TE Bvwg Beschluss 2019/11/18 W249 2214997-1

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Veröffentlicht am 18.11.2019
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Entscheidungsdatum

18.11.2019

Norm

B-VG Art12 Abs1
B-VG Art133 Abs9
B-VG Art135 Abs4
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art15 Abs6
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art89 Abs2
E-ControlG §24 Abs1
E-ControlG §24 Abs2
ElWOG §51
ElWOG §7 Abs1
VwGG §25a Abs3
WelWG 2005 §2 Abs1 Z83
WelWG 2005 §2 Abs1 Z84
WelWG 2005 §78c Abs2

Spruch

W249 2214997-1/18E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Einzelrichterin im Verfahren über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Vorstands der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft vom XXXX , GZ. XXXX :

A)

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt,

§ 78c Abs. 2 des Gesetzes über die Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft (Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 - WElWG 2005), LGBl. Nr. 46/2005 idF LGBl. Nr. 19/2019,

zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Zu A)

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Mit Schreiben vom XXXX gab der Vorstand der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control; in der Folge "belangte Behörde") der XXXX (in der Folge "Beschwerdeführerin") bekannt, gegen diese von Amts wegen ein Missbrauchsverfahren gemäß § 24 E-ControlG aufgrund der Zählpunkte-Zusammenlegung im Zeitraum XXXX bis einschließlich XXXX zugunsten der XXXX (Betreiberin des XXXX ; in der Folge "Beteiligte") einzuleiten. Die Beschwerdeführerin wurde in der Folge aufgefordert, den rechtmäßigen Zustand (Nachforderung der Differenzbeträge gegenüber der Beteiligten) herzustellen und von der belangten Behörde auf die andernfalls möglichen nachteiligen Rechtsfolgen hingewiesen.

2. Da gemäß § 24 Abs. 2 E-ControlG kein Einvernehmen mit der Beschwerdeführerin erwirkt werden konnte, erließ die belangte Behörde am XXXX den angefochtenen Bescheid, in dem sie aussprach:

"1. Der XXXX wird aufgetragen, für die Zählpunkte der XXXX für den Zeitraum XXXX bis einschließlich XXXX Netznutzungsentgelte pro Zählpunkt zu berechnen, wobei eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte zu einem virtuellen Zählpunkt oder die Summierung der Verrechnungsleistung der einzelnen Zählpunkte zu einer Gesamtverrechnungsleistung unzulässig ist. Davon ausgenommen sind die Messungen von Übergabestellen, an denen parallel geführte Betriebsmittel der XXXX mit gleichem Anfangs- und Endpunkt (zB parallel geführte Kabel von einem Umspannwerk der XXXX zu einem Unterwerk/Gleichrichterstation der XXXX ) messtechnisch einzeln, je Betriebsmittel erfasst werden. Die Messwerte dieser Übergabestellen können jeweils zusammengefasst werden, sodass für parallel geführte Betriebsmittel (zB Doppelkabel) nur ein Messwert ermittelt wird und dieser der Verrechnung zu Grunde zu legen ist.

2. Die so berechneten Messwerte pro Zählpunkt sind mit den jeweils anzuwendenden Tarifen für die konkrete Netzebene und das jeweilige Jahr einer Verrechnung zu Grunde zu legen, und es sind für den in Punkt 1. genannten Zeitraum die entsprechenden Rechnungen pro Zählpunkt an die XXXX zu legen.

3. Die daraus resultierenden Mehrbeträge im Vergleich zur bisher vorgenommenen Abrechnung dieser Zählpunkte sind von der XXXX nachzufordern.

4. Die in den Punkten 1 bis 3 genannten Maßnahmen sind innerhalb von vier Wochen ab Zustellung umzusetzen."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt aus:

In der Grundsatzbestimmung § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 sei ein Zählpunkt als die Einspeise- bzw. Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert werde, definiert worden; der Bundesgesetzgeber habe eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte für unzulässig erklärt. Erst mit der Änderung der Begriffsbestimmung durch die "Kleine Ökostromnovelle", BGBI. I Nr. 108/2017, sei eine Ausnahme für Anlagen, die der Straßenbahnverordnung 1999 (StrabVO) unterliegen würden (wozu das elektrische System der XXXX zähle), geschaffen worden.

Die durch die "Kleine Ökostromnovelle", BGBI. I Nr. 108/2017, geänderte Definition des Zählpunktes sei vom Landesgesetzgeber wörtlich mit der Novelle LGBI. Nr. 11/2018 ins Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 (WElWG 2005) übernommen worden und gemäß den Inkrafttretensbestimmungen (Art. II) mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft getreten, d.h. am 17.02.2018. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die alte Rechtslage ohne die Spezialregelung für Anlagen nach der Straßenbahnverordnung 1999 gegolten.

Die im Initiativantrag zur Novelle LGBI. 11/2018 verwendete Formulierung ("Für diese Fälle wird nunmehr klargestellt...") deute zwar auf Überlegungen hinsichtlich einer Rückwirkung oder einer authentischen Interpretation hin, diese Überlegungen würden jedoch im vom Wiener Landtag beschlossenen Gesetzestext keinen Niederschlag finden. Die Materialien zu einem Gesetz könnten zwar zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen herangezogen werden, allerdings nur insoweit, als unbestimmte Gesetzesausdrücke auszulegen oder Lücken im Gesetz zu schließen seien. Bei einem vollkommen klaren Gesetzestext - wie dem vorliegenden - bestehe für eine Interpretation kein Raum; es bestehe weiters keine Lücke im Gesetz. Auch Rückwirkungen eines Gesetzes dürften nicht in einem weiteren Umfang angenommen werden, als es aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem Sinne des Gesetzes hervorgehe.

Im Ergebnis verstoße die Beschwerdeführerin zweifach gegen die gesetzlichen Bestimmungen des EIWOG 2010: Es liege einerseits ein direkter Verstoß gegen § 52 EIWOG 2010 vor, wonach das Netznutzungsentgelt von Entnehmern pro Zählpunkt zu entrichten sei; die Saldierung einer größeren Anzahl von Zählpunkten auf zwei virtuelle Zählpunkte ( XXXX auf der einen und XXXX auf der anderen Seite) widerspreche diesem Grundsatz. Andererseits verstoße die Beschwerdeführerin auch gegen das Gleichbehandlungsgebot, das sich aus § 9 EIWOG 2010 (Verbot der Diskriminierung) und § 51 Abs. 1 EIWOG 2010 (Gleichbehandlung aller Systembenutzer) sowie aus der ausdrücklichen Anordnung des § 38 Abs. 1 Z 6 WElWG 2005, wonach sich Verteilernetzbetreiber jeglicher Diskriminierung von Netzbenutzern oder Kategorien von Netzbenutzern, insbesondere zugunsten der mit ihnen verbundenen Unternehmen, zu enthalten hätten, ergebe; die Beteiligte, mit der die Beschwerdeführerin konzernmäßig verflochten sei, habe als einzige Netzzugangsberechtigte die Vorteile der Zählpunktesaldierung im Zeitraum XXXX bis einschließlich XXXX genossen, während alle anderen betroffenen Großkunden bereits bis XXXX umgestellt worden seien.

Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 und Z 2 E-ControlG seien diese Umstände explizit durch die belangte Behörde im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht aufzugreifen gewesen.

3. Mit Beschwerde vom XXXX wurde der gegenständliche Bescheid von der Beschwerdeführerin angefochten. Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge "a) eine mündliche Verhandlung durchführen, sowie b) den angefochtenen Bescheid des Vorstands der E-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft vom XXXX ersatzlos beheben, in eventu c) den angefochtenen Bescheid des Vorstands der E-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft vom XXXX dahingehend abändern, dass in der Zeile 2 des Spruchpunktes 1 die Passage ? XXXX bis einschließlich XXXX ' durch die Passage ? XXXX bis einschließlich XXXX ' ersetzt wird."

Die Beschwerdeführerin brachte zu den rechtlichen Grundlagen im Wesentlichen wie folgt vor:

Die Gesetzesänderung der "Kleinen Ökostromnovelle", BGBI. I Nr. 108/2017, hinsichtlich des § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 sei nur klarstellend gewesen. Die in einem Netzbereich liegenden Zählpunkte eines Netzbenutzers seien zusammenzufassen, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der StrabVO unterliegen würden, dienten. Dies sei vom Wiener Landesgesetzgeber mittels Änderung zum WElWG 2005, LGBl. Nr. 11/2018, umgesetzt worden, indem er § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 gleichlautend novelliert habe.

In den Erläuterungen zur "Kleinen Ökostromnovelle", BGBI. I Nr. 108/2017, sei ausdrücklich festgehalten worden, dass nunmehr klargestellt werde, dass die entsprechenden Mehrfachanspeisungen für Abrechnungszwecke zu saldieren seien, womit es bei der Zahlungspflicht pro Straßenbahnanlage bleibe. Durch die vom Wiener Landesgesetzgeber vorgenommene Novellierung habe lediglich klargestellt werden sollen, dass der bisherige rechtliche Status quo aufrechterhalten werden sollte, um Zweifel an dieser bereits bisher gültigen Auslegung auszuräumen. Im Initiativantrag zur Gesetzesnovelle sei ebenfalls die Formulierung gewählt worden, dass für diese Fälle nunmehr klargestellt werde, wie die Rechtslage zu verstehen sei. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sei eine Rückwirkung nicht ausdrücklich anzuordnen oder bei den Inkrafttretens-Bestimmungen zu berücksichtigen gewesen, weil sich bereits aufgrund der bisherigen Rechtslage die Situation so dargestellt habe, dass etwa U-Bahnlinien oder Straßenbahnlinien, die ausschließlich aus sicherheitstechnischen Gründen über mehrfache Anspeisungen verfügen würden, buchhalterisch bzw. rechnerisch als ein einziger Netzanschluss zu behandeln gewesen seien.

Bei richtiger Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen zum hier interessierenden Zeitraum sei somit davon auszugehen, dass die Zählpunktezusammenfassung zulässig (und geboten) gewesen und der angefochtene Bescheid deshalb rechtswidrig sei.

Zudem sei ein Streitschlichtungsverfahren in derselben Frage bei der Regulierungskommission der E-Control geführt worden, das mit Feststellungsbescheid vom XXXX beendet worden sei, wogegen eine Partei des Verfahrens, die XXXX , Klage beim Handelsgericht XXXX erhoben habe.

4. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdevorlage mit dem Verwaltungsakt am XXXX , hg. eingelangt am selben Tag, vor.

Angeschlossen war eine Stellungnahme zur Beschwerde der Beschwerdeführerin, in der die belangte Behörde insbesondere ihre Ausführungen zur Unzulässigkeit der Zählpunktezusammenfassung wiederholte und betonte, dass, selbst wenn die Absicht seitens des Gesetzgebers bestanden habe, den bisherigen Status quo beizubehalten, es nicht ausreichend sei, diese Absicht versteckt und mehrdeutig in die Gesetzesmaterialien zu schreiben; eine beabsichtigte Rückwirkung müsse im Gesetzestext angeordnet werden.

5. Mit Schreiben vom XXXX langte eine Mitteilung der Beschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde auf die Novelle des WElWG 2005, LGBl. Nr. 19/2019, verwiesen, die § 78c Abs. 2 WElWG 2005 eingeführt habe. Diese Bestimmung würde nunmehr eindeutig regeln, dass § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 idF LGBl. Nr. 11/2018 seit dem 02.03.2011 anzuwenden sei. Die Zählpunkt-Definition des WElWG 2005, LGBl. Nr. 11/2018, sei daher auf den dem gegenständlichen Verfahren unterliegenden Sachverhalt anwendbar, weshalb das Beschwerdeverfahren entscheidungsreif sei.

6. Am XXXX erstattete die Beschwerdeführerin eine Replik zur Stellungnahme der belangten Behörde vom XXXX , in der diese nochmals darauf hinwies, dass die entsprechende Rückwirkung des § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005, LGBl. Nr. 11/2018, nun ausdrücklich im Gesetz angeordnet worden sei. Es liege somit zweifelsohne eine gesetzliche Anordnung elektrizitätsrechtlicher Natur dafür vor, dass die Zählpunkte der Beteiligten von der Beschwerdeführerin ordnungsgemäß zusammengefasst und somit ordnungsgemäß abgerechnet worden seien.

7. Zu den von der Beschwerdeführerin getätigten Ausführungen in der Mitteilung vom XXXX äußerte sich die belangte Behörde am XXXX . In der Stellungnahme wurden Bedenken hinsichtlich der neuen Regelung § 78c Abs. 2 WElWG 2005 vorgebracht: Gemäß dieser Bestimmung solle die durch die Novelle LGBl. Nr. 11/2018 an die bundesgrundsatzgesetzliche Regelung angepasste Zählpunkt-Definition auch auf Sachverhalte anzuwenden sein, die sich nach dem 02.03.2011 verwirklicht hätten. Der 03.03.2011 sei der Inkrafttretens-Zeitpunkt der Stammfassung des ElWOG 2010.

Die rückwirkende Ausdehnung des zeitlichen Anwendungsbereiches der Zählpunkt-Definition auf den Zeitraum vor Inkrafttreten der Novelle des Grundsatzgesetzes BGBl. I Nr. 108/2017 verstoße jedoch gegen die grundsatzgesetzlichen Vorgaben, weil vor dieser Novelle eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte insgesamt unzulässig gewesen sei. Durch die in § 78c Abs. 2 WElWG 2005 angeordnete Ausdehnung des zeitlichen Geltungsbereichs werde für den Zeitraum 03.03.2011 bis 26.07.2017 sohin eine landesgesetzliche Rechtslage geschaffen, die dem Bundesgrundsatzgesetz für diesen Zeitraum widerspreche.

8. Mit Schriftsatz vom XXXX übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zur Gegenäußerung der belangten Behörde vom XXXX , in der diese auf ihre bisherigen Äußerungen im Beschwerdeverfahren verwies.

9. Am XXXX zog die Beschwerdeführerin in Hinblick auf die nunmehr geänderte Rechtslage und den Umstand, dass keine Sachverhaltselemente mehr offen seien, ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

10. Die belangte Behörde stimmte dem Absehen vom einer mündlichen Verhandlung mit Stellungnahme vom XXXX zu.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II. Rechtslage

1. Bundes-Verfassungsgesetz

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 (WV) idF BGBl. I Nr. 194/1999 (DFB) idF BGBl. I Nr. 57/2019, lauten auszugsweise:

"Artikel 12 (1) Bundessache ist die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

[...]

5. Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art. 10 fällt;

[...]

(2) Grundsatzgesetze und Grundsatzbestimmungen in Bundesgesetzen sind als solche ausdrücklich zu bezeichnen."

"Artikel 15 [...]

(6) Soweit dem Bund bloß die Gesetzgebung über die Grundsätze vorbehalten ist, obliegt innerhalb des bundesgesetzlich festgelegten Rahmens die nähere Ausführung der Landesgesetzgebung. Das Bundesgesetz kann für die Erlassung der Ausführungsgesetze eine Frist bestimmen, die ohne Zustimmung des Bundesrates nicht kürzer als sechs Monate und nicht länger als ein Jahr sein darf. Wird diese Frist von einem Land nicht eingehalten, so geht die Zuständigkeit zur Erlassung des Ausführungsgesetzes für dieses Land auf den Bund über. Sobald das Land das Ausführungsgesetz erlassen hat, tritt das Ausführungsgesetz des Bundes außer Kraft. Sind vom Bund keine Grundsätze aufgestellt, so kann die Landesgesetzgebung solche Angelegenheiten frei regeln. Sobald der Bund Grundsätze aufgestellt hat, sind die landesgesetzlichen Bestimmungen binnen der bundesgesetzlich zu bestimmenden Frist dem Grundsatzgesetz anzupassen.

[...]"

2. Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010

2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes, mit dem die Organisation auf dem Gebiet der Elektrizitätswirtschaft neu geregelt wird (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 - ElWOG 2010) lauten idF BGBl. I Nr. 110/2010 (gültig von 03.03.2011-06.08.2013) und BGBl. I Nr. 174/2013 (gültig von 07.08.2013-26.07.2017) auszugsweise wie folgt (keine Änderung durch BGBl. I Nr. 174/2013 in den verfahrensgegenständlich relevanten Absätzen bzw. Ziffern der §§ 7 und 110 leg.cit.):

"Begriffsbestimmungen

§ 7. (Grundsatzbestimmung) (1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

[...]

83. ?Zählpunkt' die Einspeise- bzw. Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist nicht zulässig;

[...]"

"Inkrafttreten von Grundsatzbestimmungen und Ausführungsgesetzen

§ 110. (1) Die als Grundsatzbestimmungen bezeichneten Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treten mit 3. März 2011 in Kraft; gleichzeitig treten die als Grundsatzbestimmungen bezeichneten Bestimmungen des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes, BGBl. I Nr. 143/1999 (Anm.: richtig: BGBl. I Nr. 143/1998), in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 112/2008, mit Ausnahme von § 68a Abs. 1 bis 3, außer Kraft.

[...]"

2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010 (ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110/2010 idF BGBl. I Nr. 108/2017, (gültig ab 27.07.2017) lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 7. (Grundsatzbestimmung) (1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

[...]

83. ?Zählpunkt' die Einspeise- bzw. Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Dabei sind in einem Netzbereich liegende Zählpunkte eines Netzbenutzers zusammenzufassen, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der Straßenbahnverordnung 1999, BGBl. II Nr. 76/2000, in der Fassung der Kundmachung BGBl. II Nr. 310/2002, unterliegen, dienen; im Übrigen ist eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte nicht zulässig;

[...]"

"Inkrafttreten von Grundsatzbestimmungen und Ausführungsgesetzen

§ 110. [...]

(4) Die als Grundsatzbestimmungen bezeichneten Bestimmungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 108/2017 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

2.3. Die Erläuterungen (1519 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage) zur Novelle des § 7 Abs. 1 Z 83 ElWOG 2010 durch BGBl. I Nr. 108/2017 lauten:

"Zu § 7 Abs. 1 Z 83: Straßenbahnanlagen unterliegen bundesrechtlichen sicherheitstechnischen Vorgaben (vgl. insb. § 23 f Straßenbahnverordnung 1999), die eine Mehrzahl von Zählpunkten zwingend erforderlich machen. Für diese Fälle wird nunmehr klargestellt, dass die entsprechenden Mehrfachanspeisungen für Abrechnungszwecke zu saldieren sind, womit es bei der Zahlungspflicht je Straßenbahnanlage bleibt."

3. Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes über die Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft (Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 - WElWG 2005), LGBl. Nr. 46/2005 (gültig von 01.01.2014-22.12.2014) idF LGBl. Nr. 51/2014 (gültig von 23.12.2014-16.02.2018), lauten auszugsweise wie folgt:

"Begriffsbestimmungen und Verweisungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

[...]

84. ?Zählpunkt' die Einspeise- oder Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist nicht zulässig.

[...]"

"Schlussbestimmungen

§ 80. (1) Das Gesetz tritt mit dem seiner Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt tritt das Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz, LGBl. Nr. 72/2001 außer Kraft.

[...]"

3.2. Durch die Novelle LGBl. Nr. 11/2018, kundgemacht am 16.02.2018, wurde die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005, LGBl. Nr. 46/2005 idF LGBl. Nr. 51/2014, neu gefasst:

"Der Wiener Landtag hat beschlossen:

Artikel I

Das Gesetz über die Neuregelung der Elektrizitätswirtschaft (Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005 - WEIWG 2005), LGBI. Nr. 46/2005, zuletzt geändert durch das Gesetz LGBI. Nr. 51/2014, wird wie folgt geändert:

§ 2 Abs. 1 Z 84 lautet:

84. ?Zählpunkt' die Einspeise- bzw. Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Dabei sind in einem Netzbereich liegende Zählpunkte einer Netzbenutzerin oder eines Netzbenutzers zusammenzufassen, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der Straßenbahnverordnung 1999, BGBI. II Nr. 76/2000, in der Fassung der Kundmachung BGBI. II Nr. 310/2002, unterliegen, dienen; im Übrigen ist eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte nicht zulässig;

Artikel II

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

Im Initiativantrag vom 08.01.2018 wird dazu ausgeführt:

"Mit der vorliegenden Änderung des § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2205 wird die grundsatzgesetzliche Vorgabe des § 7 Abs. 1 Z 83 Elektrizitäts- und organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) im Wiener Landesrecht umgesetzt. Straßenbahnanlagen unterliegen bundesrechtlichen sicherheitstechnischen Vorgaben (vgl. § 23 f. Straßenbahnverordnung 1999), die eine Mehrzahl von Zählpunkten zwingend erforderlich machen. Für diese Fälle wird nunmehr klargestellt, dass die entsprechenden Mehrfachanspeisungen für Abrechnungszwecke zu saldieren sind, womit es bei der Zahlungspflicht je Straßenbahnanlage bleibt."

3.3. Die maßgebliche Bestimmung des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 2005 (WElWG 2005), LGBl. Nr. 46/2005 idF LGBl. Nr. 11/2018 (gültig von 17.02.2018-30.11.2018) sowie idF LGBl. Nr. 60/2018 (gültig ab 01.12.2018), lautet demnach auszugsweise (keine Änderung durch LGBl. Nr. 60/2018 in der verfahrensgegenständlich relevanten Ziffer 84 des § 2 Abs. 1 leg.cit.):

"Begriffsbestimmungen und Verweisungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet der Ausdruck

[...]

84. ?Zählpunkt' die Einspeise- bzw. Entnahmestelle, an der eine Strommenge messtechnisch erfasst und registriert wird. Dabei sind in einem Netzbereich liegende Zählpunkte einer Netzbenutzerin oder eines Netzbenutzers zusammenzufassen, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der Straßenbahnverordnung 1999, BGBI. II Nr. 76/2000, in der Fassung der Kundmachung BGBI. II Nr. 310/2002, unterliegen, dienen; im Übrigen ist eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte nicht zulässig;

[...]"

3.4. Die maßgebliche Bestimmung des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes 2005 (WElWG 2005), LGBl. Nr. 46/2005 idF LGBl. Nr. 19/2019 (gültig ab 30.04.2019), lautet (Hervorhebung des als verfassungswidrig angefochtenen Absatzes):

"Inkrafttreten und Übergangsbestimmung zur Novelle LGBl. Nr. 11/2018

§ 78c. (1) § 2 Abs. 1 Z 84 in der Fassung des LGBl. Nr. 11/2018 tritt mit 27. Juli 2017 in Kraft.

(2) Die Änderung des § 2 Abs. 1 Z 84 in der Fassung des LGBl. Nr. 11/2018 ist auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach 2. März 2011 verwirklicht haben."

Im Initiativantrag vom 28.02.2019 wird zu LGBl. Nr. 19/2019 auszugsweise wie folgt ausgeführt:

"Im Rahmen der ?Kleinen Ökostromnovelle' hat der Bundesgesetzgeber klar seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass umweltfreundliche öffentliche Verkehrsmittel - wie die Wiener U-Bahn - vor ungerechtfertigten Mehrfachbelastungen durch Netzgebühren geschützt werden müssen. [...]

Die vorliegende Änderung des Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetzes stellt daher klar, dass öffentliche Verkehrsmittel vor Mehrkosten durch Netzgebühren zu bewahren sind. Damit kommt das Land Wien der Intention des Bundesgesetzgebers nach. [...]

Konkret dient die vorliegende Änderung der Klarstellung des Inkrafttretens und der Konkretisierung des § 2 Abs. 1 Z 84 Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005, mit dem die grundsatzgesetzliche Vorgabe des § 7 Abs. 1 Z 83 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010) umgesetzt wurde. Mit der Änderung des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010, BGBl. Nr. 108/2017 vom 26. Juli 2017 wurde in den Materialien zu diesem Bundesgesetz ausdrücklich festgehalten, dass eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte zulässig bleibt. [...]

Das Grundsatzgesetz bringt in den Erläuterungen zu § 7 Abs. 1 Z 83 der oben genannten Novelle eindeutig die Intention des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass eine Rückwirkung gewünscht ist, die angewendete Praxis beibehalten werden soll und die davor gültige Rechtslage unklar war.

Aus dem Grundsatzgesetz ergibt sich somit eindeutig, dass auch bereits vor dieser Novelle eine Saldierung für Straßenbahnanlagen möglich und erforderlich war. Die vorliegende Klarstellung im Ausführungsgesetz, dem Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz 2005, dient der Förderung von Rechtssicherheit und Hintanhaltung von Interpretationsunklarheiten. [...]"

III. Zulässigkeit des Antrags, Präjudizialität und Umfang der Anfechtung

1. Antragsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG berechtigt, einen Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen, wenn es gegen die Anwendung dieses Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegt.

Das Bundesverwaltungsgericht ist zur Entscheidung über die verfahrensgegenständliche Beschwerde der Beschwerdeführerin vom XXXX gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , GZ. XXXX , zuständig, da die belangte Behörde als Bundesbehörde den angefochtenen Bescheid gemäß § 24 E-ControlG erlassen hat, der unmittelbar anwendbares Bundesrecht darstellt, woraus sich gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt. Die landesrechtliche Bestimmung § 2 Abs. 1 Z 84 WElWOG wird nicht vollzogen, sondern lediglich angewendet, um den Begriffsumfang des Zählpunktes zu definieren.

Weiters hat das Bundesverwaltungsgericht gegen eine von ihm anzuwendende Bestimmung verfassungsrechtliche Bedenken (s. Pkt. IV.).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einer solchen gesetzlichen Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

2. Präjudizialität

Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist ein Antrag nach Art. 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückzuweisen, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichts im Anlassfall bildet (VfSlg 14464/1996, 15293/1998, 16632/2002, 16925/2003).

Die belangte Behörde erkannte in der Praxis der Zählpunktesaldierung der Beschwerdeführerin im Zeitraum XXXX bis einschließlich XXXX hinsichtlich der Beteiligten zwei Verstöße gegen das ElWOG 2010 (Pflichtverletzung der korrekten Verrechnung des Systemnutzungsentgeltes, das sich u.a. aus dem Netznutzungsentgelt [§ 52 EIWOG 2010] ergibt, und eine daraus resultierende Ungleichbehandlung der Netzkunden [§ 9 EIWOG 2010 sowie § 51 Abs. 1 EIWOG 2010]), die diese im Rahmen ihrer Aufsichts- und Überwachungspflicht gemäß § 24 E-ControlG aufgegriffen hat. Um festzustellen, was ein Zählpunkt gemäß § 52 Abs. 1 EIWOG 2010 ist, benötigt man die entsprechende Definition, die sich auf Bundesgesetzebene aus der Grundsatzbestimmung des § 7 Abs. 1 Z 83 ElWOG 2010 ergibt und auf landesgesetzlicher Ebene aus der Umsetzung im jeweiligen Landesgesetz - für Wien in § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 geregelt - hervorgeht.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde vor; dieses hat nun die Rechtmäßigkeit des angefochtenen verwaltungsbehördlichen Handelns zu überprüfen. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht die zum Zeitpunkt der Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage anzuwenden (zuletzt VwGH 20.11.2018, Ra 2016/05/0097, mwN), d.h. es sind allfällige Änderungen der maßgeblichen Rechtslage nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu berücksichtigen.

Aus diesem Grund hat das Bundesverwaltungsgericht nun auch die mit der Novelle LGBl. Nr. 19/2019 vom Wiener Landesgesetzgeber neu eingeführte Bestimmung des § 78c Abs. 2 WElWG 2005, die die Rückwirkung einer bestimmten Fassung der Zählpunkt-Definition des § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 anordnet, bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

Die derzeit beim Handelsgericht XXXX anhängige Klage gegen den Feststellungsbescheid der Regulierungskommission vom XXXX hemmt dabei das gegenständliche Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung im Missbrauchsverfahren gemäß § 24 E-ControlG nicht, da dieses Verfahren eine gänzlich andere Zielsetzung hat als das gegenständliche Verfahren, es sich um unterschiedliche Verfahrenstypen mit unterschiedlichen Parteien handelt und nicht über dieselbe Sache entschieden wird. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass alleine schon die Nachverrechnungsverpflichtung gegenüber der Beteiligten die Beschwerdeführerin in ihren rechtlichen Interessen beeinträchtigt (vgl. BVwG W157 2112254-1 und dazu VwGH vom 26.06.2019, Ro 2017/04/0023-4).

3. Anfechtungsumfang

3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müssen die Grenzen der Aufhebung in einem auf Antrag eingeleiteten Normenprüfungsverfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzes- oder Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits auch die mit der aufzuhebenden Gesetzes- oder Verordnungsstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen erfasst werden; der Verfassungsgerichtshof geht bei der Bestimmung des Umfangs einer als gesetz- oder verfassungswidrig aufzuhebenden Rechtsvorschrift stets vom Grundgedanken aus, dass ein Normenprüfungsverfahren dazu führen soll, eine festgestellte Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, dass aber der nach der Aufhebung verbleibende Gesetzesteil möglichst nicht mehr verändert werden soll, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (VfSlg 8155/1977, 8461/1978, 12465/1990, 14802/1997, 16754/2002, 18142/2007).

Da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 10936/1986 und im Ergebnis VfSlg 10384/1985). Es ist dem Verfassungsgerichtshof aber verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Normsetzer überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Normsetzung wäre (VfSlg 12465/1990, 13915/1994, 15090/1998).

3.2. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Bereinigung der verfassungswidrigen Rechtslage (vgl. Pkt. IV.) die Aufhebung des gesamten § 78c Abs. 2 WElWG 2005, LGBl. Nr. 46/2005 idF LGBl. Nr. 19/2019, notwendig.

Denn mit einer Aufhebung im bezeichneten Umfang wäre die Verfassungswidrigkeit insofern beseitigt, als das Landesausführungsgesetz WElWG 2005 im Zeitraum 03.03.2011 bis einschließlich 26.07.2017 nicht mehr der in diesem Zeitraum geltenden Bundesgrundsatzbestimmung im ElWOG 2010 widersprechen würde: Die Zählpunkt-Definition des § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 idF LGBl. Nr. 11/2018 würde sodann gemäß § 78c Abs. 1 WElWG 2005, LGBl. Nr. 46/2005 idF LGBl. Nr. 19/2019, ab 27.07.2017 gelten. Dies entspricht genau jenem Zeitpunkt, ab dem auch die geänderte Zählpunkt-Definition der Grundsatzbestimmung § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 idF BGBI. I Nr. 108/2017 anzuwenden gewesen ist.

IV. Verfassungsrechtliche Bedenken

1. Verhältnis Grundsatzbestimmung - Ausführungsgesetz

In den Ziffern 1 bis 6 des Art. 12 Abs. 1 B-VG werden Kompetenztatbestände aufgelistet, für die der Verfassungsgesetzgeber eine Grundsatzgesetzgebung des Bundes und eine Ausführungsgesetzgebung der Länder vorsieht.

Grundsatzbestimmungen und Grundsatzgesetze des Bundes richten sich ausschließlich an die Länder als Ausführungsgesetzgeber und sind gemäß Art. 12 Abs. 2 B-VG als solche ausdrücklich zu bezeichnen. Die Ausführungsgesetzgebung hat diese Grundsätze innerhalb des bundesgesetzlich festgelegten Rahmens gemäß Art. 15 Abs. 6 erster Satz B-VG näher auszugestalten und schafft damit die Vollzugsgrundlage.

Solange der Bund keine Grundsätze erlässt, können die Länder gemäß Art. 15 Abs. 6 fünfter und sechster Satz B-VG die Angelegenheiten frei regeln, ansonsten sind sie an die Grundsätze des Bundes gebunden und haben bereits erlassene Landesgesetze gegebenenfalls anzupassen (wenn Grundsätze in einem bisher grundsatzfreien Raum erlassen werden). Es besteht aber auch eine Anpassungspflicht bestehender Landesausführungsgesetze dann, wenn - was sich aus einer Analogie zu dieser Rechtsregel ergibt - bereits bestehende Grundsätze abgeändert werden (VfSlg 10176/1984).

Die Ausführungsgesetze der Länder müssen eine dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechende Bestimmtheit aufweisen (VfSlg 8833/1980, 8890/1980, 9587/1982) und dürfen dem Grundsatzgesetz des Bundes nicht widersprechen (VfSlg 2087/1951, 2820/1955, 4919/1965), es also auch nicht in seiner rechtlichen Wirkung verändern (VfSlg 3744/1960, 12280/1990) oder einschränken (VfSlg 4919/1965).

2. Verstoß gegen Art. 15 Abs. 6 erster Satz B-VG durch § 78c Abs. 2 WElWG 2005

2.1. Einleitend wird festgehalten, dass das Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Art. 10 B-VG fällt, gemäß Art. 12 Abs. 1 Z 5 B-VG in die Grundsatzgesetzgebung des Bundes und in die Ausführungsgesetzgebung der Länder fällt.

Das WElWG 2005 ist das Ausführungsgesetz des Landes Wien zu den Grundsatzbestimmungen des ElWOG 2010 auf Bundesebene und hat als solches den unter Pkt. IV.1. angeführten inhaltlichen Anforderungen - insbesondere widerspruchsfrei zu der Grundsatzgesetzgebung des Bundes ausgestaltet zu sein - zu entsprechen.

2.2. Durch den mit der Novelle LGBl. Nr. 19/2019 neu vom Wiener Landesgesetzgeber eingeführten § 78c Abs. 2 WElWG 2005, wonach die "Änderung des § 2 Abs. 1 Z 84 in der Fassung des LGBl. Nr. 11/2018" auf "Sachverhalte anzuwenden [ist], die sich nach 2. März 2011 verwirklicht haben" steht die Ausführungsgesetzgebung des Landes Wien jedoch nicht im Einklang mit den grundsatzgesetzlichen Regelungen des Bundes.

Dazu im Einzelnen:

2.2.1. Das ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 110/2010 (Inkrafttreten am 03.03.2011; diesbezüglich unverändert durch BGBl. I Nr. 174/2013), enthielt in der Grundsatzbestimmung § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine eindeutige Definition zum Zählpunkt (vgl. mehr unter Pkt. IV.2.2.5.); es wurde dort das generelle Verbot der Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte gesetzlich verankert.

2.2.2. Diese Grundsatzbestimmung wurde vom Land Wien im WElWG 2005, LGBl. Nr. 46/2005 (Inkrafttreten am 01.01.2014), ausgeführt (und durch LGBl. Nr. 51/2014 diesbezüglich unverändert belassen). Dabei wurde die Definition des Zählpunktes des ElWOG 2010 in § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 bis auf die Ersetzung des Wortes "bzw." durch "oder" wortwörtlich übernommen.

2.2.3. Mit der Novelle des ElWOG 2010 ("Kleine Ökostromnovelle"), BGBl. I Nr. 108/2017 (Inkrafttreten am 27.07.2017), wurde die Zählpunkt-Definition des § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 durch den Grundsatzgesetzgeber geändert: Das Verbot der Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte wurde insofern eingeschränkt, als eine Ausnahme für in einem Netzbereich liegende Zählpunkte eines Netzbenutzers normiert wurde, wenn sie der Anspeisung von kundenseitig galvanisch oder transformatorisch verbundenen Anlagen, die der StrabVO, BGBl. II Nr. 76/2000, idF der Kundmachung BGBl. II Nr. 310/2002, unterliegen, dienen.

2.2.4. Die Novelle des ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 108/2017, wurde vom Wiener Landesgesetzgeber mit der Novelle des WElWG 2005, LGBl. Nr. 11/2018 (Inkrafttreten am 17.02.2018), landesrechtlich umgesetzt. Der bisherige § 2 Abs. 1 Z 84 WElWG 2005 wurde dahingehend geändert, dass die neue Definition des Zählpunktes der Bundesgrundsatzbestimmung wortwörtlich auf die Landesebene übertragen wurde.

2.2.5. Aufgrund der im Zuge der "Kleinen Ökostromnovelle" veröffentlichten Gesetzesmaterialien (vgl. die Wortfolgen in den Erläuterungen zur Novelle des EIWOG 2010, BGBl. I Nr. 108/2017 [RV 1519 der Beilagen XXV. GP, Seite 10]: "wird nunmehr klargestellt" und "womit es bei der Zahlungspflicht je Straßenbahnanlage bleibt"; derart auch im Initiativantrag zur Novelle des WEIWG, LGBl. Nr. 11/2018) kann zwar durchaus der Eindruck entstehen, dass der Bundesgesetzgeber die Absicht verfolgt hat, einen "bestehenden Zustand" betreffend eine Ausnahmeregelung für Anlagen, die der StrabVO unterliegen, "beizubehalten" bzw. dieser eine Rückwirkung angedeutet hat. In den novellierten Gesetzestext fanden diese Überlegungen aber keinen Eingang.

Das Gesetz selbst ist klar formuliert und enthält einen eindeutigen Wortlaut: Bis zur Novelle BGBl. I Nr. 108/2017 war unzweifelhaft keine Ausnahme in § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 verankert. Der Wortlaut legte fest: "Eine Zusammenfassung mehrerer Zählpunkte ist nicht zulässig." und nahm auf keine Ausnahme Bezug. Mit BGBl. I Nr. 108/2017 wurde in § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 die eindeutige Anordnung aufgenommen, dass Zählpunktesaldierungen ausnahmsweise für Anlagen nach der StrabVO gelten und wurde weiters eine eindeutige Inkrafttretens-Bestimmung erlassen (gemäß § 110 Abs. 4 ElWOG 2010 tritt die neue Zählpunkt-Definition mit dem der Kundmachung des BGBl. I Nr. 108/2017 folgenden Tag in Kraft, d.h. am 27.07.2017), sodass aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts kein Raum für eine authentische Interpretation oder die Annahme eine Rückwirkung besteht.

Der Verwaltungsgerichthof hat in der Vergangenheit nämlich bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine authentische Interpretation eines Gesetzes nur durch eine Erklärung im kundgemachten Gesetz selbst, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung in einem bestimmten Sinn verstanden wissen will, zustande kommt und nicht durch bloße Äußerungen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens (zuletzt VwGH 11.08.2017, Ra 2016/10/0090). Auch Rückwirkungen dürfen nicht in einem weiteren Umfang angenommen werden, als es zweifellos aus dem Wortlaut und dem Sinne des Gesetzes hervorgeht, insbesondere nicht zur Einschränkung vorher erworbener oder vom Gesetz zugedachter Rechte (VfGH 19.06.1923, Al 6/23).

Dass die Gesetzesmaterialien damit vorliegend möglicherweise im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehen, ist insofern unbeachtlich, als der Wortlaut eines promulgierten Gesetzes mit seiner Systematik und seinem Zusammenhang mit anderen Gesetzen jedenfalls über der Meinung der Gesetzesredaktoren steht. Auf Erkenntnisquellen außerhalb des kundgemachten Gesetzes (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Parlamentarische Protokolle etc.) darf nur zurückgegriffen werden, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers Zweifel aufwirft; für sich allein können sie über den normativen Inhalt einer Rechtsvorschrift nichts aussagen (VwGH 13.02.2018, Ra 2017/02/0219; 27.06.2017, Ra 2017/10/0071; 29.11.2012, 2011/01/0167, mwN). Auch nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist der (mutmaßliche) Wille eines normsetzenden Organs erst dann in Betracht zu ziehen, wenn der Wortlaut einer Norm allein deren Gehalt nicht eindeutig erkennen lässt (VfSlg 7698/1975).

Es bestand aus demselben Grund - der Klarheit des Gesetzeswortlautes - für das Bundesverwaltungsgericht auch keine weitere Notwendigkeit, auf die vom Beschwerdeführer angestrengten Rechtsvergleiche mit der deutschen Rechtslage einzugehen und Überlegungen im Hinblick auf die Regelungen des ÖSG 2012 und des KWK-Gesetzes zur Auslegung der Zählpunkt-Definition anzustellen.

Als Zwischenergebnis war daher aufgrund der bisher unter IV.2. dargelegten gesetzlichen Regelungen bis einschließlich XXXX , d.h. bis zum Tag des Inkrafttretens der geänderten Zählpunkt-Definition auf Landesebene im WElWG 2005 idF LGBl. Nr. 11/2018 (Inkrafttreten am 17.02.2018), eine Saldierung von Zählpunkten unzulässig, unabhängig davon, ob es sich um eine Anlage nach der StrabVO gehandelt hat oder nicht. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Bundesgrundsatzbestimmung zwar schon zu einem früheren Zeitpunkt hinsichtlich der Zählpunkt-Definition geändert wurde, ein Grundsatzgesetz jedoch das auf Landesebene zu erlassene Ausführungsgesetz nicht ersetzen kann.

2.2.6. Das WElWG 2005 erfuhr jedoch schließlich mit LGBl. 19/2019 (Inkrafttreten am 30.04.2019) eine weitere Novelle durch den Wiener Landesgesetzgeber, mit der die Bestimmung des § 78c WElWG 2005 im Landesausführungsgesetz implementiert wurde:

Nach dessen Abs. 1 tritt die in der Novelle des WElWG 2005, LGBl. Nr. 11/2018, normierte Definition des Zählpunktes mit 27.07.2017 in Kraft, d.h. zu jenem Zeitpunkt, an dem die Novelle des ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 108/2017, in Kraft getreten ist.

Der hier als verfassungswidrig angefochtene Abs. 2 legt darüber hinaus fest, dass die Zählpunkt-Definition der Novelle des WElWG 2005, LGBl. Nr. 11/2018, auf Sachverhalte anzuwenden ist, die sich nach dem 02.03.2011, d.h. dem Tag des Inkrafttretens des ElWOG 2010 idF BGBl. I Nr. 110/2010 am 03.03.2011, verwirklicht haben.

2.2.7. Die Vorschrift des § 78c Abs. 2 WElWG 2005 hat damit zur Folge, dass die vom Verbot der Zählpunktesaldierung ausgenommene Regelung für Anlagen nach der StrabVO schon für einen Zeitrahmen gilt (ab 03.03.2011 [Tag des Inkrafttretens des ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 110/2010]), in dem die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung der Grundsatzbestimmung § 7 Abs. 1 Z 83 EIWOG 2010 nach ihrem eindeutigen Wortlaut die Zusammenfassung von Zählpunkten noch für alle Netzkunden als unzulässig normiert hat (vgl. IV.2.2.5.). Erst mit der Novelle des ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 108/2017, die am 27.07.2017 in Kraft trat, wurde die Ausnahme vom Verbot der Zählpunktesaldierung für Anlagen nach der StrabVO geschaffen.

Die angeordnete Rückwirkung in § 78c Abs. 2 WElWG 2005 bewirkt sohin, dass die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Z 84 des Landesausführungsgesetzes WElWG 2005 im Zeitraum 03.03.2011 bis einschließlich 26.07.2017 nicht den grundsatzgesetzlichen Vorgaben des Bundes im ElWOG 2010 in diesem Zeitraum entspricht (s. auch III.3.2.). Dies fällt in den vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund des angefochtenen Bescheides zu beurteilenden Zeitrahmen von XXXX bis XXXX .

Die Regelung des § 78c Abs. 2 WElWG 2005 stellt somit einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 6 erster Satz B-VG dar, wonach sich der Landesgesetzgeber innerhalb des bundesgesetzlich festgelegten Rahmens von Grundsatzgesetzen zu bewegen hat.

V. Antrag

Auf Grundlage der dargestellten Erwägungen stellt das Bundesverwaltungsgericht den aus dem Spruch ersichtlichen Aufhebungsantrag hinsichtlich § 78c Abs. 2 WElWG 2005 an den Verfassungsgerichtshof.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Die Revision gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG iVm § 25a Abs. 3 VwGG nicht zulässig.

Schlagworte

Anfechtungsgegenstand Antragsrecht Aufhebungsantrag Berechnung Definition Gesetzesprüfung Landesgesetzgeber Präjudizialität Rückwirkung verfassungswidrig VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W249.2214997.1.00

Im RIS seit

07.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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