TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/13 VGW-031/068/10617/2018

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Entscheidungsdatum

13.02.2020

Index

96/02 Sonstige Angelegenheiten des Straßenbaus
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BStMG 2002 §10 Abs1
BStMG 2002 §11 Abs1
BStMG 2002 §20 Abs1
VStG §45 Abs1 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK !

gekürzte Ausfertigung

gemäß § 29 Abs. 5 iVm § 50 Abs. 2 VwGVG

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt …, vom 13.07.2018, Zl. …, wegen Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG), BGBl. I Nr. 109/2002 iddgF, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 6.11.2019, durch Verkündung,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG wird der Beschwerde in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

In der Straffrage wird in Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 erster Satz in Verbindung mit § 45 Abs. 1 zweiter Satz Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen und der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG unzulässig.

I.       Entscheidungsgründe:

Mit Straferkenntnis vom 13.7.2018 legte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt … (im Folgenden: belangte Behörde) Herrn A. B., geb. 1975 (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF), zur Last, er habe am 9.3.2018 um 15:19 Uhr, wie von der automatischen Vignettenkontrolle im Bereich 1220 Wien, A 22 (Abschnitt Kaisermühlen-Knoten Wien Kaisermühlen, km 000,856, Knoten Wien Kaisermühlen), erfasst worden sei, als Lenker des Kraftfahrzeuges Ford, mit dem behördlichen Kennzeichen MI-1, das auf ihn zugelassen sei, die mautpflichtige Bundesstraße A 22 benutzt, ohne die nach § 10 Bundesstraß-Mautgesetz 2002 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß, d.h. durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug, entrichtet zu haben, weil die am Fahrzeug angebrachten Mautvignette bereits abgelaufen gewesen sei und für das Kennzeichen des Fahrzeuges keine gültige digitale Vignette registriert gewesen sei, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t betragen, der zeitabhängigen Maut unterliege.

Der Beschwerdeführer bestritt diesen Vorhalt, da er zum Tatzeitpunkt bereits eine digitale Vignette für den von ihm gelenkten und beanstandeten PKW gelöst habe und lediglich die Rücktrittsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Er habe allerdings von dem EU-Recht Gebrauch gemacht, auf sein Rücktrittsrecht zu verzichten, wodurch seiner Meinung nach die Gültigkeit der digitalen Vignette sofort in Kraft getreten sein müsse.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: VGW) ist folgender Sachverhalt hervorgekommen:

A. B., geb. 1975 war zum Tatzeitpunkt Zulassungsinhaber des PKW der Marke Ford, …, mit behördlichem Kennzeichen MI-1 (Kfz-Zentralregister Auskunft vom 7.5.2018, 15:02 Uhr, …). Er hat auch den beanstandenden Pkw zum Tatzeitpunkt auf einer mautpflichtigen Bundesstraße gelenkt, ohne dass eine gültige analoge Vignette an der Windschutzscheibe angebracht war (zugestandene Tatsache).

Allerdings hatte er am 3.2.2018 im ASFINAG Webshop online eine digitale Vignette für das Jahr 2018 käuflich erworben. Von diesem Kauf ist der Beschwerdeführer nicht zurückgetreten (übereinstimmende Aussagen des BF und der ASFINAG (ON 3)).

Es kann nicht mehr festgestellt werden, ob beim Abschluss des Kaufes eine missverständliche Information aufgeschienen ist, aufgrund derer der Beschwerdeführer annehmen konnte, dass bei sofortiger Bezahlung des Vignettenpreises auf das Rücktrittsrecht des Verbrauchers verzichtet werde damit die Vignette sofort in Geltung trete.

Diesbezüglich stützt sich der Beschwerdeführer in seinem Vorbringen auf § 18 Abs. 1 Z 1 FAGG:

Ausnahmen vom Rücktrittsrecht

§ 18. (1) Der Verbraucher hat kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über

1.   Dienstleistungen, wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde,

Im gegenständlichen Fall kann jedoch von einer vollständigen Leistungserbringung der Dienstleistung durch die ASFINAG vor Ablauf der Rücktrittsfrist von 14 Tagen nicht die Rede sein, weshalb der Beschwerdeführer auf diese Ausnahme sich nicht zu stützen vermag.

Punkt 3.2.1.1 der Mautordnung der ASFINAG lautet wie folgt:

„Gültigkeitsbeginn

Wird die Digitale Vignette im Wege des Fernabsatzes, das bedeutet im Webshop oder in der ASFINAG App, bezogen, dann ist grundsätzlich der erste Tag der Gültigkeit frühestens der 18. Tag nach dem Bezug. Dazu ein Beispiel:

Am 15.1. wird im Webshop der ASFINAG eine Digitale Vignette erworben. Der erste Tag der Gültigkeit ist somit frühestens der 2.2. und es besteht erst ab diesem Tag die Berechtigung zur Benützung der Autobahnen und Schnellstraßen.

Ein anderes, späteres Datum für den ersten Gültigkeitstag (im oben angeführten Beispiel etwa der 5.4.) kann bei Bezug von Digitalen Zweimonats- und Zehntagesvignetten manuell ausgewählt werden. Zur Auswahl stehen jedoch nur Daten, für die zum Zeitpunkt des Bezugs bereits Vignettenpreise feststehen und implementiert sind (siehe Punkt 1.4).

Die Berechtigung zur Benützung der Autobahnen und Schnellstraßen besteht ab dem ausgewählten ersten Tag der Gültigkeit, frühestens jedoch ab dem 18. Tag nach dem Bezug.

[…]“

§ 45 VStG lautet auszugsweise wie folgt:

„(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

[…]

4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

[…]

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer aufgrund einer fahrlässigen Missinterpretation der Gesetzeslage und möglicherweise veranlasst durch eine missverständliche Angabe der ASFINAG im Zuge der Online-Kaufabwicklung den Verzicht auf das Rücktrittsrecht und damit einhergehend die sofortige Gültigkeit der am 3.2.2018 gekauften Vignette angenommen und dementsprechend bereits am 9.2.2018 eine mautpflichtige Bundesstraße mit dem PKW, für welchen die digitale Vignette ausgestellt worden war, benutzt.

Mit Schreiben vom 3.10.2019 erstattete die ASFINAG hinsichtlich dieses Gültigkeitsbeginns frühestens mit 18. Tag ab dem Kauf an das Verwaltungsgericht Wien folgende Stellungnahme:

„[…]

Mit der Frist wird verhindert, dass Autofahrer eine Vignette online erwerben, das Autobahnnetz nutzen und sich anschließend das Geld für die Vignette zurückholen.

[…]“

Der Beschwerdeführer hat somit gegen eine Bestimmung der Mautordnung verstoßen, welche dazu dient zu verhindern, dass das Rücktrittsrecht dazu missbraucht wird, das Autobahnnetz zu nutzen und sich anschließend das Geld für die Vignette zurückzuholen. Im gegenständlichen Fall ist dies jedoch nicht passiert. Der Beschwerdeführer hat keine Mautprellerei begangen. Es wurde durch den Beschwerdeführer somit lediglich eine reine Ordnungsvorschrift fahrlässig gebrochen.

Wird allein eine reine Ordnungsvorschrift verletzt, ohne das dahinter stehende Rechtsgut – im gegenständlichen Fall die Bezahlung der zeitabhängigen Maut - zu beeinträchtigen, dann wurde mit der reinen Ordnungsvorschrift bloß ein Rechtsgut von geringer Bedeutung verletzt. Die Intensität seiner Beeinträchtigung als auch das Verschulden des Beschwerdeführers waren ebenfalls nur gering, da dem Beschwerdeführer ein Fehler unterlief, welcher einem Rechtsirrtum gem. § 9 StGB nahekommt.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Mautpflicht; digitale Vignette; Fernabsatz; Rücktrittsrecht; Ermahnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.068.10617.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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