TE Vwgh Beschluss 2020/6/29 Ra 2020/16/0060

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Veröffentlicht am 29.06.2020
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Index

E3L E09301000
E3R E02202000
32/04 Steuern vom Umsatz
35/02 Zollgesetz

Norm

UStG 1994 Anh Art3 Abs1 Z1
UStG 1994 Anh Art6 Abs3
UStG 1994 Anh Art7 Abs4
UStG 1994 §26 Abs1
ZollRDG 1994 §2 Abs1
ZollRDG 1994 §71a
ZollRDG 1994 §83
31992R2913 ZK 1992 Art201 Abs3
31992R2913 ZK 1992 Art220
31992R2913 ZK 1992 Art221
31992R2913 ZK 1992 Art239
31992R2913 ZK 1992 Art5 Abs2
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art143 litd
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art201

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der D GmbH in G, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 27. November 2019, RV/5200049/2012, betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Feldkirch Wolfurt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Unbestritten ist, dass die Revisionswerberin im Zeitraum von Dezember 2008 bis April 2009 als indirekte Vertreterin unter Verwendung ihrer Sonder-UID Mobiltelefone aus der Schweiz zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit unmittelbar anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung nach Italien unter Verwendung des Verfahrenscodes 42 zur Einfuhr anmeldete. Sie hatte die Gültigkeit der UID-Nummern der von ihr indirekt vertretenen Empfängerunternehmen in Italien im Zeitpunkt der Abgabe der Anmeldungen überprüft. Das Zollamt Feldkirch Wolfurt nahm die Zollanmeldungen wie beantragt an. Die italienischen Empfängerunternehmen geben keine Mehrwertsteuererklärungen (in Italien) ab und entrichteten keine Mehrwertsteuer auf die angemeldeten Waren.

2        Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesfinanzgericht die Vorschreibung von Einfuhrumsatzsteuer sowie einer Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG für die in den gegenständlichen Zollanmeldungen angemeldeten Waren gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Das Verwaltungsgericht ging in seinem Erkenntnis davon aus, dass in den gegenständlichen Einfuhrfällen ein der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen zur eigenen Verfügung durch die von der Revisionswerberin vertretenen italienischen Warenempfänger vorliege. Es herrsche daher Personenidentität zwischen den Verbringern und den Warenempfängern. Ermittlungen in Italien hätten zu Tage gebracht, dass sämtliche Warenempfänger betrügerisch gehandelt hätten bzw. an Steuerhinterziehungen beteiligt gewesen seien, entweder selbst sogenannte „missing trader“ gewesen seien, keine Buchhaltung geführt und Mehrwertsteuer in beträchtlichem Umfang hinterzogen hätten. Für das Verwaltungsgericht bestünden keine Zweifel am betrügerischen Handeln der von der Revisionswerberin vertretenen Warenempfänger. Hinweise darauf, dass diese von den beabsichtigten Hinterziehungshandlungen der von ihr Vertretenen gewusst habe, seien im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Anders verhalte es sich jedoch bei den von der Revisionswerberin vertretenen Warenempfängern. Diese seien Teil eines auf Umsatzsteuerbetrug ausgelegten Systems gewesen. Bereits in dem Zeitpunkt, in dem die Revisionswerberin mit der Abgabe der Zollanmeldung betraut worden sei, sei für die Vollmachtgeber klar gewesen, dass dieser Umsatz Teil einer Betrugshandlung werden sollte.

Die Revisionswerberin als Anmelderin werde neben den von ihr vertretenen Warenempfängern zur Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. b ZK iVm § 2 Abs. 1 und § 71a ZollR-DG. Auf ihren guten Glauben komme es nach dem Wortlaut des § 71a ZollR-DG nicht an. Die Mobiltelefone seien bereits mit der Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr in den Wirtschaftskreislauf gelangt und nicht, wie von der Revisionswerberin vorgebracht, erst in Italien, was zur Folge gehabt habe, dass die Einfuhrumsatzsteuer bereits in diesem Zeitpunkt entstanden sei. Bereits in seinem Erkenntnis vom 28. März 2014, 2012/16/0009, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Vertrauensschutzregelung dann nicht in Betracht komme, wenn es an einem Abnehmer mangle, der unrichtige Angaben geliefert habe. Die von der Revisionswerberin indirekt vertretenen Warenempfänger seien zugleich Lieferer und Erwerber, es herrsche daher Personenidentität und sie seien direkt am Umsatzsteuerbetrug beteiligt gewesen. Bei dieser Konstellation bestehe kein schützenswertes Vertrauen des liefernden Unternehmens in die Richtigkeit der Angaben des erwerbenden Unternehmens, bei dem es sich, wie gegenständlich, um den selben Unternehmer gehandelt habe. Die behauptete Gutgläubigkeit der Revisionswerberin gegenüber den von ihr vertretenen italienischen Warenempfängern sei allenfalls in einem Verfahren auf Erlass oder Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 239 ZK iVm § 83 ZollR-DG zu prüfen, welches zum Erlöschen der Zollschuld auch nur gegenüber einem Gesamtschuldner führen könne.

Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es sich bei den Rechtsfragen auf die in den rechtlichen Erwägungen wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sowie des EuGH habe stützen können.

3        In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision erachtet sich die Revisionswerberin u.a. in ihren Rechten auf Nichtvorschreibung von Umsatzsteuer sowie auf Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen verletzt. Sie beantragt, das angefochtene Erkenntnis dahin abzuändern, dass ihrer Beschwerde gegen die Bescheide des Zollamtes Feldkirch Wolfurt Folge gegeben und diese Bescheide ersatzlos aufgehoben würden, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4        Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde, das Zollamt Feldkirch Wolfurt, eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der dieses die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.

5        Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

6        Art. 6 Abs. 3 UStG verwendet den Begriff des Anmelders. Dieser Begriff ist dem Zollrecht entnommen. Art. 143 Buchstabe d) der MwSt-RL spricht allerdings von dem als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur, das ist gemäß Art. 201 MwSt-RL die nach nationalem Recht als Steuerschuldner bezeichnete oder anerkannte Person. Durch den Verweis auf das Zollrecht in § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG ist der Zollschuldner der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer (VwGH 29.4.2014, 2012/16/0172).

Der Zollschuldner ist nach Art. 201 Abs. 3 Zollkodex - ZK, wenn Waren in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, der Anmelder und im Falle der indirekten Vertretung auch die Person, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird.

Die Vertretung kann nach Art. 5 Abs. 2 ZK indirekt sein, wenn der Vertreter in eigenem Namen, aber für Rechnung eines anderen handelt.

Art. 6 Abs. 3 UStG ist daher richtlinienkonform so auszulegen, dass sowohl der selbst als Anmelder auftretende Importeur, aber auch der vom Anmelder indirekt vertretene Importeur den Tatbestand des Art. 6 Abs. 3 UStG erfüllen und die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung ausführen können (VwGH 29.4.2014, 2012/16/0172).

Weiters führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28. September 2016, Ra 2016/16/0052, aus, dass in Österreich durch die Verweise des § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG die buchmäßige Erfassung der objektiv entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld (Art. 220 ZK) und die Mitteilung dieser Abgabenschuld (Art. 221 ZK) an den Gesamtschuldner (§ 71a ZollR-DG) vorgesehen ist. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit dieses Gesamtschuldners, seine Gutgläubigkeit und den Vertrauensschutz durch einen Antrag nach Art. 239 ZK und § 83 ZollR-DG auf Erlass der Umsatzsteuerschuld oder auf Erstattung der allenfalls bereits entrichteten Einfuhrumsatzsteuerschuld geltend zu machen. Einem solchen Antrag auf Erlass kommt im Ergebnis aufschiebende Wirkung zu. Damit kann sich dieser Gesamtschuldner der Haftung für die Einfuhrumsatzsteuer entziehen oder wirksam von der „Haftung“ befreien. Somit liegt keine de facto unbedingte Haftung vor, welche unverhältnismäßig wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28. März 2014, 2012/16/0009, ausgesprochen hat, greift die Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG in Fällen des innergemeinschaftlichen Verbringens im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG nicht, weil es diesfalls an einem Abnehmer mangelt, welcher unrichtige Angaben geliefert hätte (vgl. auch VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0052, sowie 25.4.2017, Ra 2016/16/0059).

7        Vor dem referierten Hintergrund zeigt die Revision ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von dieser Rechtsprechung nicht auf. Auch finden die in der Revision abstrakt formulierten Rechtsfragen allesamt schon ihre Beantwortung darin.

8        Eine Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt auch unter Berücksichtigung des aufgrund der Vorabentscheidung des EuGH vom 14. Feber 2019, C-531/17 - Vetsch, ergangenen Erkenntnisses vom 26. März 2019, Ra 2016/16/0061, nicht vor, weil diesem Erkenntnis ein mit dem Revisionsfall nicht vergleichbarer Sachverhalt von mit der Einfuhr nach Österreich samt nachfolgender innergemeinschaftlicher Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat in keinem Zusammenhang stehenden (späteren) weiteren innergemeinschaftliche Lieferungen zugrunde lag.

9        Inwieweit die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den weiters von der Revision ins Treffen geführten Urteilen des EuGH vom 20. Juni 2018, C-108/17 - Enteco Baltic, sowie vom 25. Oktober 2018, C-528/17 - Milan Boži?evi? Ježovnik, konkret widerspräche, legt die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG nicht dar.

10       Im Revisionsfall sind daher die verfahrensgegenständlichen Waren schon in Österreich in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden; dass die Waren dann im Rahmen des freien Verkehrs in einen anderen Mitgliedstaat befördert wurden, änderte daran nichts mehr (VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0052).

11       Wie bereits ausgeführt, greift die Vertrauensschutzregelung des Art. 7 Abs. 4 UStG in Fällen des innergemeinschaftlichen Verbringens im Sinn des Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG wie im Revisionsfall nicht, weil es diesfalls an einem Abnehmer mangelte, welcher unrichtige Angaben geliefert hätte (VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0052, und 25.4.2017, Ra 2016/16/0059).

12       Schließlich legt die Revision im Rahmen ihres Vorbringens nach § 28 Abs. 3 VwGG auch keine die Erheblichkeitsschwelle der Beeinträchtigung der Rechtssicherheit bedingenden Verfahrensmängel dar, auf denen die Annahmen des Verwaltungsgerichtes über die Malversationen der von der Revisionswerberin indirekt Vertretenen fußen.

13       Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160060.L00

Im RIS seit

01.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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