TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/28 VGW-011/055/16493/2019

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Forster über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 14.11.2019, Zl. MBA/..., betreffend Übertretung des Feuerpolizeigesetzes (WFPolG) iVm der Wiener Kehrverordnung (WKehrV), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07.05.2020, durch Verkündung, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

III. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Wesentliche Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht Wien nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer verfügt seit dem 23. Juni 1998 über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Rauchfangkehrer (§ 94 Z 10 GewO 1994), beschränkt auf die Ausführung von Kehrarbeiten im ... Wiener Gemeindebezirk“. Als Standort dieses Gewerbes war zum Tatzeitpunkt die Adresse Wien, C.-gasse, eingetragen. Der Beschwerdeführer war zum Tatzeitpunkt insofern der zuständige Rauchfangkehrer für die Liegenschaft Wien, D.-gasse.

Die Wohnung Wien, D.-gasse/6, wurde am 11. Dezember 2017 im Rahmen einer feuerpolizeilichen Kontrolle besichtigt. Wie aus dem (allgemeinen) Protokoll dieser Kontrolle hervorgeht, war der Anlass „Gasgeruch i[m] Objekt“. Der Wohnungsinhaber sei von seinem „CO-Melder“ über einen Gasaustritt gewarnt worden, woraufhin er mit seiner Gattin unverzüglich die Wohnung verlassen und die Feuerwehr verständigt habe. Im Weiteren seien auch der Inspektionsrauchfangkehrer und die Wiener Netze Gas nachalarmiert worden. Im Rahmen der Kontrolle seien auch die umliegenden Wohnungen auf die CO-Konzentration hin untersucht worden, wobei allerdings keine Gefährdung festgestellt werden habe können. Als vermeintliche Ursache des Vorfalls sei schließlich die verschmutzte Therme von Top 6 identifiziert worden. Näherhin sei es infolge der Wetterlage (starke Windböen) zu einem Abgasrückstau und zum Gasaustritt gekommen. Der Störtrupp der Wiener Netze Gas habe die entsprechende Gasfeuerstätte gesperrt; die betroffene Wohnung sei durch Öffnen der Fenster gelüftet worden.

Am Ende dieses Einsatzprotokolls findet sich ein Teilbericht des Inspektionsrauchfangkehrers mit folgendem Wortlaut: „Vermutlich infolge der Wetterlage, starke Windböen, und eine[m] verschmutzten Gerät kam es in der Wohnung Top 6 zu einem Gasaustritt. Die Abgasanlage wurde augenscheinlich kontrolliert und ein freier Querschnitt sowie eine Windstaulage festgestellt. Vom angeforderten Störtrupp der Wiener Netze Gas wurde die Gasfeuerstätte gesperrt. Weitere Veranlassungen über Ref. D2 und Wiener Netze Gas.“

In einer Mängelmeldung vom 9. Jänner 2018 gab der Beschwerdeführer der Hausinhabung des Hauses D.-gasse, Wien, (p.A. E.) folgende Mängel bekannt: „Wegen Zugstörungen ist auf den Rfg.lfd.Nr. 2/3/6 ein 1 m hoher isolierter Edelstahlrauchfangaufsatz (zugfördernde Saughaube, innerer Querschnitt 16 cm, mit Kehrtürchen) aufzusetzen-herzustellen.“ In diesem Schreiben wurde darum ersucht, die angeführten Mängel innerhalb eines Monats zu beheben, widrigenfalls eine Meldung an die Behörde erstattet werde.

Mit Schriftsatz vom 15. März 2018 meldete die Magistratsabteilung 68 hinsichtlich der Wohnung Wien, D.-gasse/6, einen baupolizeilichen Übelstand an das Magistratische Bezirksamt für den ... Bezirk. Konkret wurde darin vorgebracht, dass es in dieser Wohnung vermutlich in Folge der Wetterlage, starker Windböen und eines verschmutzten Gerätes zu einem Abgasaustritt gekommen sei. Die Abgasanlage sei – wie die Magistratsabteilung 68 in diesem Schreiben weiter ausführt – augenscheinlich kontrolliert und ein freier Querschnitt sowie eine Windstaulage festgestellt worden; die Gasfeuerstätte sei vom angeforderten Störtrupp der Wiener Netze Gas gesperrt worden. Weiters führt die Magistratsabteilung 68 (unter anderem) aus, dass die Abgasanlage aufgrund der Umgebungssituation (ca. 6 m höheres Nachbargebäude, Ausmündung ca. 1,5 m neben dessen Feuermauer) bauordnungsgemäß zu erhöhen sei, um einen einwandfreien Betrieb der Gasfeuerstätte zu gewährleisten. Wie aus dem Kontrollbuch des Rauchfangkehrers ersichtlich sei, habe dieser die Windstaulage nicht erkannt.

Mit Befund vom 3. April 2018 („Ergebnis der Überprüfung“) bestätigte der Beschwerdeführer, dass die mit Meldung vom 9. Jänner 2018 festgestellten Mängel durch die Nachrüstung eines Rauchfangaufsatzes behoben worden seien.

In der Folge erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, in welchem dem Beschwerdeführer eine Übertretung des § 23 Abs. 1 WFPolG iVm § 2 und § 3 WKehrV angelastet wird, weil er als zuständiger Rauchfangkehrer zumindest am 11. Dezember 2017 an der genannten Adresse den Mangel der fehlenden Höherführung der Abgasanlage nicht erkannt habe. In der Begründung dieses Straferkenntnisses zitiert die Behörde neben § 23 Abs. 1 WFPolG auch den Wortlaut des § 2 Abs. 1 und des § 3 Abs. 1 WKehrV.

Derselbe Vorwurf (dass der Beschwerdeführer den genannten Mangel nicht erkannt habe) fand sich bereits davor in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. September 2018.

Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt, insbesondere aus dem Einsatzprotokoll vom 11. Dezember 2017, dem Ergebnis der Überprüfung vom 3. April 2018, der Anzeige des baupolizeilichen Übelstandes vom 15. März 2018 (AS 37), der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. September 2018 (AS 7), der Niederschrift über die Vernehmung des Beschwerdeführers vom 4. Oktober 2018 (AS 10), der Stellungnahme der Magistratsabteilung 68 vom 6. Dezember 2018 (AS 16), dem Straferkenntnis vom 14. November 2019 (AS 25), dem einschlägigen Kontrollbuchauszug und dem Auszug aus dem Gewerbeinformationssysetem Austria vom 30. April 2020, und sind unstrittig.

Die Annahme der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit stützt sich auf den Akteninhalt.

Rechtliche Erwägungen

Gemäß § 20 WFPolG können durch Verordnung der Landesregierung nähere Bestimmungen getroffen werden über: 1. den Umfang, die Art und die Durchführung der Kehr-, Überprüfungs- und Wartungsarbeiten von Abgas- und Feuerungsanlagen (§ 14 WFPolG), 2. generelle Ausnahmen von der regelmäßigen Kehr-, Überprüfungs- und Wartungspflicht für bestimmte Arten oder für bestimmte Teile von Abgasanlagen unbeschadet der Bestimmung des § 14 Abs. 4 WFPolG, 3. die Pflichten der Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer (Miteigentümerinnen und Miteigentümer), der Betreiberinnen und Betreiber von Feuerungsanlagen sowie der Rauchfangkehrerinnen und Rauchfangkehrer (§§ 13, 15 bis 19 WFPolG), 4. die nötigen Sicherungsvorkehrungen für einzelne Arten brandgefährlicher Lagerungen, das gefahrbringende Ausmaß einzelner Arten brandgefährlicher Lagerungen, sowie die Bewilligungspflicht einzelner Arten brandgefährlicher Lagerungen einschließlich dem entsprechenden behördlichen Verfahren (§ 6 WFPolG), 5. die Pflichten von Personen im Umgang mit Feuer und brandgefährlichen Gegenständen (§ 3 WFPolG) sowie das Verbrennen im Freien unbeschadet der Bestimmungen des Bundesluftreinhaltegesetzes, BGBl. I 2002/137 in der Fassung BGBl. I 2013/97.

Gemäß § 18 Abs. 1 WKehrV hat die Rauchfangkehrerin bzw. der Rauchfangkehrer bei Vorliegen feuerpolizeilicher Übelstände oder baulicher Mängel an Feuerungsanlagen, die eine unmittelbare Gefahr darstellen, die Betreiberin bzw. den Betreiber der Feuerungsanlage vom gesetzlichen Heizverbot (§ 18 WFPolG) nachweislich unter Angabe des Grundes in Kenntnis zu setzen. Kann der Betreiberin bzw. dem Betreiber der Feuerungsanlage die schriftliche Mitteilung über das Bestehen des Heizverbotes (Anlage 1 zur WKehrV) nicht persönlich ausgehändigt werden, ist diese an der Zugangstür zu der Wohn- oder Betriebseinheit deutlich sichtbar und haltbar zu befestigen. Bei Vorliegen einer unmittelbaren Gefahr an einer mit gasförmigen Brennstoffen betriebenen Feuerstätte samt Verbindungsstück hat die Rauchfangkehrerin bzw. der Rauchfangkehrer gemäß § 18 Abs. 2 WKehrV die Feuerstätte, von der die Gefahr ausgeht, so zu sperren, dass ein weiterer Betrieb derselben ohne mutwillige Manipulation nicht mehr möglich ist. Stellt die Rauchfangkehrerin bzw. der Rauchfangkehrer Umstände fest, die ein Heizverbot begründen, hat sie bzw. er der Behörde gemäß § 18 Abs. 3 WKehrV unter Angabe der Gründe unverzüglich Anzeige zu erstatten. Die Behörde hat auf Grund dieser Anzeige das Bestehen des Heizverbotes mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Das Heizverbot bleibt solange aufrecht, bis die Voraussetzungen weggefallen sind.

Gemäß § 19 Abs. 1 WKehrV hat die Rauchfangkehrerin bzw. der Rauchfangkehrer für jedes Haus ein Kontrollbuch zu führen. Das Kontrollbuch hat die Hauseigentümerin bzw. der Hauseigentümer (deren Bevollmächtigte) in einer geeigneten, mit einem Normschlüssel für Reinigungsöffnungen sperrbaren Vorrichtung, die in den allgemein zugänglichen Teilen des Hauses gelegen ist, aufzubewahren. In diesem Kontrollbucheinlageblatt sind gemäß § 19 Abs. 4 WKehrV folgende Eintragungen vorzunehmen: 1. jede Überprüfung und Kehrung unter Beisetzung des Datums und der Unterschrift der bzw. des Ausführenden, 2. wahrgenommene Mängel (§ 20 WKehrV), 3. die Nichtbenützung von Abgasanlagen (§ 8 WKehrV), 4. das Bestehen oder der Wegfall eines Heizverbotes (§ 18 WKehrV), 5. abweichende Überprüfungs- und Kehrtermine (§ 7 WKehrV).

Gemäß § 20 Abs. 1 WKehrV sind alle im Zuge der Überprüfungs- und Kehrtätigkeit von der Rauchfangkehrerin bzw. vom Rauchfangkehrer festgestellten Mängel der bzw. dem Verpflichteten (§ 10 WKehrV) schriftlich mitzuteilen und in das Kontrollbucheinlageblatt einzutragen. Die schriftliche Mängelmitteilung hat hierbei gemäß § 20 Abs. 2 WKehrV zumindest folgende Angaben zu enthalten: 1. den Adressaten bzw. die Adressatin der Mängelmitteilung, 2. die Adresse des Hauses, in dem der Mangel festgestellt wurde, 3. das Datum der Überprüfung, 4. die Bezeichnung der mangelhaften Feuerungs- bzw. Abgasanlage, 5. die Art des Mangels, 6. die Aufforderung, den Mangel innerhalb einer festgesetzten Frist (§ 20 Abs. 3 WKehrV) zu beheben, sowie 7. den Namen der Rauchfangkehrerin bzw. des Rauchfangkehrers unter Beisetzung der Unterschrift. Die Frist zur Mängelbehebung ist von der Rauchfangkehrerin bzw. vom Rauchfangkehrer gemäß § 20 Abs. 3 WKehrV unter Bedachtnahme auf die Art und Schwere des Mangels sowie auf die Dringlichkeit der Behebung festzusetzen und darf den Zeitraum von 39 Wochen nicht überschreiten. Wird ein solcher Mangel nicht innerhalb der festgesetzten Frist behoben, ist die Rauchfangkehrerin bzw. der Rauchfangkehrer verpflichtet, der Behörde darüber Anzeige zu erstatten. Gemäß § 20 Abs. 4 WKehrV ist die Rauchfangkehrerin bzw. der Rauchfangkehrer verpflichtet, in allgemein zugänglichen Teilen des Hauses anlässlich der Überprüfungs- und Kehrtätigkeit ohne weiteres erkennbare feuerpolizeiliche Übelstände und bauliche Mängel an Abgasanlagen, unabhängig von Art und Umfang ihrer Benützung, in das Kontrollbucheinlageblatt einzutragen und nach erfolgloser Einräumung einer Frist zu deren Behebung der Behörde anzuzeigen.

Hingegen erweisen sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien die von der belangten Behörde als übertretene Rechtsvorschriften angeführten Bestimmungen des § 2 und § 3 WKehrV im vorliegenden Fall grundsätzlich als nicht einschlägig: In diesen Vorschriften werden bloß die Häufigkeit der Kontrollen und Kehrungen sowie die Örtlichkeit, von der aus die Feuerungsanlagen zu begutachten sind, geregelt (ohne dass sich daraus im Allgemeinen inhaltliche Vorgaben für die Überprüfung ergeben: vgl. VwGH 27.4.2016, 2013/05/0099). Dem Beschwerdeführer wurde aber nicht angelastet, eine regelmäßige Kontrolle unterlassen zu haben. Als maßgeblich könnte sich bloß § 3 Abs. 7 WKehrV erweisen, wonach Feuerstätten zum Termin der Hauptkehrung bzw. Hauptüberprüfung auf ihre ordnungsgemäße Aufstellung, auf sonstige bau- und feuerpolizeiliche Mängel, sowie hinsichtlich der ausreichenden Verbrennungsluftzufuhr (§ 5 WKehrV) zu überprüfen und Feuerstätten überdies auf die Durchführung der einfachen Überprüfung gemäß § 23 WHKG 2015 zu überprüfen sind. Auch derartiges wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren allerdings nicht angelastet.

Gemäß § 23 Abs. 1 WFPolG begeht, wer den Vorschriften der §§ 3, 4 Abs. 2, 5 bis 9, 11 Abs. 1 und 6 bis 10, 12 Abs. 1, 13, 14 Abs. 1, 3 und 5, 15 bis 18 und 19 Abs. 1 und 2 WFPolG oder einer auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verordnung zuwiderhandelt oder unbeschadet der Bestimmungen des § 23 Abs. 2 WFPolG die auf Grund dieses Gesetzes in Bescheiden vorgeschriebenen Bedingungen, Befristungen und Auflagen nicht einhält, eine Verwaltungsübertretung. Derartige Verwaltungsübertretungen werden nach § 23 Abs. 3 WFPolG mit Geldstrafen bis zu EUR 21.000,– bestraft; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Damit korrespondierend bestimmt auch § 22 WKehrV, dass Zuwiderhandlungen gegen ein in dieser Verordnung ausdrücklich normiertes Gebot oder Verbot gemäß § 23 WFPolG geahndet werden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführt, gebietet eine Strafnorm wie diese, nach der auch die Zuwiderhandlung gegen Vorschriften einer aufgrund des Gesetzes ergangenen Verordnung (wie hier der WKehrV) eine Verwaltungsübertretung darstellt, die mit einer Geldstrafe bis zu EUR 21.000,– geahndet werden kann, eine restriktive Auslegung betreffend die sich aus einer solchen Verordnung ergebenden Verwaltungsübertretungen (VwGH 27.4.2016, 2013/05/0099).

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Gemäß § 45 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung ua. dann zu verfügen, wenn 1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet; 2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen; 3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.


Der Eintritt der Verjährung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. VwGH 29.5.1974, 1795/73).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen iSd § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG ist insofern auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Anders formuliert, muss sich die Verfolgungshandlung (auch) auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen (vgl. ua. VwGH 5.12.2017, Ra 2017/02/0186; 4.3.2020, Ra 2020/02/0013). Maßgebliche Gesichtspunkte bei der Konkretisierung der Tat und der Frage, ob eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde, sind die Wahrung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und die Vermeidung der Gefahr einer Doppelbestrafung (VwGH 7.8.2019, Ra 2019/06/0121; 26.2.2020, Ra 2019/05/0305). Insofern muss dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen werden, dass er im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und muss Spruch geeignet sein, die beschuldigte Person rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 27.6.2019, Ra 2019/15/0054; 29.10.2019, Ra 2019/09/0146).

„Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Ein Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt nicht in Betracht. Auch eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung durch das Verwaltungsgericht ist nur dann zulässig, wenn dies nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts führt (VwGH 20.5.2019, Ra 2018/02/0043; 18.11.2019, Ra 2019/08/0050; 25.3.2020, Ra 2020/02/0033). Sofern von der Verfolgungshandlung alle erforderlichen Sachverhaltselemente erfasst waren, kann die Tat aber auch nach einer anderen als der ursprünglich ins Auge gefassten Bestimmung betraft werden, wobei die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafbestimmung auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist möglich ist (VwGH 18.9.2019, Ra 2019/04/0086).


Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen, bestimmte Überprüfungs- oder Kehrtermine nicht eingehalten (§ 14 WFPolG, §§ 2 ff. WKehrV), ein Heizverbot oder eine Sperre nicht verhängt (§ 18 WFPolG, § 18 WKehrV), einen bestimmten Missstand nicht an die Behörde gemeldet (§ 17 WFPolG, § 20 Abs. 3 WKehrV), nicht dem Verantwortlichen mitgeteilt (§ 17 WFPolG, § 20 WKehrV), nicht in das Kontrollbuch eingetragen (§§ 19 f. WKehrV) oder nicht als Kontrollbuchauszug der Behörde vorgelegt (§§ 19, 21 WKehrV) zu haben. Vielmehr lastete die Behörde dem Beschwerdeführer im Verfahren an, dass er zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort einen näher definierten feuerpolizeilichen Missstand „nicht erkannt“ hätte – ein Vorwurf, der weder mit einem Tatbestandsmerkmal der im Straferkenntnis als verletzte Rechtsvorschriften genannten § 2 und § 3 WKehrV noch mit sonstigen Bestimmungen des Wr. Feuerpolizeigesetzes oder der Wr. Kehrverordnung korrespondiert. Dies bedeutet aber zum Einen, dass es innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist zu keiner rechtskonformen Tatanlastung kam und die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat damit auch nicht insoweit unverwechselbar konkretisiert war, dass dieser in die Lage versetzt wurde, auf den Vorwurf zu reagieren und sein Rechtschutzinteresse zu wahren. Zum Anderen ist es dem Verwaltungsgericht Wien verwehrt, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Tatvorwurf so auszuwechseln, dass er einer der genannten Rechtsvorschriften unterstellt werden könnte (vgl. in diesem Zusammenhang ua. auch VwGH 24.11.2008, 2006/05/0200; 27.4.2016, 2013/05/0099). Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen war das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen.

Kosten

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

 

Verwaltungsgericht Wien

Dr. Forster

Schlagworte

Strafverfolgung; Verfolgungshandlung; Verfolgungsverjährung; Tatumschreibung; Konkretisierung der Tat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.011.055.16493.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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