TE Bvwg Beschluss 2020/2/19 W224 2228419-1

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Veröffentlicht am 19.02.2020
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Entscheidungsdatum

19.02.2020

Norm

AVG §38
B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §24
SchPflG 1985 §5
VwGVG §17
VwGVG §22 Abs3

Spruch

W224 2228419-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX im eigenen Namen sowie von 2. XXXX als Vertreter mj. XXXX , wiederum vertreten durch RA Dr. Thomas LANGER, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 05.12.2019, Zl. 9160.006/0016-Präs6/2019, beschlossen:

A)

I. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

II. Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Amtsrevision zu W128 2225861-1/3E ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer zeigte am 30.08.2019 mit einem Formularantrag die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am häuslichen Unterricht an.

Mit Bescheid vom 17.10.2019, Zl. 003.103/0215-Präs3a1/2019, untersagte die Bildungsdirektion für Wien mit Spruchpunkt 1. des Bescheides die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am häuslichen Unterricht und ordnete mit Spruchpunkt 2. an, dass der Erziehungsberechtigte für die Erfüllung der Schulpflicht des Zweitbeschwerdeführers in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu sorgen habe. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sich aus § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) iVm § 46 Abs. 6 letzter Satz SchPflG ergeben würde, dass der Zweitbeschwerdeführer am Ende des Schuljahres 2019/2020 eine Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG nicht ablegen könne, da er gegenwärtig die 7. Schulstufe zu wiederholen habe, und daher gemäß § 46 Abs. 6 SchPflG nicht vor Ablauf von 12 Monaten zu einer Externistenprüfung über diese Schulstufe antreten dürfe. Da somit der Erfolg des häuslichen Unterrichts am Ende des Schuljahres nicht nachgewiesen werden könne, sei dieser zu untersagen. Am Ende der Begründung des Bescheides der belangten Behörde finden sich Ausführungen zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, ohne dass eine solche spruchgemäß ausgeschlossen worden wäre.

Mit Schriftsatz vom 13.11.2019 erhob der Erstbeschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde nicht innerhalb einer angemessenen Zeit entschieden und die maßgeblichen Bestimmungen nicht richtig angewandt habe. Die von der Behörde getroffene Auslegung hielte einer näheren Prüfung nach den Auslegungsregeln des § 6 ABGB nicht stand.

2. Mit Beschluss vom 09.12.2019, W128 2225861-1/3E, hob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Wien zurück.

Gegen diesen Beschluss erhob die Bildungsdirektion für Wien am 23.01.2020 Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Mit Bescheid vom 05.12.2019, Zl. 9160.006/0016-Präs6/2019, ordnete die Bildungsdirektion für Wien an, dass der Zweibeschwerdeführer seine allgemeine Schulpflicht im Schuljahr 2019/2020 an der Neuen Mittelschule NMS Schweglerstraße 2-4, 1150 Wien, spätestens ab 10.12.2019 zu erfüllen habe (Spruchpunkt I.). Die Erziehungsberechtigten des Erstbeschwerdeführers seien verpflichtet, im Schuljahr 2019/2020 für den regelmäßigen Schulbesuch der genannten Schule und für die Mitnahme der erforderlichen Unterrichts-, Lern- und Arbeitsmittel durch den Zweitbeschwerdeführer spätestens ab 10.12.2019 zu sorgen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. sprach die Bildungsdirektion für Wien aus, dass einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme.

4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde. Die Bildungsdirektion für Wien übermittelte die bei ihr eingebrachte Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien. Mit Verfügung vom 03.02.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 07.02.2020, übermittelte das Verwaltungsgericht Wien das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 6 AVG zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Zu Spruchpunkt I.

1.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 - sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist - dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

1.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal "Gefahr im Verzug" bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 13 VwGVG K 12).

Die Bildungsdirektion für Wien führt in der Begründung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde Folgendes wörtlich aus: "Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der ausreichenden Beschulung entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich." Dabei verweist die Bildungsdirektion für Wien auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Beschwerdeführer führen in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde die sehr schwierige Lebenssituation des Zweitbeschwerdeführers an. Er habe im Schuljahr 2018/2019 nicht zu einem regelmäßigen Schulbesuch und zum Erlernen des lehrplanmäßigen Stoffs "motiviert" werden können. Aus diesem Grund habe er die 7. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen. Um dem Zweitbeschwerdeführer den schulischen Misserfolg möglichst zu ersparen, wolle man nun, dass der Zweitbeschwerdeführer im Schuljahr 2019/2020 die Wiederholung der 7. Schulstufe nicht mehr an einer öffentlichen Schule, sondern durch Teilnahme am häuslichen Unterricht absolviert. "Gefahr in Verzug" sei bei Ausübung des Rechts auf Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht erkennbar und die Bildungsdirektion für Wien habe dies auch nicht aufgezeigt.

1.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053) trifft den Beschwerdeführer hinsichtlich des unverhältnismäßigen Nachteils eine Konkretisierungspflicht (vgl. auch VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter Angaben über wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte.

Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). "Unverzüglich" und "ohne weiteres Verfahren" bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

1.5. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 4.9.2012, AW 2012/10/0046; 9.8.2010, AW 2010/10/0025) besteht ein großes öffentliches Interesse an der ausreichenden Beschulung von schulpflichtigen Kindern entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz.

Davon ausgehend gelingt es den Beschwerdeführern mit ihrem Vorbringen nicht, einen unverhältnismäßigen Nachteil durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal aus den im Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen hervorgeht, dass der Zweitbeschwerdeführer im Schuljahr 2018/2019 die 7. Schulstufe an einer öffentlichen Schule nicht erfolgreich abgeschlossen hat.

Aufgrund der Umstände, nämlich des nicht erfolgreichen Abschlusses der 7. Schulstufe durch den Zweitbeschwerdeführer einerseits sowie des nicht substantiierten (und bescheinigten) Vorbringens zum möglichen erfolgreichen Abschluss der 7. Schulstufe durch Teilnahme am häuslichen Unterricht durch den Zweitbeschwerdeführer im Schuljahr 2019/2020 andererseits, kann der Bildungsdirektion für Wien nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Interesse der Beschulung des Zweitbeschwerdeführers besonders stark gewichtet hat und von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen bzw. Gefahr im Verzug ausgegangen ist.

1.6. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu A) Zu Spruchpunkt II.

2.1. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (u.a.) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles anzuwenden.

Gemäß § 38 AVG ist, sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

2.2. Nach § 38 letzter Satz AVG ist die Behörde nur dann zur Aussetzung des Verfahrens befugt, wenn das Verfahren über die Vorfrage noch nicht beendet, also insbesondere nicht rechtskräftig entschieden worden ist (vgl. dazu die zitierte Judikatur bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 42).

Eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung ist keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 25a Abs. 3 VwGG und unterliegt damit nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung (vgl. etwa VwGH 20.05.2015, Ra 2015/10/0023, mit Hinweis auf VwGH 24.03.2015, Ro 2014/05/0089).

Ein Aussetzungsbeschluss beendet die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts (vgl. VwGH 2.7.2019, Fr 2019/12/0028; VwGH 25.5.2016, Fr 2015/11/0007).

2.3. Die den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2019, W128 2225861-1/3E, betreffende Amtsrevision ist am 23.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht worden und derzeit im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren. Im Anschluss daran wird die Amtsrevision dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt und sohin bei diesem anhängig sein. Aufgrund des gegenständlich zu prüfenden Beschwerdeverfahrens ob der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Bildungsdirektion für Wien vom 05.12.2019, Zl. 9160.006/0016-Präs6/2019, ist dieses Verfahren der Beschwerdeführer bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes auszusetzen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die ergangene Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Aussetzung des Verfahren ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Amtsrevision Anzeige aufschiebende Wirkung - Entfall Aussetzung Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W224.2228419.1.00

Im RIS seit

17.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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