TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/22 Ra 2020/02/0085

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Index

L70300 Buchmacher Totalisateur Wetten
L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

Totalisateur Buchmacherwetten Gebühren 1919 §1 Abs1
VStG §9 Abs2
VStG §9 Abs3
VStG §9 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
WettenG Wr 2016 §24 Abs5
WettenG Wr 2016 §27 Abs1
WettenG Wr 2016 §4 Abs1
WettenG Wr 2016 §4 Abs2 litb

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/02/0086 E 22.07.2020
Ra 2020/02/0087 E 22.07.2020
Ra 2020/02/0088 E 22.07.2020
Ra 2020/02/0089 E 22.07.2020
Ra 2020/02/0090 E 22.07.2020
Ra 2020/02/0091 E 22.07.2020
Ra 2020/02/0197 E 02.12.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14. Februar 2020, 1. VGW-002/053/2855/2019-3 und 2. VGW-002/V/053/2856/2019, betreffend Übertretungen des Wiener Wettengesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. P und 2. A GmbH, beide in G und beide vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis des revisionswerbenden Magistrats vom 10. Dezember 2018 wurden der Erstmitbeteiligten als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortliche Beauftragte der Zweitmitbeteiligten zwei Übertretungen des Wiener Wettengesetzes zur Last gelegt, wodurch sie jeweils § 19 Abs. 2 1. Satz Wiener Wettengesetz verletzt habe, weshalb über die Erstmitbeteiligte gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wiener Wettengesetz zwei Geldstrafen von jeweils € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 3 Tage und 20 Stunden) verhängt wurden. Die Zweitmitbeteiligte wurde zur Haftung für die Geldstrafen und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG herangezogen.

2        Der gegen dieses Straferkenntnis von den Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

3        Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst den Inhalt der wettrechtlichen Bewilligung der Zweitmitbeteiligten fest, nach der das Amt der Wiener Landesregierung der Zweitmitbeteiligten mit Bescheid vom 2. November 2010 gemäß § 1 Abs. 1, 3 und 4 des Gesetzes vom 28. Juli 1919, StGBl. Nr. 388, die Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluss und zur gewerbsmäßigen Vermittlung von Wetten aus Anlass von sportlichen Veranstaltungen in der Betriebsstätte in W. auf unbestimmte Dauer erteilt habe. Die Ausübung der Wetttätigkeit erfolge durch den bestellten Geschäftsführer J.

4        Zudem stellte das Verwaltungsgericht den Inhalt der Urkunde vom 2. April 2012 fest, nach der die Erstmitbeteiligte gemäß § 9 Abs. 2 VStG durch die gemeinsam vertretungsbefugten handelsrechtlichen Geschäftsführer der Zweitmitbeteiligten J. und M. zur verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei

„hinsichtlich der Einhaltung aller glücksspielrechtlichen und der für Wetten maßgeblichen landesgesetzlichen Vorschriften, der damit im Zusammenhang stehenden Jugendschutzbestimmungen der Länder und der Bestimmungen zum Tabakgesetz.....Gleichzeitig erteilen Herr J. und Herr M. [der Erstmitbeteiligten] für ihren Verantwortungsbereich eine umfassende Anordnungsbefugnis.“

5        Nach auszugsweiser Wiedergabe von § 9 VStG und § 4 Abs. 1 und 2 Wiener Wettengesetz führte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf allgemeine Rechtsgrundsätze zusammengefasst aus, die Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG sei unwirksam, weil diese nicht nur von dem die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 lit. a bis c Wiener Wettengesetz erfüllenden Geschäftsführer J., sondern auch von dem diese Voraussetzungen nicht erfüllenden Geschäftsführer M. erfolgt sei. Durch die Einbindung des Letzteren in die Willensbildung bei der Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten sei die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Vorschriften des Wiener Wettengesetzes nicht wirksam übertragen worden. Im Übrigen wäre die Bestellung eines/einer verantwortlichen Beauftragten eine Umgehungshandlung, um eine Verantwortlichkeit zu schaffen, die den strengen Anforderungen des Wiener Wettengesetzes nicht gerecht würde. Die Zulässigkeit einer solchen Vorgangsweise könne dem Wiener Wettengesetz nicht entnommen werden. Eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung der Erstmitbeteiligten sei daher nicht gegeben, weshalb ihr die Übertretungen auch nicht angelastet werden könnten.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

7        Die Mitbeteiligten haben von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abgesehen.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Als zulässig erachtet der revisionswerbende Magistrat die Revision, weil das Verwaltungsgericht entgegen dem Gesetzeswortlaut und entgegen der Rechtsprechung davon ausgegangen sei, dass die Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG unwirksam gewesen sei. Das Wiener Wettengesetz sehe die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten vor. Die Bestellung nach dem GTBW-G [Gesetz betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens, StGBl. Nr. 388/1919] gelte gemäß den Übergangsbestimmungen des Wiener Wettengesetzes auch für dieses.

10       Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

11       Das Verwaltungsgericht stützte die von ihm angenommene Unwirksamkeit der Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG auf den Umstand, dass diese nicht nur von dem die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 lit. a bis c Wiener Wettengesetz erfüllenden Geschäftsführer J., sondern auch von dem diese Voraussetzungen nicht erfüllenden Geschäftsführer M. erfolgt sei. Durch die Einbindung des Letzteren in die Willensbildung bei der Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten sei die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Vorschriften des Wiener Wettengesetzes nicht wirksam übertragen worden. Es gelte der Rechtsgrundsatz, dass niemand mehr Rechte übertragen könne, als er selbst habe.

12       § 9 Abs. 1 und 2 VStG lauten:

„(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.“

13       Gemäß § 9 Abs. 4 VStG muss der verantwortlichen beauftragten Person für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen sein.

14       Weder das Wiener Wettengesetz noch das VStG kennt eine dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rechtsgrundsatz vergleichbare Bestimmung, wonach die zur Vertretung nach außen Berufenen bei der Bestellung einer verantwortlichen beauftragten Person eine über ihre Vertretungsbefugnis hinausgehende Befähigung aufweisen müssten, andernfalls die Bestellung aus diesem Grunde unwirksam wäre. Zudem verkennt das Verwaltungsgericht, dass durch eine Bestellung nach § 9 Abs. 2 VStG keine Rechte übertragen werden, sondern eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung übernommen wird.

15       Die Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG war daher nicht deshalb unwirksam, weil bei der Bestellung lediglich einer der beiden gemeinsam zur Vertretung nach außen Berufenen der Zweitmitbeteiligten die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Wettunternehmer gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. b Wiener Wettengesetz erfüllte. Das Zusammenwirken der beiden handelsrechtlichen Geschäftsführer war im Gegenteil für die Wirksamkeit einer solchen Bestellung im konkreten Fall erforderlich, weil sie nur gemeinsam zur Vertretung nach außen berufen waren.

16       Weiter vertrat das Verwaltungsgericht die Ansicht, die Bestellung der verantwortlichen Beauftragten sei eine Umgehungshandlung, um eine Verantwortlichkeit zu schaffen, die den strengen Anforderungen des Wiener Wettengesetzes nicht gerecht würde. Die Zulässigkeit einer solchen Vorgangsweise könne dem Wiener Wettengesetz nicht entnommen werden.

17       Damit brachte das Verwaltungsgericht zum Ausdruck, dass eine solche Bestellung nur dann in Frage käme, wenn der/die Bestellte ebenfalls die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Wettunternehmer gemäß § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. b Wiener Wettengesetz erfüllte.

18       Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 27 Abs. 1 des am 14. Mai 2016 in Kraft getretenen Wiener Wettengesetzes (gleichzeitig ist das GTBW-G außer Kraft getreten) aufgrund von Berechtigungen, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes gemäß den Bestimmungen des GTBW-G erteilt wurden, die Tätigkeit als Wettunternehmerin oder Wettunternehmer längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 ausgeübt werden darf (Übergangszeit). Diese Berechtigungen gelten bis zu diesem Zeitpunkt als Bewilligungen im Sinn dieses Gesetzes. Allfällige kürzere Befristungen bleiben erhalten.

19       Die der Zweitmitbeteiligten erteilte Bewilligung nach dem GTBW-G vom 2. November 2010 galt somit zur Tatzeit (im Jahr 2018) als Bewilligung nach dem Wiener Wettengesetz.

20       Die Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten erfolgte am 2. April 2012, somit noch während der Geltung des GTBW-G. Gilt aber die Bewilligung nach dem GTBW-G als solche nach dem Wiener Wettengesetz weiter, bedarf es auch keiner neuerlichen Bestellung gemäß § 9 Abs. 2 VStG. Die während der Geltung des GTBW-G erfolgte Bestellung blieb auch nach dem Inkrafttreten des Wiener Wettengesetzes wirksam.

21       Zu der vom Verwaltungsgericht angenommenen Unzulässigkeit der Bestellung der Erstmitbeteiligten, weil das Wiener Wettengesetz eine solche nicht vorsehe, ist festzuhalten, dass - worauf die revisionswerbende Partei zutreffend hinweist - die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG in § 24 Abs. 5 Wiener Wettengesetz ausdrücklich vorgesehen ist und dort keine weiteren Voraussetzungen formeller oder materieller Natur für die Bestellung festgelegt sind.

22       Nach dem Gesagten erweist sich im Lichte der bisher vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen die Bestellung der Erstmitbeteiligten zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG nicht als unwirksam, weshalb eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Unwirksamkeit ihrer Bestellung rechtswidrig war.

23       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 22. Juli 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020085.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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