TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/14 I409 1317351-3

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Veröffentlicht am 14.05.2020
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Entscheidungsdatum

14.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46a
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §46a Abs3 Z1
FPG §46a Abs5
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

Ausfertigung des am 27. November 2019 verkündeten Erkenntnisses

I409 1317351-3/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria alias Sierra Leone, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. Farhad Paya, 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. September 2018, Zl. "13-770605302/180662431/BMI-BFA_KNT_AST_01", zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. Juli 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er behauptete, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Jänner 2008 wurde dieser Asylantrag als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Sierra Leone ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2008 wies der Unabhängige Bundesasylsenat die Berufung als unbegründet ab.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

Die Bundespolizeidirektion Klagenfurt bemühte sich während seiner Anhaltung in Schubhaft beim Generalkonsulat der Republik Sierra Leone um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates, um den Beschwerdeführer nach Sierra Leone abschieben zu können.

Mit Schreiben vom 7. April 2008 teilte das Generalkonsulat der Republik Sierra Leone mit, dass kein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne, weil der Beschwerdeführer "seine behauptete Staatsbürgerschaft" nicht habe beweisen können und weil er "keinerlei Dokumente" besitze.

Aufgrund dieses Schreibens wurde der Beschwerdeführer am 8. April 2008 aus der Schubhaft entlassen.

Mit Schriftsatz vom 15. April 2008 beantragte der Beschwerdeführer einen Durchsetzungsaufschub gemäß § 46 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005. Begründet wurde dieser Antrag damit, dass die von der Behörde betriebene Abschiebung nicht habe erfolgen können, weil sein Heimatstaat kein entsprechendes Heimreisezertifikat ausstellt habe.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 16. April 2008 wurde der beantragte Durchsetzungsaufschub bis 16. Mai 2008 gewährt und der Beschwerdeführer angewiesen, sich beim Generalkonsulat der Republik Sierra Leone um ein Personaldokument zu bemühen. Der Durchsetzungsaufschub wurde wiederholt, zuletzt bis 9. Mai 2010, verlängert.

Mit Schriftsatz vom 16. März 2010 beantragte der Beschwerdeführer, den Durchsetzungsaufschub gemäß § 46a Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 zu verlängern und eine Karte für Geduldete auszustellen.

Am 16. Februar 2011 stellte die Bundespolizeidirektion XXXX dem Beschwerdeführer erstmals eine Karte für Geduldete aus, die jährlich, zuletzt bis zum 16. Juli 2017, verlängert wurde.

Mit Schriftsatz vom 14. März 2012 stellte der Beschwerdeführer am 30. Jänner 2012 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 NAG ("Rot-Weiß-Rot - Karte plus"), der mit Bescheid des Landeshauptmanns von XXXX vom 14. März 2012 abgewiesen wurde.

Am 13. Juli 2018 stellte der Beschwerdeführer zuletzt einen Antrag auf Verlängerung seiner Duldungskarte.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. September 2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seiner Karte für Geduldete vom 13. Juli 2018 "gemäß § 46a Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF" ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist entgegen seiner Behauptung nicht Staatsangehöriger von Sierra Leone, sondern Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität steht nicht fest.

Seit seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 3. Juli 2007 verschleierte der Beschwerdeführer vor den österreichischen Behörden seine nigerianische Staatsbürgerschaft, um seine Abschiebung aus Österreich zu verhindern.

A) 2. Beweiswürdigung

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer - entgegen seiner Behauptung, Staatsangehöriger von Sierra Leone zu sein - in Wahrheit nigerianischer Staatsbürger ist, beruht im Wesentlichen auf dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27. November 2019 erstatteten linguistischen sowie landeskundlichen Gutachtens des nichtamtlichen Sachverständigen XXXX. In diesem Gutachten gelangte der Gutachter zum Schluss, dass aufgrund der nur relativ geringen Kompetenz des Beschwerdeführers im Krio, des Fehlens einer Sprachkompetenz in einer anderen sierra-leonischen Sprache und aufgrund des Umstandes, dass er kein sierra-leonisches, sondern nigerianisches Englisch spricht, eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in Sierra Leone mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Aus den autobiographischen Angaben des Probanden erschließen sich keine Umstände, unter denen er bis zum Alter von 22 Jahren, bzw. bis zum Jahr 2007 in Sierra Leone lebend, keine bessere Kompetenz im Krio, bzw. keine Kompetenz in einer anderen sierra-leonischen Sprache erworben hätte, bzw. unter denen er gerade eine nigerianische Varietät des Englischen erwerben hätte können. Eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in Sierra Leone ist auch aufgrund seiner relativ geringen Landeskenntnisse zu Sierra Leone auszuschließen. Dennoch lassen sowohl seine Kompetenz im Krio, als auch seine Landeskenntnisse zu Sierra Leone davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer für längere Zeit in Sierra Leone aufgehalten hat. Aufgrund seiner Kompetenz im nigerianischen Englisch und auch des Umstandes, dass er offenbar über einen Erfahrungshintergrund verfügt, wie er in Nigeria gegeben ist, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in Nigeria auszugehen. Tragfähige oder überhaupt positive Hinweise auf eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in einem anderen Land als Nigeria gibt es keine.

Diesem Gutachten trat der Beschwerdeführer nicht entgegen und auch das Bundesverwaltungsgericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit, der Schlüssigkeit und der Vollständigkeit dieses Gutachtens. Abgesehen von diesem Gutachten ist hervorzuheben, dass sich die vom Beschwerdeführer vorgelegte sierra-leonische Geburtsurkunde als Totalfälschung erwies, sodass es keine belastbaren Hinweise gibt, dass der Beschwerdeführer aus Sierra Leone stammen könnte. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine nigerianische Staatsbürgerschaft verschleierte, um seine Abschiebung in seinen tatsächlichen Herkunftsstaat zu verhindern.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

§ 46a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2020, lauten:

Duldung

§ 46a. (1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist;

es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) ...

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen "Republik Österreich" und "Karte für Geduldete", weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) ...".

A) 3.2. Zur Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Karte für Geduldete:

Vor dem Hintergrund der Aktenlage folgt aus den unter Punkt A) 1. getroffenen Feststellungen, dass der Tatbestand des § 46a Abs. 1 Z 3 Fremdenpolizeigesetzes 2005 - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - nicht verwirklicht ist, weil der Beschwerdeführer seine Identität verschleiert (§ 46a Abs. 3 Z 1 leg.cit.). Auch die Voraussetzungen der Z 1, 2 und 4 leg.cit. sind nicht erfüllt.

Die Voraussetzungen für eine Duldung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet liegen nicht vor, sodass die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Duldung Identität Karte für Geduldete mündliche Verhandlung mündliche Verkündung schriftliche Ausfertigung Verlängerungsantrag Verschleierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I409.1317351.3.00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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