TE Lvwg Erkenntnis 2020/7/9 LVwG-2020/34/0985-6

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Veröffentlicht am 09.07.2020
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Entscheidungsdatum

09.07.2020

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AWG 2002 §79 Abs2 Z3
AWG 2002 §15 Abs3 Z2
VStG §44a Z1
VStG §45 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin MMag.a Dr.in Besler über die Beschwerde des AA, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft in Z, Adresse 1, vertreten durch BB, Rechtsanwalt in Y, Adresse 2, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.3.2020, ***, betreffend Übertretung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8.7.2020,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 10.3.2020 legte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, er habe zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten - jedenfalls aber im Zeitraum zumindest seit dem 12.3.2017 bis zumindest dem 18.9.2019 - auf seinem Gst-Nr **1 in EZ *** GB *** Z im Bereich der Hangkante Richtung Norden bzw unterhalb dieser und damit außerhalb von hiefür genehmigten Deponien diverse Abfälle - wie etwa Holzbretter, Baumschnitt, Sägemehl, Asche, Zigarettenstummel, dunkelgrünen Maschendrahtzaun und Strauchschnitt - abgelagert.

Dadurch habe er die §§ 79 Abs 2 Z 3 in Verbindung mit § 15 Abs 3 Z 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl I Nr 102/2002, in der Fassung BGBl I Nr 104/2019, verletzt, weshalb über ihn unter Zugrundlegung des § 79 Abs 2 AWG 2002 eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.100,00 (im Fall der Uneinbringlichkeit 3 Tage und 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Der von ihm zu leistende Beitrag zu den Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens wurde gemäß § 64 VStG mit EUR 210,00 bestimmt.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers an das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) mit dem Antrag, das Straferkenntnis zu beheben und das gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die Anzeige vom 27.11.2018, die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 27.10.2019, das angefochtene Straferkenntnis, die Beschwerde, Durchführung eines Ortsaugenscheins im Rahmen der Verhandlung am 8.7.2020 sowie Einvernahme des Beschwerdeführers, des Zeugen CC und des Amtssachverständigen aus dem Fachbereich Abfallwirtschaft im Rahmen der Verhandlung am 8.7.2020 (vgl VHS in OZ 5). Die belangte Behörde nahm im angefochtenen Straferkenntnis auf 12 Fotos Bezug. Diese 12 Fotos wurden gemeinsam als Beilage ./I zur Verhandlungsschrift in OZ 5 genommen. Der Beschwerdeführer legte eine weitere Anzeige des Zeugen (vgl Beilage ./A zur Verhandlungsschrift in OZ 5) und einen Auszug aus dem Tiroler Rauminformationssytem (TirisMaps) (Beilage./B zur Verhandlungsschrift in OZ 5) vor.

II.      Sachverhalt:

Im angefochtenen Straferkenntnis vom 10.3.2020 legt die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Last, er habe Holzbretter und Baumschnitt (vgl Abbildung 1 = Foto Nr 2 in Beilage ./I zu OZ 5), Sägemehl, Asche und Zigarettenstummel (vgl Abbildung 2 = Foto Nr 4 in Beilage ./I zu OZ 5), dunkelgrünen Maschendrahtzaun (vgl Abbildung 3 = Foto Nr 3 in Beilage ./I zu OZ 5) und Strauchschnitt (vgl Abbildung 4 = Foto Nr 9 in Beilage ./I zu OZ 5) entgegen den Bestimmung des AWG 2002 auf dem Gst-Nr **1 in EZ *** GB *** Z (ab-)gelagert.

Im Zuge des Ortsaugenscheins am 8.7.2020 stellte das LVwG im Beisein des Beschwerdeführers, des Zeugen CC und des Amtssachverständigen aus dem Fachbereich Abfallwirtschaft fest, dass sich die Holzbretter und der Baumschnitt (vgl Abbildung 1), das Sägemehl, die als Asche bezeichnete Erde und die Zigarettenstummel (vgl Abbildung 2) und der Strauchschnitt (vgl Abbildung 4) nicht auf dem Gst-Nr **1 in EZ *** GB *** Z, sondern auf dem Gst-Nr **2 in EZ *** GB *** Z und der dunkelgrüne Maschendrahtzaun (vgl Abbildung 3) auf dem Gst-Nr **3 in EZ *** GB *** Z befunden haben dürften. Zum Zeitpunkt des Ortsaugenscheins waren die in Rede stehenden Materialien nicht erkennbar.

III.     Beweiswürdigung:

Der Amtssachverständige aus dem Fachbereich Abfallwirtschaft stellte im Rahmen des Ortsaugenscheins am 8.7.2020 fest, dass sich die in Rede stehenden Materialien nicht auf dem Gst-Nr **1 in EZ *** GB *** Z befunden haben können, sondern sich diese auf den Gst-Nr **3 und **2*, beide EZ *** GB *** Z, befunden haben müssen. Der Beschwerdeführer hat diese Ausführungen bestätigt. Der Zeuge CC hat sich dazu nicht geäußert. Insofern konnte die entsprechende Feststellung getroffen werden.

IV.      Rechtslage:

1. § 15 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl Nr 102/2002, in der Fassung BGBl I Nr 103/2013 und 71/2019 lautet (auszugsweise):

„Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) […]

[…]

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

1.   hiefür genehmigten Anlagen oder

2.   für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

[…]“

2. § 79 AWG 2002, BGBl I Nr 102/2002, in der Fassung BGBl I Nr 70/2017 und 71/2019 lautet (auszugsweise):

„Strafhöhe

§ 79. (1) […]

Wer

(2) Wer

1.   […]

[…]

3.   nicht gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit nicht gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder die Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

[…]

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.

[…]“

3. § 44a Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, lautet:

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

[…]“

4. § 45 VStG, BGBl Nr 52/1991, in der Fassung BGBl I Nr 33/2013, lautet (auszugsweise):

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   […]

[…]

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

[…]“

V.       Erwägungen:

Aus den getroffenen Feststellungen geht hervor, dass sich die in Rede stehenden Gegenstände bzw Materialen (vgl die Abbildungen 1 bis 4) nicht auf dem Gst-Nr **1 in EZ *** GB *** Z befunden haben können, sondern sich diese auf den Gst-Nr **3 und **2, beide EZ *** GB *** Z, befunden haben müssen.

Der Tatort ist essentielles Element der in den Spruch eines Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG aufzunehmenden als erwiesen angenommenen Tat. Wurde der Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wegen Ablagerungen auf dem Gst-Nr **1 in EZ *** GB *** Z bestraft, dann bedeutete die vom LVwG vorgenommene Änderung der Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mit einem Gst-Nr **3 oder **2, beide EZ *** GB *** Z, rechtlich eine Auswechslung der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tat durch eine solche Neubezeichnung des Tatortes, mit dem dieser nicht bloß konkretisiert, sondern im Verhältnis zu dem im angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde konkretisiert gewesenen Tatort geändert würde. Zu einem solchen Austausch eines wesentlichen Tatbestandselementes der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung ist das LVwG auch dann nicht berechtigt, wenn es damit nur einen der belangten Behörde unterlaufenen Irrtum richtigstellen wollte (vgl VwGH 19.9.1996, 96/07/0002).

Der Beschwerde ist daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Tatort fallbezogen nicht ausgetauscht werden darf (vgl VwGH 19.9.1996, 96/07/0002). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher nicht vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

MMag.a Dr.in Besler

(Richterin)

Schlagworte

(Ab-)Lagerung von Abfällen außerhalb dafür genehmigter Anlage; Tatort;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.34.0985.6

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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