstrafe verhängt werden durfte (vgl. § 99 Abs. 3 lit. a StVO) und im angefochtenen Straferkenntnis eine Geldstrafe von EUR 68,-- verhängt wurde.

Verfahrensrechtliche Entscheidungen sind vom Begriff der „Verwaltungsstrafsache“ eingeschlossen (VwGH 10.10.2014, Ra 2014/02/0093; 5.3.2015, Ra 2015/02/0012).

Hinweis zum COVID-19-VwBG

Abweichend von der nachstehenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem 1. Mai 2020 zugestellt wurde und nicht etwas anderes iSd. § 5 COVID-19-VwBG verordnet wurde – mit 1. Mai 2020 zu laufen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 COVID-19-VwBG, stF. BGBl. I Nr. 16/2020 idF. BGBl. I Nr. 24/2020).

Schlagworte

Strafverfügung; Einspruch; objektiver Erklärungswert; Anbringen; Verspätung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.070.15509.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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