TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 W102 2180375-1

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AVG §13 Abs7
AVG §3
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §39
UVP-G 2000 §40 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W102 2180375-1/61E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerden der Umweltorganisationen XXXX und XXXX , alle vertreten durch Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH, sowie des Kärntner Naturschutzbeirates als Umweltanwalt und der Umweltanwältin des Landes Steiermark gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26.09.2017, Zl. 07-A-UVP-1265/20-2017, betreffend die Feststellung, dass das geplante Vorhaben "Windpark XXXX " nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Der Bescheid wird ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben des Kärntner Naturschutzbeirates als Umweltanwalt vom 04.06.2013 beantragte dieser, die Kärntner Landesregierung möge nach § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000) feststellen, ob für die geplante Errichtung und für den geplanten Betrieb eines Windparks auf der XXXX eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen sei.

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24.10.2013, Zl.07-A-UVP-1265/14-2013, wurde festgestellt, dass das geplante Vorhaben der XXXX nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kärntner Naturschutzbeirat als Umweltanwalt mit Schreiben vom 16.12.2013 das Rechtsmittel der Berufung.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.03.2014, Zl. W143 2000181-1/8E, wurde der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Unter anderem wurde der belangten Behörde aufgetragen, Ermittlungen hinsichtlich des "Naturschutzgebietes XXXX " sowie Ermittlungen hinsichtlich weiterer Vorhaben im Umfeld um den geplanten Windpark XXXX aufzunehmen, mit denen kumulative Wirkungen zu erwarten sind.

Die Kärntner Landesregierung hat mit Bescheid vom 26.09.2017, Zl. 07-A-UVP-1265/20-2017, erneut festgestellt, dass für das Vorhaben der XXXX , XXXX , XXXX , und zwar die Errichtung und der Betrieb von acht Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 19,8126 MW auf dem Grundstück Nr. XXXX , KG XXXX , in der Gemeinde XXXX , Bezirk XXXX ("Windpark XXXX ") keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müsse.

Dagegen haben der XXXX sowie der XXXX , alle vertreten durch Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH, sowie die Umweltanwältin des Landes Steiermark und der Kärntner Naturschutzbeirat als Umweltanwalt Beschwerden eingebracht.

Zu den Beschwerden hat der Projektwerber mit Schreiben vom 09.02.2018 eine Stellungnahme abgegeben und den Antrag auf Abweisung sämtlicher Beschwerden gestellt.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurde mit Beschluss vom 22.02.2018 die XXXX zur nichtamtlichen Sachverständigen für Naturschutz, Ornithologie und Landschaftsbild bestellt und mit der Erststellung eines Gutachtens beauftragt. Dieses Gutachten vom 04.04.2018 wurde den Parteien vorab zur mündlichen Verhandlung übermittelt.

Am 24.04.2018 fand eine mündliche Verhandlung statt und wurden dabei insbesondere anhand des vom Bundesverwaltungsgericht beauftragten Gutachtens die Auswirkungen des Vorhabens aus den Bereichen Naturschutz, Ornithologie und Landschaftsbild erörtert.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2018, Zl. W102 218375-1-/25E, wurden die Beschwerden abgewiesen und die Revision zugelassen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.12.2019, Ro 2018/04/0012 bis 0014-9, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Demnach fehlen u.a. Feststellungen zum Zeitpunkt der Antragstellung der allenfalls in Frage kommenden Pumpspeicherkraftwerke. Bei der Mitbenutzung des bestehenden Erschließungsweges für den Bau und den Betrieb einer 380 kV Leitung auf einer Länge von 400 m auf steiermärkischem Landesgebiet als Zufahrts- bzw. Verbindungsweg zwischen den Windkraftanlagen 6 und 7 handelt es sich um einen Bestandteil des gegenständlichen Vorhabens und es liegt ein bundesländerübergreifendes Vorhaben vor. Da sich die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde weder aus § 39 Abs. 4 UVP-G 2000 noch aus § 3 Z 1 und 2 AVG ergibt, ist auf den Auffangtatbestand der Z 3 leg.cit. abzustellen, nach der sich die örtliche Zuständigkeit in sonstigen Fällen zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles richtet. Dies ist im vorliegenden Fall der Sitz der mitbeteiligten Partei in Kärnten, sodass jedenfalls die belangte Behörde örtlich zuständig war.

Vom Bundesverwaltungsgericht wurde mit Beschluss vom 28.02.2020 die XXXX zur nichtamtlichen Sachverständigen für Naturschutz, Ornithologie und Landschaftsbild sowie für Forstwesen bestellt und im fortgesetzten Verfahren mit der Erststellung eines Gutachtens beauftragt.

Mit Schreiben vom 05.03.2020 teilte der Projektwerber der Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht die Zurückziehung des mit Zahl 07-A-UVP-1265/3-2013 übersandten Projekts (Planungsstand 18.04.2013) mit und ersuchte um Einstellung des UVP-Feststellungsverfahrens. Gleichzeitig wurde betont, dass das mit Bescheid vom 20.07.2006, Zl. 8-UVP-1165/9-2006 festgestellte Projekt (8 Windkraftanlagen 2.300 kW mit einer Nabenhöhe von 64m und einem Rotordurchmesser von 71m, Gesamtleistung 18,4 MW) davon unberührt bleibe.

Diese Schreiben wurden den Parteien zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und es langten Stellungnahmen der Umweltanwältin des Landes Steiermark vom 11.03.2020, von RA Dr. Neger vom 13.03.2020, vom Kärntner Naturschutzbund als Umweltanwalt vom 17.03.2020, sowie auf diese Schreiben replizierend von der belangten Behörde vom 17.04.2020 und vom Projektwerber vom 22.04.2020 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchteil A:

Gemäß Art. 131 Abs. 4 Z 2 lit. a B-VG iVm § 40 Abs. 1 UVP-G 2000 entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen nach dem UVP-G 2000 das Bundesverwaltungsgericht. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 40 Abs. 2 UVP-G 2000 liegt Einzelrichterzuständigkeit vor, da es sich um ein Verfahren nach § 3 Abs. 7 handelt.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Nach § 3 Abs. 7 erster und zweiter Satz UVP-G 2000 hat die Behörde auf Antrag eines Projektwerbers, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 leg. cit. durch das Vorhaben verwirklicht ist. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen.

Das behördliche Verfahren wurde über Antrag des Kärntner Naturschutzbeirates als Umweltanwalt vom 04.06.2013 eingeleitet.

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG kann ein verfahrensleitender Antrag in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Diese Bestimmung ist gemäß § 17 VwGVG auch auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anwendbar.

Wie sich aus dem festgestellten Verfahrensgang ergibt, wurde das verfahrensgegenständliche Projekt vom Projektwerber zurückgezogen. Zwar ist der Feststellungsantrag des Kärntner Naturschutzbeirates als Umweltanwalt vom 04.06.2013 noch aufrecht; doch ist Zulässigkeitsvoraussetzung für das Feststellungsverfahren der Verwirklichungswille. Besteht dieser nicht, fehlt auch das rechtliche Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheides (BVwG 11.12.2014, W193 2003045/10E, Voitsberg DKW; BVwG 20.04.2015, EKZ Hatric IV).

Aufgrund der erfolgten Zurückziehung des einzigen anhängigen materienrechtlichen Antrages nach dem Kärntner Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz 2011 (K-ElWOG) sowie des nicht mehr vorhandenen Verwirklichungswillens ist davon auszugehen, dass kein Vorhaben mehr vorliegt und auch das rechtliche Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheides fehlt.

Dementsprechend war aufgrund der Zurückziehung des verfahrensgegenständlichen Projekts der Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26.09.2017, Zl. 07-A-UVP-1265/20-2017 ersatzlos zu beheben und das Feststellungsverfahren einzustellen. Eine inhaltliche Entscheidung über den Feststellungsantrag ist nicht mehr zulässig. Die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden waren daher zurückzuweisen.

Da für das Vorhaben kein nach den Verwaltungsvorschriften erforderliches Genehmigungsverfahren mehr anhängig ist, ist nunmehr gemäß § 46 Abs. 28 UVP-G 2000 der mit Novelle BGBl I Nr. 80/2018 neu eingeführte Schwellenwert des Anhanges I Z 6 lit. b von mindestens 15 MW bei Windkraftanlagen über einer Seehöhe von 1.000 m relevant.

Dies gilt auch für das (nicht verfahrensgegenständliche) mit Bescheid vom 20.07.2006, Zl. 8-UVP-1165/9-2006 rechtskräftig festgestellte, nicht idente "Vorgängerprojekt" (8 Windkraftanlagen 2.300 kW mit einer Nabenhöhe von 64m und einem Rotordurchmesser von 71m, Gesamtleistung 18,4 MW). Auch dieses Vorhaben würde nun zwingend der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung im nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur auch hier maßgeblichen Rechtsfrage, dass ein Bescheid ersatzlos zu beheben ist, wenn der verfahrenseinleitende Antrag während des Beschwerdeverfahrens zurückgezogen wird, liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts vor (VwGH 23.01.2014, 2013/07/0235; VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099; VwGH 23.07.2009, 2008/05/0241).

Schlagworte

Antragszurückziehung Behebung der Entscheidung Bescheidbehebung Ersatzentscheidung ersatzlose Behebung Feststellungsantrag Feststellungsverfahren Gutachten Kassation mündliche Verhandlung Sachverständigengutachten Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-Pflicht Verwirklichungswille Wegfall rechtliches Interesse Windpark Zurückweisung Zurückziehung Zurückziehung Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2180375.1.00

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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