TE Vfgh Erkenntnis 1996/2/29 V51/95

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Veröffentlicht am 29.02.1996
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art118 Abs6
BaumschutzV Villach vom 24.05.78 §4 Abs1 lita
Villacher Stadtrecht 1966 §9 Abs1

Leitsatz

Aufhebung des Verbots der Entfernung geschützter Bäume in einer ortspolizeilichen Verordnung einer Gemeinde wegen Erlassung einer allgemeinen verwaltungspolizeilichen Regelung in Überschreitung des Zwecks der örtlichen Gefahrenabwehr

Spruch

1. §4 Abs1 lita der Villacher Baumschutzverordnung (Beschluß des Villacher Gemeinderates vom 24. Mai 1978, kundgemacht im Mitteilungsblatt der Stadt Villach Nr. VI/1978,

S 237) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Februar 1997 in Kraft.

Die Kärntner Landesregierung ist verpflichtet, die Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

2. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Stadt Villach erließ mit Beschluß vom 24. Mai 1978 die (Villacher) "Baumschutzverordnung". Sie lautet (die vom Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten primär zur Aufhebung beantragte Verordnungsstelle (s. den folgenden Pkt. 2.a) ist hervorgehoben):

"Auf Grund des §9 Abs1 des Villacher Stadtrechtes, LGBl. Nr. 2/1966, wird zur Abwehr bzw. Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen für das Gebiet der Stadt Villach verordnet:

Allgemeine Bestimmungen

Begriff und Abgrenzungen

§1

(1) Diese Verordnung regelt die Erhaltung, Pflege und Erweiterung des Baumbestandes im Gebiet der Stadt Villach auf öffentlichem und privatem Grund zum Wohl der Bevölkerung und zur Erhaltung der gesunden Lebensbedingungen.

(2) Als geschützt gelten alle Laub- und Nadelbäume mit einem Stammumfang von mindestens 50 cm, einen Meter über dem Erdboden gemessen, einschließlich ihres ober- und unterirdischen pflanzlichen Lebensraumes.

§2

(1) Bestehende Gesetze des Bundes oder Landes und die auf Grund dieser erlassenen behördlichen Verfügungen bleiben unberührt. Insbesondere dürfen Flächen und bestehende Anlagen, die ausschließlich oder vorwiegend Zwecken des Bundesheeres, des Bergbaues oder des Eisenbahn- und Straßenverkehrs dienen, in ihrer Nutzung nicht beeinträchtigt werden.

(2) Diese Verordnung findet ferner keine Anwendung auf

a)

Wälder im Sinne der forstrechtlichen Bestimmungen,

b)

Bäume in Baumschulen und Gärtnereien, soweit sie betrieblichen Zwecken dienen,

c)

Obstbäume,

d)

Bäume auf Friedhöfen,

e)

Bäume, die unter gesetzlichen Schutz gestellt sind.

Erhaltungspflicht

§3

(1) Jeder rechtmäßige Besitzer oder Nutzungsberechtigte ist verpflichtet, sofern nicht eine Bewilligung für die Entfernung nach dieser Verordnung erteilt wird, den auf seinem Grundstück stockenden geschützten Baumbestand zu erhalten.

(2) Diese Erhaltungspflicht umfaßt auch die erforderlichen Pflegemaßnahmen zur Sicherung des Baumbestandes.

Verbote

§4

(1) Folgende Handlungen sind ohne behördliche Bewilligung verboten:

a) geschützte Bäume auszugraben, auszuhauen, auszuziehen oder sonstwie zu entfernen;

b) den pflanzlichen ober- und unterirdischen Lebensraum geschützter Bäume nachteilig zu verwenden oder zu beeinflussen;

c) geschützte Bäume durch chemische, mechanische oder andere Einwirkungen zu beschädigen, um Wuchs zu hemmen oder zum Absterben zu bringen.

(2) Nicht verboten ist das Schneiden (Stutzen) von Bäumen, welches ohne Eingriff in die Substanz lediglich Verschönerungs-, Veredelungs- oder Pflegezwecken dient oder aus zwingenden öffentlichen Rücksichten notwendig ist.

Bewilligung

§5

Über den Antrag der rechtmäßigen Besitzer ist eine Bewilligung zur Entfernung von geschützten Bäumen zu erteilen, wenn

a) geschützte Bäume die physiologische Altersgrenze nach Art und Standort erreicht oder überschritten haben oder sich in einem die Sicherheit gefährdenden Zustand befinden;

b) ein Teil des auf einem Grundstück stockenden Baumbestandes im Interesse der Erhaltung des übrigen wertvolleren Bestandes entfernt werden muß (Pflegemaßnahmen);

c) öffentliche Interessen das Interesse an der Erhaltung des Baumbestandes bedeutend überwiegen.

Erstpflanzung und Umpflanzung

§6

(1) Wird die Entfernung von geschützten Bäumen bewilligt, so kann, ausgenommen im Falle des §5 (1) litb), wenn voraussichtlich kein Einfluß auf die Lebensfähigkeit oder Lebensdauer der Bäume besteht, eine Umpflanzung vorgeschrieben werden.

(2) Ist eine Umpflanzung nicht möglich, so kann eine angemessene Ersatzpflanzung vorgeschrieben werden.

(3) Standort und Ausmaß der Ersatzpflanzung sowie die Frist für deren Durchführung sind im Bescheid gemäß §5 vorzuschreiben, wobei auf Art und Umfang, die örtlichen und rechtlichen Möglichkeiten, das vorhandene Stadt- und Vegetationsbild und die Erfordernisse einer fachgerechten Pflanzung Bedacht zu nehmen ist.

Einstellen von Arbeiten

§7

(1) Bei Eingriffen ohne Bewilligung im Sinne dieser Verordnung ist unbeschadet eines allfälligen Strafverfahrens mit Bescheid die sofortige Einstellung der auf die Beeinträchtigung oder Entfernung von Bäumen gerichteten Arbeiten zu verfügen.

(2) Die Organe des Magistrates Villach sind berechtigt, zur Erfüllung der ihnen nach dieser Verordnung zukommenden Aufgaben Liegenschaften zu betreten.

§8

(1) Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung werden mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- oder Arrest bis zu zwei Wochen geahndet.

(2) Die Strafe befreit nicht von der Verpflichtung, die nach dieser Verordnung notwendigen Ersatzpflanzungen von Bäumen durchzuführen.

Inkrafttreten

§9

Diese Verordnung tritt mit dem auf ihre Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft."

Die Verordnung wurde im Mitteilungsblatt der Stadt Villach Nr. VI/1978, S 237, - allerdings ohne die Promulgationsklausel - kundgemacht.

2.a) Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten (UVS Kärnten) stellt aus Anlaß einer bei ihm zu Zl. KUVS-1389/1994 in einer Verwaltungsstrafsache anhängigen Berufung den Antrag, §4 Abs1 lita der Villacher BaumschutzV, in eventu die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.

b) Der Berufung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Dem Beschuldigten wird in seiner Funktion als Verantwortlicher einer Gutsverwaltung angelastet, es zu vertreten zu haben, daß 1994 durch diesen Betrieb auf bestimmten Grundstücken in der Gemeinde Villach ca. 20 Erlen und Weiden, die den Schutzbestimmungen der Villacher BaumschutzV unterlägen, geschlägert worden seien, obwohl eine hiefür erforderliche Bewilligung nach der Villacher BaumschutzV nicht vorgelegen sei. Er habe hiedurch §4 Abs1 lita der Villacher BaumschutzV verletzt. Der Bürgermeister der Stadt Villach erteilte ihm deshalb mit Bescheid vom 19. Juli 1994 gemäß §21 VStG eine Ermahnung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Beschuldigten erhobene Berufung.

c) Der anfechtende UVS Kärnten erachtet die bekämpfte Verordnungsstelle als präjudiziell und bringt folgende Bedenken vor:

"Die Verordnung stützt sich, wie aus ihrer Präambel unmißverständlich hervorgeht, auf §9 Abs1 des Gesetzes vom 14.12.1965, mit dem der Stadt Villach ein eigenes Statut verliehen wird (Villacher Stadtrecht), LGBl. Nr. 2/1966 (nunmehr §13 Abs1 idF der Wiederverlautbarung LGBl. 118/1993). Nach dieser Gesetzesstelle hat die Stadt das Recht, in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr oder zur Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Solche Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes oder des Landes verstoßen.

Ziel der Verordnung ist die Abwehr bzw. Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen für das Gebiet der Stadt Villach.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten geht von einer weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung der Villacher Baumschutzverordnung mit der 'Grazer Grünflächen- und Baumschutzverordnung', welche der Verfassungsgerichtshof zu V150, 152/87, geprüft und in Teilen als gesetzwidrig aufgehoben hat (VfGH Slg. 11.753), aus.

Mit diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof §1 Abs2 lita und litb, §4, §5 und §6 der Grazer Grünflächen- und Baumschutzverordnung als gesetzwidrig aufgehoben. Der aufgehobenen Bestimmung des §1 Abs2 lita entspricht wortwörtlich die Bestimmung des §1 Abs2 der Villacher Baumschutzverordnung. Eine der litb entsprechende Bestimmung ist in der Villacher Baumschutzverordnung nicht enthalten. Die im §4 Abs1 der Villacher Baumschutzverordnung enthaltenen Verbote entsprechen im wesentlichen jenen des §4 Abs3 lita, litb, litc, wobei es sich um weitgehend wortgleiche Bestimmungen handelt.

§4 Abs4 der Grazer Grünflächen- und Baumschutzverordnung ist identisch mit §4 Abs2 der Villacher Baumschutzverordnung. §5 und §6 der Villacher Baumschutzverordnung entsprechen inhaltlich weitgehend der vom Verfassungsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehobenen §§5 und 6 der Grazer Grünflächen- und Baumschutzverordnung.

Der antragstellende Senat erachtet es deshalb als zulässig, auf die tragenden Gründe des Erkenntnisses vom 22.6.1988, V150,152/87, hinzuweisen, wobei er die dort dargelegten Bedenken ausdrücklich hinsichtlich der Villacher Baumschutzverordnung, insbesondere hinsichtlich §1 Abs2, §3, §4 Abs1, §5 und §6 der Villacher Baumschutzverordnung hegt.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß die angezogenen Verordnungsbestimmungen eine allgemeine verwaltungspolizeiliche Regelung treffen, die weit über den ortspolizeilichen Verordnungen zukommenden Zweck hinausreicht, das örtliche Gemeinschaftsleben störende Mißstände abzuwehren oder zu beseitigen. Allgemeine rechtspolitische Anliegen dürfen, wie der Gerichtshof ausgesprochen hat, nur vom formellen, parlamentarischen Gesetzgeber aufgegriffen werden.

Der antragstellende Senat hegt daher das Bedenken, daß die Verordnung inhaltlich den durch die Ermächtigung des Art118 Abs6 B-VG gesteckten Rahmen überschreitet."

3.a) Der Gemeinderat der Stadt Villach erstattete im Verordnungsprüfungsverfahren eine Äußerung, in der er begehrt, dem Antrag des UVS Kärnten nicht Rechnung zu tragen, somit §4 Abs1 lita der Villacher BaumschutzV bzw. die gesamte Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

Er begründet dies wie folgt:

"Die in Prüfung gezogene Verordnung wurde nach eingehender Beratung vom Villacher Gemeinderat am 24. Mai 1978 beschlossen, wobei neben ästhetischen vor allem fremdenverkehrspolitische Erwägungen sowie Bemühungen um die Volksgesundheit für diesen Beschluß ausschlaggebend waren. Bei Erlassung der Verordnung wurde davon ausgegangen, daß Maßnahmen, die eine Verminderung des städt. Baumbestandes bewirken, Mißstände darstellen, die sehr wohl als ortsspezifisch für die Stadt Villach anzusehen sind. Die Stadt ist mit mehr als einer Million Nächtigungen pro Jahr eine der größten Fremdenverkehrsgemeinden Österreichs und gleichzeitig Schnittpunkt von Autobahnen und Eisenbahnlinien. Die Notwendigkeit, als Urlaubsort attraktiv zu sein, bedingt die bedeutende Funktion des Baumbestandes in ästhetischer Hinsicht, die Verkehrslage bedingt seine Funktion in lufthygienischer Hinsicht. Dazu kommt die Lage am Rande des Klagenfurter Beckens, in dem vor allem im Winterhalbjahr Inversionswetterlagen häufig sind, das heißt, daß in dieser Zeit ein Austausch belasteter Luftmassen nur erschwert stattfindet.

Aus dieser besonderen Situation resultiert die große Bedeutung des vorhandenen Baumbestandes in Villach. Die Verordnung bezieht sich nicht generell auf alle Bäume, sondern nur auf jene, deren Stammumfang zumindest 50 cm beträgt. Aufgrund dieses Stammumfanges kann davon ausgegangen werden, daß die Beseitigung des jeweiligen Baumes eine Reduktion an Blattmasse und einen ästhetischen Verlust bewirkt, der in einem mit Vegetation ohnehin spärlich ausgestatteten städt. Raum einen starken Eingriff darstellt.

Dieser Eingriff ist zunächst durchaus als spezifisch örtlicher Mißstand anzusehen, da ihm sicherlich nicht in jeder örtlichen Gemeinschaft gleiches Gewicht zukommen würde. Daß es sich bei Maßnahmen, welche den Baumbestand beeinträchtigen, sehr wohl um das örtliche Gemeinschaftsleben störende Mißstände und nicht um allgemeine rechtspolitische Anliegen handelt, geht schon daraus hervor, daß ein landesgesetzliches Vorhaben derzeit nicht weiter verfolgt wird, weil die Stellungnahmen der hiezu gehörten Kärntner Gemeinden überwiegend ablehnend waren. Ein gleichgeartetes Regelungsbedürfnis im übrigen Landesgebiet liegt daher offensichtlich nicht vor.

Andererseits ist das der Verordnung zugrundeliegende Verbotsprinzip auch nicht zu weitreichend formuliert. Es trifft lediglich auf Bäume zu, denen aufgrund ihres Stammumfanges und damit ihrer Größe für das Kleinklima, die Lufterneuerung und das Stadtbild wesentliches Gewicht zukommt.

Da bis heute landesgesetzliche Bestimmungen, welche den Schutz des städt. Baumbestandes zum Gegenstand haben, nicht existieren, stellte die Erlassung einer ortspolizeilichen Verordnung bislang die einzige Möglichkeit dar, diesem für die Stadt Villach bedeutenden kommunalpolitischen Anliegen gerecht zu werden."

b) Die Kärntner Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 11. Juli 1995 beschlossen, von der Erstattung einer Äußerung abzusehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der UVS Kärnten hätte in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren §4 Abs1 lita der Villacher BaumschutzV anzuwenden. Es würde für den Fall, daß die vorgebrachten Bedenken zutreffen, hinreichen, diese - vom übrigen Verordnungstext trennbare - Bestimmung aufzuheben, um für das Verfahren vor dem UVS Kärnten eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtslage herzustellen.

Da außer der Präjudizialität auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Villacher BaumschutzV erging nicht in Durchführung eines Bundes- oder Landesgesetzes, sondern gründet sich nach ihrem Selbstverständnis auf Art118 Abs6 B-VG und §9 Abs1 des Villacher Stadtrechtes, LGBl. 2/1966 (nunmehr §13 Abs1 LGBl. 118/1993). Wenn überhaupt, so ist die Villacher BaumschutzV nur dann rechtmäßig, wenn sie (als gesetzesvertretende, ortspolizeiliche Verordnung) in den zitierten (Verfassungs-)Gesetzesbestimmungen gedeckt ist.

Danach können solche Verordnungen nur zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände erlassen werden.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erlassung der ortspolizeilichen Verordnung ist also, daß ein das örtliche Gemeinschaftsleben störender "Mißstand" besteht oder unmittelbar zu erwarten ist. Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis VfSlg. 11753/1988 ausführlich mit dem Inhalt des Mißstandsbegriffes auseinandergesetzt, und zwar spezifisch im Zusammenhang mit der Grazer BaumschutzV. Diese ähnelte inhaltlich und sprachlich weitestgehend der Villacher BaumschutzV; so enthielt sie im §4 Abs3 litb eine Vorschrift, die dem (nunmehr in Prüfung gezogenen) §4 Abs1 lita der Villacher BaumschutzV glich. Der Verfassungsgerichtshof hob mit dem zitierten Erkenntnis einige Bestimmungen der Grazer BaumschutzV (darunter deren §4) auf. Er ging bei Deutung des Mißstandsbegriffes davon aus, daß allgemeine rechtspolitische Anliegen nur vom formellen, parlamentarischen Gesetzgeber aufgegriffen werden dürften. Unter Berufung auf Literatur kam er zum Ergebnis, daß prohibitive und präventive Maßnahmen, welche die Erhaltung der Grünflächen und des Baumbestandes in einem sehr großen Gebiet bezwecken, nicht einem künftigen Mißstand, sondern einer unter dem Aspekt des Umweltschutzes abgelehnten allgemeinen Situation entgegenwirken sollten (und daher aus dem Ermächtigungsbereich des Art118 Abs6 B-VG ausschieden). Wenn sich der negative Effekt gleichsam als die Summe zahlreicher Grünflächen und Baumbestand beeinträchtigender Einzelhandlungen ergebe, zeige dies einen - abzuwehrenden - Mißstand im dargelegten Sinn nicht auf. Zusammenfassend hielt der Verfassungsgerichtshof fest, daß die (damals) aufgehobenen Bestimmungen der Grazer BaumschutzV eine allgemeine verwaltungspolizeiliche Regelung träfen, die weit über den ortspolizeilichen Verordnungen zukommenden Zweck hinausreiche, das örtliche Gemeinschaftsleben störende Mißstände abzuwehren oder zu beseitigen.

Diese Überlegungen gelten uneingeschränkt auch für die in Prüfung gezogene Regelung der Villacher BaumschutzV.

Die vom Gemeinderat der Stadt Villach vorgebrachten Argumente widerlegen die vom UVS Kärnten vorgetragenen (auf der wiedergegebenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes fußenden) Bedenken nicht: Der Umstand, daß sich der Kärntner Landesgesetzgeber bisher nicht bestimmt gesehen hat, ein dem Baumschutz dienendes Landesgesetz zu erlassen, weil die überwiegende Zahl der Kärntner Gemeinden einem solchen legistischen Vorhaben ablehnend gegenüberstünde, während für das Stadtgebiet von Villach ein derartiges Regelungsbedürfnis bestehe, belegt nicht, daß ein Mißstand iS des Art118 Abs6 B-VG vorliegt, dem im Wege einer ortspolizeilichen Verordnung begegnet werden könnte. Vielmehr wäre - sofern tatsächlich ein derartiges rechtspolitisches Anliegen besteht - der Gesetzgeber aufgerufen, ein entsprechendes Landesgesetz (allenfalls mit eingeschränktem örtlichen Anwendungsbereich) zu erlassen, sofern dies sachlich zu rechtfertigen ist.

Die bekämpfte Verordnungsbestimmung war sohin als gesetzwidrig aufzuheben.

3.a) Der Verfassungsgerichtshof verkennt im Rahmen seiner - ausschließlich an der Verfassungsrechtslage auszurichtenden - Entscheidung keineswegs, daß die aufgehobenen Regelungen einem bedeutsamen kommunalpolitischen Anliegen dienen, doch kann dieses nicht im Weg der bloßen Mißstandsabwehr, sondern (wie dargetan) nur auf Grund besonderer (landes-)gesetzlicher Ermächtigungen rechtens verwirklicht werden. Aus dieser Erwägung macht der Gerichtshof von der ihm nach Art139 Abs5 dritter Satz B-VG zukommenden Befugnis Gebrauch, für das Außerkrafttreten der geprüften Vorschriften die Höchstfrist von einem Jahr zu setzen (vgl. VfSlg. 11753/1988).

b) Der Ausspruch über die Kundmachungsverpflichtung stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG.

4. Der beteiligten Partei (dem Berufungswerber im Verfahren vor dem UVS Kärnten) waren die für die Erstattung einer (nicht aufgetragenen) Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil im Verordnungsprüfungsverfahren ein Kostenersatz nur im - hier nicht gegebenen - Fall des §61a VerfGG in Betracht kommt.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Gemeinderecht, Verordnung ortspolizeiliche, Baumschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:V51.1995

Dokumentnummer

JFT_10039771_95V00051_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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