TE Vfgh Erkenntnis 1996/2/28 V357/94

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Veröffentlicht am 28.02.1996
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs1 / Sachentscheidung Allg
TrassenV, BGBl 521/1990, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 83 Kärntner Straße und der B 95 Turracher Straße im Bereich der Gemeinden Maria Saal und Klagenfurt
BStG 1971 §4 Abs1

Leitsatz

Teilweise Aufhebung einer TrassenV betreffend die B 83 Kärntner Straße hinsichtlich der Untertunnelung des Kreuzbergls infolge Fehlens entsprechender Untersuchungen über die funktionelle Bedeutung der Straße angesichts des Vollausbaus der A 2 Autobahnumfahrung Klagenfurt

Spruch

Die Worte "durchörtert in der Folge das Kreuzbergl und bindet nach der Anschlußstelle Klagenfurt/Wörthersee der A 2 Süd Autobahn bei Plan-km 306,95/Bestand-km 309,95 wieder in die bestehende B 83 Kärntner Straße ein" in Punkt 1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Juli 1990 betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 83 Kärntner Straße und der B 95 Turracher Straße im Bereich der Gemeinden Maria Saal und Klagenfurt, BGBl. Nr. 521/1990, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, dem Antragsteller zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat mit Verordnung vom 25. Juli 1990, BGBl. 519/1990, den Straßenverlauf der A 2 Süd Autobahn im Bereich der Stadt Klagenfurt bestimmt. Mit Verordnung vom gleichen Tag "betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 83 Kärntner Straße und der B 95 Turracher Straße im Bereich der Gemeinden Maria Saal und Klagenfurt" wurde gemäß §4 Abs1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. 286 idF BGBl. 63/1983, verordnet:

"1. Der Straßenverlauf eines Abschnittes der B 83 Kärntner Straße wird im Bereich der Gemeinden Maria Saal und Klagenfurt wie folgt bestimmt:

Die neu herzustellende Straßentrasse beginnt bei Plan-km 298,36, führt in der Folge über die Anschlußstelle Klagenfurt/ Nord der A 2 Süd Autobahn, verläuft sodann von Plan-km 302,60 bis Plan-km 303,4 auf der bestehenden Trasse der B 95 Turracher Straße, durchörtert in der Folge das Kreuzbergl und bindet nach der Anschlußstelle Klagenfurt/Wörthersee der A 2 Süd Autobahn bei Plan-km 306,95/Bestand-km 309,95 wieder in die bestehende B 83 Kärntner Straße ein.

2. Der Straßenverlauf eines Abschnittes der B 95 Turracher Straße wird im Bereich der Stadt Klagenfurt wie folgt bestimmt:

Die neu herzustellende Straßentrasse beginnt bei Plan-km 0,00 an der unter Punkt 1 festgelegten Trasse der B 83 Kärntner Straße im Bereich der Anschlußstelle Klagenfurt/Nord der A 2 Süd Autobahn und bindet bei Plan-km 1,80/Bestand-km 5,65 wieder in die bestehende B 85 Turracher Straße ein.

3. Im einzelnen ist der Straßenverlauf der neu herzustellenden Straßentrassen aus den beim Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, beim Amt der Kärntner Landesregierung sowie bei den Gemeinden Maria Saal und Klagenfurt aufliegenden Planunterlagen (Plan-Nr. AB 10255/2 und /5 im Maßstab 1 : 2 000 sowie Plan-Nr. AB 10255/3 und /4 im Maßstab 1 : 5 000) zu ersehen.

§15 Bundesstraßengesetz 1971 findet auf die vorangeführten Straßenabschnitte Anwendung. Die Grenzen des Bundesstraßenbaugebietes sind den aufliegenden Planunterlagen zu entnehmen.

Durch diese Verordnung wird die Verordnung des Bundesministers für Bauten und Technik vom 2. Juli 1980, BGBl. Nr. 341, aufgehoben."

2. a) Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 489, KG 72117 Gurlitsch I, die aus mehreren Grundstücken, ua. dem Grundstück 658/6 (Wald) besteht. Dieses Grundstück liegt innerhalb des durch die eben wiedergegebene Verordnung festgelegten Bundesstraßenbaugebietes.

Mit einem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Individualantrag begehrt er die Aufhebung der in der Wiedergabe des Verordnungstextes hervorgehobenen Worte in Pkt. 1 dieser Verordnung.

Zur Legitimation bringt der Antragsteller unter Hinweis auf VfSlg. 9823/1983 ua. vor, daß die angefochtene Verordnung unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre eingreife, weil es ihm gemäß §15 Bundesstraßengesetz 1971 (BStG 1971) untersagt sei, Neu-, Zu- und Umbauten auf jenen Grundstücksteilen vorzunehmen, die vom Bundesstraßenbaugebiet umfaßt sind.

b) Die angefochtene Wortfolge der Verordnung hält der Antragsteller aus verschiedenen Gründen für rechtswidrig:

Zum ersten vertritt er die Ansicht, daß es sich bei der Trassenfestlegung nicht mehr um eine "Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße", sondern um eine neue Bundesstraße handle. Als solche hätte sie zunächst in das Verzeichnis 3 des BStG 1971 aufgenommen werden müssen; da dies nicht geschehen sei, entbehre die angefochtene Verordnungsstelle der gesetzlichen Grundlage und verstoße gegen Art18 Abs2 B-VG.

Zum zweiten rügt der Antragsteller, daß die angefochtene Verordnungsstelle dem verfassungsrechtlichen Gebot der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit widerspreche, und in Verbindung damit, daß sie wegen Widerspruchs zu §4 Abs1 BStG 1971 gesetzwidrig sei, weil die Wirtschaftlichkeit des Kreuzbergltunnel-Projektes und dessen ökologische Auswirkungen infolge mangelhafter Sachverhaltserhebungen nicht hinreichend geprüft worden seien.

In diesem Zusammenhang führt der Antragsteller unter anderem aus, daß der Kreuzbergltunnel bisher von keinem einzigen Verkehrsexperten positiv beurteilt worden sei. Erst im Sommer 1993 seien die deutschen Verkehrsplaner Univ.-Prof. R und Univ.-Prof. T nach einem (von allen Fraktionen des Klagenfurter Gemeinderates getragenen) Beschluß von der Stadt Klagenfurt beauftragt worden, ein Gesamtverkehrskonzept für die Stadt Klagenfurt zu erstellen und die Funktion und Wirkung des Tunnels zu beurteilen. Das Ergebnis, das seit September 1994 vorliege, laute, daß der Kreuzbergltunnel "nicht bauwürdig" sei. Er sei insbesondere

"nicht geeignet, zur Entlastung vom Durchgangsverkehr spürbar beizutragen und damit einem überregionalen/regionalen Verkehrsinteresse zu entsprechen:

Derzeit ist die Autobahnumfahrung Klagenfurt in Bau, die Fertigstellung und Freigabe ist für 1995 und 1996 terminisiert. Der darüber hinaus geplante Kreuzbergltunnel stellt daneben nur eine sinnlose Doppelinvestition dar, letztlich ein gedankliches Relikt aus einer Zeit, als man noch beabsichtigte, die A 2 südlich an Klagenfurt vorbeizuführen.

Autobahn und die zum Kreuzbergltunnel führende B 83 haben im Knoten Nord einen gemeinsamen Anbindungspunkt; die B 83 verläuft ab Knoten Nord lediglich 1,4 bis 2,0 km östlich der Autobahntrasse, um sich dann bei der Anschlußstelle Klagenfurt-See/Minimundus wieder mit der Autobahn zu treffen.

Der in Nord-Süd/Süd-Nord fließende Durchgangsverkehr hätte daher nach Fertigstellung der beiden Projekte die Möglichkeit, sich (zwischen Knoten Nord und Knoten Klagenfurt-See/Minimundus) zwischen einer ca. 7,7 km langen Autobahn und einer ca. 5,2 km langen Landstraße (über Kreuzbergltunnel) zu entscheiden.

...

   Die Kapazität der Autobahnumfahrung wäre auch ohne

Kreuzbergltunnel bei weitem nicht ausgelastet. R/T ... errechnen

die Auslastung der Autobahn ohne Kreuzbergltunnel mit 21.000 DTV

(durchschnittlicher täglicher Verkehr =

Jahresverkehrsaufkommen/365 Tage = durchschnittlicher Verkehr pro

24 Stunden), wobei eine Abnahme der Autobahnauslastung von ca.

4.000 Kfz eintritt, wenn der Kreuzbergltunnel gebaut wird.

Der Kreuzbergltunnel wird eine Auslastung von nur (!!) 7.800 DTV haben, wobei hievon 4.000 Kfz von der Autobahn stammen (!), deren Auslastung sich dadurch auf 17.000 reduziert ...".

Der Kreuzbergltunnel stehe also in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zur ohnehin nur geringfügig ausgelasteten Autobahn. Da er auch den innerstädtischen Verkehr nur marginal entlasten könne, "fehlt dem Kreuzbergltunnel daher sowohl für den überregionalen/regionalen als auch für den innerstädtischen Verkehr jede verkehrspolitische Notwendigkeit".

3. a) In seiner Stellungnahme weist der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten zunächst darauf hin,

"daß die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 25. Juli 1990, BGBl. Nr. 521/1990, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der B 83 Kärntner Straße im Bereich der Gemeinden Maria Saal und Klagenfurt bereits einmal beim Verfassungsgerichtshof angefochten worden ist. Mit Erkenntnis vom 13.10.1993, B200/92-19, B1897/92-19, (= VfSlg. 13579/1993) hat der Verfassungsgerichtshof festgestellt, daß die - nunmehr neuerlich bekämpfte - Verordnung BGBl. Nr. 521/1990 dem Gesetz entspricht.

In diesem angeführten Erkenntnis wurden vom Verfassungsgerichtshof insbesondere die nachstehenden Feststellungen getroffen: 'In Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Verordnungen nach §4 Abs1 BStG 1971 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten angesichts der den Verordnungen zugrundeliegenden Überlegungen zu den Auswirkungen der Trasse auf Verkehr, Raum und Umwelt sein Planungsermessen, wie es ihm §4 Abs1 BStG 1971 einräumt, auf hinreichende Sachverhaltserhebungen gestützt. Der Bundesminister ist seiner Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die gesetzlich festgelegten Kriterien der Verkehrserfordernisse, der Verkehrssicherheit, der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges, des Umweltschutzes und der Wirtschaftlichkeit bei der Bestimmung des Straßenverlaufes zureichend nachgekommen und hat mit der verordneten Trasse eine Entscheidung getroffen, die auf Grund der Unterlagen nachvollziehbar ist und mit den Stellungnahmen der Kärntner Landesregierung sowie des Gemeinderates der Stadt Klagenfurt übereinstimmt. Ein rechtswidriger Gebrauch des ihm eingeräumten Planungsermessens liegt daher nicht vor.'

Nach ho. Ansicht wäre daher die vorliegende Beschwerde (gemeint wohl: der vorliegende Antrag) wegen bereits entschiedener Sache zurückzuweisen."

b) In der Sache vertritt der Bundesminister die Auffassung, es sei die angefochtene Verordnungsstelle ein Teil eines Gesamtkonzeptes, aus dem "lediglich den kleinen Abschnitt 'Kreuzbergltunnel' der B 83 Kärntner Straße herauszunehmen", "schlichtweg unzulässig" sei. Man übersehe dabei insbesondere die Entlastungsfunktion für den innerstädtischen Verkehr sowie die Tatsache, daß die Umlegungsstrecke der B 83 bereits in Bau sei und bei der Nichterweiterung durch den Kreuzbergltunnel ein Großteil der Entlastungswirkung für den Stadtkern verloren gehen würde.

Es seien

"die zum Teil gutächtlich belegten Einwendungen des Beschwerdeführers auch deswegen nicht von Relevanz, weil bei Beurteilung der angefochtenen Verordnung zweifellos vom Wissen, vom Stand der Technik und Verkehrsplanung im Zeitpunkt der Erlassung dieser Verordnung im Jahre 1990 auszugehen ist".

Sodann wird in der Äußerung zu einzelnen Aspekten der inhaltlichen Kritik an der Trasse Stellung genommen; dabei wird u. a. ausgeführt:

"Die Feststellungen im Gesamtverkehrskonzept R aus dem Jahre 1993 'der Kreuzbergltunnel ist nicht bauwürdig', ist eine durchaus subjektive verkehrstechnische Bewertung. Bezüglich der Verkehrsbelastung kommt der Gutachter hingegen zum gleichen Ergebnis wie diejenigen Erhebungen, welche bereits im Jahre 1985 im Hinblick auf die zukünftige Verordnung durchgeführt worden sind.

Bundesstraßen in Stadtgebieten haben stets gemischte Funktion, d. h. sie haben sowohl den Durchzugsverkehr zu bewältigen als auch den örtlichen Verkehr aufzunehmen. ... Der geplante Kreuzbergltunnel nimmt auf jeden Fall einen nicht unwesentlichen Durchzugsverkehr auf, da es sich um eine leistungsfähige Bundesstraße (der Beschwerdeführer spricht demgegenüber lediglich von einer 'Landstraße') handelt, auf welcher hinsichtlich Fahrgeschwindigkeit und Fahrzeit beinahe ähnliche Verhältnisse gegeben sein werden wie auf Autobahnen. Nochmals muß betont werden, daß die seinerzeit im Rahmen des Verordnungsverfahrens angenommene Verkehrsfrequenz im Kreuzbergltunnel auch von sämtlichen später erstellten Gutachten bestätigt wurde, lediglich die Bewertung des 'verkehrspolitischen Nutzens' wurde von den nachfolgenden Gutachtern teilweise anders eingestuft. Allerdings kann die Frage einer quantitativen Bewertung bzw. Zuordnung der Anteile des überregionalen und des innerstädtischen Verkehrs die erlassene Verordnung sicherlich nicht mit Rechtswidrigkeit belasten, da diesbezüglich dem Verordnungsgeber vom Gesetz zweifelsohne ein entsprechender Ermessensspielraum eingeräumt ist. ...

...

Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens hat der Verfassungsgerichtshof in seinem oben zitierten früheren Erkenntnis entschieden, daß der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten seiner Verpflichtung zur Bedachtnahme auf die Kriterien der Wirtschaftlichkeit ordnungsgemäß nachgekommen ist. An dieser Stelle ist nochmals - da es sich bei der Umfahrung Klagenfurt um ein Gesamtprojekt handelt - festzuhalten, daß die Wirtschaftlichkeit allein des Kreuzbergltunnels nicht aus dem tatsächlich als Einheit geplanten und auch als solches verordneten Gesamtvorhaben herausgelöst isoliert betrachtet werden darf. ...

Ähnliches gilt für die Frage der Umweltbelastung. Der Verfassungsgerichtshof hat diesbezüglich bereits klar festgestellt, daß die vor Erlassung der angefochtenen Verordnung angestellten Überlegungen sowie Untersuchungen und Erhebungen zur Umweltverträglichkeit im Anhang 'Umwelt' zum generellen Entwurf den vom Gesetzgeber gestellten Anforderungen genügen."

Zusammenfassend sei

"daher festzustellen, daß die gegenständliche, vom Beschwerdeführer angefochtene Verordnung BGBl. 521/1990 vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erst nach eingehender und gewissenhaftester Ermittlung, Untersuchung, Beurteilung sowie Wertung und Würdigung der in §4 des Bundesstraßengesetzes 1971 angeführten Kriterien erlassen worden ist; aus diesen Gründen wird daher vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten beantragt, den vorliegenden Anträgen auf Aufhebung der Verordnung BGBl. 521/1990 nicht zu entsprechen".

4. Auf diese Äußerung replizierte der Antragsteller, wobei er zunächst neuerlich betonte, daß der Antrag

"nur den eigentlichen Kreuzbergltunnel zwischen ca. 'Schleppe' und Knoten Minimundus bekämpft.

Die in Bau befindlichen Straßenstücke nördlich 'Schleppe', nämlich die B 83 von Norden kommend über Knoten Nord bis ca. 'Schleppe' ... werden durch die Beschwerde nicht tangiert. Sie

erfüllen vor allem Zubringerfunktionen zur Autobahn ... und

werden deshalb bzw. auch infolge der mit ihnen verbundenen Umfahrungswirkung als sinnvoll und notwendig erachtet".

Weiters meint der Antragsteller, die Äußerung des Bundesministers erweise selbst die Mangelhaftigkeit des Verfahrens zur Erlassung der angefochtenen Verordnung, wenn argumentiert werde,

"daß 'bei Beurteilung der angefochtenen Verordnung zweifellos vom Wissen, vom Stand der Technik und Verkehrsplanung im Zeitpunkt der Erlassung dieser Verordnung im Jahre 1990 auszugehen ist'.

Die in der Beschwerde vorgelegten Gutachten, vor allem hinsichtlich der (fehlenden) Auswirkungen des Kreuzbergltunnelprojektes auf eine wirksame Reduzierung des Verkehrsaufkommens für den innerstädtischen Bereich, belegen in klarer und unmittelbar nachvollziehbarer Weise, welche Informationen und Sachverhaltselemente das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten anläßlich der Erlassung der Verordnung zu erheben verabsäumt hat. Der Vergleich zwischen dem durch die Beilagen zur gegenständlichen VfGH-Beschwerde nachgewiesenen möglichen Wissensstand und den tatsächlichen Sachverhaltsermittlungen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung, machen den Mangel an ministeriellen Erhebungen zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Verordnung deutlich. Dies umso mehr, als die in der Beschwerde erhobenen Fakten ausnahmslos auch schon anläßlich der Erlassung der angefochtenen Verordnung erhoben hätten werden können".

Schließlich wendet sich der Antragsteller gegen die Ansicht, er bekämpfe das Kreuzbergltunnel-Projekt unter Außerachtlassung des Gesamtzusammenhanges und führt dazu aus:

"Das Gesamtprojekt wird keineswegs in Frage gestellt, vielmehr wird lediglich jener Streckenabschnitt (Kreuzbergltunnel) bekämpft, dem im Gesamtprojekt 'Autobahnumfahrung Klagenfurt' eine redundante und daher rechtlich nicht gerechtfertigte Funktion zukommt. Die vorliegende Beschwerde befürwortet hingegen das Projekt 'Autobahnumfahrung Klagenfurt' als grundsätzlich sinnvoll und will nur jenen Teil (Kreuzbergltunnel) verhindern, der keine zusätzlichen verkehrspolitischen Nutzen bringt."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das Verfahren ist zulässig. Der Antragsteller ist als Eigentümer eines Grundstückes, das in jenem Bundesstraßenbaugebiet liegt, das durch die angefochtene Verordnungsstelle bestimmt wird, zu einem Verordnungsprüfungsantrag legitimiert (vgl. VfSlg. 9823/1983, 12084/1989, 13481/1993 ua.). Ebenfalls ergibt sich aus der Vorjudikatur, daß der Antragsteller zur vorgenommenen "Teilanfechtung" legitimiert ist (vgl. auch dazu VfSlg. 9823/1983 sowie etwa VfSlg. 10581/1985).

Entgegen der Auffassung des Bundesministers steht dem Antrag auch das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache nicht entgegen, weil das vom Bundesminister angeführte Erkenntnis VfSlg. 13579/1993 nicht in einem Verordnungsprüfungsverfahren erging, sondern sich im Rahmen eines Bescheidprüfungsverfahrens mit der Rechtmäßigkeit der dem damals angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften (und damit auch mit der Rechtmäßigkeit der nunmehr angefochtenen Verordnung) befaßte (vgl. VfSlg. 8753/1980). Richtig ist freilich, daß der Verfassungsgerichtshof in diesem Verfahren unter dem Blickwinkel des damaligen Beschwerdefalles keine Bedenken ob der Rechtmäßigkeit der Verordnung hatte, die nunmehr hinsichtlich eines Teiles den Gegenstand dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens bildet; das aber ist keine Frage der Zulässigkeit des Verfahrens, sondern eine Frage der inhaltlichen Beurteilung, weshalb auf sie im Zusammenhang mit der meritorischen Erledigung Bedacht zu nehmen ist.

2. a) Gemäß §4 BStG 1971 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vor dem Bau einer neuen Bundesstraße und vor der Umlegung von Teilen einer bestehenden Bundesstraße den Straßenverlauf durch Verordnung zu bestimmen. Dabei hat er sein Planungsermessen "nach den Erfordernissen des Verkehrs und darüber hinaus der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges" und unter Bedachtnahme auf die in §7 leg.cit. genannten Grundsätze, auf den Nachbarschutz (§7a leg.cit.) auf "die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens, den Denkmalschutz und die Umweltverträglichkeit" sowie unter Bedachtnahme auf die Ergebnisse der Anhörung der Länder und Gemeinden sowie der Öffentlichkeit auszuüben. Der verwiesene §7 leg.cit. lautet:

"(1) Die Bundesstraßen sind derart zu planen, zu bauen und zu erhalten, daß sie nach Maßgabe und bei Beachtung der straßenpolizeilichen und kraftfahrrechtlichen Vorschriften von allen Straßenbenützern unter Bedachtnahme auf die durch die Witterungsverhältnisse oder durch Elementarereignisse bestimmten Umständen ohne Gefahr benützbar sind; hiebei ist auch auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs sowie auf die Umweltverträglichkeit Bedacht zu nehmen.

(2) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erläßt die für die Planung, den Bau und die Erhaltung der Bundesstraßen erforderlichen Dienstanweisungen."

b) Mit der Frage der Rechtmäßigkeit der hier hinsichtlich des den Kreuzbergltunnel betreffenden Teiles bekämpften Verordnung hat sich - worauf der Bundesminister insofern zu Recht hinweist - der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg. 13579/1993 auseinandergesetzt. Damals ging es angesichts des zu entscheidenden Beschwerdefalles um die Beurteilung des ersten Teiles jenes Satzes der Verordnung, der nunmehr hinsichtlich seines zweiten Teiles angefochten ist. Mit Blick auf diesen (ersten) Teil der Trassenfestlegung, der der Anbindung zweier Bundesstraßen an die Klagenfurt im Norden umfahrende Autobahn am Autobahnknoten Nord dient, und der vom nunmehr angefochtenen Teil der Trassenfestlegung trennbar ist, kam der Gerichtshof zum Ergebnis, daß Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit nicht bestehen, da der Bundesminister von seinem Planungsermessen, das ihm §4 Abs1 BStG 1971 einräumt, rechtmäßig Gebrauch gemacht und eine Entscheidung getroffen habe, die aufgrund der Unterlagen nachvollziehbar sei.

c) Gleiches kann jedoch von dem nunmehr angefochtenen Teil der Trassenfestlegung, die die Untertunnelung des Kreuzbergls betrifft, nicht gesagt werden:

Die Tatsache, daß die in bloß geringer Distanz nahezu parallel zur strittigen Kreuzbergltunnel-Trasse situierte A 2 Süd Autobahn mit der Untertunnelung des Falkenberges als Umfahrung Klagenfurts im Nordwesten der Stadt fungiert und mit dieser sowohl im Norden (beim Autobahnknoten Nord) als auch 5,2 km davon im Südwesten (bei der Autobahnausfahrt Minimundus) zusammentrifft, ist für die Bewertung unter den dem Bundesminister zur Berücksichtigung gesetzlich vorgegebenen Kriterien von ausschlaggebender Bedeutung. Es ist evident, daß sich die seinerzeitige Planung und der nunmehrige Vollausbau der A 2 Süd Autobahn zwischen der Anschlußstelle Autobahnknoten Nord und der Einbindung in die vorhandene Autobahntrasse am Nordufer des Wörthersees auf die funktionelle Bedeutung der durch den angefochtenen Verordnungsteil vorgesehene Kreuzbergltunnel-Trasse entscheidend auszuwirken geeignet ist.

Im Verfahren, das der Erlassung der Verordnung BGBl. 521/1990 vorausgegangen ist, wurde weder entsprechend untersucht noch ausreichend gewürdigt, daß mit der Kreuzbergluntertunnelung eine zweite, parallel zur Umfahrung Klagenfurt durch die A 2 Süd Autobahn in nur 1,5 km Abstand verlaufende Nord-West-Spange geschaffen werden soll.

Es finden sich in den Verordnungsakten insbesondere keine Untersuchungen, die die funktionelle Bedeutung der Trassenfestlegung des Kreuzbergltunnels im Hinblick auf die Aufnahmekapazität der Autobahn im fraglichen Teil entsprechend würdigen und damit dem Umstand Rechnung tragen, daß bei Realisierung der Nordumfahrung Klagenfurts durch die Autobahn und deren Vollausbau diese einen Teil des Verkehrs aufzunehmen geeignet ist, der für jene Bundesstraße prognostiziert war, die durch das Kreuzbergl führen soll. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und der Landeshauptmann von Kärnten verweisen - in Beantwortung einer dem verordnungserlassenden Bundesminister im Vorverfahren vom Verfassungsgerichtshof gestellten Frage - diesbezüglich auf Pkt. 2.1. des ergänzenden Technischen Berichts zum Generellen Entwurf vom Oktober 1987, in dem die prognostizierten Jahres-DTV-Werte einer "Null-Variante" (Nicht-Errichtung der Autobahnumfahrung und Nicht-Verlegung der B 83) und einer Variante "mit A 2" gegenübergestellt werden. Aus diesem Hinweis ist freilich nichts zu gewinnen. Denn hier wird - wie sich aus den verbalen Erklärungen der Ergebnisse der tabellarisch zusammengefaßten Verkehrsprognose auf Seite 3 des ergänzenden Technischen Berichts und aus dessen Anlage 7b ergibt - die derzeitige Situation mit der Situation nach Errichtung der (durch BGBl. 519/1990 verordneten) Autobahnumfahrung und der (durch BGBl. 521/1990 verordneten) Verlegung der Bundesstraße verglichen. Aus einem solchen Vergleich kann aber naturgemäß weder eine Aussage darüber abgeleitet werden, wie sich die Errichtung der Autobahnumfahrung allein (also ohne Verlegung der B 83 auf eine das Kreuzbergl durchörternde Trasse) auf die innerstädtische Verkehrssituation in Klagenfurt auswirken würde, noch, ob die Kreuzbergltrasse vornehmlich den innerstädtischen Verkehr entlasten oder (wie in einer vom Antragsteller vorgelegten Stellungnahme behauptet wird) vor allem Verkehr von der Autobahn abziehen würde. Ohne Antwort auf diese Fragen ist eine Prognose der funktionellen Bedeutung der hier angefochtenen Trassenfestlegung für sich nicht möglich.

Es ist daher in der Tat nicht ausreichend untersucht worden, in welchem Ausmaß die Nutzung der Autobahn für den derzeit durch Klagenfurt führenden Nord-Süd-Verkehr zu erwarten ist bzw. ob eine Verlagerung dieses Verkehrs auf die Autobahn an den Anschlußstellen und auf der Autobahn selbst verkraftet werden könnte oder ob hiebei Schwierigkeiten (etwa auch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit oder die Flüssigkeit des Verkehrs) zu gewärtigen wären und welche funktionelle Bedeutung der Bundesstraßentrasse durch das Kreuzbergl angesichts des Vollausbaus der A 2 Autobahnumfahrung Klagenfurts im Nordwesten der Stadt zukommt.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung (vgl. zB VfSlg. 12084/1989, 12949/1991) die Auffassung, daß der Bundesminister verpflichtet ist, sich vor Festlegung einer Trasse "über die einzelnen, die Festlegung bestimmenden Kriterien Klarheit" zu verschaffen, sodaß das Fehlen von ausreichenden Entscheidungsgrundlagen zur Abschätzung der funktionellen Bedeutung des verordneten Trassenteils diese Festlegung mit Rechtswidrigkeit belastet.

Angesichts des Fehlens entsprechender Untersuchungen über die funktionelle Bedeutung der Straße konnte naturgemäß auch eine rational nachprüfbare Abwägung mit anderen vom Bundesminister bei seiner Planungsentscheidung zu beachtenden Kriterien wie denen der Wirtschaftlichkeit und des Umweltschutzes nicht vorgenommen werden.

3. Dem Antrag auf Aufhebung der Wortfolge "durchörtert in der Folge das Kreuzbergl und bindet nach der Anschlußstelle Klagenfurt/Wörthersee der A 2 Süd Autobahn bei

Plan-km 306,95/Bestand-km 309,95 wieder in die bestehende B 83 Kärntner Straße ein" in Pkt. 1 der Verordnung BGBl. 521/1990 war daher stattzugeben. Die seinerzeit verordnete Trasse könnte rechtmäßig nur dann (neuerlich) verordnet werden, wenn die abwägende Planungsentscheidung des Bundesministers, die von §4 Abs1 BStG 1971 verlangt wird, auf Basis entsprechender Grundlagen zum Ergebnis führt, daß die Trassenfestlegung durch das Kreuzbergl auch angesichts der durch den Vollausbau der A 2 Süd Autobahn gegebenen Situation unter den Gesichtspunkten der Verkehrserfordernisse, der Verkehrssicherheit, der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges, des Umweltschutzes und der Wirtschaftlichkeit gerechtfertigt ist.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VerfGG. In den zugesprochene Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von

S 3.000,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte, da die Schriftsätze der Parteien und die dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen und Akten erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, ohne mündliche Verhandlung getroffen werden (§19 Abs4 erster Satz VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Trassierungsverordnung, Rechtskraft, Verordnungserlassung, Planungsakte Verfahren (Trassierungsverordnung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:V357.1994

Dokumentnummer

JFT_10039772_94V00357_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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