TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/7 LVwG-AV-289/001-2020

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Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

PaßG 1992 §7
PaßG 1992 §8 Abs1
ABGB §167 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Stellner als Einzelrichter über die Beschwerde des minderjährigen A,

geb. ***, vertreten durch Herrn C in ***, *** gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 19. Februar 2020, Zl. ***, betreffend Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines Reisepasses für Minderjährige, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides dahingehend ergänzt wird, dass der Antrag vom 03.01.2020 auf Ausstellung eines Reisepasses für Minderjährige darüber hinaus mangels gesetzlicher Vertretungsbefugnis gemäß § 9 AVG zurückzuweisen ist.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom

19. Februar 2020, Zl. ***, wurde der Antrag vom 03.01.2020 auf Ausstellung eines Reisepasses für Minderjährige zurückgewiesen.

Begründet wurde diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass eine Zustimmungserklärung der obsorgeberechtigten leiblichen Mutter des Minderjährigen eine Erteilungsvoraussetzung für die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses für Minderjährige darstelle. Aus diesem Grund habe die Bezirkshauptmannschaft Tulln die Verbesserung des Anbringens gemäß

§ 13 Abs. 3 AVG aufgetragen und sei hierbei hingewiesen worden, dass bei fruchtlosem Ablauf dieser Frist der Antrag zurückgewiesen werde. Letztlich sei die erforderliche Zustimmungserklärung der Mutter nicht fristgerecht vorgelegt worden, weshalb der Antrag auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses für Minderjährige zurückzuweisen gewesen sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 15.04.2020 wird Folgendes ausgeführt:

„***

Sehr geehrte Frau B

Wie besprochen habe ich, C, meinem Sohn A Ihr Schreiben vom 13.2 2020 vorgelegt. Seine Stellungnahme ist wie folgt:

(….)

Übersätzung:

Beschwerde

Ich will einen Pass haben, weil ich sonst nicht als österreicher zu meinem 2. Hauptwohnsitz reisen kann. Meine Mutter hat kein Interesse an einem österreichischem Pass. Ich möchte, daß mein Vater den Pass abholen kann. Zu den Reisen stimmen meine Eltern selbstverständlich zu. C“.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Von folgendem Sachverhalt ist auszugehen:

Der Minderjährige, A, wurde am *** geboren und ist österreichischer Staatsbürger.

Mit Beschluss des Stadtgerichts *** vom 07.07.2014 wurde das Obsorgerecht über den Minderjährigen der Mutter zugesprochen.

Am 03.01.2020 hat Herr C bei der Bezirkshauptmannschaft Tulln die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses für Minderjährige, für seinen Sohn A, beantragt.

Bereits mit dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 03.01.2020,

Zl. ***, wurde über das Erfordernis der Zustimmung der obsorgeberechtigten Mutter für die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses informiert.

Mit dem an den Minderjährigen zu Handen seines Vaters adressierten Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 03.02.2020, Zl. *** wurde für die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses gemäß § 13 Abs. 3 AVG die Vorlage der Zustimmungserklärung der obsorgeberechtigten Mutter gefordert. Für diese Vorlage wurde eine Frist von 2 Wochen gewährt, wobei im Schreiben darauf hingewiesen wurde, dass bei Nichteinhaltung der Frist der Antrag wegen Unvollständigkeit zurückzuweisen wäre. Dieser Verbesserungsauftrag wurde am 05.02.2020 zugestellt.

Eine solche Zustimmungserklärung der obsorgeberechtigten Mutter wurde innerhalb der offenen Frist jedoch nicht vorgelegt.

Beweiswürdigung:

Sämtliche Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, den darin enthaltenen Urkunden sowie den vorgelegten Dokumenten. Insbesondere aus der Bestätigung der Österreichischen Botschaft in Sofia vom 20.12.2017 ist ersichtlich, dass mit Beschluss des Stadtgerichts *** vom 07.07.2014 das Obsorgerecht der Kindesmutter zugesprochen wurde.

Rechtlich ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Gemäß § 7 Passgesetz 1992 werden Reisepässe auf Antrag oder, wenn der Reisepass für einen Auslandsaufenthalt zur Besorgung von Angelegenheiten des Bundes, der Länder oder sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften benötigt wird, von Amts wegen ausgestellt. Das gleiche gilt für die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung von Reisepässen.

Gemäß § 8 Abs. 1 Passgesetz 1992 können mündige Minderjährige die Ausstellung eines Reisepasses selbst beantragen. Die Ausstellung bedarf in solchen Fällen der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters; diese ist vom Antragsteller nachzuweisen und gilt für alle Verfahrenshandlungen.

Unmündige Minderjährige, also Personen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, sind im Passverfahren generell prozessunfähig; sie können also die Ausstellung eines Reisedokuments nicht selbst beantragen. Für sie handelt ausschließlich der gesetzliche Vertreter (Loderbauer, Kinder- und Jugendrecht5 S. 430).

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen unmündigen Minderjährigen, weshalb dieser nicht selbst die Ausstellung eines Reisedokumentes im Sinne des § 8 Abs. 1 

Passgesetzes 1992 beantragen kann, sondern hierfür die Antragstellung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist.

Um im Passverfahren vertretungs- und zustimmungsberechtigt zu sein, muss der gesetzliche Vertreter entweder mit der gesamten Obsorge oder zumindest mit der Obsorge für den Teilbereich „Pflege und Erziehung“ betraut sein (Loderbauer, Kinder- und Jugendrecht5 S. 431).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nehmen Personen, die nicht prozessfähig sind, durch ihren gesetzlichen Vertreter am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern

(vgl §§ 144 iVm 177 ABGB) oder dem Obsorgebetrauten vertreten

(vgl. VwGH 23.09.2014, 2013/01/0179 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG § 9 RZ 17).

Unter gesetzlicher Vertretung versteht man die Berechtigung und Verpflichtung, für das Kind Rechtshandlungen vorzunehmen. Die gesetzliche Vertretung ist in

§ 167 ABGB geregelt (Hinteregger/Ferrari, Familienrecht7 S. 247).

Gemäß § 167 Abs. 1 ABGB ist, wenn beide Eltern mit der Obsorge betraut sind, jeder Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten; seine Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil mit ihr nicht einverstanden ist.

Demnach kann jeder Elternteil, solange ihm nicht die Obsorge entzogen oder allein auf den anderen Elternteil übertragen ist, selbstständig für das Kind Vertretungshandlungen ieS (Handeln im Namen des Kindes) und Vertretungshandlungen iwS (Einwilligung zu Rechtsgeschäften des Minderjährigen und notwendige Zustimmungen zu dessen Handlungen) setzen. § 167 Abs. 1 ABGB gilt etwa für das Verlangen auf Ausstellung eines Reisepasses

(LGZ Wien EF 71.781) (vgl. Hopf/Höllwerth in KBB6 § 167 RZ 1).

Wie festgestellt, wurde im gegenständlichen Fall die alleinige Obsorge über den unmündigen Minderjährigen der Mutter übertragen. In Entsprechung der obgenannten Ausführungen und Literatur kommt daher dem Vater aufgrund der alleinigen Obsorge der Mutter gerade nicht die Möglichkeit zu, die Ausstellung eines Reisepasses für den Minderjährigen zu beantragen.

Die Behörde hat daher mangels Vorlage der Zustimmungserklärung der obsorgeberechtigten Mutter für die Ausstellung des Reisedokuments entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des § 13 Abs. 3 AVG die Vorlage einer solchen Erklärung mit Verbesserungsauftrag aufgetragen und in diesem Schreiben auf die Rechtsfolgen der Nichterfüllung dieses Auftrages hingewiesen worden.

Wenngleich die Behörde zum richtigen Ergebnis kam, nämlich der Zurückweisung des Antrages auf Ausstellung eines österreichischen Reisepasses für den Minderjährigen mangels Verbesserung des Anbringens innerhalb der angemessenen Frist, hat die Behörde die mangelnde gesetzliche Vertretung des Vaters des Minderjährigen übersehen und war daher der Bescheid, wie im Detail soeben ausgeführt, diesbezüglich zu ergänzen.

Aufgrund der vorliegenden Sach- und Rechtslage war die Beschwerde daher abzuweisen.

Gemäß § 24 VwGVG war von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Ordnungsrecht; Passrecht; Reisepass; Minderjährige; Antragsrecht; Vertretung; Obsorge;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.289.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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