TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/22 95/10/0078

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Veröffentlicht am 22.12.1997
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Index

L55005 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Salzburg;
L81515 Umweltanwalt Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
AVG §47;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §63;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
NatSchG Slbg 1977 §44 Abs2;
UmweltanwaltschaftsG Slbg §3 Abs2;
VwRallg;
ZPO §292;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der B Holding Gesellschaft m.b.H. in Krimml, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Dr. Reinfried Eberl und Dr. Robert Hubner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Pfeifergasse 6, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. Dezember 1992, Zl. 16/02-8233/16-1992, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 14. März 1991 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wasserkraftanlage.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 5. Februar 1992 wurde die beantragte Bewilligung erteilt.

Die Salzburger Landesumweltanwaltschaft erhob Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung Folge gegeben und der Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 15. März 1995, B 260/93, ab. Über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht zunächst geltend, die belangte Behörde hätte die Berufung der Salzburger Landesumweltanwaltschaft zurückweisen müssen. Nach dem Gesetz werde die Parteistellung der Landesumweltanwaltschaft nur dann begründet, wenn der Naturschutzbeauftragte bei der zuständigen Behörde diese Parteistellung durch schriftliche Erklärung bewirke, und zwar ab dem Einlangen dieser Erklärung. Daraus sei abzuleiten, daß eine derartige schriftliche Erklärung bei der Behörde offiziell eingehen müsse, also zumindest einen Einlaufstempel aufzuweisen habe, um darzustellen, ab wann der Landesumweltanwaltschaft Parteistellung zukäme. Andernfalls wäre es ein Leichtes, bei fehlenden Erklärungen des Naturschutzbeauftragten nachträglich irgendwelche handschriftlichen Zettel oder Notizen in den Akt einzulegen. Im Beschwerdefall liege lediglich eine handschriftliche Aktennotiz vom 16. Oktober 1991 vor, die keinen Einlaufstempel aufweise. Die Beschwerdeführerin habe schon im Verwaltungsverfahren die Echtheit dieser Notiz bestritten, ferner, daß sie vom Naturschutzbeauftragten stamme, und schließlich die Richtigkeit des beigefügten Datums. Die belangte Behörde hätte daher die Berufung der Landesumweltanwaltschaft mangels Parteistellung zurückweisen müssen; wenigstens wären Erhebungen über die Umstände der erwähnten Notiz durchzuführen gewesen.

Ob eine Berufung zulässig ist, ist nach den Verhältnissen spätestens zum Ablauf der Berufungsfrist zu beurteilen. Eine danach unzulässige und daher von der Berufungsbehörde zwingend zurückzuweisende Berufung kann nicht nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in eine zulässige Berufung umgewandelt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. September 1978, Zl. 1634/78). In der Frage der Zulässigkeit der Berufung ist somit auf die im Zeitpunkt des Ablaufes der Berufungsfrist gegebene Sach- und Rechtslage abzustellen.

Der Bescheid der ersten Instanz wurde der Beschwerdeführerin, deren Vertreter und der Salzburger Landesumweltanwaltschaft am 19. Februar 1992 zugestellt. Die Parteistellung der Salzburger Landesumweltanwaltschaft und damit die Zulässigkeit ihrer Berufung richtete sich daher nach § 3 des Gesetzes vom 4. Februar 1987 über die Salzburger Landesumweltanwaltschaft, LGBl. Nr. 25/1987 (LUAG). Die Änderung des § 3 Abs. 2 leg. cit. durch das Gesetz vom 11. März 1992, LGBl. Nr. 42, trat erst nach Ablauf des 29. Mai 1992 und somit nach Ablauf der Berufungsfrist in Kraft.

§ 3 Abs. 1 LUAG enthält einen Katalog von Vorhaben, bei denen der Landesumweltanwaltschaft in den auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften durchzuführenden Verwaltungsverfahren, in denen Umweltschutzbestimmungen anzuwenden sind, zur Wahrung der Interessen des Umweltschutzes Parteistellung zukommt.

Nach § 3 Abs. 2 LUAG kommt der Landesumweltanwaltschaft in allen Verwaltungsverfahren nach dem Salzburger Naturschutzgesetz 1977, LGBl. Nr. 86, sowie nach dem Gesetz über die Errichtung des Nationalparkes Hohe Tauern im Land Salzburg, LGBl. Nr. 106/1983, jedoch immer dann Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu, wenn nicht ohnedies im jeweiligen Verfahren der Naturschutzbeauftragte nach diesen Gesetzen Verfahrensrechte besitzt. Dasselbe gilt für Verwaltungsverfahren, in denen dem Naturschutzbeauftragten auf Grund der genannten Gesetze zwar Verfahrensrechte zukommen, er aber zudem die Parteistellung der Landesumweltanwaltschaft bei der zuständigen Behörde durch schriftliche Erklärung bewirkt, ab dem Einlangen dieser Erklärung.

Der (die Bewilligung erteilende) Bescheid der ersten Instanz beruhte auf dem Tatbestand des § 19a des Salzburger Naturschutzgesetzes 1977, LGBl. Nr. 86 idF LGBl. Nr. 67/1986 (die Änderung dieser Vorschrift durch LGBl. Nr. 41/1992, in Kraft getreten mit 1. Juli 1992, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1992, Slg. 13.301, sind im vorliegenden Zusammenhang nicht von Bedeutung). Der Tatbestand des § 19a NSchG 1977 (erheblicher Eingriff in fließende Gewässer) war im Katalog des § 3 Abs. 1 LUAG nicht aufgezählt. Die Parteistellung der Landesumweltanwaltschaft im vorliegenden Verfahren richtete sich daher nach § 3 Abs. 2

LUAG.

Es handelte sich um ein Verfahren, in dem dem Naturschutzbeauftragen Verfahrensrechte zukamen (vgl. § 44 NSchG 1977). Maßgebend für die Berufungsberechtigung der Landesumweltanwaltschaft ist im vorliegenden Fall somit, ob der Naturschutzbeauftragte die Parteistellung der Landesumweltanwaltschaft durch eine vor Ablauf der Berufungsfrist bei der zuständigen Behörde eingelangte schriftliche Erklärung bewirkte.

Ob dies der Fall ist, kann anhand der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht abschließend beurteilt werden; denn diese setzt sich mit der Frage der Berufungsberechtigung der Landesumweltanwaltschaft mit keinem Wort auseinander, obwohl dies angesichts des Akteninhaltes und der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 6. Mai 1992 geboten gewesen wäre.

§ 3 Abs. 2 LUAG ordnet an, daß der Naturschutzbeauftragte die Einräumung der Parteistellung an die Landesumweltanwaltschaft "durch schriftliche Erklärung bei der zuständigen Behörde" bewirkt, wobei die Parteistellung "ab dem Einlangen dieser Erklärung" zukommt.

Dem Naturschutzbeauftragten obliegt als Organ der Landesregierung in seinem örtlichen Wirkungsbereich die Wahrnehmung der Interessen des Naturschutzes im Sinne dieses Gesetzes (§ 44 Abs. 2 erster Satz NSchG 1977); zur Wahrnehmung dieser Interessen werden ihm bestimmte Verfahrensrechte eingeräumt. Bei der Wahrnehmung dieser Interessen im naturschutzbehördlichen Verfahren wird der Naturschutzbeauftragte somit nicht als Organ der Naturschutzbehörde (im vorliegenden Fall: der Bezirkshauptmannschaft) tätig; an sein Handeln ist vielmehr jener Maßstab anzulegen, den das Gesetz für Verfahrensbeteiligte normiert. Die Anforderungen, die an seine "schriftliche Erklärung" zu stellen sind, richten sich somit nach den Vorschriften betreffend "Anbringen" in § 13 AVG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 AVG gilt eine Eingabe nur dann als eingebracht, wenn sie der Behörde wirklich behändigt wurde, also ihr tatsächlich zugekommen ist (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren5, § 13 Abs. 1 AVG, E 2a zitierte Rechtsprechung); die Tatsache des Zukommens ist beweisbedürftig. Im vorliegenden Fall bedarf der Umstand eines Beweises, daß der Behörde vor Ablauf der Berufungsfrist eine schriftliche Erklärung des Naturschutzbeauftragten zukam, mit der er die Parteistellung der Landesumweltanwaltschaft bewirkte. Dieser Umstand ist nach der Aktenlage nicht offenkundig; ein Beweis wurde nicht geführt.

Betreffend die in der Beschwerde erwähnte "handschriftliche Aktennotiz vom 16.10.1991" ist den Akten des Verwaltungsverfahrens folgendes zu entnehmen:

Im Akt der ersten Instanz befindet sich ein mit "Entwurf" gestempeltes, "Für den Bezirkshauptmann" gefertigtes, einen Beglaubigungsvermerk sowie einen Abfertigungsvermerk vom 9. Oktober 1991 tragendes Formular betreffend die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 1991. Nach dem Schriftbild handelt es sich dabei um die Urschrift jener Anordnung der Bezirkshauptmannschaft, mit der die mündliche Verhandlung anberaumt wurde. Auf der Rückseite des Formulars - unter dem Beglaubigungsvermerk - befindet sich eine handschriftliche Eintragung. Diese lautet:

"An die Naturschutzbehörde:

Bitte der Landesumweltanwaltschaft Parteistellung einräumen; eine Einladung zur Verhandlung wurde bereits persönlich in der Arenbergstraße abgegeben. Heute wurde ein Plansatz übernommen, der zur Verhandlung mitgebracht wird.

Der Naturschutzbeauftragte:

(unleserliche Unterschrift)

16.10.1991."

Einen die Tatsache bzw. den Zeitpunkt des Einlangens dieses Vermerkes bei der Behörde beurkundenden Eingangsvermerk enthält das Schriftstück nicht. Der nach dem Gesagten erforderliche, im allgemeinen in einem Eingangsvermerk der Behörde (der eine öffentliche Urkunde darstellt) bestehende Beweis des Zukommens fehlt somit; Tatsache und Zeitpunkt des Zukommens müssen im vorliegenden Fall mit anderen Mitteln bewiesen werden.

Dabei bedarf im vorliegenden Zusammenhang der Inhalt des Begriffes "Zukommen" einer näheren Erörterung. Die Aktenlage bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der oben wiedergegebene handschriftliche Vermerk nicht - seiner Datierung entsprechend - am 16. Oktober 1991 geschrieben worden wäre. Auch von der insoweit richtigen Datierung des Vermerkes ausgehend liegt aber kein Beweis dafür vor, daß der Vermerk der Behörde auch am 16. Oktober 1991 (oder an einem anderen Tag vor dem Ende der Berufungsfrist) zukam. Augenscheinlich liegt kein Fall einer "Einbringung" vor, wie sie im Verkehr zwischen Behörde und Beteiligten im allgemeinen üblich ist; denn es ist nicht ersichtlich, daß der Behörde ein als Eingabe eines Beteiligten erkennbares Schriftstück überreicht oder übersendet worden wäre, was sie unter normalen Umständen in die Lage versetzt hätte, vom Inhalt der an sie gerichteten Erklärung Kenntnis zu nehmen; jedenfalls wurde ein solcher Vorgang nicht durch Anbringung eines datierten Eingangsvermerkes beurkundet.

In einem Fall wie dem hier anzunehmenden (Anbringung eines handschriftlichen Vermerkes an anderen Zwecken dienenden Aktenstücken oder Einlegen eines solchen Schriftstückes in den Akt bei einer Akteneinsicht) kann vom Zugang einer Erklärung erst in jenem Zeitpunkt gesprochen werden, in dem dem zuständigen Behördenorgan die betreffende Mitteilung tatsächlich zur Kenntnis gelangte. Erhebungen und Feststellungen darüber, ob dies in Ansehung des mit 16. Oktober 1991 datierten Vermerkes der Fall war, gegebenenfalls wann, fehlen im angefochtenen Bescheid.

Kann jedoch nicht festgestellt werden, daß die erwähnte Erklärung vor dem Ablauf der Berufungsfrist dem zuständigen Behördenorgan zur Kenntnis gelangte (und es sich dabei um die Erklärung des Naturschutzbeauftragten handelte), so geht dies zu Lasten der Berufungswerberin (vgl. Hauer-Leukauf, aaO).

In einem solchen Fall - oder wenn feststeht, daß die Erklärung erst nach Ablauf der Berufungsfrist zur Kenntnis eines zuständigen Behördenorgans gelangte - wäre die Berufung zurückzuweisen gewesen. Im angefochtenen Bescheid fehlen somit Feststellungen, die die belangte Behörde in die Lage versetzt hätten, zu beurteilen, ob sie ermächtigt war, über die Berufung der Landesumweltanwaltschaft in der Sache zu entscheiden. Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995100078.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.12.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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