TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/27 I405 2216115-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2020
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Entscheidungsdatum

27.02.2020

Norm

AVG §78
BFA-VG §39
BFA-VG §39 Abs1
BFA-VG §39 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2216114-2/3E

I405 2216115-2/3E

I405 2216113-2/3E

I405 2216116-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerden von

1. XXXX, StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2020, ZI. XXXX,

2. XXXX, StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2020, Zl. XXXX,

3. XXXX, StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2020, Zl. XXXX,

4. XXXX, StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.01.2020, Zl. XXXX,

alle vertreten durch ihren Vater, XXXX, dieser vertreten durch RA Dr. Michael VELIK, LL.M, Florianigasse 1/6, 1080 Wien, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (in Folge BF1) und die Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sind Geschwister (in Folge BF2 bis BF4). Sie sind Staatsangehörige von Ägypten. Die BF wurden in Österreich geboren.

2. Die Mutter der BF, Raesa XXXX, stellte als begünstigte Drittstaatsangehörige am 12.08.2005 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, da ihr Vater österreichischer Staatsangehöriger ist. Diesem Antrag wurde mit 24.08.2005 stattgegeben und wurde ihr eine Erstniederlassungsbewilligung als begünstigte Drittstaatsangehörige erteilt. In weiterer Folge wurde ihr ein weiterer Aufenthaltstitel für den Aufenthaltszweck "unbeschränkt" erteilt. Ihr Ehemann, der Vater der BF, erhielt am 02.11.2006 im Rahmen des Familiennachzuges eine bis 21.08.2007 befristete Niederlassungsbewilligung.

3. Gegen die Eltern der BF wurde aufgrund der Vorlage falscher Einkommensbestätigungen wegen Beweismittelfälschung ermittelt. Der Vater der BF wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom XXXX zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Wochen rechtskräftig verurteilt. Daraufhin wurde über Mutter der BF von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 30.06.2008, Zl. XXXX, ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, da sie sich durch vorsätzliche Täuschung und durch wissentliche falsche Ausführungen gegenüber einer österreichischen Behörde sich den weiteren Aufenthalt in Österreich erschlichen habe. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 02.12.2010, Zl. XXXX keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass das Aufenthaltsverbot auf die Dauer von fünf Jahren befristet erlassen wurde. Die hiergegen erhobene Beschwerde wurde mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.03.2013, Zl. XXXX, als unbegründet abgewiesen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA oder belangte Behörde) vom 15.10.2015, ZI. XXXX, wurde der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 30.06.2008 von Amts wegen aufgrund einer Gesetzesänderung und dem damit einhergehenden Wegfall der Rechtsgrundlage für den ergangenen Bescheid aufgehoben. So seien die Dauer und Voraussetzungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen mit der am 01.07.2011 in Kraft getretenen Novelle, BGBl. I Nr. 38/2011, geändert worden und würde der dem damaligen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt aufgrund der Neuregelungen nicht mehr die Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes zulassen. Die Mutter der BF wurde im Bescheid jedoch darauf hingewiesen, dass sie sich ohne gültigen Aufenthaltstitel illegal im Bundesgebiet aufhalte und dass durch die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes die Gültigkeit des früher erteilten Aufenthaltstitels nicht in Kraft trete und jeder weitere Antrag ein Erst- und nicht ein Verlängerungsantrag sei.

5. Dem Vater der BF wurde mit Bescheid vom 31.01.2019, Zl. XXXX, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.). Zugleich stellte die belangte Behörde fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt II.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährte die belangte Behörde dem Vater der BF nicht und erkannte sie einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Darüber hinaus erließ die belangte Behörde ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.).

6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.02.2019, Zl. XXXX, wurde auch der Mutter der BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt I.). Es wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und wurde gegen sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

7. Mit den jeweils gleichlautenden Bescheiden der belangten Behörde vom 05.02.2019 betreffend BF1 XXXX wurde diesen kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt I.). Gegen die BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Ägypten zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

8. Die gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden der BF wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.01.2020, Zln. I411 2216113-1/4E (BF1), I411 2216114-1/4E (BF2), I411 2216115-1/4E (BF3), I411 2216116-1/4E (BF4), als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerden der Eltern der BF wurden ebenfalls mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2019, Zl. I422 2215776-1/3E (betreffend den Vater der BF) und vom 20.01.2020, Zl. I411 2216117-1/4E (betreffend die Mutter der BF) als unbegründet abgewiesen.

9. Die Reisepässe des BF3 und BF4 wurden im Juli 2018 durch die belangte Behörde zur Sicherung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens und in weitere Folge zur Sicherung der Abschiebung sichergestellt. Die Mutter der BF legte am 23.11.2018 die Reisepässe der BF1 und des BF2 vor, welche ebenfalls zur Sicherung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens und in weitere Folge zur Sicherung der Abschiebung von der belangten Behörde sichergestellt wurden.

10. Am 29.05.2019 beantragte der rechtsfreundliche Vertreter der BF die umgehende Ausfolgung der Reisepässe der BF.

11. Mit angefochtenen Bescheiden vom 14.01.2020, XXXX, wurden die Anträge der BF vom 29.05.2019 auf sofortige Ausfolgung der Reisepässe der BF gemäß § 39 BFA-VG abgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde den BF gemäß § 78 AVG die Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von E 6,50 aufgetragen und hierfür eine Zahlungsfrist von 28 Tagen eingeräumt.

12. Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde des rechtsfreundlichen Vertreters, worin unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht wird. Begründend wurde ausgeführt, dass die BF über kein anderes Personaldokument verfügen, als über den Reisepass. Zudem sei gar nicht abzusehen, wann eine Abschiebung möglich sei. Des Weiteren sehe § 39 Abs. 1 BFA-VG ausdrücklich vor, dass Dokumente, so sie als Beweismittel verwendet werden, vorläufig sichergestellt werden dürfen. Keinesfalls seien damit Einbehaltungen von weit mehr als einem Jahr umfasst. Vielmehr erscheinen Einbehaltungen von mehr als einem Jahr nicht zulässig. Daher seien die Reisepässe umgehend zurückzustellen.

13. Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden vom BFA am 03.02.2020 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 20.02.2020) vorgelegt. Darin wurde ausgeführt, dass für die Eltern der BF eine Vorführung vor die Ägyptische Botschaft zur Erlangung von Heimreisezertifikaten für den 20.02.2020 organisiert worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. geschilderte Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt sowie aus der verfahrensgegenständlichen Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A):

3.2. § 39. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Gegenstände und Dokumente, die für ein Verfahren vor dem Bundesamt oder für eine Abschiebung gemäß § 46 FPG als Beweismittel benötigt werden, vorläufig sicherzustellen.

(2) Als Beweismittel gelten auch Gegenstände oder Dokumente, die im Zuge der Vollziehung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes, insbesondere zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments für die Abschiebung, benötigt werden.

(3) Über die Sicherstellung von Beweismitteln ist dem Betroffenen eine schriftliche Bestätigung auszufolgen; die Beweismittel sind dem Bundesamt zu übergeben und von diesem, sobald sie nicht mehr für Verfahren oder für eine Abschiebung benötigt werden, dem Betroffenen zurückzustellen, es sei denn, sie wären nach einem anderen Bundesgesetz sicherzustellen.

3.2.1. Im Hinblick darauf, dass die BF nie über einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt haben, und gegen sie eine rechtskräftig durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde, durfte die Behörde davon ausgehen, dass die Reisepässe der BF als Beweismittel für eine (allfällige) Abschiebung der BF benötigt werden (vgl. VwGH 30.08.2011, 2010/21/0188).

Insoweit in der BF geltend gemacht wird, dass es unzulässig sei, die Reisepässe so lange zurückzubehalten und dies im Gesetz nicht normiert sei, ist dem entgegenzuhalten, dass die Sicherstellung so lange möglich ist, als weiterhin davon ausgegangen werden darf, dass die Vollziehung einer (allfälligen) Abschiebung trotzdem möglich sein wird. Diese Möglichkeit muss erst dann ausgeschlossen werden, wenn den BF ein Aufenthaltstitel ausgestellt wird. Dass den BF bisher nie ein Aufenthaltstitel ausgestellt wurde, ist aktenkundig und wurde nicht bestritten. Warum ihre Abschiebung trotz Vorliegens einer rechtskräftigen Rückehrentscheidung nicht möglich sein sollte, vermochte die rechtsfreundliche Vertretung der BF auch nicht darzutun.

Unzulässig wäre die Sicherstellung nur dann, wenn sie sich im Einzelfall als unverhältnismäßig erwiese. Das war in der vorliegenden Konstellation (auch schon vor dem Hintergrund des anhängigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für die Eltern der BF bei der Botschaft des Herkunftsstaates) nicht der Fall. Umstände, insbesondere konkret drohende Nachteile, die eine Unverhältnismäßigkeit der Sicherstellung der Reisepässe begründen könnten, haben die BF bzw. deren rechtsfreundlicher Vertreter aber mit dem bloßen Vorbringen, dass die BF über kein anderes Personaldokument, als den von der belangten Behörde sichergestellten Reisepass verfügen, nicht dargelegt (vgl. dazu VwGH 29.02.2012, Zl. 2010/21/0195).

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufenthaltsbeendende Maßnahme aufrechte Rückkehrentscheidung Beweismittel Einbehaltung Reisedokument Sicherstellung Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit Verwaltungsabgabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I405.2216115.2.00

Im RIS seit

17.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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