TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/10 LVwG-2020/40/0835-3

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Veröffentlicht am 10.08.2020
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Entscheidungsdatum

10.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Z vom 10.02.2020, Zl ***, betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass es im Spruch des angefochtenen Bescheides anstatt § 33 Abs 3 iVm § 33 Abs 1 VwGVG nunmehr § 71 Abs 1 AVG zu lauten hat.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Strafverfügung vom 17.12.2019, Zl ***, wurde seitens der belangten Behörde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von Euro 360,00, wegen einer Übertretung nach der GewO 1994 verhängt. Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung ab 23.12.2019 zugestellt.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 10.01.2020 wurde ein Zustellmangel überprüft, der vom Beschwerdeführer mit E-Mail vom 13.01.2020 dahingehend beantwortet wurde, dass der Beschwerdeführer vom 25. Dezember 2019 bis 05. Jänner 2020 in Y (Deutschland) gewesen sei. Ein Zugticket von der Rückfahrt habe er (die Hinfahrt sei mit dem Auto erfolgt). Ihr Büro sei vom 24. Dezember 2019 bis 07. Jänner 2020 geschlossen gewesen. Am 06. Jänner 2020 sei ein Feiertag gewesen. Es habe demnach die Möglichkeit für ihn gegeben, den Brief abzuholen, jedoch sei die mögliche Zeitspanne sehr knapp gewesen (23. und 24. Dezember 2019).

Mit E-Mail vom 16.01.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist. Begründend führte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer aus, dass am 20.12.2019 der erste Zustellversuch erfolgt sei, der aber erfolglos geblieben sei, wobei nicht mehr zu klären sei, ob der Zusteller an der Hausglocke geläutet habe. Jedenfalls habe der Zusteller eine Hinterlegungsanzeige hinterlassen. Noch am 20.12.2019 habe sich der Beschuldigte zu seiner Mutter nach X, Adresse 2, begeben, wo er auch die folgenden Tage und das Weihnachtsfest verbracht habe. Von dort sei er am 25.12.2019 mit einer Freundin nach Deutschland/Y gefahren und sei erst am 05.01.2020 nach Z zurückgekehrt. In dieser Zeit sei das Büro geschlossen gewesen. Infolge der wenigen Arbeitstage, die zur Verfügung gestanden hätten und dem Umstand, dass der Beschuldigte beinahe während der gesamten Einspruchsfrist ortsabwesend gewesen sei, habe er ohne sein Verschulden keine Möglichkeit gehabt, die Einspruchsfrist zu wahren. Es sei zwar richtig, dass der Zustellversuch an einem Tag erfolgt sei, an dem der Beschuldigte zeitweise ortsanwesend gewesen sei und er auch theoretisch am 07.01.2020 die Frist noch hätte wahren können, hätte er von der Zustellung gewusst. Dennoch könne ihm die Versäumung der Frist nicht als Verschulden angelastet werden. Gleichzeitig wurde Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.02.2020, ***, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs 3 iVm § 33 Abs 1 VwGVG abgewiesen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass aus dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gemäß § 33 AVG (?) hervorginge. Es würden lediglich Angaben dazu gemacht, dass der Beschuldigte zeitweise ortsabwesend gewesen sei und er auch die Frist zur Abholung wahren hätte können, hätte er von der Zustellung gewusst. Der Beschuldigte habe angegeben, dass er am 23.12.2019 sowie am 24.12.2019 die Möglichkeit gehabt hätte, den besagten Brief abzuholen. In diesem Schreiben werde mit keinem Wort erwähnt, dass der Beschuldigte bereits am 20.12.2019 verreist sei, weiters werde mit keinem Wort erwähnt, dass der Beschuldigte keine Kenntnis über die Hinterlegung gehabt hätte. Somit widersprächen sich hier die Angaben des Beschuldigten, mit den Angaben des Rechtsanwaltes. Der Beschuldigte als auch der Anwalt würden angeben, dass es dem Beschuldigten sehr wohl möglich gewesen wäre, an drei Werktagen (23.12.2019, 24.12.2019 sowie 07.01.2020) den besagten RSa-Brief zu beheben.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer weiters vor, dass unstrittig sei, dass objektiv die Möglichkeit bestanden hätte, die Zustellung beim Postamt abzuholen. Feststehe, dass der Beschwerdeführer am Tag des Zustellversuches nicht anzutreffen gewesen sei und ihm daher die Verständigung über die Hinterlegung in den Postkasten eingelegt worden sei, und zwar in jenen Postkasten, der eigentlich für das Handelsunternehmen „CC“ ein Einzelunternehmen des Beschwerdeführers, vorgesehen sei. Daneben gäbe es noch einen auf den Namen des Beschwerdeführers lautenden Briefkasten, der für die persönliche Post vorgesehen sei. Unbestritten sei aber, dass diese Hinterlegungsanzeige in den Verfügungsbereich des Beschwerdeführers gelangt sei. Da er diesen Postkasten, weil das Unternehmen geschlossen gewesen sei, am Freitag nicht geleert habe, sich dann zu seiner Mutter nach X begeben hätte und von dort aus mit dem Auto einer Freundin nach Y, Deutschland, gefahren sei, von wo er erst am 05.01.2020 mit dem Zug zurückgekehrt sei, habe er von der Hinterlegung nichts gewusst. Erst am 09.01.2020 habe er den Postkasten geleert und die Hinterlegungsanzeige vorgefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Einspruchsfrist sowie auch die Hinterlegungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Somit habe also objektiv für den Beschwerdeführer keine Möglichkeit zur Abholung der Briefsendung bestanden, da er von der Hinterlegung nichts gewusst habe. Wenn dem Beschwerdeführer diesbezüglich ein Organisationsverschulden anzulasten sei, so sei dies jedenfalls als minderer Grad des Versehens zu werten. Objektiv hätte er, hätte er den Postkasten am Freitag, den 20.12. oder am Dienstag, den 07.01.2020 (der 06.01.2020 sei ja ein Feiertag gewesen) geleert, hätte er von der hinterlegten Briefsendung gerade noch rechtzeitig Kenntnis erlangen können. Dem Beschwerdeführer sei keineswegs bekannt gewesen, dass gegen ihn ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren laufe, da er erst durch Zustellung einer Strafverfügung von der Einleitung eines solchen Kenntnis erlangen konnte. Er habe daher nicht damit rechnen müssen, dass ihm quasi in den Weihnachtsfeiertagen derartige Post seitens der Behörde zugehen würde. In diesem Sinne könne also von einer groben Fahrlässigkeit nicht gesprochen werden.

Am 04.08.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt, in welcher der Beschwerdeführer persönlich einvernommen wurde und die Akten der belangten Behörde verlesen wurden.

II.      Sachverhalt:

Dem Beschwerdeführer wurde die Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.12.2019, Zl ***, am 23.12.2019 durch Hinterlegung zugestellt. Dem Beschwerdeführer wäre es möglich gewesen, die Sendung am 23. und 24. Dezember sowie am 07. Jänner abzuholen. Der Beschwerdeführer war vom 25. Dezember 2019 bis 05. Jänner 2020 ortsabwesend. Die Hinterlegungsanzeige wurde an der Abgabestelle zurückgelassen und ist in den Verfügungsbereich des Beschwerdeführers gelangt.

III.     Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde. Dem Zustellschein der angefochtenen Strafverfügung ist zu entnehmen, dass ein erster Zustellversuch am 20.12.2019 stattgefunden hat. Die Verständigung über die Hinterlegung wurde in die Abgabeeinrichtung Adresse 3, Z eingelegt. Der Beginn der Abholfrist wurde mit 23.12.2019 festgesetzt.

Zu den Angaben seiner Ortsabwesenheit machte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben. Im Rahmen der Überprüfung eines Zustellmangels gab der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 13.01.2020 an, dass er vom 25. Dezember 2019 bis 05. Jänner 2020 in Y (Deutschland) gewesen sei. Ein Zugticket von der Rückfahrt habe er, die Hinfahrt sei mit dem Auto erfolgt. Das Büro sei vom 24. Dezember 2019 bis 07. Jänner 2020 geschlossen gewesen. Es habe demnach die Möglichkeit für ihn gegeben, den Brief abzuholen, jedoch war die mögliche Zeitspanne sehr knapp (23. und 24. Dezember 2019). Von einer Ortsabwesenheit bereits ab dem 20.12.2019 ist in diesem E-Mail keine Rede. Erst im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand macht der nunmehr rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer geltend, dass er sich noch am 20.12.2019 zu seiner Mutter nach X begeben hätte, wo er auch die folgenden Tage und das Weihnachtsfest verbracht hätte. Ein konkretes Beweisanbot zu dieser Ortsabwesenheit wurde vom Beschwerdeführer trotz gegebener Möglichkeit im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht gestellt.

Widersprüchlich sind auch die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Fahrt mit dem Auto. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gibt der Beschwerdeführer an, dass er mit dem Auto zu seiner Mutter ins W gefahren sei. Das Auto habe er dann später bei seiner Mutter im W wieder abgeholt. Andererseits gibt der Beschwerdeführer im Rahmen der Überprüfung eines Zustellmangels in seinem E-Mail vom 13.01.2020 an, dass die Hinfahrt nach Deutschland mit dem Auto erfolgt sei und lediglich die Rückfahrt mit dem Zug erfolgt sei. Wenn nun der Beschwerdeführer angibt, dass er das Auto dann im W abgeholt hat, so bleibt immer noch die Frage offen, wie das Fahrzeug von Y wiederum nach X gelangt sein sollte. Insgesamt erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers in sich widersprüchlich und unschlüssig und wenig glaubhaft. Ebenso verhält es sich mit der Hinterlegungsanzeige. Einerseits gibt der Beschwerdeführer an, dass die Hinterlegungsanzeige in seinen Verfügungsbereich gelangt wäre. Andererseits gibt der Beschwerdeführer im Rahmen des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht an, dass die Hinterlegungsanzeige in einen falschen Briefkasten eingelegt worden wäre. Dieses Vorbringen wurde erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht erstattet, dass nämlich die Hinterlegungsanzeige nicht in den Briefkasten des Beschwerdeführers, sondern in den Firmenbriefkasten an derselben Abgabestelle eingelegt worden wäre.

Zusammenfassend kommt das Verwaltungsgericht daher zum Ergebnis, dass den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Ortsabwesenheit nur teilweise Glauben geschenkt werden kann. Auch ein Zustellmangel im Sinne einer unterbliebenen Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes, liegt nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers nicht vor. Er geht selbst davon aus, dass die Hinterlegungsanzeige in seinen Verfügungsbereich gelangt ist.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren ist folgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) entscheidungsrelevant:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1.       die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2.       die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

V.       Erwägungen:

Zur Spruchkorrektur:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf § 33 VwGVG. Dazu ist festzuhalten, dass die Bestimmung des § 33 VwGVG nur Fälle der Fristversäumung und der Versäumung der mündlichen Verhandlung im Verfahren der Verwaltungsgerichte erfasst. Rechtsnachteile der Fristversäumung im verwaltungsbehördlichen Verfahren sind nach dem dort jeweils maßgeblichen Wiedereinsetzungsregime gemäß § 71 AVG zu relevieren. Da unzweifelhaft der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen eine Strafverfügung ein Verfahren vor den Verwaltungsbehörden darstellt, kommt der im Wesentlichen inhaltsgleiche § 33 VwGVG nicht zur Anwendung, weshalb die Spruchkorrektur erforderlich war.

In der Sache:

Vorab war zu prüfen, ob ein Zustellmangel vorliegt. Beginnt nämlich die Abwesenheit von der Abgabestelle erst am Tag nach dem Zustellversuch, so konnte der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es hierbei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht an. Die durch die Abwesenheit des Beschwerdeführers von seiner Wohnung bewirkte Unmöglichkeit, die Sendung abzuholen, ist für die Rechtswirksamkeit der Zustellung ohne Bedeutung. § 17 Zustellgesetz stellt nämlich nicht darauf ab, ob einem Empfänger die Abholung einer hinterlegten Sendung möglich ist oder nicht (VwGH 11.10.2011, Zl 2010/05/0115, 24.09.1991, Zl 90/11/0232).

Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers war er am 20.12.2019, dem Tag des Zustellversuches ortsanwesend und es wäre es ihm möglich gewesen, die hinterlegte Sendung am 23. und am 24.12.2019 abzuholen. Somit kann zweifelsfrei festgehalten werden, dass die Zustellung mittels Hinterlegung am 23.12.2019 rechtswirksam erfolgt ist.

Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist einer Partei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Darüber hinaus muss der Wiedereinsetzungswerber an der zeitgerechten Vornahme einer befristeten Prozesshandlung (hier dem Einspruch gegen die Strafverfügung) durch ein Ereignis verhindert gewesen sein, dass er nicht vorhergesehen hat, oder dessen Eintritt er nicht abwenden konnte. Mit den Begriffen „unvorhergesehen“ und „unabwendbar“ sind nicht objektive Eigenschaften des „Ereignisses“ angesprochen, vielmehr umschreiben sie die Relation zum Antragsteller (vgl Walter/Tinel I2, AVG § 71 Anmerkung 9).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (VwSlg 9024A/1976 verst Sen; vgl auch VwGH 03.04.2001, Zl 2000/08/0214). Ob ein Ereignis als unvorhergesehen einzustufen ist, richtet sich nach den subjektiven Verhältnissen der Partei, nach den tatsächlichen Umständen und dem konkreten Ablauf der Ereignisse und nicht nach dem objektiven Durchschnittsablauf. Das im Begriff der Unvorhergesehenheit gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden (nur ein minderer Grad des Versehens) trifft (vgl zB VwGH 11.06.2003, Zl 2003/10/0114).

Eine urlaubsbedingte Abwesenheit stellt nun zweifelsfrei kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar. Vielmehr ist eine Ortsabwesenheit während der Weihnachtsfeiertage eine durchaus übliche Abwesenheit und somit weder unvorhergesehen noch unabwendbar sondern geradezu planbar. Der Beschwerdeführer räumt darüber hinaus selbst ein, dass auch das Büro erst ab 24. Dezember 2019 geschlossen war. Wenn sohin das Büro noch am 23.12.2019 (dies war ein Montag) geöffnet war und selbst unter der Annahme, dass die Hinterlegungsanzeige tatsächlich in den Firmenbriefkasten eingelegt worden wäre, so wäre es dem Beschwerdeführer durchaus zumutbar gewesen, an diesem Tag noch den Briefkasten zu leeren. Ein minderer Grad des Versehens kann jedoch dann nicht mehr angenommen werden, wenn der Beschwerdeführer geplanter Weise die Weihnachtsfeiertage nicht an der Abgabestelle verbringt, sondern sich für mehr als 10 Tage ins Ausland begibt und den oder die Briefkästen vor Abreise nicht leert. Selbst wenn der Beschwerdeführer angibt, nicht damit gerechnet zu haben, ein behördliches Schriftstück übermittelt zu bekommen, so ist jedenfalls festzuhalten, dass es dem Beschwerdeführer bei Aufwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt zumutbar gewesen wäre, unmittelbar vor Abreise, sei dies nun der 20.12. oder auch der 23.12.2019 gewesen, sowohl den privaten, als auch den Firmenpostkasten zu leeren. Der Beschwerdeführer hat die nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen und hat es im zumutbaren Maß an Aufmerksamkeit und Mühe unterlassen, ein vorhersehbares Ereignis, nämlich eine Postzustellung vor den Weihnachtsfeiertagen zu kontrollieren, abzuwenden.

Die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher mit der Maßgabe der Korrektur der anzuwendenden Norm zu Recht erfolgt, die dagegen eingebrachte Beschwerde war daher im Ergebnis abzuweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.40.0835.3

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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