TE Vwgh Beschluss 1997/12/19 95/19/1543

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Veröffentlicht am 19.12.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §12;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, in der Beschwerdesache der 1960 geborenen VT in W, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Oliver Jungnickel in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen die Erledigung des Bundesministers für Inneres vom 12. Dezember 1994, Zl. 106.293/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Im Reisedokument der Beschwerdeführerin wurde am 22. Dezember 1993 ein Aufenthaltsrecht in Österreich gemäß § 12 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) bis 30. Juni 1994 ersichtlich gemacht. Am 14. Juni 1994 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. August 1994 gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Die Beschwerdeführerin, vertreten durch einen Rechtsanwalt, erhob Berufung. Der Rechtsanwalt berief sich auf eine erteilte Vollmacht.

Mit Erledigung des Bundesministers für Inneres vom 12. Dezember 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 9 Abs. 3 AufG in seiner Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 (im folgenden: AufG aF) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 9 Abs. 3 AufG aF dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens der Beschwerdeführerin habe ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes nicht abgeleitet werden können. Die belangte Behörde verfügte die Zustellung dieses Bescheides an die Beschwerdeführerin zu Handen ihres ausgewiesenen Rechtsanwaltes.

Die mit dieser Zustellung betraute erstinstanzliche Behörde stellte den Bescheid jedoch der Beschwerdeführerin persönlich zu. Nach dem Ausweis des hierüber ausgefertigten Rückscheins (vgl. Seite 15 des Verwaltungsaktes) erfolgte diese Zustellung durch Hinterlegung beim Zustellpostamt 1095 Wien. Beginn der Abholfrist war der 21. Dezember 1994.

Mit Beschluß vom 7. April 1995 bewilligte der Verfassungsgerichtshof der Beschwerdeführerin die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen diese Erledigung. Gegen sie richtet sich die von ihrem Verfahrenshelfer eingebrachte, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde.

Als "Beschwerdepunkte" macht die Beschwerdeführerin folgendes geltend:

"Die beschwerdeführende Partei ist in ihrem durch das Aufenthaltsgesetz gewährleisteten Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 12 AufG verletzt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde durch den bekämpften Bescheid das Recht auf Parteiengehör verletzt."

In der Sache vertrat die Beschwerdeführerin sowohl in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde als auch in ihrer Beschwerdeergänzung, daß ihr - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - ein Aufenthaltsrecht nach den gemäß § 12 AufG ergangenen Verordnungen der Bundesregierung über das vorläufige Aufenthaltsrecht von Staatsangehörigen Bosniens und der Herzegowina zugestanden sei. Aus diesem Grunde hätte ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - so heißt es in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - "folgerichtig abgewiesen werden müssen, da schon der generelle Rechtsakt das Aufenthaltsrecht gewährt".

§ 9 Abs. 1 ZustellG lautet:

"§ 9. (1) Ist eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt, so hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Im vorliegenden Fall ist im Berufungsverfahren ein Rechtsanwalt namens der Beschwerdeführerin eingeschritten. Entsprechend der Bestimmung des § 9 Abs. 1 ZustellG wäre die belangte Behörde daher verpflichtet gewesen, den "Bescheid" diesem Rechtsanwalt zuzustellen. Sie hat die Zustellung dieses "Bescheides" an diesen Rechtsanwalt auch zutreffend verfügt. Die Adressierung des Rückscheines erfolgte jedoch an die Beschwerdeführerin persönlich. Die Hinterlegung dieses Schriftstückes am 21. Dezember 1994 an der Adresse der Beschwerdeführerin bewirkte daher nicht die Erlassung der angefochtenen Erledigung als Bescheid. Dafür, daß diese Erledigung dem im Berufungsverfahren vertretenden Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin, der mit dem Beschwerdevertreter vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht identisch ist, tatsächlich zugekommen wäre, ergeben sich aus dem Akteninhalt und aus den Beschwerdebehauptungen keine Anhaltspunkte.

Zum Zustandekommen eines Bescheides ist seine Erlassung notwendig. Erst dadurch erlangt ein Bescheid rechtliche Existenz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1976, Zl. 1741/75 in dem in Slg. Nr. 9018/A nicht veröffentlichten Teil). Ein schriftlicher Bescheid ist erlassen, wenn eine rechtswirksame Zustellung desselben erfolgt. Dies ist hier nicht der Fall.

Aber auch für den Fall, daß die Erledigung des Bundesministers für Inneres dem im Berufungsverfahren vertretenden Rechtsanwalt zugekommen wäre, wäre mit Zurückweisung der Beschwerde vorzugehen gewesen. Den Ausführungen zum Beschwerdepunkt in Verbindung mit den übrigen Beschwerdeausführungen, insbesondere der dort vertretenen Auffassung der Beschwerdeführerin, ihr Aufenthaltsantrag hätte eigentlich mit der Begründung abgewiesen werden sollen, sie sei nach den in Rede stehenden Verordnungen der Bundesregierung vorläufig aufenthaltsberechtigt, ist zu entnehmen, daß sie sich ausschließlich (mittelbar auch durch Verletzung von Verfahrensrechten) in ihrem Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet nach den in Rede stehenden Verordnungen verletzt erachtet.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, steht das vorläufige Aufenthaltsrecht unmittelbar aufgrund der entsprechenden Verordnungen zu, ohne daß es der Erlassung eines Bescheides in diesem Zusammenhang bedürfte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0104). Durch einen die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung versagenden Bescheid konnte die Beschwerdeführerin daher in dem von ihr allein als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht nicht verletzt worden sein (vgl. die hg. Beschlüsse vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0539, und vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1829), zumal weder der Spruch noch die Begründung des angefochtenen "Bescheides" Ausführungen darüber enthalten, daß die Beschwerdeführerin nicht aufgrund dieser Verordnungen vorläufig aufenthaltsberechtigt wäre. Im übrigen käme der Begründung eines Bescheides - von Fällen der Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG und kassatorischen Bescheiden der Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG abgesehen - auch keine normative Kraft zu (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 419).

Aus all diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zur Erhebung zurückzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191543.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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