TE Vwgh Beschluss 2020/8/6 Ro 2020/18/0002

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Veröffentlicht am 06.08.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Mag. Peter Nedwed und Mag. Walter Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des D P, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2019, W148 2193493-2/23E, betreffend eine Asylangelegenheit, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den vom Revisionswerber gestellten Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei, setzte keine Frist zur freiwilligen Ausreise und erließ ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren.

2        Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers setzte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 12. März 2019 die Dauer des Einreiseverbots auf 12 Monate herab. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3        Am 20. März 2019 beantragte der Revisionswerber beim Verwaltungsgerichtshof die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das genannte Erkenntnis. Dieser Antrag wurde mit hg. Beschluss vom 28. März 2019, Ra 2019/19/0112-2, abgewiesen.

4        Parallel dazu erhob der Revisionswerber gegen das Erkenntnis des BVwG eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit dg. Beschluss vom 24. September 2019, E 3282/2019-6, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof mit dg. Beschluss vom 16. Oktober 2019, E 3282/2019-8, zur Entscheidung abgetreten wurde.

5        Nach Zustellung des Abtretungsbeschlusses brachte der Revisionswerber am 27. November 2019 erneut einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung der außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof ein. Dieser Antrag wurde mit hg. Beschluss vom 16. Dezember 2019, Ra 2019/19/0112-4, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

6        Ebenfalls am 27. November 2019 stellte der Revisionswerber beim BVwG den Antrag, das BVwG möge „eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht für die Gewährung eines vorläufigen Aufenthaltsrechts bis zur Entscheidung über [den] Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision“ einräumen.

7        Diesen Antrag wies das BVwG mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig zurück. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig, weil zur Zulässigkeit von einstweiligen Anordnungen nach Unionsrecht im Zusammenhang mit der Effektivität der Rechtsbehelfe und im Bereich des Verfahrenshilferechts bislang noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

8        Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende ordentliche Revision vom 6. April 2020. Sie macht geltend, das BVwG habe zutreffend darauf verwiesen, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob aus der unionsrechtlichen Verpflichtung zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsbehelfs im Sinne der Art. 47 iVm Art. 18, 19 Abs. 2 GRC eine einstweilige Anordnung nach Unionsrecht „für die Zeit der Einbringung eines Verfahrenshilfeantrags auf Erhebung einer Revision bis zur Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung dieser Revision“ abgeleitet werden könne. Im Folgenden macht die Revision - mit näherer Begründung - die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wegen Unzuständigkeit und wegen inhaltlicher Fehler geltend und regt die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH an.

9        Die Revision ist nicht zulässig:

Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Revision ist unter anderem das objektive Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers an der Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof (Beschwer). Die Beschwer ist jedenfalls nicht gegeben, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrensziels für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/18/0284, mwN).

10       Mit der vorliegenden Revision strebt der Revisionswerber die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung des BVwG an, mit der sein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dieser Antrag zielte ausdrücklich darauf ab, die Abschiebung des Revisionswerbers bis zu jenem Zeitpunkt hintanzuhalten, zu dem über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Revision in der Hauptsache entschieden werden würde.

11       Schon bei Einbringung der gegenständlichen Revision stand aber fest, dass eine (zulässige) Revision in der Hauptsache gegen das Erkenntnis des BVwG vom 12. März 2019 nicht mehr erhoben werden konnte. Eine solche wurde auch tatsächlich zu keinem Zeitpunkt eingebracht. Dementsprechend wurde auch nie ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung dieser Revision gestellt, über den zu entscheiden wäre und hinsichtlich dessen ein einstweiliger Rechtsschutz angestrebt wurde.

12       Ausgehend davon hätte die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung des BVwG lediglich theoretische Bedeutung, würde aber für den Revisionswerber keinerlei objektiven Nutzen entfalten.

13       Die Revision war daher mangels Vorliegens eines die Zulässigkeit begründenden Rechtsschutzbedürfnisses des Revisionswerbers gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. August 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020180002.J00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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