TE OGH 2020/6/25 6Ob47/20k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden sowie die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richer in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 2.388.724,91 EUR sA, über die Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Dezember 2019, GZ 1 R 160/19t-360, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. August 2019, GZ 41 Cg 200/06i-343, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

I. Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

II. Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinen Punkten 1 bis 4 dahingehend abgeändert, dass es unter Einschluss der nicht in Beschwerde gezogenen Punkte insgesamt zu lauten hat wie folgt:

„1. Die Klagsforderung besteht mit 877.288,68 EUR zu Recht.

2. Die geltend gemachte Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin 877.288,68 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 24. 11. 2006 zu zahlen.

4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagevertreterin 1.511.436,23 EUR samt 9,97 % Zinsen ab Klagszustellung zu zahlen sowie das Zinsenmehrbegehren aus 877.288,68 EUR, soweit es ab 24. 11. 2006 den Basiszinssatz um mehr als 8 % übersteigt, und das Zinsenmehrbegehren aus 877.288,68 EUR für den 23. 11. 2006 (Tag der Klagszustellung) werden abgewiesen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des im fünften Rechtsgang befindlichen Verfahrens bilden Schadenersatzansprüche der Klägerin wegen behaupteten schuldhaften Verzugs und behaupteter schuldhafter Schlechterfüllung eines „Architektur- und Ingenieurvertrags“ durch die A* Z* im Zusammenhang mit der Renovierung eines Luxushotels in Kroatien. Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund einer von ihr für die A* Z* abgegebenen Patronatserklärung in Anspruch.

Die Klägerin bringt im Wesentlichen vor, durch den von A* Z* verschuldeten Verzug der Eröffnung des Hotels seien ihr als Hotelbetreiberin Einnahmen für einen zeitlich nicht wiederaufholbaren Zeitraum von 146 Tagen entgangen. Durch die verzögerte Fertigstellung des Projekts seien der Klägerin überdies frustrierte Gehaltskosten für jene Mitarbeiter entstanden, die sie im berechtigten Vertrauen auf die Zusagen von A* Z* eingestellt habe und die mit der geplanten Eröffnung des Hotels ihre Arbeit aufgenommen hätten.

Die beklagte Partei wandte ein, die Verzögerung der Fertigstellung des Hotels sei nicht von A* Z*, sondern von der Klägerin oder einer ihr zuzurechnenden Gesellschaft zu vertreten. Eine von der Klägerin im Mai/Juni 2003 angeordnete Umplanung habe eine Vielzahl von Änderungen verursacht, weshalb sich der Planungsaufwand massiv erhöht habe. Die Berechnung des Gewinnentgangs durch die Klägerin sei unrichtig.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung mit 14.085,52 EUR zu Recht bestehe, die eingewendete Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verpflichtete davon ausgehend die Beklagte zur Zahlung von 14.085,52 EUR sA. Das Mehrbegehren von 2.374.638,39 EUR sA wies es ab.

Hervorzuheben aus den Feststellungen ist Folgendes:

Im Vertrag zwischen der Klägerin und A* Z* war eine Wiedereröffnung des Hotels „Anfang September 2003“ vorgesehen. Im März 2003 erfolgte eine Umplanung, wonach die Küche vom Erdgeschoss in das Kellergeschoss verlegt werden sollte. Aus architektonischer Sicht wurde dadurch die Qualität der Räumlichkeiten im Erdgeschoss erheblich verbessert. Die endgültige technische Abnahme und Benützungsbewilligung erfolgte am 30. 3. 2004, die Klassifizierung als Fünf-Sterne-Hotel am 17. 5. 2004 und die Eröffnung des Hotels am 18. 5. 2004.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass ein allenfalls verbindlich vereinbarter Eröffnungstermin Anfang September 2003 zumindest konkludent aufgehoben worden sei. Hingegen sei A* Z* ihrer Verpflichtung zur Erstellung von Mängellisten im Zusammenhang mit der Überprüfung der Gewerke HKLS und Elektro nicht ausreichend nachgekommen. Dafür stehe der Klägerin ein Betrag von 14.085,52 EUR zu.

Das Berufungsgericht gab einer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin teilweise, jener der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Klagsforderung mit 677.701,43 EUR zu Recht, die geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Davon ausgehend sprach es einen Betrag von 677.701,43 EUR sA zu; das Mehrbegehren wies es ab.

Nach Verwerfung einer Beweis- und Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, der vertragliche Fertigstellungstermin Ende September 2003 sei nicht abgeändert worden. Der Geschäftsführer von A* Z* habe mehrfach schriftlich gegenüber der Klägerin kommuniziert, dass die Bauarbeiten trotz der Leistungsänderung bis ca Ende September 2003 fertiggestellt werden könnten. Dies, obwohl die Klägerin die Umplanung erst am 11. 4. 2003 in Auftrag gab. Von dieser Einschätzung wich er erst Anfang August 2003 ab. Gemessen am rechtlich-maßgeblichen Empfängerhorizont habe die Klägerin daher davon ausgehen können, dass der „Meilenstein“ zumindest bis Ende September 2003 erreicht werden würde. Eine schlüssige einvernehmliche Verschiebung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins hätte übereinstimmender konkludenter Willenserklärungen der Vertragsparteien bedurft. Diese lägen aber schon deshalb nicht vor, weil der Geschäftsführer von A* Z* selbst von der Einhaltung dieser Fertigstellungsfrist ausging. Der Geschäftsführer von A* Z* hätte aufgrund der gravierenden Leistungsänderung auf eine einvernehmliche Verschiebung der ursprünglichen Fertigstellungsfrist hinwirken können. Dies habe er aber – offensichtlich aufgrund einer zeitlichen Fehleinschätzung – unterlassen. Damit sei es bis zumindest Anfang August 2003 bei dem vorgesehenen, allerdings auf Ende September 2003 verschobenen Wiedereröffnungstermin geblieben. Dass diese Leistungsfrist von vornherein nicht einzuhalten gewesen sei, gehe zu Lasten von A* Z*. Der Schuldner habe auch den nicht verschuldeten Verzug zu vertreten, wenn das Leistungsversprechen bezüglich der rechtzeitigen Leistung sorgfaltswidrig abgegeben worden sei.

Allerdings sei auch der Klägerin spätestens ab August 2003 bewusst gewesen, dass eine Wiedereröffnung des Hotels bis Ende 2003 nicht möglich sein würde.

Ob der Wiedereröffnungstermin konkludent auf 23. 12. 2003 verschoben worden sei, könne dahingestellt bleiben, weil die Klägerin ohnedies Schadenersatz erst ab diesem Zeitpunkt geltend mache.

Der Verzug zwischen dem 23. 12. 2003 und dem 18. 5. 2004 sei teilweise von A* Z* verursacht und verschuldet, weil sich diese mit der Planung objektiv in Verzug befand. Außerdem habe es Fehler bei der örtlichen Bauaufsicht gegeben. Da sich der jeweilige Anteil der Klägerin und der ihr zuzurechnenden Professionisten einerseits und jener von A* Z* andererseits am Verzug nicht bestimmen lasse, sei eine Schadensteilung im Verhältnis 1:1 vorzunehmen.

Zum Einnahmenentgang habe der Buchsachverständige mehrfach betont, dass Fixkosten definitionsgemäß unabhängig von einem aufrechten Betrieb entstünden und daher nicht in die Berechnung des entgangenen Gewinns einzufließen hätten. Daraus ergebe sich ein Gewinnentgang von 10.290.000 Kunar. Infolge der Schadensteilung gebühre der Klägerin die Hälfte dieses Betrags.

Hingegen stünden die frustrierten Lohnkosten nicht zu, weil diese mit dem Zuspruch des Geschäftsentgangs indirekt abgegolten worden seien.

Außerdem stünden der Klägerin jeweils 50 % der Kosten für Mitarbeiter zu, die diese zur Unterstützung der örtlichen Bauaufsicht abgestellt hatte.

Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt. Die dreijährige Verjährungsfrist habe erst am 23. 12. 2003 zu laufen begonnen. Die Kosten der Mitarbeiter der Klägerin, die diese für die örtliche Bauaufsicht eingesetzt hatte, stellten einen Rettungsaufwand dar. Die Anspruchsverjährung für diesen Schaden könne aber nicht in Gang gesetzt werden, solange das Scheitern der Rettungsversuche des schließlich Geschädigten zur Vermeidung oder Minderung eines Schadens noch nicht feststehe.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Erhebliche Rechtsfragen stellten sich bei der im ganz besonderen Maß von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängigen Berufungsentscheidung nicht.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die beklagte Partei strebt die Abänderung des angefochtenen Urteils im gänzlich klagsabweisenden Sinn an. Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von zusätzlichen 374.730,38 EUR sA.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig. Hingegen ist die Revision der klagenden Partei teilweise berechtigt.

I. Zur Revision der beklagten Partei:

1. Die Auslegung von Verträgen hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0044358 uva). Dies gilt auch für die Frage, ob es zu einer konkludenten Vereinbarung (RS0109021) oder – wie im vorliegenden Fall behauptet – zu einer konkludenten Abänderung einer vorher geschlossenen Vereinbarung gekommen ist.

2.1. Die beklagte Partei erblickt in der Entscheidung des Berufungsgerichts einen „gravierenden Verstoß gegen logische Denkgesetze“, weil das Bauvorhaben aus technischer Sicht gar nicht früher fertiggestellt werden konnte.

2.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Schuldner nach § 918 ABGB auch den nicht verschuldeten Verzug zu vertreten hat, wenn das Leistungsversprechen bezüglich der rechtzeitigen Leistung sorgfaltswidrig abgegeben wurde. Daher haftet der Schuldner auch dann, wenn er bei Abgabe des Versprechens wusste oder wissen musste, dass er nicht rechtzeitig werde leisten können (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 918 Rz 138). In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der Oberste Gerichtshof auch in Fällen anfänglicher Unmöglichkeit die Nichteinhaltung der zugesagten Lieferzeit als Verschulden anrechnet, wenn dem Schuldner nur die Versprechensabgabe vorgeworfen werden kann (Reischauer aaO § 920 Rz 220). Dies deutet Reischauer (aaO § 920 Rz 241) als eine durch Entlastbarkeit abgeschwächte gesetzliche Garantie. Zum selben Ergebnis gelangt allerdings Koziol durch Annahme einer vertrauensrechtlichen Erfüllungshaftung (Koziol, Von der rechtsgeschäftlichen Bindung zur Vertrauenshaftung, FS Iro [2013] 81; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II3 Rz A2 251 mwN).

3.1. Eine weitere erhebliche Rechtsfrage erblickt die beklagte Partei darin, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts die beklagte Partei als Garantin für eine zwischen Gläubiger und Schuldner nachträglich nach Abgabe der Patronatserklärung abgeschlossene Vereinbarung hafte, obwohl diese das Haftungsrisiko massiv erhöhte und die Beklagte dieser Vereinbarung nicht zugestimmt habe.

3.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Umplanung nicht einseitig durch die klagende Partei, sondern im Einvernehmen aller Beteiligten und nach umfassender Prüfung durch A* Z* erfolgte. In diese Überlegungen war auch die beklagte Partei eingebunden. Der Vorstandsvorsitzende der beklagten Partei betonte in seiner letzten Einvernahme, dass er die vorgeschlagene Planänderung unterstützt und als „wesentlich gescheitere, bessere Lösung“ angesehen habe (Protokoll vom 12. 3. 2019, ON 333 S 3).

3.3. Im Übrigen hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht nur auf die unrichtige Zusage eines – technisch nicht realistischen – Fertigstellungszeitpunkts gestützt, sondern auch eine Reihe von zusätzlichen Sorgfalts- bzw Vertragsverletzungen von A* Z* herangezogen (S 92 ff des Berufungsurteils).

4.1. Nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des Berufungsgerichts auch, soweit es die Berechtigung des Verjährungseinwands verneint: Die Anspruchsverjährung kann nämlich nicht in Gang gesetzt werden, solange das Scheitern der Rettungsversuche des schließlich Geschädigten zur Vermeidung oder Minderung eines Schadens noch nicht feststeht (RS0118357). Diese Rechtsprechungslinie wurde im Übrigen – entgegen dem Revisionsvorbringen der beklagten Partei – nicht zum Amtshaftungsrecht begründet, sondern gerade in einem Bauprozess (3 Ob 70/03w = SZ 2003/154). Die Gegenauffassung führte dazu, dass die Verjährungsfrist bereits zu laufen begänne, obwohl die Versuche zur Schadensabwendung letztlich erfolgreich sind.

4.2. Dazu kommt, dass lediglich ein Teil der Kosten von Mitarbeitern, die die klagende Partei zur Unterstützung der örtlichen Bauaufsicht abstellte, mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung anfielen. Dabei geht es um die Monate September und Oktober 2003. Hier ist darauf zu verweisen, dass es sich bei den Kosten für diese Mitarbeiter nicht um eine einheitliche Schadensposition handelt, sondern diese Aufwendungen jeweils für jeden Tag oder zumindest jede Woche des Verzugs der A* Z* anfielen, sodass die Verjährung für diese Aufwendungen jeweils zumindest für jede Entgeltzahlungsperiode neu zu laufen beginnt (vgl zu Verzugsschäden eingehend 6 Ob 232/15h). Für die Monate ab November 2003 wäre der diesbezügliche Teil des Klagebegehrens daher auch dann nicht verjährt, wenn man der in ErwGr 4.1. dargestellten Rechtsprechung nicht folgte.

4.3. Zudem ist darauf zu verweisen, dass die Beiziehung dieser Mitarbeiter im Einvernehmen zwischen A* Z* und der Klägerin erfolgte, um doch noch einen rechtzeitigen Abschluss des Hotelprojekts zu erreichen. Insoweit lässt sich auf die vorliegende Konstellation aber auch die Rechtsprechung zur Hemmung der Verjährungsfrist während Vergleichsgesprächen (vgl 7 Ob 325/01x; RS0034526) übertragen.

5. Zusammenfassend gelingt es der beklagten Partei somit nicht, Rechtsfragen der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

II. Zur Revision der klagenden Partei:

Hingegen ist die Revision der klagenden Partei teilweise berechtigt.

1.1. Die klagende Partei macht – im Revisionsverfahren – einen Anspruch auf Ersatz von Verdienstentgang und Ersatz frustrierter Gehaltskosten geltend, der ihr aus der Nichteinhaltung des vertraglich zugesagten Fertigstellungstermins entstanden ist. Damit begehrt sie den Nichterfüllungsschaden (positives Vertragsinteresse, Erfüllungsinteresse – §§ 918, 920, 921 ABGB). Darunter ist der Nachteil zu verstehen, den der Gläubiger dadurch erfährt, dass seine Forderung entweder überhaupt nicht, nicht zur gehörigen Zeit, nicht am gehörigen Ort oder gegen die bedungene Weise erfüllt wird (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1293 Rz 13). Er umfasst alles, was der Gläubiger hätte, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Der Gläubiger ist also so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (Reischauer aaO mwN).

1.2. Der Nichterfüllungsschaden umfasst neben dem positiven Schaden auch den entgangenen Gewinn, wobei unter den Voraussetzungen des § 349 UGB (vorher des Art 8 Nr 2 4. EVHGB) auch der entgangene Gewinn unabhängig vom Verschuldensgrad zu ersetzen ist (Reischauer aaO).

1.3. Der Nichterfüllungsschaden kann nicht ohne weiteres mit der Betriebswirtschaft entlehnten termini wie „Ertrag“ oder „Gewinn“ gleichgesetzt werden. Insbesondere ist zu beachten, dass der „Gewinn“ im juristischen Sinn im Schadenersatzrecht neben dem Ersatz des positiven Schadens gebühren kann.

1.4. Daher ist für den Anspruch auf Verdienstentgang im Rahmen des Ersatzes des Nichterfüllungsschadens auch nicht entscheidend, ob ein Unternehmen Gewinne macht oder nicht. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, wenn dem Unternehmen Einnahmen entgangen sind, die zur Deckung der Fixkosten hätten herangezogen werden können.

2.1. Die grundsätzliche Überlegung des Berufungsgerichts, wonach Ansatzpunkt für die Schadensberechnung im konkreten Fall sein muss, wie die Klägerin wirtschaftlich stünde, wenn das Hotel 146 Tage früher eröffnet worden wäre, ist im Grundsatz zutreffend. Im vorliegenden Fall hat sich durch die verspätete Fertigstellung die Anlaufphase nach hinten verschoben, wodurch insgesamt 146 Tage sonst möglicher „Vollbetrieb“ wegfielen.

2.2. Nachvollziehbar ist auch der Hinweis des Sachverständigen, wonach fixe Aufwendungen jene Aufwendungen sind, die unabhängig vom laufenden Hotelbetrieb anfallen. Aus diesem Grund fließen sie nicht in die Berechnung des Gewinnentgangs mit ein. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob im Rahmen der gebotenen Differenzbetrachtung zwischen dem Ist-Zustand aufgrund der verspäteten Eröffnung und der hypothetischen Vermögenslage der Klägerin bei Annahme einer um 146 Tage früher erfolgten Eröffnung nicht auch Positionen zuzusprechen wären, die der Sachverständige bei seiner – nur auf den „Gewinn“ abzielenden – Berechnung ausgeschieden hat. Dies gilt insbesondere für den Personalaufwand.

3.1. Die Klägerin hat jedoch den Verdienstentgang unter Abzug des Personalaufwands eingeklagt, daneben allerdings eine eigene Schadensposition für frustrierte Personalkosten in Höhe von 749.460,76 EUR geltend gemacht. Unter diesem Titel begehrt sie unter anderem Ersatz für jene Beträge, die sie während des Zeitraums bis zur verspäteten Eröffnung aufgrund einer mit der Gewerkschaft getroffenen Vereinbarung ihren Arbeitnehmern zahlen musste.

3.2. Eine derartige Lohnfortzahlung aufgrund eines verursachten Betriebsstillstands oder – wie im vorliegenden Fall – einer verzögerten Betriebseröffnung kann grundsätzlich ersatzfähigen frustrierten Aufwand darstellen (Reischauer aaO § 1293 Rz 11). Dies gilt aber nur dann, wenn diese Kosten nicht ohnedies durch Zuspruch von Verdienstentgang abgegolten werden. Der bloße Zuspruch von „Gewinn“ deckt demgegenüber frustrierte Personalkosten nicht ab, weil diese bei hypothetischem ordnungsgemäßen Hotelbetrieb ganz oder zumindest zum Teil durch die Umsatzerlöse hätten hereingebracht werden können.

3.3. Allerdings darf die Kombination von Ersatz frustrierten Aufwands und entgangenem Gewinn nicht zu einer dem Zweck des Schadenersatzrechts zuwiderlaufenden Bereicherung des Geschädigten führen. Daher kommt es nicht in Betracht, der Klägerin zusätzlich zum entgangenen Gewinn für 146 Tage Vollbetrieb auch die gesamten (nach Ansicht der Klägerin „frustrierten“) Personalkosten für die 146 Tage bis zur verzögerten Eröffnung des Hotels zuzusprechen. Hier ist nochmals auf die nachvollziehbare Überlegung des Sachverständigen zu verweisen, dass die Personalkosten, soweit es sich um Fixkosten handelt, auch bei Vollbetrieb angefallen wären. Insoweit sind die Personalkosten daher nicht „frustrierte“ Kosten, sondern entsprechen dem Aufwand, den die Klägerin auch bei fristgerechter Fertigstellung des Hotels hätte tragen müssen.

3.4. Hingegen kommt der Revision Berechtigung zu, soweit es sich bei den Personalkosten um variable Kosten handelt. Diese Kosten in Höhe von 4.539.740 HRK samt einem Zuschlag von 1.322.780 HRK hat der Sachverständige bei seiner Modellbetrachtung vom in 146 zusätzlichen Vollbetriebstagen erzielbaren (fiktiven) Umsatz abgezogen (S 38 des Gutachtens). Dies entspricht zum von den Vorinstanzen zugrundegelegten Umrechnungskurs von 1:7,3433 einem Gegenwert von 798.349 EUR.

3.5. Dies wäre dann sachgerecht, wenn diese variablen Kosten – wie dies normalerweise der Fall sein wird – nicht wirklich angefallen sind. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin aber während der 146 Tage Verzögerung Personal beschäftigt. Zum teilweisen Ausgleich dieser Kosten hat die Klägerin daher auch Anspruch auf Ersatz jener (fiktiven) Erträge, die bei rechtzeitiger Fertigstellung für die Deckung der variablen Personalkosten hätten aufgewendet werden müssen. Dies sind nach den Verfahrensergebnissen der Vorinstanzen 798.349 EUR.

3.6. Allerdings hat das Erstgericht festgestellt, dass diese Mitarbeiter teilweise zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt ab 23. 12. 2003 im Hotel auf ihre künftigen Aufgaben eingeschult wurden. Außerdem weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass realistischerweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin alle Mitarbeiter ohne den Verzug erst am Tag der tatsächlichen Hoteleröffnung eingestellt hätte. Damit wären die Personalkosten zumindest teilweise auch bei rechtzeitiger Fertigstellung angefallen.

3.7. Eine genaue Klärung, welche Mitarbeiter bei hypothetischem Kausalverlauf, geht man von rechtzeitiger Fertigstellung des Hotels aus, wann eingestellt worden wären, wäre aber – wenn überhaupt – nur mit erheblichem Aufwand möglich. In Anbetracht der bisherigen Verfahrensdauer von 14 Jahren und des bisherigen Verfahrensaufwands von fünf Rechtsgängen ist gemäß § 273 ZPO davon auszugehen, dass lediglich die Hälfte des angeführten Personalaufwands der klagenden Partei dem Verzug der A* Z* anzulasten ist. Dies ergibt einen Betrag von 399.174,50 EUR. Dieser Betrag findet im von der Klägerin aus diesem Titel begehrten Betrag von 749.460,76 EUR Deckung.

3.7. Ausgehend von der von den Vorinstanzen zugrunde gelegten Verschuldensteilung von 1:1 war der Klägerin die Hälfte dieses Betrags, sohin 199.587,25 EUR, zusätzlich zuzuerkennen.

4. Insoweit waren die Urteile der Vorinstanzen daher im aufgezeigten Sinn abzuändern.

5. Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil das Erstgericht die Kostenentscheidung vorbehalten hat (§ 54 Abs 1a ZPO). Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Entscheidung, soweit sie die Revision der Klägerin betrifft, auf § 273 ZPO beruht (vgl § 43 Abs 2 ZPO).

Textnummer

E128841

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:E128841

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten