TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 W137 2001164-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W137 2001164-1/21E

Schriftliche Ausfertigung der am 14.02.2014 mündlich verkündeten Entscheidung:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2014, Zl. 32952304 - 14068012 103225245, sowie die Anhaltung in Schubhaft ab 30.01.2014 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.02.2014 und 14.02.2014 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien. Er stellte in Österreich weder vor der Anordnung der Schubhaft, noch bis zur mündlichen Verhandlung am 14.02.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 30.01.2014 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet. Gegen diese Entscheidung brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter fristgerecht (am 07.02.2014) eine Beschwerde ein. Am selben Tag legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verwaltungsakt vor und übermittelte eine Stellungnahme.

3. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.02.2014 und am 14.02.2014 eine mündliche Verhandlung durch und traf die im Spruch ausgeführte Entscheidung. Diese wurde in Anwesenheit des bevollmächtigten Vertreters des Beschwerdeführers verkündet und der Behörde im Anschluss übermittelt. Den Antrag auf Zeugeneinvernahme wurde vom Vertreter am 13.02.2014 zurückgezogen.

4. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.2020 wurde das gegenständliche Verfahren der Gerichtsabteilung W137 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt und ohne gültiges Reisedokument in das Bundesgebiet ein. Er wurde am 30.01.2014 im Bundesgebiet wegen illegalen Aufenthalts festgenommen. Noch am selben Tag wurden über ihn eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen. Zudem wurde einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich nie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt; er ist "Fremder" im Sinne des § 52 FPG.

Der Beschwerdeführer hat sich während des (für das gegenständliche Verfahren relevanten) Aufenthalts in Österreich im Verborgenen aufgehalten. Er verfügt über keine beruflichen, familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er nächtigte in Obdachlosenunterkünften oder auf der Straße.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft und der mündlichen Verhandlung - abseits einer Suchtmittelabhängigkeit - grundsätzlich gesund und haftfähig. Die in der Beschwerde behauptete Haftunfähigkeit oder eine suizidale Einengung sind nicht nachvollziehbar.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 32952304 - 14068012 103225245 sowie dem gegenständlichen Gerichtsakt und der Befragung im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Unstrittig ist die Einreise ohne gültiges Reisedokument und die fast vollständig fehlende Integration im Bundesgebiet. Ebenfalls unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Die Feststellungen zu seinem fremdenrechtlichen Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage.

Die Feststellungen zum (jüngsten) Aufenthalt im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und seiner Haftfähigkeit ergeben sich aus der Eingangsuntersuchung bei Anordnung der Schubhaft sowie dem Ergebnis der Beschwerdeverhandlung, in der ein Arzt des Vereins DIALOG als Sachverständiger ausführlich befragt worden ist. Auch der Beschwerdeführer selbst verwies auf seine Suchtmittelabhängigkeit und erklärte ausdrücklich an die protokollierte Selbstmorddrohung vom 30.01.2014 keinerlei Erinnerung mehr zu haben.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. § 76 Abs. 1 FPG lautete zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft (und der gegenständlichen Entscheidung):

§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Anordnung zur Außerlandesbringung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

Das Bundesamt stützte die zur Anordnung der Schubhaft erforderliche Annahme einer Fluchtgefahr erkennbar auf die Einreise und den Aufenthalt ohne gültiges Reisedokument, den Aufenthalt im Verborgenen (keine behördliche Meldung) sowie das Fehlen einer sozialen Verankerung im Bundesgebiet. Dies blieb auch in der Beschwerde - hinsichtlich der Fakten - unbestritten. Das behauptete fehlende Wissen des Beschwerdeführers hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für Einreise/Aufenthalt ist diesbezüglich ohne Relevanz.

Darüber hinaus ließ sich weder die in der Beschwerde behauptete Haftunfähigkeit noch eine besondere psychische Problematik verifizieren.

3.2. § 22a Abs. 3 BFA-VG lautete zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft (und der gegenständlichen Entscheidung):

§ 22a (3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte festgestellt werden, dass die zur Anordnung der Schubhaft herangezogenen Tatsachen unverändert vorliegen. Die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers und das Fehlen einer suizidalen Einengung wurden durch den beigezogenen Sachverständigen in der Verhandlung bestätigt.

4. Kostenentscheidung

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Einzubeziehen in diese Entscheidung ist auch der Ausspruch über die Fortsetzung der Schubhaft.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Die Revision war im Zeitpunkt der mündlichen Verkündung der gegenständlichen Entscheidung zuzulassen, weil zu diesem Zeitpunkt grundlegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Behandlung von Schubhaftbeschwerden - etwa die grundsätzliche Zuständigkeit des Gerichts oder der Umgang mit Kostenanträgen - durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht gegeben war.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Gesundheitszustand Haftfähigkeit öffentliche Interessen Revision zulässig Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2001164.1.00

Im RIS seit

28.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten