TE Bvwg Beschluss 2020/4/8 W134 2229948-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §351
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs9
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W134 2229948-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Thomas Gruber im Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Reinigungsdienstleistungen AGES, BBG-interne GZ: 2691.03300" der Auftraggeberin Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, diese vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, aufgrund des Antrages der XXXX vertreten durch THURNHER WITTWER PFEFFERKORN & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Messestraße 11, 6850 Dornbirn, vom 26.03.2020 "das Bundesverwaltungsgericht möge der Auftraggeberin und der BBG das Ausscheiden der Antragstellerin und den Abschluss des Rahmenvertrags zu Los 1 und Los 2 im Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung betreffend den Abschluss des Rahmenvertrags "Reinigungsdienstleistungen AGES", GZ 2691.03300, für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss untersagen", folgenden Beschluss:

A)

Der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH und der Bundesbeschaffung GmbH wird gemäß § 351 BVergG 2018 für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagt, im gegenständlichen Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarung für die Lose 1 und 2 abzuschließen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Vorbringen der Parteien:

Mit Schreiben vom 26.03.2020, beim BVwG eingelangt am gleichen Tag, begehrte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der Ausscheidens- und Auswahlentscheidungen vom 10.03.2020 hinsichtlich der Lose 1 und 2, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, den Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin und die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Verfügung.

Zur Rechtswidrigkeit der Ausscheidens- und Auswahlentscheidungen vom 10.03.2020 gab die Antragstellerin zusammengefasst Folgendes an:

Die Antragstellerin habe zu den Losen 1 und 2 fristgerecht jeweils ein Angebot gelegt. Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 10.3.2020 habe diese der Antragstellerin bekannt gegeben, dass ihre Angebote für die Lose 1 und 2 jeweils ausgeschieden worden seien und eine Auswahlentscheidung zugunsten anderer Bieter getroffen worden sei. Die Auftraggeberin habe ihre Ausscheidensentscheidungen damit begründet, dass die maximal zulässige praktische Flächenleistung gemäß ÖNorm D 2050 in beiden Losen überschritten worden sei. Diese Begründung der Ausscheidensentscheidung sei jedoch falsch.

Die Antragstellerin hätte ein Interesse am Vertragsabschluss, es drohe ihr ein Schaden und ihre Rechte würden verletzt.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 01.04.2020 und vom 07.04.2020 gab diese die allgemeinen Daten des gegenständlichen Vergabeverfahrens bekannt. Die Auftraggeberin brachte zu den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vor, dass sie nach wie vor in einem aufrechten Vertragsverhältnis mit entsprechenden Dienstleistern sei und die Erbringung der verfahrensgegenständlichen Leistung zumindest bis Ende August 2020 gesichert sei. Im konkreten Fall sei ein dringender Beschaffungsbedarf aus heutiger Sicht daher noch nicht gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt (schlüssiges Beweismittel)

Die Auftraggeberin Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH, hat einen Dienstleistungsauftrag unterteilt in zwei Lose im Wege eines Verhandlungsverfahrens nach vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben. Es ist nach Angaben der Auftraggeberin der Abschluss einer Rahmenvereinbarung beabsichtigt (in den Allgemeinen Ausschreibungsbedingungen ist allerdings von Abschluss eines Rahmenvertrages die Rede). Die Bekanntmachung in Österreich erfolgte am 15.06.2019 und in der EU am 17.06.2019 (bei der Angabe der Auftraggeberin diese sei am 17.06.2020 erfolgt, handelt es sich offenbar um einen Schreibfehler). (Schreiben der Auftraggeberin vom 01.04.2020).

Die Ausscheidensentscheidung vom 17.03.2020 wurde am gleichen Tag bereitgestellt. Die Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll vom 17.03.2020 wurde am gleichen Tag bereitgestellt. Diese Entscheidungen erfolgten im Los 1 zugunsten der XXXX und im Los 2 zugunsten der XXXX . (Schreiben der Auftraggeberin vom 01.04.2020).

Dieser Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den in Klammer genannten Quellen, deren Echtheit und Richtigkeit außer Zweifel steht.

2. Zulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

Im Wege einer Grobprüfung der Antragslegitimation der Antragstellerin zur Stellung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 zu prüfen, ob der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Diese Grobprüfung ergibt, dass sich das Verfahren in einem Stadium vor Abschluss der Rahmenvereinbarung befindet, dass die Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung - nämlich der Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll sowie von Ausscheidensentscheidungen - behauptet wurde, dass die Antragstellerin ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG unterliegenden Vertrages behauptet hat, sowie dass die Antragstellerin durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden drohen könnte. Ein offensichtliches Fehlen der Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 BVergG 2018 ist somit nicht gegeben.

Gemäß § 343 Abs. 1 BVergG 2018 sind Anträge auf Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax im Oberschwellenbereich binnen 10 Tagen einzubringen. Die Bekanntgabe der Entscheidungen mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll sowie die Ausscheidensentscheidungen erfolgten am 17.03.2020. Die Nachprüfungsanträge sind am 26.03.2020 beim BVwG eingelangt und somit rechtzeitig eingebracht worden. Die Anträge wurde auch vergebührt und erfüllen - soweit im Provisorialverfahren ersichtlich - auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

3. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung

Gemäß § 350 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs. 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs. 3 BVergG 2018 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Die Antragstellerin hat unter anderem Anträge auf Untersagung der Entscheidung mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll sowie von Ausscheidensentscheidungen betreffend die Lose 1 und 2 gestellt.

Da seitens der Auftraggeberin auf Grund der Entscheidungen mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden sollen vom 17.03.2020 beabsichtigt ist die Rahmenvereinbarung in den Losen 1 und 2 mit der XXXX bzw. der XXXX abzuschließen, dies aber bei Zutreffen der Behauptungen der Antragstellerin rechtswidrig sein könnte und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin für den Abschluss der Rahmenvereinbarung in beiden Losen in Betracht kommen könnte, droht der Antragstellerin durch die behaupteten Rechtswidrigkeiten möglicherweise der Entgang des Auftrages sowie ein Schaden, der nur durch die Verhinderung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung abgewendet werden kann, da der möglicherweise bestehende Anspruch auf Abschluss der Rahmenvereinbarung nur wirksam gesichert werden kann, wenn das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch das Bundesverwaltungsgericht in einem Stand gehalten wird, der einen Abschluss der Rahmenvereinbarung mit der Antragstellerin ermöglicht.

Die Auftraggeberin brachte zu den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vor, dass sie nach wie vor in einem aufrechten Vertragsverhältnis mit entsprechenden Dienstleistern sei und die Erbringung der verfahrensgegenständlichen Leistung zumindest bis Ende August 2020 gesichert sei. Im konkreten Fall sei ein dringender Beschaffungsbedarf aus heutiger Sicht daher noch nicht gegeben.

Bei Abwägung aller möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin, der sonstigen Bieter und der Auftraggeberin, eines allfälligen besonderen öffentlichen Interesses an der Fortführung des Vergabeverfahrens sowie des öffentlichen Interesses an der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter (VfGH 15.10.2001, B 1369/01) erscheint ein Überwiegen der nachteiligen Folgen der einstweiligen Verfügung für die bewilligte Dauer nicht gegeben. Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ein Auftraggeber zumindest ein Nachprüfungsverfahren sowie die damit einhergehende Verzögerung des Vergabeverfahrens einzukalkulieren.

Das beantragte Untersagen des Ausscheidens der Antragstellerin war nicht auszusprechen, da diese Entscheidung von der Auftraggeberin bereits getroffen wurde. Die einstweilige Verfügung war nicht nur an die Auftraggeberin sondern auch an die Bundesbeschaffung GmbH zu richten, weil diese gem. § 352 Abs 1 BVergG 2018 Partei des Verfahrens ist und an die Stelle der Auftraggeberin getreten ist.

Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung² [2008], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit, legt im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist. Die Auftraggeberinnen sind durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, da die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichtes davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen kann und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum fest gesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (vgl BVA 24.6.2010, N/0051-BVA/10/2010-EV13 mit weiteren Nachweisen).

Über die Anträge auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden werden.

B) Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG ist gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn dieser von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch ist die Rechtslage eindeutig und es sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich.

Schlagworte

Abschlussverbot Dauer der Maßnahme Dienstleistungsauftrag einstweilige Verfügung Entscheidungsfrist Interessenabwägung Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden Untersagung Vergabeverfahren Vertragsverhältnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W134.2229948.1.00

Im RIS seit

07.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten