TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/19 96/02/0173

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Veröffentlicht am 19.12.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

ASchG 1972 §27 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §39;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/02/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 24. Jänner 1996, Zlen. UVS-07/06/00087/95-E und UVS-07/06/00637/95-K, betreffend Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde vom 24. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener einer namentlich genannten Gesellschaft m.b.H. mit näher genanntem Sitz in Wien für schuldig befunden, daß diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 8. November 1994 in einer örtlich umschriebenen Filiale die mit näher bezeichnetem Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes 21 vom 25. Juli 1989 vorgeschriebenen Auflagen, wonach nach Pkt. 35) die brandhemmenden Türen zwischen den beiden Verkaufsräumen und zwischen Verkaufs- und Lagerräumen aus betrieblichen Gründen während der Betriebszeit in Offenstellung feststellbar eingerichtet sein dürfen, wenn die Feststelleinrichtungen im Brandfalle unwirksam werden und die Türen selbsttätig schließen, und nach Pkt. 36) u.a. die im Plan als Notausgang bezeichneten Türen als Notausgang im Sinne der AAV einzurichten, zu bezeichnen und zu erhalten sind und ein unverstellter ausreichend beleuchteter Weg ins Feie gewährleistet sein muß, insofern nicht eingehalten habe, als

1. brandhemmende Türen durch näher genannte Gegenstände fixiert bzw. blockiert gewesen seien und 2. mehrere Notausgänge durch näher genannte Gegenstände verstellt bzw. eingeengt gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit den Punkten 35 und 36 des zitierten Bescheides des Magistratischen Bezirksamtes 21 vom 25. Juli 1989 (in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG) begangen. Über ihn wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen die vorgenannten Bescheide vom 24. Jänner 1996 richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht das Vorliegen der genannten Verwaltungsübertretungen vom 8. November 1994. Er beruft sich jedoch auf die Bestellung des Markt- bzw. Filialleiters H. bzw. auf die dieser Bestellung vorangegangene Bestellung von dessen Vorgänger, dem ehemaligen Marktleiter A., zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG. Soweit der Beschwerdeführer die Bestellung des ehemaligen Marktleiters A. zum verantwortlichen Beauftragten geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß A. zwar beim Arbeitsinspektorat als verantwortlicher Beauftragter für die in Rede stehende Filiale aufscheint, daß diese Filiale jedoch am 27. September 1993 vom Marktleiter A. an den nunmehrigen Marktleiter H. "übergeben" wurde, sodaß der Marktleiter A. zum Tatzeitpunkt (am 8. November 1994) nicht mehr in dieser Filiale tätig war. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 93/10/0064, ausgeführt hat, müssen die in § 9 Abs. 4 VStG genannten Voraussetzungen nicht nur im Bestellungszeitpunkt gegeben sein. Ihr Vorliegen ist eine dauernde Bedingung für die Rechtstellung als verantwortlicher Beauftragter. Erfüllt eine zum verantwortlichen Beauftragten bestellte Person diese Voraussetzungen nicht, so ist die Bestellung rechtsunwirksam. Gleiches gilt auch, wenn die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Bestellung vorlagen, später aber weggefallen sind. In diesem Fall ist der Bestellte so lange nicht als verantwortlicher Beauftragter anzusehen, solange die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG nicht vorliegen. Das VStG enthält keine Norm des Inhaltes, daß eine Person, die zum Zeitpunkt der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten (und der Namhaftmachung gegenüber der Behörde) die Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG erfüllt hat, die Funktion eines verantwortlichen Beauftragten auch dann weiterbehält, wenn die im § 9 Abs. 4 VStG normierten Voraussetzungen nachträglich wegfallen. Da der ehemalige Marktleiter A. unbestrittenermaßen zum Tatzeitpunkt nicht mehr in der betreffenden Filiale tätig war, ist eine der Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 VStG, nämlich die entsprechende Anordnungsbefugnis für den der Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich weggefallen, weshalb der ehemalige Marktleiter A. nicht als verantwortlicher Beauftragter zum Tatzeitpunkt angesehen werden kann.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich auf die Bestellung des Marktleiters H. als verantwortlichen Beauftragten hinweist, so ist ihm zu entgegnen, daß laut schriftlicher Stellungnahme des Amtsleiters sowie der Aussage des zuständigen Referenten des Arbeitsinspektorates keine Urkunde über die Bestellung des Marktleiters H. zum verantwortlichen Beauftragten beim Arbeitsinspektorat eingelangt ist. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, Nachweise für das Absenden eines Bestellungsdekretes, wie etwa ein Postausgangsbuch oder eine Kopie eines Begleitschreibens vorzulegen. Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis hinsichtlich der Beweiswürdigung (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1995, Zl. 85/02/0053) begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde von einer unwirksamen Bestellung des Filialleiters H. zum verantwortlichen Beauftragten ausgegangen ist, weil es an dem konstitutiven Erfordernis der Mitteilung der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten an das Arbeitsinspektorat mangelte. Bei dieser Sachlage ist auch kein wesentlicher Verfahrensmangel in der Unterlassung der vom Beschwerdeführer beantragten Einvernahme des Kanzleileiters des Arbeitsinspektorates zu sehen.

Der Beschwerdeführer bringt in der Folge vor, er sei nicht gewerberechtlicher Geschäftsführer der näher genannten Gesellschaft, bei den übertretenen Bestimmungen handle es sich jedoch um bescheidmäßige Vorschreibungen nach der Gewerbeordnung, für die der gewerberechtliche Geschäftsführer verantwortlich sei. Bei den im gewerbebehördlichen Bescheid in den Punkten 35 und 36 enthaltenen (oben näher dargestellten) Auflagen handelt es sich zweifellos um solche zum Schutz der Arbeitnehmer (vgl. § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes). Für einen Verstoß ist folglich auch nicht der gewerberechtliche Geschäftsführer verwaltungsstrafrechtlich haftbar, weshalb eine Bestrafung des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Bedenken begegnet (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 1992, Zl. 91/19/0239).

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er einerseits vorbringt, es existiere ein wirksames Kontrollsystem, welches er im Verwaltungsstrafverfahren dargelegt habe, und andererseits der belangten Behörde vorwirft, rechtirrtümlich angenommen zu haben, daß ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht gelungen sei. Er habe dargelegt, daß in jedem Markt ein ständig anwesender Marktleiter zugegen sei, daß die Märkte durch Marktinspektoren überprüft würden, daß diese regelmäßig auch schriftlich berichteten und daß die Geschäftsführung selbst stichprobenweise Überprüfungen machen würde. Ihm könne ein weisungswidriges Verhalten des Marktleiters nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dem ist entgegenzuhalten, daß die bloße Dartuung der Einrichtung eines Kontrollsystems, dessen wesentliche Merkmale in der hierarchischen Gliederung der Verantwortungsträger und der Kontrolle jedes in diese Hierarchie Eingebundenen durch den jeweils Übergeordneten bestehen, zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Arbeitgebers bzw. des Beschuldigten als handelsrechtlichen Geschäftsführer nicht als ausreichend zu erachten ist. Damit wird nämlich nur das Existieren eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form glaubhaft gemacht, nicht hingegen auf der Grundlage entsprechenden Tatsachenvorbringens dargelegt, wie dieses Kontrollsystem konkret, insbesondere in der jeweiligen Filiale funktionieren sollte. Hiezu wäre es erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im einzelnen der dem betreffenden Filialleiter unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet ist, um durchzusetzen, daß die in Rede stehenden Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten werden, und welche Maßnahmen der Beschuldigte als an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehender Anordnungsbefugter vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, d.h. sicherzustellen, daß die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene, nämlich die einzelnen Filialen, gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1992, Zl. 92/18/0045). Auf dem Boden dieser Rechtsprechung ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall die Eignung des Vorbringens des Beschwerdeführers zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG verneint hat.

Wenn der Beschwerdeführer letztlich rügt, ihm sei im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz ein unrichtiger Tatort, nämlich die in Rede stehende Filiale, vorgehalten worden, erst im Berufungsbescheid der belangten Behörde sei als Tatort der Sitz des Unternehmens angeführt worden, wodurch er in seinen "Beschuldigtenrechten erheblich verletzt sei", ist er darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde - schon aufgrund der von ihm erhobenen Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis, in welcher u.a. genau dieser Punkt gerügt worden war - berechtigt war, den Spruch dieses Straferkenntnisses auch dahin zu modifizieren, daß als Tatort nicht die Filiale, sondern der Sitz des Unternehmens aufscheint, zumal es bei Verwaltungsübertretungen der im Beschwerdefall vorliegenden Art zur Umschreibung der von einer tauglichen Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG erfaßten bestimmten Tat nicht der Angabe des Tatortes (Sitz des in Filialen gegliederten Unternehmens) bedarf (vgl. auch hiezu das bereits zitierte Erkenntnis vom 25. Mai 1992, Zl. 92/18/0045).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war

daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Arbeitsrecht Arbeiterschutz Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz Verantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes Organ

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020173.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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