TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/21 I411 1426857-4

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Veröffentlicht am 21.04.2020
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Entscheidungsdatum

21.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §71 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §33 Abs4

Spruch

I411 1426857-4/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Sierra Leone alias Ghana, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH" in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien - Außenstelle Wien, vom 09.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte erstmalig am 23.04.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.04.2013, Zl. A6 426.857-2/2013/4E, hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Sierra Leone nicht zuerkannt und er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen.

2. Am 11.01.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

3. Am 25.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer zuletzt im Administrativverfahren zu seinem Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 11.01.2018 Parteiengehör gewährt und dieser niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA / belangte Behörde) einvernommen.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31.05.2019, Zl. XXXX wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.01.2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat "Sierra Leone, Ghana" (Spruchpunkt II.) abgewiesen und wurde dem Beschwerdeführer auch kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach "Sierra Leone, Ghana" zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11.04.2018 verloren hat (Spruchpunkt IX.).

5. Der abweisende Asylbescheid der belangten Behörde vom 31.05.2018, Zl. XXXX, wurde dem zu diesem Zeitpunkt unvertretenen, aufrecht im Bundesgebiet gemeldeten Beschwerdeführer - nach einem Zustellversuch an seiner Meldeadresse am 04.06.2019 - durch Hinterlegung eines RSa-Briefes in der Postfiliale XXXX, zugestellt. Eine Verständigung der Hinterlegung wurde an der Abgabestelle zurückgelassen. Zugleich wurden dem Beschwerdeführer zwei Verfahrensanordnungen - jeweils vom 31.05.2018 - zugestellt, mit welchen ihm die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und die "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH" (ARGE Rechtsberatung) als Rechtsberatung zur Seite gestellt und ihm darüber hinaus die Verpflichtung auferlegt wurde, bis zum 14.06.2019 ein Rückkehrberatungsgespräch bei der "Caritas Rückkehrhilfe" in Anspruch zu nehmen. Als Beginn der Abholfrist wurde der 05.06.2019 auf dem Zustellschein vermerkt.

6. Der abweisende Asylbescheid der belangten Behörde vom 31.05.2018, Zl. XXXX, wurde nicht innerhalb der Abholfrist behoben und wurde der belangten Behörde seitens der Postfiliale am 24.06.2019 (eingelangt am 27.06.2019) mit dem Vermerk "Retour, nicht behoben" rückübermittelt.

7. Der abweisende Asylbescheid der belangten Behörde vom 31.05.2018, Zl. XXXX, erwuchs mangels fristgerechter Beschwerdeerhebung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist mit 04.07.2019 in Rechtskraft.

8. Am 11.07.2019 bevollmächtigte der Beschwerdeführer die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" (ARGE Rechtsberatung) mit seiner rechtlichen Vertretung. Diese beantragte in weiterer Folge Akteneinsicht bei der belangten Behörde.

9. Am 17.07.2019 übermittelte die belangte Behörde dem nunmehrigen Vertreter des Beschwerdeführers, der "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" (ARGE Rechtsberatung), per Mail ein Duplikat des abweisenden Asylbescheides vom 31.05.2018, Zl. XXXX, samt Zustellnachweis.

10. Mit Schriftsatz vom 31.07.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen "Antrag auf ordnungsgemäße Zustellung", in eventu: einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sowie den Antrag, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zugleich wurde Beschwerde gegen den abweisenden Asylbescheid vom 31.05.2018, Zl. XXXX, erhoben.

11. Hinsichtlich des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Beschwerdeführer die nötige Sorgfalt eingehalten und alle zwei Tage sein Brieffach kontrolliert, jedoch nie eine Verständigung über die Hinterlegung des betreffenden Asylbescheides vorgefunden habe. Somit habe er auch keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt. Dem Beschwerdeführer könne kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden angelastet werden, da sowohl er als auch sein Mitbewohner regelmäßig und sorgfältig die Post kontrollieren würden. Er sei somit durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert gewesen, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, sodass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben sei. Auch sei dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da dem Beschwerdeführer durch die rechtskräftig negative Asylentscheidung und eine dadurch durchsetzbar gewordene Rückkehrentscheidung ein unverhältnismäßiger Nachteil drohe.

12. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.08.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Zudem wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.).

13. Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 09.08.2019, Zl. XXXX, richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 10.09.2019 (bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Der abweisende Asylbescheid der belangten Behörde vom 31.05.2018, Zl. XXXX, wurde dem zu diesem Zeitpunkt unvertretenen, aufrecht im Bundesgebiet gemeldeten Beschwerdeführer am 05.06.2019 ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt. Die Hinterlegungsanzeige wurde am 04.06.2019 in die Abgabevorrichtung eingelegt. Der Asylbescheid wurde ab 05.06.2019 in der Postfiliale XXXX, zur Abholung bereitgehalten.

Der Beschwerdeführer erlangte durch seine Rechtsberatung am 17.07.2019 konkrete Kenntnis vom Inhalt des abweisenden Asylbescheides der belangten Behörde vom 31.05.2018, Zl. XXXX.

Der Beschwerdeführer legte im Wiedereinsetzungsantrag sowie im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz nicht dar, was er üblicherweise unternehme, um die mangelnde Kenntnisnahme von Schriftstücken oder Hinterlegungsanzeigen zu vermeiden. Der Beschwerdeführer erstattete weder im Wiedereinsetzungsantrag noch im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz ein über bloße Behauptungen hinausgehendes Vorbringen. Der Beschwerdeführer erstattete kein Vorbringen, das eine Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus weder glaubhaft gemacht, dass er das zumutbare Maß an Aufmerksamkeit und Mühe aufgewendet hat, um ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorherzusehen und abzuwenden, noch, dass ihn an dessen Eintritt ein nur minderer Grad des Versehens trifft.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich unbestritten aus dem Inhalt der Verfahrensakten.

Die Feststellungen zur ordnungsgemäßen Zustellung des abweisenden Asylbescheides der belangten Behörde vom 31.05.2018, Zl. XXXX, durch Hinterlegung und zu dem Umstand, dass die Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung eingelegt, der Asylbescheid jedoch nicht behoben wurde, ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Zustellschein sowie Rückschein, an deren Richtigkeit keine Zweifel hervorgekommen sind. Der Beschwerdeführer hat kein substantiiertes Vorbringen erstattet, das dieser Feststellung entgegenstehen würde. Es steht für das Bundesverwaltungsgericht daher zweifelsfrei fest, dass im Zuge des Zustellvorganges am 04.06.2019 eine Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung des Beschwerdeführers eingelegt wurde und der Asylbescheid danach zur Abholung in der zuständigen Postfiliale XXXX, bereitlag. Der Asylbescheid ist dem zum Zeitpunkt der Zustellung unvertretenen, aufrecht im Bundesgebiet gemeldeten Beschwerdeführer somit mit Beginn der Abholfrist, laut dem unzweifelhaften Rückschein also dem 05.06.2019, durch Hinterlegung ordnungsgemäß zugestellt worden.

Dass die Rechtsberatung des Beschwerdeführers am 17.07.2019 konkrete Kenntnis vom Inhalt des abweisenden Asylbescheides erlangte, ergibt sich daraus, dass ihr an diesem Tag seitens der belangten Behörde per Mail ein Duplikat von diesem übermittelt wurde. Dies wird auch im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie im verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschriftsatz so vorgebracht.

Zur Wiedereinsetzung bringt der Beschwerdeführer vor, er habe zu keiner Zeit eine Hinterlegungsanzeige in seinem Postkasten vorgefunden, daher treffe ihn auch an einer allfälligen Versäumung der Beschwerdefrist kein Verschulden. Er kontrolliere jeden zweiten Tag den Inhalt seiner Abgabeeinrichtung, und auch sein Mitbewohner würde regelmäßig das gemeinsame Postfach kontrollieren. Ein darüberhinausgehendes Vorbringen erstattete der Beschwerdeführer weder im Wiedereinsetzungsantrag noch im Beschwerdeschriftsatz. Daher war zum einen festzustellen, dass er kein Vorbringen erstattete, was er üblicherweise unternehme, um die mangelnde Kenntnisnahme von Schriftstücken oder Hinterlegungsanzeigen zu vermeiden. Zum anderen war festzustellen, dass er auch kein Vorbringen erstattete, das die Entfernung der bereits deponierten Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lässt.

Zur mangelnden Glaubhaftmachung der gebotenen Sorgfalt und des Vorliegens eines nur minderen Grades des Versehens wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idF BGBl. I Nr. 57/2018 lautet:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1.-nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2.-nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1.-nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2.-nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Macht eine Partei gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG glaubhaft, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage der Beschwerde über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden, § 15 Abs. 3 leg. cit. ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

§ 33 Abs. 4 VwGVG kann verfassungskonform nur die Bedeutung zugemessen werden, dass über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, von dieser, und über jene, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden, von jenem mit Beschluss zu entscheiden ist (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013 oder auch zuletzt VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0441).

Das BFA war somit zuständig, über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden, weil dieser dort unter einem mit der Beschwerde gegen den abweisenden Asylbescheid vom 31.05.2018, Zl. XXXX, gestellt wurde.

Im Wiedereinsetzungsantrag sind neben den Angaben zur Rechtzeitigkeit die Gründe anzuführen, auf die er sich stützt, und ist ihr Vorliegen glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 19.06.1990, 90/04/0101). Es ist bereits im Antrag konkret jenes unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG zu beschreiben, das den Wiedereinsetzungswerber an der Einhaltung der Frist oder an der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gehindert hat (vgl. VwGH 27.01.2005, 2004/11/0212; vgl auch VwGH 30.09.1990, 91/19/0045 zu § 46 VwGG). Die Behörde ist auf Grund der Antragsbedürftigkeit des Verfahrens ausschließlich an die vom Wiedereinsetzungswerber (rechtzeitig) vorgebrachten tatsächlichen Gründe gebunden. Es ist ihr verwehrt, von sich aus weitere Gesichtspunkte in die Prüfung mit einzubeziehen (vgl. VwGH 14.12.1995, 95/19/0622; 27.02.1996, 95/04/0218; 25.02.2003, 2002/10/0223). Eine amtswegige Prüfung, ob sonstige vom Antragsteller nicht geltend gemachte Umstände die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könnten, hat also nicht zu erfolgen (vgl. VwGH 30.09.1991, 90/19/0497; VwSlg 15.573 A/2001; Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 115 [Stand 01.04.2009, rdb.at])

Reine Behauptungen betreffend das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes reichen demgemäß nicht aus. Die Partei, welche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, hat alle Umstände, die den Wiedereinsetzungsantrag begründen, glaubhaft darzulegen und bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (vgl. VwGH 21.03.1997, 97/02/0093; 25.02.2003, 2002/10/2002). Ziel der Glaubhaftmachung ist, bei der Behörde die Überzeugung der Wahrscheinlichkeit der vorgebrachten Tatsache hervorzurufen, dh. die Behörde muss zur Ansicht gelangt sein, die Tatsachenbehauptung sei wahrscheinlich für wahr zu halten (VfSlg 17.159/2004; Bernárd, ZfV 1981, 131). Der Antragsteller hat - allenfalls durch die Beibringung tauglicher Bescheinigungsmittel - auch glaubhaft zu machen, dass zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht (vgl Stoll, BAO III 2975). (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 116 [Stand 01.04.2009, rdb.at]).

Behauptet ein Wiedereinsetzungswerber, von einem ihn betreffenden Schriftstück oder einer Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt zu haben, hat er detaillierte sachverhaltsbezogene Vorbringen darüber zu erstatten, was er üblicherweise unternimmt, um dies zu vermeiden (vgl. VwGH 21.12.1999, 97/19/0217; 04.02.2000, 97/19/1484; 02.10.2000, 98/19/0198). Das alleinige Vorbringen, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, reicht demzufolge nicht aus (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011). Es sind vielmehr jene Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Wiedereinsetzungswerbers darzulegen, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte dafür erkennen lassen, dass dieser von einem in seine Gewahrsame gelangten Poststück aus bestimmten, keine auffallende Sorglosigkeit begründenden Umständen keine Kenntnis erlangen konnte (vgl. VwGH 20.01.1998, 97/08/0545). Insbesondere können hier Angaben darüber, wie viele Personen Zugang zur Hausbrieffachanlage hatten, wer die Entleerung derselben besorgte bzw. wie oft eine solche Entleerung erfolgte, notwendig sein (vgl. VwGH 21.12.1999, 97/19/0217; 04.02.2000, 97/19/1484; 02.10.2000, 98/19/0198).

Die "Unerklärlichkeit" des Verschwindens eines durch Einwurf in einen verschlossenen Hausbriefkasten in seine Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstücks geht zu Lasten des Wiedereinsetzungswerbers, dh. die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis vom Zustellvorgang reicht für eine Wiedereinsetzung nicht aus (vgl. VwGH 20.01.1998, 97/08/0545; 21.09.1999, 97/18/0418). Der von der Behörde anzulegende Sorgfaltsmaßstab darf allerdings auch nicht überspannt werden. Den konkreten Vorgang, wie es etwa zur Entfernung einer Hinterlegungsanzeige gekommen ist, wird eine Partei nämlich nur in den seltensten Fällen bescheinigen können. Sie wird sich, abgesehen von der Behauptung des Fehlens der Hinterlegungsanzeige in der Post, auf die Darlegung von Umständen beschränken müssen, welche die Entfernung der Hinterlegungsanzeige als nicht unwahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. VwGH 19.04.1994, 94/11/0053).

Der Beschwerdeführer begründete seinen Wiedereinsetzungsantrag im vorliegenden Fall lediglich damit, dass er von der Zustellung des genannten Asylbescheides ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt habe, sodass ihn auch an einer allfälligen Versäumung der Beschwerdefrist kein Verschulden treffe. Er habe keine Hinterlegungsanzeige in seiner Abgabeeinrichtung vorgefunden, obwohl er jeden zweiten Tag den Inhalt seiner Abgabeeinrichtung kontrolliere. Darüber hinaus würde auch sein Mitbewohner regelmäßig das gemeinsame Postfach kontrollieren. Das Vorbringen zu etwaigen Gründen für die Wiedereinsetzung erschöpft sich damit in - nicht hinreichend substantiierten - Behauptungen (vgl. VwGH 21.03.1997, 97/02/0093; 25.02.2003, 2002/10/2002). Der Beschwerdeführer hat damit keine Umstände, die einen Wiedereinsetzungsantrag begründen könnten, glaubhaft dargetan und hat auch nicht glaubhaft gemacht, inwiefern die Hinterlegungsanzeige "verschwinden" hätte können. Die "Unerklärlichkeit" des behaupteten Verschwindens der Hinterlegungsanzeige geht daher zu Lasten des Beschwerdeführers (vgl. VwGH 20.01.1998, 97/08/0545; 21.09.1999, 97/18/0418). Das alleinige Vorbringen, keine Hinterlegungsanzeige vorgefunden zu haben, entspricht nicht dem Konkretisierungsgebot des VwGH und reicht für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus (vgl. VwGH 21.11.2001, 2001/08/0011).

Sofern der Beschwerdeführer in seinem Wiedereinsetzungsantrag sowie im Beschwerdeschriftsatz vorbringt, auch sonstige behördliche Schriftstücke wie Ladungen erhalten und ordnungsgemäß behoben zu haben, so steht die dadurch suggerierte Sorgfalt im krassen Gegensatz dazu, dass er sich - obwohl ihm aufgrund des Parteiengehöres vom 25.03.2019 bei lebensnaher Betrachtung wohl bewusst gewesen sein musste, dass ihm in absehbarer Zeit ein Asylbescheid zugestellt werde - erst vier Monate später über seinen Rechtsberater an das BFA wandte. Insofern ist auch der Schluss, dass die Fristversäumnis im Verschulden des Beschwerdeführers liege und dieses auch den minderen Grad des Versehens überstiegen habe, da aufgrund seiner Kenntnis von der möglichen Erlassung eines Asylbescheides kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorgelegen sei, nicht unvertretbar.

Die Einhaltung des erforderlichen Sorgfaltsmaßstabes (vgl. zum Folgenden Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 Rz 120 [Stand 01.04.2009, rdb.at]) ist vom Wiedereinsetzungswerber in seinem Antrag glaubhaft zu machen, dh. die Behörde ist von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der bescheinigten Tatsache zu überzeugen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 [Stand 01.04.2009, rdb.at]). Es wäre daher dem Beschwerdeführer oblegen, einen solchen Hinderungsgrund an der Wahrnehmung der Frist geltend zu machen, der nicht durch leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden herbeigeführt wurde (vgl. VwGH 20.01.1998, 97/08/0545). Der Beschwerdeführer erstattete aber auch hierzu weder im Wiedereinsetzungsantrag noch im Beschwerdeschriftsatz ein konkretes, sachbezogenes Vorbringen.

Die belangte Behörde ging daher im Ergebnis zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im gegenständlichen Beschwerdefall nicht vorliegen, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 28 Abs. Abs. 1 und Abs. 2 iVm 33 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zur Nicht-Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit eines Spruchpunktes "Gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG wird Ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt" dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnommen werden kann.

Durch die rechtskräftige Beendigung des Verfahrens über den Wiedereinsetzungsantrag entfällt jedoch ohnedies die bis dahin bestehende Möglichkeit, diesem Antrag gemäß § 71 Abs. 6 AVG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. VwGH 06.11.2013, AW 2013/10/0040 mwH). Da dieser Umstand auf § 33 Abs. 4 VwGVG übertragbar ist (vgl. VwGH 20.04.2017, Ra 2017/19/0113), bleibt nach Bestätigung der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung kein Raum für eine Änderung des Ausspruchs der belangten Behörde über die aufschiebende Wirkung, sei es meritorisch oder kassatorisch.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher ebenso als unbegründet abzuweisen.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amtswegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 erster Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist unbestritten. In der vorliegenden Beschwerde bzw. im Antrag auf Wiedereinsetzung wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Somit steht auch Art. 6 EMRK dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren aufschiebende Wirkung - Entfall Glaubhaftmachung minderer Grad eines Versehens Sorgfaltspflicht unabwendbares Ereignis unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Verschulden Wiedereinsetzungsantrag zumutbare Sorgfalt Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I411.1426857.4.00

Im RIS seit

13.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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