TE Lvwg Erkenntnis 2020/4/29 VGW-001/076/13362/2019

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Index

L55009 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

NatSchG Wr §3 Abs8
NatSchG Wr §24 Abs5
NatSchG Wr §24 Abs6
VStG §5 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Nussgruber über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, KGV C.-gasse, Parz. 1, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 26.09.2019, Zahl …, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 24 Abs. 5 in Verbindung mit § 3 Abs. 8 des Wiener Naturschutzgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 45/1998 in der geltenden Fassung iVm § 1 Abs. 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des … Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet D. - LSG D.),

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses „im Ausmaß von 49,98 m2“ durch die Wortfolge „im Ausmaß von 15,88 m2“ ersetzt wird .

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 60,-- zu leisten.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Das angefochtene Straferkenntnis vom 26.09.2019, Zahl …, enthält folgenden Spruch:

„Tatzeitraum: 2012 – 05.06.2019

Ort: Landschaftsschutzgebiet D., auf der Liegenschaft Parzelle 1 des Kleingartenvereines E., Wien, C.-gasse,

Sie haben in einem Landschaftsschutzgebiet im Sinne des Wiener Naturschutzgesetzes, und zwar im Landschaftsschutzgebiet D. (LSG D.), auf der Liegenschaft Parzelle 1 des Kleingartenvereins E., Wien, C.-gasse, entgegen § 24 Abs. 5 Wiener Naturschutzgesetz, im Jahr 2012 (nach Erstellung des Kostenvoranschlages der Fertigteilhausfirma F. GmbH vom 26.02.2012) den folgenden Eingriff ohne die hierfür erforderliche Bewilligung der Naturschutzbehörde vorgenommen und bis 05.06.2019 weder diesen Eingriff beseitigt, noch diese Maßnahme behoben, noch die rechtskräftige Bewilligung der Naturschutzbehörde erlangt:

- Errichtung eines Zubaus an dem bestehenden Kleingartenhaus an oben angeführter Adresse im Ausmaß von 49,98 m2

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 24 Abs. 5 in Verbindung mit § 3 Abs. 8 Wiener Naturschutzgesetz, LGBl. für Wien Nr. 45/1998, in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des …. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet D. – LSG D.)

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von falls diese uneinbringlich ist,   […]          Gemäß

                  Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 300,00  8 Stunden      § 49 Abs. 1 Z 21 in Verbindung mit

§ 49 Abs. 1a Wiener Naturschutzgesetz, LGBl. für Wien Nr. 45/1998 idgF

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 30,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10 für jedes Delikt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher

€ 330,00“

 

2. Dagegen richtet sich die am 08.10.2019 rechtzeitig per E-Mail eingebrachte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin vorbringt, im Jahr 2012 sei lediglich ein Zubau im Ausmaß von 6 m2 errichtet worden und nicht wie im Bescheid angeführt im Ausmaß von 49,98 m2. Sie sei im guten Glauben gewesen, dass der Baumeister sich um alle Bewilligungen und Einreichungen kümmere, wie er es versichert habe. Dies habe er jedoch nicht getan, wie die Beschwerdeführerin im Nachhinein habe feststellen müssen. Darüber hinaus sei sie weder vom Zentralverband noch vom Verein informiert worden, dass der Zubau von der Magistratsabteilung 22 bewilligt werden müsse.

3. Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 05.11.2019 wurde die Beschwerdeführerin um Übermittlung der Pläne respektive Einreichunterlagen für das im Spruch des Straferkenntnisses vom 26.09.2019 näher bezeichnete Bauvorhaben (arg. Errichtung eines Zubaus im Ausmaß von 49,98 m2) ersucht.

Die Beschwerdeführerin teilte mit Schreiben vom 15.11.2019 mit, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann im Jahr 1992 ein Holzhaus auf dem Grundstück KGV E., C.-gasse, Parzelle 1, errichtet habe. Im Jahr 2012 habe sie das Haus thermoisolieren und einen Windfang von 6 m2 (innen) durch die Firma „G.“ errichten lassen. Am Ende der Bauarbeiten sei diese Firma insolvent geworden. Sie sei im guten Glauben gewesen, dass die Einreichungsformalitäten erledigt worden seien. Im Jahr 2018 sei sie von einem Mitarbeiter der Magistratsabteilung 69 darauf aufmerksam gemacht worden, dass dem nicht so sei. Anschließend habe sie von der Firma H. einen neuen Plan zeichnen und diesen von dem Verein, Zentralverband, der MA 69 und der MA 37 abstempeln lassen. Anschließend habe sie auch bei der MA 22 eingereicht. Bis zum heutigen Zeitpunkt sei es nicht möglich gewesen, der Mitarbeiterin der MA 22 klar zu machen, dass nur ein Windfang von 6 m2 zugebaut worden sei. Unter einem übermittelte die Beschwerdeführerin den erwähnten Plan der Firma H..

4. Am 21.11.2019 wurde der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, um Übermittlung des Aktes betreffend den Antrag auf naturschutzbehördliche Bewilligung für Zubauarbeiten an einem Kleingartenhaus im Kleingartenverein E., C.-gasse/Parzelle 1, ersucht.

Der Akt zur Zahl MA22-…/2018 wurde am 03.12.2019 elektronisch übermittelt.

5.1. Das Verwaltungsgericht Wien nimmt folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Liegenschaft in Wien, KGV E., C.-gasse, Parzelle 1. Diese Liegenschaft liegt im Landschaftsschutzgebiet D..

Im Auftrag der Beschwerdeführerin wurde auf dieser Liegenschaft im Jahr 2012 ohne naturschutzbehördliche Bewilligung ein Zubau im Gesamtausmaß von 15,88 m2 errichtet, darunter ein Windfang im Ausmaß von 4,26 m2, ein Geräteschuppen im Ausmaß von 7,28 m2, sowie eine Fassadendämmung im Ausmaß von 4,34 m2.

Erst am 13.12.2018 brachte die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, einen Antrag auf nachträgliche naturschutzbehördliche Bewilligung ein. Die nachträgliche naturschutzbehördliche Bewilligung für den oben genannten Zubau im Gesamtausmaß von 15,88 m2 wurde der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 25.11.2019, Zahl MA22-…-2018-30, erteilt.

5.2. Die Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf den unbedenklichen und im Verfahren unstrittig gebliebenen Akteninhalt. Die Beschwerdeführerin ließ unbestritten, dass sie Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen – im Landschaftsschutzgebiet D. gelegenen – Liegenschaft ist. Auch dass auf dieser Liegenschaft bereits im Jahr 2012 ohne naturschutzbehördliche Bewilligung ein Zubau errichtet wurde, hat die Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens nicht in Abrede gestellt, ihr Vorbringen bezog sich lediglich auf die Größe des Zubaus sowie darauf, dass sie „im guten Glauben“ gewesen sei, das damals mit der Errichtung von ihr beauftragte Bauunternehmen habe sich um „alle Bewilligungen und Einreichungen“ gekümmert.

Das tatsächliche Ausmaß des auf der Liegenschaft im Jahr 2012 errichteten Zubaus sowie die nachträgliche Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung mit Bescheid vom 25.11.2019 ergibt sich schließlich aus dem vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, am 03.12.2019 elektronisch übermittelten Akt zur Zahl MA22-…/2018.

II. 1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Naturschutzgesetzes, lauten:

„Begriffsdefinitionen

§ 3. (1) – (7) […]

(8) Eingriff ist jede vorübergehende oder dauerhafte Maßnahme, die geeignet ist, nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck eines Schutzgebietes, auf ein Schutzobjekt oder im Rahmen des allgemeinen Landschaftsschutzes zu haben. Ein Eingriff in ein Schutzgebiet oder Schutzobjekt liegt auch dann vor, wenn die Maßnahme selbst außerhalb des Schutzgebietes oder Schutzobjektes ihren Ausgang nimmt.

[…]

Landschaftsschutzgebiete

§ 24. (1) Gebiete, die

1. sich durch ihre Landschaftsgestalt auszeichnen,

2. als Kulturlandschaft von historischer Bedeutung sind oder im Zusammenwirken mit Nutzungsart und Bauwerken eine landestypische Eigenart aufweisen oder

3. der naturnahen Erholung dienen,

können zu deren Schutz und Pflege durch Verordnung der Landesregierung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden.

(2) Soweit die Umgebung von Gebieten im Sinne des Abs. 1 für die Sicherung des Schutzzweckes wesentliche Bedeutung hat, kann sie in das Schutzgebiet einbezogen werden.

(3) Die Verordnung nach Abs. 1 hat die flächenmäßige Begrenzung, den jeweiligen Schutzgegenstand und Schutzzweck sowie die zur Erreichung des Schutzzweckes notwendigen Gebote, Verbote, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen zu enthalten.

(4) Grundflächen, die am 1. 3. 1985 nach der Bauordnung für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1930 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 13/1985, als Parkschutzgebiet oder Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel gewidmet waren, sind Landschaftsschutzgebiete im Sinne des Abs. 1, sofern dies nicht durch Verordnung der Landesregierung bereits widerrufen wurde. Diese Bestimmung gilt nicht für Grundflächen im 1., 3., 4., 5. und 9. Bezirk. Durch Verordnung der Landesregierung können zusätzlich Schutzmaßnahmen (Abs. 3) bestimmt werden. Die Unterschutzstellung kann durch Verordnung der Landesregierung widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht mehr zutreffen.

(5) Im Landschaftsschutzgebiet sind vorbehaltlich des Abs. 6 alle Eingriffe untersagt, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Hiezu zählen insbesondere:

1. die Vornahme der in § 18 Abs. 1 und 2 genannten Maßnahmen,

2. die Vornahme der in § 19 Abs. 1 genannten Maßnahmen,

3. die Errichtung von Neu- und Zubauten; Umbauten, wenn dadurch das äußere Erscheinungsbild wesentlich geändert wird, sowie andere Baulichkeiten (wie Einfriedungen, Stützmauern), die nicht unter § 18 Abs. 1 oder 2 fallen,

4. die Beseitigung von die Landschaftsgestalt prägenden Elementen,

5. die Aufforstung nicht bewaldeter Flächen,

6. eine erhebliche Lärmentwicklung, die nicht mit anderen nach diesem Gesetz bewilligungspflichtigen Maßnahmen verbunden ist (wie der Betrieb von Lautsprecheranlagen oder Modellflugplätzen).

(6) Die Naturschutzbehörde kann mit Bescheid Ausnahmen vom Verbot des Abs. 5 bewilligen, wenn die geplante Maßnahme den Schutzzweck nicht wesentlich beeinträchtigt.

(7) Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn die geplante Maßnahme eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes darstellt, jedoch das öffentliche Interesse an der beantragten Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles deutlich höher zu bewerten ist, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Landschaftsschutzgebietes vor störenden Eingriffen. Bei der Interessensabwägung ist zu berücksichtigen, ob der angestrebte Zweck auf eine technisch und wirtschaftlich vertretbare andere Weise erreicht werden kann und dadurch der Landschaftshaushalt, die Landschaftsgestalt oder die Erholungswirkung der Landschaft in geringerem Umfang beeinträchtigt würden. Der Erhaltungs-, Ergänzungs- oder Erneuerungsvorrang sowie die stadtökologischen Funktionen der von dem Eingriff betroffenen Flächen sind in die Abwägung jedenfalls miteinzubeziehen.

(8) Die Bewilligung ist erforderlichenfalls unter Bedingungen, Befristungen und Auflagen zu erteilen, um eine Beeinträchtigung des Landschaftshaushaltes, der Landschaftsgestalt oder der Erholungswirkung der Landschaft möglichst gering zu halten. Für die Erfüllung der mit der Bewilligung verbundenen Auflagen und Bedingungen kann eine angemessene Frist festgesetzt werden. Zur Überprüfung der bescheidmäßigen Ausführung hat der Verpflichtete der Behörde die Erfüllung der Auflagen und Bedingungen unverzüglich anzuzeigen.

Strafbestimmungen

§ 49. (1) Wer

1. – 20. […]

21. im Landschaftsschutzgebiet entgegen § 24 Abs. 5 einen Eingriff ohne Bewilligung der Naturschutzbehörde vornimmt

[…];

begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 21 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, im Wiederholungsfall mit einer Geldstrafe bis zu 35 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

(1a) Bildet die unzulässige Vornahme eines Eingriffes oder die unzulässige Durchführung einer Maßnahme oder die Verletzung eines Verbotes den Gegenstand einer Verwaltungsübertretung, so beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2011, erst mit der Beseitigung des Eingriffs, der Behebung der Maßnahme oder mit Rechtskraft der erteilten Bewilligung zu laufen.“

2. Die hier maßgebliche Bestimmung der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des …. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet (Landschaftsschutzgebiet D.), lautet:

„§ 1. (1) Die in dem eine Anlage zu dieser Verordnung bildenden Plan mit einer ununterbrochenen roten Linie umgrenzten Teile des …. Wiener Gemeindebezirkes werden zum Landschaftsschutzgebiet erklärt.“

3. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 19 Abs. 1 VStG sind die Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten in diesem Falle unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

III. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daher Folgendes:

1.1. Die hier in Rede stehende Liegenschaft liegt im Bereich des Landschaftsschutzgebietes D. im Sinne des § 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Erklärung von Teilen des …. Wiener Gemeindebezirkes zum Landschaftsschutzgebiet, ….

Gemäß der Legaldefinition des § 3 Abs. 8 Wiener Naturschutzgesetz ist ein „Eingriff“ jede vorübergehende oder dauerhafte Maßnahme, die geeignet ist, nachteilige Auswirkungen auf den Schutzzweck eines Schutzgebietes, auf ein Schutzobjekt oder im Rahmen des allgemeinen Landschaftsschutzes zu haben. Ein Eingriff in ein Schutzgebiet oder Schutzobjekt liegt auch dann vor, wenn die Maßnahme selbst außerhalb des Schutzgebietes oder Schutzobjektes ihren Ausgang nimmt.

Gemäß § 24 Abs. 5 Wiener Naturschutzgesetz sind – vorbehaltlich des Abs. 6 - im Landschaftsschutzgebiet alle Eingriffe untersagt, die dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Hiezu zählen insbesondere gemäß § 24 Abs. 5 Z 3 leg. cit. die Errichtung von Neu- und Zubauten. Gemäß § 24 Abs. 6 leg. cit. kann die Naturschutzbehörde mit Bescheid Ausnahmen vom Verbot des Abs. 5 bewilligen, wenn die geplante Maßnahme den Schutzzweck nicht wesentlich beeinträchtigt.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der im Landschaftsschutzgebiet D. gelegenen Liegenschaft in Wien, KGV E., C.-gasse, Parzelle 1, auf welcher in ihrem Auftrag im Jahr 2012 ein Zubau im Gesamtausmaß von 15,88 m2 errichtet wurde. Eine naturschutzbehördliche Bewilligung lag weder zum Zeitpunkt der Errichtung, noch bis zum 05.06.2019 (Ende des vorgeworfenen Tatzeitraumes) vor, da diese erst mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 22, vom 25.11.2019, Zahl MA22-…-2018-30, erteilt wurde.

Durch die Errichtung dieses Zubaus hat die Beschwerdeführerin zweifellos einen Eingriff im Sinne des § 3 Abs. 8 Wiener Naturschutzgesetz vorgenommen, da die Errichtung eines Zubaus in § 24 Abs. 5 Z 3 leg. cit. ausdrücklich als dem Schutzzweck eines Landschaftsschutzgebietes zuwiderlaufende Maßnahme genannt ist (vgl. VwGH vom 23.01.2013, Zl 2012/10/0017). Eine Ausnahmebewilligung gem. § 24 Abs. 6 leg. cit. lag im vorgeworfenen Tatzeitraum (2012 – 05.06.2019) nicht vor, da die nachträgliche naturschutzbehördliche Bewilligung erst mit Bescheid vom 25.11.2019, Zahl MA22-…-2018-30, erteilt wurde.

Die Beschwerdeführerin hat damit gegen § 24 Abs. 5 Wiener Naturschutzgesetz verstoßen und ist die Verwaltungsübertretung daher in objektiver Hinsicht erfüllt.

1.2. Die Verwaltungsübertretung wurde auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Dies aus dem nachstehenden Grund:

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Ein Ungehorsamsdelikt liegt bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes vor, wenn erstens zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört und zweitens für die Tatbegehung kein besonderes Verschulden gefordert ist.

Die angelastete Verwaltungsübertretung ist als Ungehorsamsdelikt zu qualifizieren. Bei solchen Delikten obliegt es sohin gemäß § 5 Abs. 1 VStG dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass im konkreten Fall die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne vorwerfbares Verschulden unmöglich war. Das bedeutet, dass der Beschuldigte initiativ alles darzulegen hat, was für seine Entlastung spricht, z.B. durch die Beibringung geeigneter Beweismittel bzw. die Stellung entsprechender konkreter Beweisanträge (vgl. VwGH vom 30.06.1998, Zl 96/11/0175).

Nach der Aktenlage haben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme fehlenden (oder auch nur geminderten) Verschuldens der Beschuldigten ergeben. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin die ihr angelastete Verwaltungsübertretung auch nicht bestritten, sodass auch in dieser Hinsicht von einem Verschulden in Form eines jedenfalls fahrlässigen Verhaltens auszugehen war.

Sofern die Beschwerdeführerin wiederholt vorbringt, sie sei „im guten Glauben“ gewesen, dass „der Baumeister“ sich um alle Bewilligungen und Einreichungen kümmere und sie überdies von niemandem informiert worden sei, dass der Zubau von der Magistratsabteilung 22 bewilligt werden müsse, so ist dem entgegenzuhalten, dass einerseits ausschließlich die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft und Auftraggeberin der vorgenommenen Eingriffe (Errichtung des Zubaus) für die Einhaltung der naturschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich ist, andererseits, dass gemäß § 5 Abs. 2 VStG die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift den Täter nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschriften nicht einsehen konnte. Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein. Es bedarf einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen bei der zuständigen Stelle; wer dies verabsäumt, trägt das Risiko des Rechtsirrtums (vgl. VwGH vom 18.03.2015, Zl 2013/10/0141 mwN).

Die Beschwerdeführerin hat in keiner Weise dargetan, dass sie sich durch eine Anfrage bei der zuständigen Behörde vergewissert habe, ob eine naturschutzbehördliche Bewilligung erforderlich sei, vielmehr geht aus ihrem Vorbringen eindeutig hervor, dass sie sich ausschließlich auf eine – nicht exkulpierend wirken könnende – Vereinbarung mit dem Bauunternehmen, wonach sich dieses um die Einreichung eines allfälligen Antrages kümmere, verlassen habe. Die Beschwerdeführerin hätte als Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft und Bauherrin selbst für die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften Sorge tragen müssen, dies hat sie jedoch unterlassen.

Somit ist die Verwaltungsübertretung in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen.

2. Zur Strafhöhe ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 10 VStG richtet sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. In Anbetracht der Bestimmung des § 49 Abs. 1 Wiener Naturschutzgesetz war von einem bis zu 21.000,-- Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmen auszugehen (im Falle der Uneinbringlichkeit Arrest bis zu vier Wochen).

Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat konnte im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt nicht bloß als geringfügig angesehen werden, zumal durch die Errichtung eines Zubaus ohne naturschutzbehördliche Bewilligung im Landschaftsschutzgebiet das gesetzlich geschützte Interesse am Schutz der Natur Wiens und insbesondere ihre durch geltende Verordnungen der Wiener Landesregierung zu Landschaftsschutzgebieten erklärten Teile vor unmittelbaren Beeinträchtigungen wie auch potentiellen Gefährdungen durch nicht naturschutzbehördlich bewilligte Eingriffe – selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen – in nicht unerheblichem Maß geschädigt wurde.

Das Ausmaß des Verschuldens kann im vorliegenden Fall als nicht geringfügig bezeichnet werden, da weder hervorgekommen, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Einhaltung der verletzten Rechtsvorschrift durch die Beschwerdeführerin im konkreten Fall eine besondere Aufmerksamkeit erfordert

hätte oder dass die Verwirklichung des Straftatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können.

Nach der vorliegenden Aktenlage ist die Beschwerdeführerin verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführerin kommt daher der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute. Erschwerend war demgegenüber der lange Tatzeitraum von sechs Jahren zu werten. Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen machte die Beschwerdeführerin keine Angaben, sodass von durchschnittlichen Verhältnissen auszugehen ist.

Die Festsetzung einer Verwaltungsstrafe in der Höhe von 300,-- Euro ist in spezialpräventiver Hinsicht schuld- und tatangemessen und keinesfalls überhöht. Eine Strafherabsetzung kam schon aufgrund der angeführten Strafbemessungsgründe, aber auch der generalpräventiven Funktion einer Verwaltungsstrafe und den bis zu 21.000,-- Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmen, keinesfalls in Betracht.

Eine Anwendung der §§ 20 oder 45 Abs. 1 Z 4 VStG schied auf Grund der oben erörterten Strafbemessungsgründe - ein beträchtliches Überwiegen der Strafminderungsgründe konnte ebenso wenig festgestellt werden, wie die Geringfügigkeit der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat sowie das Vorhandensein eines geringen Verschuldens der Beschuldigten - aus.

Auch die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zu der verhängten Geldstrafe und dem gesetzlichen Strafrahmen gesetzeskonform und angemessen verhängt.

Die Korrektur des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses diente der Präzisierung, da – wie sich nunmehr aus dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25.11.2019, Zahl MA22-…-2018-30, mit welchem die nachträgliche naturschutzbehördliche Bewilligung erteilt wurde – lediglich ein Zubau im Ausmaß von 15,88 m2 (und nicht im Ausmaß von 49,98 m2) errichtet wurde.

3. Die mündliche Verhandlung konnte nach § 44 Abs. 3 Z 1 und 3 VwGVG entfallen, da keine Partei die Durchführung einer solchen beantragt hat, im angefochtenen Straferkenntnis eine 500,-- Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, der entscheidungsrelevante Sachverhalt unstrittig feststeht und in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde.

4. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG.

5. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständlichen Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Landschaftsschutzgebiet; Schutzgebiet; Eingriff; Neubau; Zubau; Errichtung; Bewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.001.076.13362.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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