TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/11 W235 2142942-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.05.2020
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Entscheidungsdatum

11.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W235 2142943-1//22E

W235 2142942-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide StA. Demokratische Republik Kongo, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2016, Zl. 1075949301-150773155 (ad 1.) und Zl. 1075949203-150773223 (ad 2.) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 2 und 3 FPG wird die Frist für die freiwillige Ausreise bis zum 30.06.2020 festgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Antragszeitpunkt noch minderjährigen, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährigen Zweitbeschwerdeführerin. Beide Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo und stellte die Erstbeschwerdeführerin nach legaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet für sich und als gesetzliche Vertreterin der damals noch minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin am 01.07.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.07.2015 gaben die Beschwerdeführerinnen übereinstimmend an, dass sie am XXXX .06.2016 mit dem Flugzeug legal in Besitz eines Visums von Kinshasa aus über Brüssel nach Wien gereist seien.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, sie sei am XXXX bei ihrer Arbeit als Krankenschwester in der chirurgischen Abteilung des Zentralkrankenhauses in Kinshasa gewesen, als sie und ihre Kollegen in die Notaufnahme gerufen worden seien. Am selben Tag habe es einen Protestmarsch von Studenten gegen eine dritte Amtszeit von Präsident Joseph Kabila gegeben und seien mehr als 100 Verletzte und auch Tote in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht worden. Im April habe es Zeitungsberichte über die Existenz von Massengräbern gegeben, in denen man die Opfer dieser Demonstration begraben habe. Die Erstbeschwerdeführerin sei zu dieser Sache im April befragt worden und habe ausgesagt, dass sie "das" mit eigenen Augen gesehen habe. Da man diese Tatsache jedoch offiziell habe verleugnen wollen, habe sie Probleme mit der Regierung bekommen und habe das Land verlassen müssen. Außerdem lebe ihr Bruder namens XXXX , geb. XXXX , in Österreich. Er arbeite als katholischer Pfarrer und besitze bereits die österreichische Staatsbürgerschaft. Ferner sei die Zweitbeschwerdeführerin sehr krank und könne nur in Österreich ausreichend versorgt werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte zu ihrem Fluchtgrund vor, dass ihre Mutter (= die Erstbeschwerdeführerin) Probleme mit der Regierung habe, da sie Angaben zu Massengräbern gemacht habe, die die Regierung verleugnen wolle. Außerdem sei die Zweitbeschwerdeführerin sehr krank und könne nur in Österreich ausreichend medizinisch versorgt werden. Ferner lebe ihr Onkel als katholischer Pfarrer in Österreich und besitze schon die österreichische Staatsbürgerschaft.

1.3. Im Akt der Erstbeschwerdeführerin findet sich eine Kopie ihres Reisepasses mit der Nummer XXXX , ausgestellt am XXXX .01.2014. Aus diesem Reisepass ist ein tansanisches Visum mit einer Gültigkeit von XXXX .12.2014 bis XXXX .01.2015 ersichtlich. Gemäß den Ein- und Ausreisestempeln im Pass der Erstbeschwerdeführerin reiste diese am XXXX .12.2014 aus der D.R. Kongo aus und in Tansania ein sowie am XXXX .01.2015 aus Tansania aus und wieder in die Demokratische Republik Kongo ein (vgl. AS 65 im Akt der Erstbeschwerdeführerin ). Darüber hinaus findet sich ein weiterer Ausreisestempel aus der D.R. Kongo vom XXXX .06.2015. Ferner ist in diesem Reisepass ein belgisches Schengen-Visum, gültig von XXXX .05.2015 bis XXXX .07.2015, angebracht und ist ein Einreisestempel des Flughafens Brüssel mit dem Datum XXXX .06.2015 erkennbar.

Gemäß einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beauftragten urkundentechnischen Untersuchung durch das Bundeskriminalamt vom 22.02.2016 handelt es sich bei dem tansanischen Visum um eine Totalfälschung. Hingegen gelangte das Bundeskriminalamt betreffend den Reisepass der Erstbeschwerdeführerin sowie betreffend das belgische Visum zu dem Ergebnis, dass die jeweiligen Formularvordrucke authentisch sind und sich keine Hinweis auf das Vorliegen von Verfälschungen ergeben haben.

Im Akt der Zweitbeschwerdeführerin befindet sich ebenfalls eine Kopie ihres Reisepasses, aus dem das belgische Visum sowie der Ausreisestempel aus der D.R. Kongo vom XXXX .06.2015 und der Einreisestempel des Flughafens Brüssel vom XXXX .06.2015 ersichtlich sind. Diese Urkunden wurden in einer Dokumentenstation der Landespolizeidirektion Oberösterreich auf Echtheit überprüft und konnten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer falschen oder verfälschten Urkunde gefunden werden (vgl. AS 57 im Akt der Zweitbeschwerdeführerin).

1.4. Am 14.06.2016 wurden die Beschwerdeführerinnen unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Französisch sowie die Zweitbeschwerdeführerin in Anwesenheit der Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Ferner waren der Bruder bzw. Onkel der Beschwerdeführerinnen als Vertrauensperson sowie der Vertreter der Erstbeschwerdeführerin anwesend. Beide Beschwerdeführerinnen gaben zunächst an, dass es ihnen gut gehe und sie die Dolmetscherin gut verstünden.

1.4.1. In ihrer eigenen Einvernahme brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie nicht vom Staat versorgt werde, sondern an der Adresse ihres Bruders wohnhaft sei. Abgesehen von ihrem Bruder habe sie keine sozialen Bindungen in Österreich. Fallweise habe sie Schmerzen im Lendenbereich. Ein Arzt in Österreich habe ihr dagegen schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente verschrieben. Im Herkunftsstaat sei sie nicht beim Arzt gewesen. Die Erstbeschwerdeführerin gehöre der Volksgruppe der Otetela an und sei katholischen Glaubens. Sie sei verheiratet und Mutter von fünf Kindern. Darüber hinaus betreue sie noch zwei Kinder ihrer verstorbenen älteren Schwester. Ihr Ehemann sei Berufsfahrer und komme nur selten nach Kinshasa. Sie selbst habe in Kinshasa gelebt und im Krankenhaus von XXXX als Krankenschwester gearbeitet. In der D.R. Kongo würden noch ihre Kinder, ihr Mann, ihre Eltern und ihre Geschwister leben. Sie habe Kontakt zu ihrem Ehemann, wenn dieser in Kinshasa sei.

Dezidiert zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie am XXXX an ihrem Arbeitsplatz im Krankenhaus in der chirurgischen Abteilung gewesen sei, als sie - gemeinsam mit anderen Kolleg/innen - einen Notruf erhalten habe, sie sollten zur Verstärkung in die Notfallambulanz kommen, da diese vollkommen überlastet sei. Im Jänner 2015 hätten Personen demonstriert, um ein drittes Mandat von Präsident Kabila zu verhindern. Es sei zu Massenverhaftungen mit Toten und Verletzten gekommen. Die meisten der Verletzten und auch der Getöteten seien in das Krankenhaus der Erstbeschwerdeführerin gekommen, wo sie versorgt worden seien. Um 01:00 Uhr in der Nacht seien Soldaten gekommen, um die Verletzten zu verhaften. Die Soldaten hätten die Verletzten und die Leichen der Getöteten in einen LKW verfrachtet und an einen unbekannten Ort gebracht. Anfang April 2015 habe es Zeitungsartikel über angebliche Massengräber in Kinshasa gegeben. Es sei die Rede davon gewesen, dass mehr als 400 Personen in einem Massengrab verscharrt worden wären. Das seien die Personen gewesen, die im Jänner 2015 gegen ein neues Mandat von Präsident Kabila demonstriert hätten und die deshalb getötet worden seien. Faktum sei, dass die Personen, die im Krankenhaus der Erstbeschwerdeführerin gewesen seien, spurlos verschwunden seien. Die Regierung habe gesagt, dass die in den Massengräbern befindlichen Leichen nicht die Demonstranten seien, sondern es sich um Ureinwohner handle, die niemand mehr kenne. Diese Erklärung sei für die Bevölkerung wenig glaubhaft gewesen und man habe eine unabhängige Untersuchung verlangt. Es sei dann zu Untersuchungen durch NGOs gemeinsam mit der Regierung gekommen. Während dieser Untersuchungen seien Ermittler ins Krankenhaus der Erstbeschwerdeführerin gekommen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei zu dieser Zeit [als Patientin] im Krankenhaus gewesen, da sie seit ihrem vierten Lebensjahr an genitalen Blutungen leide. Sie leide an Genitalhämorragie und sei auch in Österreich beim Arzt gewesen, man finde jedoch die Ursache nicht. Die Erstbeschwerdeführerin sei befragt worden und habe alles so ausgesagt, wie sie es erlebt habe und habe die Ermittler an die Örtlichkeiten begleitet, wo "dies alles" passiert wäre. Die Erstbeschwerdeführerin habe nicht gewusst, dass viele Vertreter der Sicherheitsbehörden inkognito im Krankenhaus aufhältig gewesen seien, um den Verlauf der Ermittlungen zu verfolgen. Diese hätten dann die Regierung informiert und die Personen bekanntgegeben, die - wie die Erstbeschwerdeführerin - die Wahrheit gesagt hätten. Sie habe auch gesagt, dass ein (namentlich genannter) Cousin von ihr an der Demonstration am XXXX teilgenommen habe, verhaftet worden und seither verschwunden sei. Einige Tage nach der Aussage habe die Zweitbeschwerdeführerin das Krankenhaus verlassen können. Am XXXX habe die Erstbeschwerdeführerin die erste Vorladung zur Polizei erhalten. In der Nacht vom XXXX . auf den XXXX seien fünf bewaffnete Männer zu ihr nach Hause gekommen, hätten die Tür aufgebrochen und seien ins Haus gelangt. Ihre beiden Nichten, die bei ihr zu Hause gewesen seien, hätten fliehen können. Einer der bewaffneten Männer habe der Erstbeschwerdeführerin seine Waffe an die Nase gehalten. Sie hätten sie geschlagen, entkleidet und versucht, sie zu vergewaltigen. Sie sei jedoch nicht vergewaltigt worden. Dann hätten sie sie mit einem LKW an einen unbekannten Ort gebracht und drei Tage festgehalten. Am vierten Tag sei ihr Ehemann nach Kinshasa gekommen und sei die Beschwerdeführerin mit Hilfe eines Offiziers, dem ihr Ehemann US $ 400,00 gegeben habe, freigelassen worden. Dieser Soldat habe ihr geraten, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Die Erstbeschwerdeführerin sei dann zu ihrer Schwiegermutter gegangen, die in einem andern Bezirk in Kinshasa lebe. Ihr Mann habe von Nachbarn erfahren, dass die Polizei nach der Erstbeschwerdeführerin suche und es einen Haftbefehl gebe. Daher habe sie den Entschluss zur Flucht gefasst. Wenn sie heute in die D.R. Kongo zurückkehren würde, würde sie sich in einem solchen Massengrab wiederfinden.

Die Erstbeschwerdeführerin habe seit Dezember 2011 in diesem Krankenhaus gearbeitet. Als sie von den bewaffneten Männern überfallen worden sei, seien ihre Kinder bei ihrer Schwiegermutter gewesen. Sie habe insgesamt drei Schreiben erhalten. Die erste Vorladung vom XXXX habe ihr ein Staatsbeamter persönlich ausgefolgt. Das dritte Schreiben habe ihr ihr Mann nachgeschickt. Sie sei damals schon in Österreich gewesen. Ein Beamter habe das Schreiben ihrer Nachbarin ausgefolgt, da er gedacht habe, sie sei die Erstbeschwerdeführerin. Die Nachbarin habe es dann dem Mann der Erstbeschwerdeführerin gegeben. Die zweite Vorladung sei auch der Nachbarin ausgefolgt worden. Diese habe sie dem Mann der Erstbeschwerdeführerin gegeben, die damals an der Adresse ihrer Schwiegermutter gewesen sei. Der Ladung für den XXXX sei die Erstbeschwerdeführerin nicht nachgekommen. Ihre Schmerzen seien auf den Vorfall in der Nacht vom XXXX . auf den XXXX zurückzuführen. Damals sei sie mit einem Gürtel geschlagen worden. Wie die Uniformen der Männer ausgesehen hätten, wisse sie nicht mehr. Es gebe so viele verschiedene Uniformen.

Neben ihrem Diplom als Krankenschwester vom XXXX .09.2011 legte die Erstbeschwerdeführerin im Zuge dieser Einvernahme nachstehende Unterlagen in Kopie in französischer Sprache vor:

* Convocation vom XXXX ;

* Convocation vom XXXX und

* Mandat de Comparution vom XXXX

Ferner finden sich im Akt der Erstbeschwerdeführerin einige allgemein gehaltene (Zeitungs)berichte in deutscher und französischer Sprache betreffend die Proteste gegen die dritte Amtszeit von Präsident Joseph Kabila sowie betreffend die Entdeckung eines Massengrabes in XXXX , in der Nähe von Kinshasa.

Aus einer vom Bundesamt veranlasste Übersetzung der vorgelegten Unterlagen in Kopie lässt sich Folgendes entnehmen:

* Convocation vom XXXX : Erste Vorladung: Aufforderung des Generalkommissariats der nationalen kongolesischen Polizei an die Erstbeschwerdeführerin, am XXXX im dortigen Büro zu erscheinen, um zu Fakten angehört zu werden, die ihr dann bekannt gegeben werden;

* Convocation vom XXXX : Zweite Vorladung: Aufforderung des Generalkommissariats der nationalen kongolesischen Polizei an die Erstbeschwerdeführerin, am XXXX im dortigen Büro zu erscheinen, um zu Fakten angehört zu werden, die ihr dann bekannt gegeben werden;

* Mandat de Comparution vom XXXX : Vorladung der Staatsanwaltschaft von XXXX für die Erstbeschwerdeführerin für den XXXX zu einer Einvernahme, bei der sie zu Straftaten befragt werden soll, die ihr zur Last gelegt werden

1.4.2. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte in ihrer eigenen Einvernahme vor, dass sie die Neue Mittelschule besuche. Seit sie vier Jahre alt sei, leide sie unter Blutungen. Allerdings wisse sie nicht, um welche Krankheit es sich handle. Die Zweitbeschwerdeführerin sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Auf die Frage nach ihren persönlichen Beweggründen, die D.R. Kongo zu verlassen, gab sie an, sie wisse es nicht genau. Die Zweitbeschwerdeführerin glaube, es habe damit zu tun, dass sie krank sei. Aufgefordert zu erzählen, wie sie es erlebt habe, dass sie habe ausreisen müssen, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie sei im Krankenhaus gewesen. Von dort aus sei sie zu ihrer Großmutter gegangen. Sie habe nicht mehr zur Schule gehen können, da sie krank gewesen sei. Man habe ihr dann einen Transfer nach Europa ermöglicht. Wie das erfolgt sei, wisse sie nicht. Ihr hier anwesender Onkel habe ihr geholfen. Sie habe ein Papier unterschrieben und sei jetzt hier. Auch in Österreich sei sie schon im Krankenhaus gewesen. Man habe ihr geholfen, aber sie sei noch nicht geheilt. Die Zweitbeschwerdeführerin glaube, sie sei vor der Ausreise ca. ein Monat im Krankenhaus gewesen. Wegen "dieser Sachen" sei sie oft im Krankenhaus gewesen. Zur Frage, wer vorgeschlagen habe, dass sie nach Europa bzw. Österreich komme, um sich behandeln zu lassen, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, das Krankenhaus habe den Transfer gemacht, da sie nicht in der Lage gewesen seien, sie richtig zu behandeln. Wie lange sie nach dem Krankenhaus bei ihrer Großmutter gewesen sei, wisse sie nicht mehr. Ihre Mutter habe in dem Krankenhaus gearbeitet, in dem auch die Zweitbeschwerdeführerin behandelt worden sei. Das Krankenhaus habe ihr nicht mehr helfen können; sie hätten nicht mehr gewusst, was sie hätten tun sollen. Mit den Behörden oder der Polizei habe sie in ihrem Herkunftsstaat nie Probleme gehabt. Ihr Vater lebe zwar bei der Familie, sei aber viel auf Reisen. Sie seien drei Schwestern, zwei Brüder und zwei Cousinen würden auch bei der Familie leben. Die Zweitbeschwerdeführerin glaube, ihre Mutter (= Erstbeschwerdeführerin) habe von allen Kindern ausgerechnet sie mitgenommen, weil sie krank sei. Sie sei mit der Erstbeschwerdeführerin bei einer Botschaft gewesen, wisse jedoch nicht mehr wann das gewesen sei. Über die Probleme, die die Erstbeschwerdeführerin mit den Behörden habe, wisse sie nichts. Ihre Mutter habe nicht bei der Großmutter gelebt. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Zweitbeschwerdeführerin von ihrer Großmutter abgeholt und dann seien sie direkt zum Flughafen gefahren. Die Erstbeschwerdeführerin habe nicht bei der Großmutter übernachtet, sondern nur die Zweitbeschwerdeführerin dort abgeholt.

Im Akt der Zweitbeschwerdeführerin findet sich eine Einladung eines Krankenhauses vom XXXX an die Zweitbeschwerdeführerin zur Untersuchung bzw. Diagnosestellung sowie gegebenenfalls Therapie betreffend einen Tumor im Bereich der Gebärmutter, da eine eindeutige Diagnose in der Universität von Kinshasa nicht möglich war (vgl. AS 83 im Akt der Zweitbeschwerdeführerin) sowie eine diesbezügliche Information an die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin.

Ferner wurden nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* Schreiben eines österreichischen Krankenhauses an ein Krankenhaus in Kinshasa (in deutscher Sprache) vom XXXX , demzufolge sich bei der Zweitbeschwerdeführerin ein Tumor im Bereich der Gebärmutter findet und dass eine genaue Diagnose und Therapie in diesem österreichischen Krankenhaus erfolgen könne;

* Schreiben dieses Krankenhauses an die Erstbeschwerdeführerin vom XXXX , dass sich bei der Zweitbeschwerdeführerin ein Tumor im Bereich der Gebärmutter findet und aus medizinischer Sicht die Erteilung von Visa für die Beschwerdeführerinnen befürwortet wird;

* Befundbericht der gynäkologischen Ambulanz eines Krankenhauses vom XXXX 2015 mit den Diagnosen unklare abdominelle Beschwerden sowie Abszesse/Furunkel Axilla (= Achselhöhle) links und der Angabe, dass die Zweitbeschwerdeführerin als Kind einmal entführt, ein paar Tage später nach Hause gebracht und unter Umständen missbraucht wurde;

* Schreiben eines Arztes für Allgemeinmedizin vom XXXX 2016, demzufolge die Zweitbeschwerdeführerin an einem Tumor im Bereich der Gebärmutter leidet und aus medizinischer Sicht um rasche Erteilung von Visa für die Beschwerdeführerinnen ersucht wird, da es aus psychologischer Sicht notwendig erscheint und die Zweitbeschwerdeführerin noch minderjährig ist (vgl. AS 91 im Akt der Zweitbeschwerdeführerin);

* Überweisung vom XXXX 2016 an einen Facharzt für Gynäkologie;

* Rapport medical der Universitätsklinik von Kinshasa vom XXXX (in französischer Sprache sowie in deutscher Übersetzung vorgelegt) mit dem Ergebnis: "Halsmasse zu untersuchen: Polyp? Gemischter Bindegewebstumor?";

* Attestation medicale eines Krankenhauses vom XXXX (in französischer Sprache), dem zu entnehmen ist, dass die Zweitbeschwerdeführerin ab XXXX sieben Tage lang stationär dort aufhältig war;

* Schreiben eines Arztes für Allgemeinmedizin vom XXXX 2016, dass die Erstbeschwerdeführerin unter protrahierter Lumbalgie leidet und seit XXXX 2016 medikamentös und physikalisch behandelt wird;

* zwei Rezepte vom XXXX 2016;

* Befundbericht eines Facharztes für Frauenheilkunde vom XXXX 2016, dem betreffend die Zweitbeschwerdeführerin die Diagnose unauffälliger gynäkologischer Befund zu entnehmen ist und

* Schreiben eines Arztes für Allgemeinmedizin vom XXXX 2016, dass die Zweibeschwerdeführerin an unklaren Mittelbauchbeschwerden leidet

1.5. Am 17.11.2016 langte eine Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters der Erstbeschwerdeführerin zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen des Bundesamtes ein. In dieser wird auf die angespannte Sicherheitslage verwiesen und weiters ausgeführt, dass die gerichtlichen Verfahren unter erheblichen rechtsstaatlichen Mängeln leiden würden. Ein objektives Verfahren könne nicht garantiert werde. Auch sei die Menschenrechtslage als äußerst problematisch anzusehen. Es werde darauf hingewiesen, dass die Erstbeschwerdeführerin Zeugin einer Gräueltat von kongolesischen Behörden gewesen und daraufhin von kongolesischen Beamten entführt worden sei. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie bei einer Rückkehr in die D.R. Kongo von staatlichen Behörden weiterhin verfolgt werde. Die humanitäre Situation in der D.R. Kongo sei äußerst dramatisch. Auch die medizinische Versorgung sei eine der schlechtesten der Welt. Zudem könne eine medizinische Behandlung sehr teuer werden, was sich die arme Bevölkerungsgruppe nicht leisten könne. Man bekomme bei Rückkehr auch keine staatliche Unterstützung. Die Zweitbeschwerdeführerin habe schwere gesundheitliche Probleme und hätten die Ärzte in der D.R. Kongo selbst angegeben, dass eine Therapie dort nicht möglich sei. In Österreich sei in einem Krankenhaus am XXXX festgestellt worden, dass ein Tumor im Bereich der Gebärmutter gefunden worden sei. Zwar habe der letzte Befund vom XXXX 2016 Unauffälligkeiten ergeben, allerdings wäre es im Fall der Rückkehr unumgänglich, die Therapie bzw. Kontrollen zu unterbrechen.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. dieser Bescheide wurden die Anträge der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat D.R. Kongo gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG abgewiesen. Ferner wurde ihnen unter den Spruchpunkten III. Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen sie wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die D.R. Kongo gemäß § 46 FPG zulässig ist. Letztlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Begründend wurde betreffend beide Beschwerdeführerinnen festgestellt, dass diese an keiner lebensbedrohenden Erkrankung leiden würden. Die Ausführungen zu den Gründen für das Verlassen des Heimatlandes seien nicht glaubwürdig gewesen und habe daher nicht festgestellt werden können, dass den Beschwerdeführerinnen im Fall der Rückkehr in ihr Heimatland eine Verfolgung drohen würde. Die Beschwerdeführerinnen seien legal eingereist. Sie würden ihren Aufenthalt auf asylrechtlicher Basis regeln und habe die Erstbeschwerdeführerin einen Bruder bzw. die Zweitbeschwerdeführerin einen Onkel in Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden unter Anführung von Quellen Länderfeststellungen zur Lage in der Demokratischen Republik Kongo.

Der Beweiswürdigung im Bescheid der Erstbeschwerdeführerin ist mit näherer Begründung zu entnehmen, dass ihre Angaben zur behaupteten Bedrohungssituation nicht glaubhaft seien. Sie würden sich nicht mit jenen der Zweitbeschwerdeführerin decken und seien auch die vorgelegten Vorladungen der kongolesischen Polizei offensichtlich selbst bzw. durch Dritte erstellt worden. Ferner sei ein weiteres Indiz dafür, dass die kongolesischen Behörden nicht nach der Erstbeschwerdeführerin gesucht hätten, dass es ihr problemlos möglich gewesen sei, sich die Visa für den Schengen-Raum bei der belgischen Botschaft zu beschaffen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe offenbar von den Begebenheiten, die die Erstbeschwerdeführerin vorgebracht habe, keine Kenntnis gehabt. Auch habe die Erstbeschwerdeführerin bei ihrer Einvernahme von einem Haftbefehl gesprochen, dem die vorgelegten Schreiben jedenfalls nicht entsprochen hätten. Ferner habe die Zweitbeschwerdeführerin auch keine Kenntnis davon gehabt, dass die Erstbeschwerdeführerin vor ihrer Ausreise bei ihrer Schwiegermutter - sohin der Großmutter der Zweitbeschwerdeführerin - gewohnt habe. Im Bescheid der Zweitbeschwerdeführerin wurde darauf verwiesen, dass die vorgelegten Befunde nicht auf einen behaupteten Tumor in der Gebärmutter hingewiesen hätten. Diesbezüglich würden diese Befunde keine Anhaltspunkte enthalten. Ein Facharzt für Frauenheilkunde habe ihr lediglich eine Therapie zur Behandlung von vaginalen Bakterien verschrieben. Eine lebensgefährliche Erkrankung sei jedenfalls nicht diagnostiziert worden, was auch der Umstand zeige, dass die Zweitbeschwerdeführerin sich erst nach Anstoß des Bundesamtes ein Jahr nach Ankunft in Österreich bzw. nach der ersten Untersuchung wieder in ärztliche Betreuung begeben habe. Das Vorbringen zum Privat- und Familienleben werde als glaubhaft angesehen. Die Feststellungen zur D.R. Kongo würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass es der Erstbeschwerdeführerin nicht gelungen sei, ihre Fluchtgründe glaubhaft darzustellen. Die Zweitbeschwerdeführerin selbst habe nichts vorgebracht, was unter einen der Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention subsumierbar wäre. Zu den jeweiligen Spruchpunkten II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass seitens der Behörde keine exzeptionellen Umstände im Hinblick auf die D.R. Kongo festgestellt hätten werden können, die die Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK gleichzuhalten wären. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführerinnen im Fall der Rückkehr in die D.R. Kongo die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Zu den jeweiligen Spruchpunkten III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich das Familienleben in Österreich auf den Bruder bzw. Onkel der Beschwerdeführerinnen beziehe, zu dem kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Die Beschwerdeführerinnen würden ihren Aufenthalt im Rahmen des Asylverfahrens regeln, sodass schon bei Antragstellung hätte klar sein müssen, dass der Aufenthalt in Österreich bei Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender sei. Eine Prüfung der sonstigen Kriterien habe keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbleib im Bundesgebiet ergeben. Daher sei die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall ihrer Ausweisung in ihrem Recht nach Art. 8 EMRK nicht verletzt würden. Letztlich wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde den Beschwerdeführerinnen am 02.12.2016 amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Zweitbeschwerdeführerin im Wege ihrer nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht am 19.12.2016 Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin die Gründe für das Verlassen des Heimatlandes ausführlich dargelegt habe. Nach Wiederholung bzw. Zusammenfassung des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin wurde angegeben, dass den Beschwerdeführerinnen Asyl zu gewähren sei, da gegen sie Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien und sicher wieder auch gesetzt würden. Die Länderfeststellungen würden bestätigen, dass Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstranten vorgingen und dass sexualisierte Gewalt von Regierungstruppen vorkomme. Der Bruder der Erstbeschwerdeführerin besitze die österreichische Staatsbürgerschaft und arbeite als katholischer Pfarrer.

Der Beschwerde beigelegt war ein Schreiben des medizinischen Zentrums von Kinshasa an die Botschaft von Belgien vom XXXX , dass der Aufenthalt der Zweitbeschwerdeführerin in Belgien aus medizinischen Gründen wünschenswert erscheint und sie durch die Erstbeschwerdeführerin während der Reise sowie während des Aufenthalts begleitet sein muss (in Französisch mit deutscher Übersetzung vorgelegt).

4.1. Mit Schreiben vom 15.12.2017 wurden betreffend die Erstbeschwerdeführerin nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* Kursbesuchsbestätigung "Deutsch B2" vom XXXX .09.2017;

* Teilnahmebestätigung an einer "Rollstuhlschulung" vom XXXX .12.2017;

* Zertifikat "Deutsch Österreich B1" mit der Beurteilung "ausreichend bestanden" vom XXXX .05.2017;

* ÖSD Zertifikat A2 mit der Beurteilung "bestanden" vom XXXX .11.2016;

* ÖSD Zertifikat A1 mit der Beurteilung "gut bestanden" vom XXXX .02.2016 und

* Kursbesuchsbestätigung eines Deutschkurses vom XXXX .06.2016

4.2. Am 15.02.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben des Bruders der Erstbeschwerdeführerin mit dem Titel "Tatsächlicher Wille zur Integration" vom XXXX .02.2018 ein. Diesem Schreiben ist im Wesentlichen das bisherige Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin zu entnehmen. Ferner wurde ausgeführt, dass sie Deutschkurse besuche und in der Pfarre ihres Bruders mithelfe sowie die Sonntagsmessen besuche. Die Zweitbeschwerdeführerin bereite sich auf ihre Firmung vor. Dem Schreiben beigelegt war eine Bestätigung einer "Managerin Ehrenamt und Alltagsbegleitung", dem zu entnehmen ist, dass die Erstbeschwerdeführerin seit XXXX .11.2017 ehrenamtlich in einem Pflegezentrum tätig ist.

4.3. Weiters legte die Erstbeschwerdeführerin am 16.11.2018 eine undatierte Teilnahmebestätigung an einem Sprachtreff B1 sowie eine Kursbesuchsbestätigung "Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz" vom XXXX .06.2018 vor.

4.4. Am 07.05.2019 langte ein weiteres Empfehlungsschreiben des Bruders der Erstbeschwerdeführerin sowie der "Managerin Ehrenamt und Alltagsbegleitung" beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4.5. Mit Urkundenvorlage vom 21.10.2019 wurden betreffend beide Beschwerdeführerinnen folgende Integrationsunterlagen vorgelegt:

* Teilnahmebestätigung der Erstbeschwerdeführerin am ÖSD Deutschkurs B2/B2+ vom XXXX .04.2018;

* Bestätigung der Erstbeschwerdeführerin über die Teilnahme an einem Erste Hilfe Kurs vom XXXX .06.2019;

* Bestätigung einer "Managerin Ehrenamt und Alltagsbegleitung" vom XXXX .03.2019, dem zu entnehmen ist, dass die Erstbeschwerdeführerin seit November 2017 in einem Pflegezentrum als ehrenamtliche Mitarbeiterin tätig ist;

* Bestätigung der land- und forstwirtschaftlichen Lehrlings- und Fachausbildungsstelle Niederösterreich vom XXXX .09.2019, dass die Zweitbeschwerdeführerin eine mindestens dreijährige einschlägige Ausbildung absolviert hat und die Berufsbezeichnung "Facharbeiterin Ländliches Betriebs- und Haushaltsmanagement" führen darf;

* Zeugnis einer landwirtschaftlichen Fachschule der Zweitbeschwerdeführerin betreffend die bestandene Prüfung als Kinderbetreuerin vom XXXX .06.2019;

* Zeugnis einer landwirtschaftlichen Fachschule vom XXXX .06.2019, dass die Zweitbeschwerdeführerin die fachliche Befähigung zur Ausübung des Berufes als Betreuungsperson in einer niederösterreichischen Tagesbetreuungswerkstätte erlangt hat;

* Schulbesuchsbestätigung einer Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe vom XXXX .09.2019 für die Zweitbeschwerdeführerin;

* Bestätigung eines Erste Hilfe Kurses sowie Ausbildungsbestätigung eines Kindernotfallskurs vom Juni 2019 für die Zweitbeschwerdeführerin;

* Bestätigung Grundkurs Erste Hilfe der Zweitbeschwerdeführerin vom XXXX .06.2017;

* Jahres- und Abschlusszeugnis der Zweitbeschwerdeführerin als Schülerin der 11. Schulstufe einer landwirtschaftlichen Fachschule für das Schuljahr 2018/2019;

* Ergänzende differenzierende Leistungsbeschreibung einer Neuen Mittelschule vom XXXX .07.2016;

* Beurteilung "Deutsch als Zweitsprache" vom XXXX .06.2016 sowie vom ersten Halbjahr des Schuljahres 2015/2016 der Zweitbeschwerdeführerin und

* Schulnachricht vom XXXX .01.2016 sowie Jahreszeugnis vom XXXX .07.2016 einer Neuen Mittelschule für die Zweitbeschwerdeführerin (Benotungen: "nicht beurteilt")

5. Am 26.11.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Französisch statt, an der beide Beschwerdeführerinnen mit ihrer nunmehrigen Vertreterin in Anwesenheit ihres Bruders bzw. Onkels als Vertrauensperson teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist nicht erschienen; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sich mit E-Mail vom 10.10.2019 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Bereits mit der Ladung wurden den Verfahrensparteien die Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur aktuellen Situation in der Demokratischen Republik Kongo zur Kenntnis gebracht.

Eingangs der Verhandlung gaben beide Beschwerdeführerinnen an, dass ihnen die Niederschriften der Erstbefragung und vor dem Bundesamt rückübersetzt worden seien und sie die die Wahrheit gesagt hätten. Die Dolmetscher in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem Bundesamt hätten sie gut verstanden.

Zu ihrer Integration in Österreich brachten beide Beschwerdeführerinnen vor, dass sie von ihrem Bruder bzw. Onkel finanziell abhängig seien, der sich um sie kümmere. Darüber hinaus hätten sie keine Verwandten, aber viele Bekannte und (Schul)kollegen im Bundesgebiet. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, sie seien nicht in der Grundversorgung und würden seit 2017 Unterstützung von der Caritas bekommen. Mit ihrem Bruder würden sie im gemeinsamen Haushalt leben. Sie habe Deutschkurse besucht und sei ihr letztes Zertifikat B1. Nunmehr besuche sie den B2 Kurs. Die Erstbeschwerdeführerin arbeite nicht und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Sie dürfe derzeit nicht arbeiten. Sie sei Krankenschwester und würde gerne in ihrem Beruf arbeiten. Nunmehr sei sie als freiwillige Mitarbeiterin im XXXX tätig. Das sei ein Altersheim. Dort sei sie eingeschult worden. Es gebe drei Ausbildungen, nämlich die Einschulung - das betreffe den Umgang mit Rollstühlen und technischen Hilfsmitteln - die Erste Hilfe im Altenheim und eine Ausbildung zum Thema "spezielles Verhalten der Insassen". Sie habe alle drei Ausbildungen gemacht. Im XXXX sei die Erstbeschwerdeführerin in alle Aktivitäten eingebunden. Ihre Arbeitszeit sei von 9 Uhr bis 12 Uhr, aber sie stehe auch am Nachmittag zur Verfügung. Bezahlt werde sie für diese Tätigkeit nicht. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie Deutsch in der Schule gelernt und daher keine Deutschkurse besucht habe. Aktuell besuche sie die erste Klasse Aufbaulehrgang der XXXX . Sie wolle die Matura machen - das sei ca. in drei Jahren - und danach in der Gastronomie arbeiten, da sie eine Ausbildung in Service und Kochen habe. Bis 2016 sei sie in einer Neuen Mittelschule gewesen. Danach habe sie drei Jahre lang eine landwirtschaftlichen Fachschule besucht und sei jetzt in einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe. Die Zweitbeschwerdeführerin habe alle Schulstufen positiv abgeschlossen. In ihrer Freizeit lerne sie viel.

Zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zur allgemeinen Lage in der Demokratischen Republik Kongo gab die Vertreterin der Beschwerdeführerinnen an, dass sie entweder am Ende der Verhandlung eine mündliche oder in der Folge eine schriftliche Stellungnahme abgeben werde.

Auf Vorhalt des Verdachts des gefälschten Visums in ihrem Reisepass gab die Erstbeschwerdeführerin an, es sei geplant gewesen, dass sie mit einer anderen Frau nach Tansania fahre, die jedoch vor Reiseantritt verstorben sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei bei der Botschaft gewesen und habe den Pass gemeinsam mit dem Visaantrag abgegeben und habe dann das Visum bekommen. Sie sei aber nie in Tansania gewesen. Sie sei sehr überrascht gewesen als man ihr gesagt habe, dass das Visum gefälscht sei. Die Dame, die dann verstorben sei, habe die Visa für sie beide beschafft. Ihr Reisepass befinde sich nach wie vor bei den österreichischen Behörden.

Zu ihrem Gesundheitszustand brachte sie vor, sie sei gesund und stehe aktuell nicht in Behandlung. Sie habe zwar zuvor Infusionen und Massagen bekommen, habe jedoch keine Befunde. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass sie gesund sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei Staatsangehörige der D.R. Kongo, gehöre der Volksgruppe der Otetela an und sei katholisch. Sie beherrsche die Sprachen Französisch, Lingala und Otetela in Wort und Schrift. Sie sei nach wie vor verheiratet und Mutter von fünf Kindern. Ihre Mutter, ihre Kinder und ihr Mann würden noch in der D.R. Kongo leben. Auch habe sie sich immer um die beiden Kinder ihrer verstorbenen Schwester gekümmert, die in den Jahren 2000 und 2008 geboren seien. Das mache jetzt ihr Mann. Er verteile das Einkommen auf alle Kinder. Die Erstbeschwerdeführerin sei in der Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Mit ca. 20 Jahren sei sie nach Kinshasa gezogen, wo sie bis zu ihrer Ausreise gelebt habe. Ihr Mann sei Chauffeur und halte sich oft an verschiedenen Orten auf. Ihre Kinder würden verstreut leben. Sie habe mit ihrer Mutter und mit ihrem Mann ca. einmal pro Monat Kontakt und mit ihren Kinder ca. alle zwei Wochen. Ihre Mutter lebe in XXXX und ihr gehe es einigermaßen gut. Ihr Mann könne nicht in Kinshasa bleiben; er werde dort "von den Leuten" verfolgt. Damit meine sie die Soldaten; diese Leute, die in der Nacht gekommen seien, um sie zu verhaften.

Die Erstbeschwerdeführerin sei diplomierte Krankenschwester und habe in einem Krankenhaus in Kinshasa von Dezember 2011 bis April 2015 gearbeitet. Ihre Schulbildung habe sie mit Matura abgeschlossen und habe ihren Lebensunterhalt durch die Arbeit als Krankenschwester verdient. Hiervon habe sie "ganz gut" leben können. Sie sei legal mit einem Visum in Österreich eingereist, da sie aufgrund der Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin die Einladung von einem Arzt gehabt habe. Die Zweitbeschwerdeführerin hätte mit einer Nichte der Erstbeschwerdeführerin reisen sollen, aber da die Erstbeschwerdeführerin verfolgt worden sei, habe sie diese Gelegenheit wahrgenommen. Das Visum habe sie Ende April oder im Mai beantragt. Auf Vorhalt, sie habe am XXXX .06.2015 die D.R. Kongo verlassen, sei am XXXX .06.2015 in Brüssel gelandet, habe jedoch erst am 01.07.2015 den Antrag auf internationalen Schutz gestellt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie habe sich erst ein wenig erholen wollen.

Dezidiert zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen und zusammengefasst an, dass ihr Leben in Gefahr gewesen sei wegen der Zeugenaussage in der Rechtssache betreffend Massengrab in XXXX . Während eines Protestmarsches gegen die dritte Amtszeit von Präsident Kabila am XXXX seien Personen verletzt oder getötet worden, die dann ins Krankenhaus der Erstbeschwerdeführerin gekommen seien. Gegen ein Uhr Nachts seien Uniformierte gekommen und hätten die Verletzten verhaftet. Auch die Getöteten seien auf LKWs geladen und von den Uniformierten weggebracht worden. Anfang April 2015 sei von den Medien verbreitet worden, dass ein Massengrab gefunden worden sei mit über 400 Toten und hätten die Leute gedacht, das seien jene Personen, die am Protestmarsch am XXXX teilgenommen hätten, weil die Leichen und die Verletzten, die vom Krankenhaus abtransportiert worden seien, nie mehr wiedergefunden worden seien. Die Regierung habe die Information verbreitet, dass es sich bei den Toten um Leute handle, die von ihren Familien verstoßen worden seien. Da die Leute mit der offiziellen Erklärung nicht einverstanden gewesen seien, habe es eine Untersuchung gegeben. In jener Nacht vom XXXX sei die Zweitbeschwerdeführerin als Patientin auch in dem Krankenhaus gewesen. Sie habe seit ihrem vierten Lebensjahr an Blutungen gelitten und habe die Genehmigung gehabt, dass sie in einem spezialisierten Krankenhaus behandelt werden müsse und, dass sie eine Behandlung bekomme wie in Österreich. Die Erstbeschwerdeführerin habe als Augenzeugin berichtet wie die Verletzten und Getöteten am XXXX ins Krankenhaus gebracht worden seien und auch, dass diese in der Nacht mit LKWs vom Krankenhaus weggebracht worden seien. Ihr sei nicht aufgefallen, dass während der Untersuchung einige Personen nur da gewesen seien, um Zeugen zu identifizieren. Daher sei sie identifiziert worden und habe am XXXX die Vorladung von der Polizei erhalten. In der Nacht vom XXXX . auf den XXXX seien sie und ihre Angehörigen von fünf bewaffneten Personen überrascht worden, die in ihr Haus eingedrungen seien. Ihre Nichten seien geflohen. Sie sei gestoßen worden und man habe sie mit einem Gürtel auf den nackten Rücken geschlagen. Dann habe man sie an einen ihr unbekannten Ort gebracht, wo auch andere Gefangene gewesen seien. Diese hätten sie auch geschlagen; das sei ein Brauch, um einen Neuling "willkommen zu heißen". Sie sei drei Tage eingesperrt gewesen und habe sie ihr Mann mit Hilfe eines Offiziers freigekauft. Dieser Soldat habe ihr gesagt, sie solle das Land so schnell wie möglich verlassen, da alle, die als Zeugen ausgesagt hätten, zum Tode verurteilt worden seien. Sie sei dann zu ihrer Schwiegermutter gegangen. Ihr Mann sei nach Hause gefahren und habe von den Nachbarn erfahren, dass die Polizei einen Haftbefehl gegen die Erstbeschwerdeführerin erlassen habe und dass nach ihr gesucht werde. Daher habe sie die Gelegenheit genutzt und die Zweitbeschwerdeführerin begleitet. Auf Nachfrage gab die Erstbeschwerdeführerin an, die Zeugenaussage habe sie im März 2015 getätigt, um sich in der Folge dahingehend zu korrigieren, dass es Anfang April gewesen sei. Im März sei sie mit der Zweitbeschwerdeführerin im Krankenhaus gewesen. Der Haftbefehl sei von Ende April / Anfang Mai gewesen. Von der Polizei habe sie eine Vorladung erhalten und eine weitere sei an die Adresse ihrer Schwiegermutter gekommen. Den Haftbefehl habe sie nicht gesehen. Die Dokumente, die sie beim Bundesamt vorgelegt habe, seien die Originale. Diese habe ihr ihr Mann nachgeschickt als sie schon in Österreich gewesen sei. Der Offizier habe ihr gesagt, sie solle sie nicht mitnehmen, da sie damit nicht durch die Kontrollen am Flughafen käme. Auf Vorhalt, es seien drei Vorladungen vorgelegt worden und zwar vom XXXX , vom XXXX und vom XXXX ; die Erstbeschwerdeführerin habe jedoch nur von zwei gesprochen, gab sie an, am XXXX sei sie nicht mehr in Kinshasa gewesen. Eine Bekannte sei gekommen und ihr Mann habe sie ihr geschickt. Die meisten Verletzten und Getöteten von der Demonstration am XXXX seien nie wieder aufgetaucht. Auf Vorhalt, vor dem Bundesamt habe sie ausgesagt, in dem Massengrab seien die Leute gewesen, die demonstriert hätten, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie hätten den Verdacht gehabt, weil die Erklärung der Regierung, es seien die Leute gewesen, die von ihren Familien verstoßen worden seien, nicht nachvollziehbar sei. Und in Kinshasa habe man nie zuvor von einem Massengrab gehört. Die Ermittler habe sie im Krankenhaus zu den Örtlichkeiten begleitet, wo die Verletzten in Empfang genommen worden seien und wo sie sie behandelt hätten und wo die Leichname gelagert worden seien und wo die Personen in die LKWs verfrachtet worden seien. Bei dem Vorfall vom XXXX . auf den XXXX sei ihr Mann auf Reisen gewesen und ihre Kinder bei ihrer Schwiegermutter. Die beiden Nichten seien bei ihr gewesen, da sie in Kinshasa studiert hätten. Auf Vorhalt, die Nichten seien 2000 und 2008 geboren, gab die Erstbeschwerdeführerin an, es seien nicht die Kinder ihrer verstorbenen Schwester gewesen, sondern von anderen Familienmitgliedern. Diese Männer hätten ihr Foto gehabt und ihr gesagt, sie seien gekommen, um sie mitzunehmen. Sie wisse nicht, weswegen man sie beschuldigt habe, da niemand mit ihr geredet hätte. Sie sei nur eingesperrt gewesen. Die Nachbarin habe ihren Mann über den Haftbefehl informiert. Woher sie das wisse, wisse die Erstbeschwerdeführerin nicht. Auf Vorhalt, dass Kabila seit Anfang 2019 nicht mehr Präsident sei, brachte sie vor, auch wenn er nicht mehr Präsident sei, mache er alles. Auf weiteren Vorhalt, der jetzige Präsident sei von der UDPS, gab sie an, die echte Opposition sei Tshisekedi. Auf erneuten Vorhalt, der jetzige Präsident sei Tshisekedi brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, sie meine Tshisekedi den Vater; der jetzige Präsident sei sein Sohn, der ein Freund von Kabila sei. Bei ihrer Schwiegermutter sei sie von den Behörden nicht gesucht worden. Auf Vorhalt, wie sie sich ein Visum besorgen und ausreisen habe können, wenn sie gesucht werde, brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, sie habe die Unterstützung des Offiziers gehabt, dem ihr Mann 1.000 Dollar gegeben habe, um sie bei Bedarf zu verteilen. Auf Vorhalt, ob es nicht vielmehr so sei, dass sie nach Österreich gekommen sei, weil ihr Bruder hier lebe und sie ihre Tochter habe medizinisch behandeln lassen wollen, gab sie an, sie habe ein geistig behindertes Kind in der Heimat, von dem sie sich nie getrennt hätte. Ihr Mann sei bis November 2015 an der gemeinsamen Adresse geblieben und dann habe er diese aufgegeben, weil er immer behelligt worden sei. Es habe immer Leute gegeben, die nach der Erstbeschwerdeführerin gefragt hätten. Auch sei das Haus ausgeraubt worden. Auf Vorhalt, es sei unlogisch, dass die Erstbeschwerdeführerin unbehelligt habe ausreisen können, wenn sogar ihr Mann behelligt werde, brachte sie vor, sie hätten Geld gezahlt und habe sich der Offizier mit den Behörden arrangiert. Sie befürchte eine Verfolgung in der D.R. Kongo, weil sie auch in Zukunft die Wahrheit sagen müsse. Wegen der angegebenen Gründe wolle sie eine positive Entscheidung erhalten, damit sie das bereits gewonnene Leben hier fortsetzen könne.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihrem Gesundheitszustand zunächst an, dass sie gesund sei. Auf Vorhalt der Angaben der Erstbeschwerdeführerin brachte sie vor, es gehe ihr gut; nur manchmal gehe sie zur Kontrolle ins Krankenhaus. Manchmal habe sie nur Schmerzen. Man habe ihr den Namen der Erkrankung nicht genannt. Sie habe eine Geschwulst gehabt. Operiert worden sei sie nicht. Sie müsse keine Medikamente nehmen und stehe auch nicht in medizinischer Behandlung. In der D.R. Kongo sei sie in verschiedenen Krankenhäusern in Behandlung gewesen. Auf Vorhalt gemäß einem Schreiben des medizinischen Zentrums von Kinshasa hätte sie in Belgien behandelt werden sollen, brachte die Zweitbeschwerdeführerin vor, sie sei nicht in Belgien gewesen, weil sie dort keine Familie habe. Ihr Onkel habe ihr angeboten, hierherzukommen. In Belgien kenne sie niemanden. Sie sei nach Österreich gereist, um hier medizinisch behandelt zu werden. Andere Gründe, um nach Österreich zu kommen, habe sie nicht gehabt.

Sie sei Staatsangehörige der D.R. Kongo, Kongolesin und römisch-katholisch. Von einer Volksgruppe wisse die Zweitbeschwerdeführerin nichts. Sie beherrsche Französisch und Deutsch in Wort und Schrift, etwas Englisch und etwas Italienisch. Otetela und Lingala könne sie sprechen. Sie habe keinen Kontakt zu ihren Angehörigen im Herkunftsstaat. Auch zu ihrem Vater habe sie keinen Kontakt und wisse auch nicht, wo ihre Angehörigen leben würden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in einem Stadtteil oder Bezirk - genau wisse sie es nicht - in Kinshasa gewohnt. In Kinshasa sei sie auch geboren. Sie sei viel bei ihrer Oma gewesen, da ihre Eltern gearbeitet hätten. Es sei unterschiedlich gewesen. Zu ihren Geschwistern habe sie selten Kontakt. Mit der Oma habe die Zweitbeschwerdeführerin letzte Weihnachten Kontakt gehabt. In der D.R. Kongo sei sie sechs Jahre lang in der Volksschule bzw. Hauptschule gewesen. Danach sei sie zwei Jahre in einem Lycee gewesen. Das Visum für Belgien habe die Erstbeschwerdeführerin besorgt.

Dezidiert zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie sei krank und habe sich behandeln lassen müssen. In der D.R. Kongo habe ihre Erkrankung nicht behandelt werden können. Das seien alle ihre Probleme, die sie in der D.R. Kongo gehabt habe, gewesen. Sonst habe die Zweitbeschwerdeführerin nichts mehr zu sagen.

Nach Rückübersetzung der Fluchtgründe gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass die zweite Vorladung zu ihrer alten Adresse gekommen sei, aber sie sei schon bei ihrer Schwiegermutter gewesen.

6.1. In der Folge übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die von der Erstbeschwerdeführerin vorgelegten Dokumente - Convocation vom XXXX , Convocation vom XXXX und Mandat de Comparution vom XXXX - im Original an das Bundeskriminalamt zur Dokumentenüberprüfung.

Dem diesbezüglichen kriminaltechnischen Untersuchungsbericht vom 26.02.2020 ist betreffend die Vorladungen zu entnehmen, dass ein gleichartiges Dokument bis dato noch nicht zur Untersuchung vorgelegt worden sei. Das Papier weise keine urkundentechnischen Sicherheitsmerkmale auf und sei das gesamte Formular (Vordruck, handschriftliche Ausfüllschriften, Stempelabdruck, Unterschriften) im xerografischen Verfahren hergestellt worden. Die kriminaltechnische Untersuchung habe ergeben, dass die Aufdrucke aller vorgelegten Schreiben mit dem selben Ausgabegerät hergestellt worden seien. Ferner seien die Papiere aller vorgelegten Schreiben in ihren Eigenschaften in Gewicht, Volumen, Opazität, Haptik, Wolkigkeit, Papierweiß, UV-Reaktion, Fluroeszenz, Oberflächenstruktur und Laufrichtung ident. Über die Authentizität der Formularvordrucke könne nicht entschieden werden und sei keine Beurteilung der Ausstellungsmodalitäten möglich. Aufgrund der übereinstimmenden Eigenschaften der Papiere, des Druckbildes des Toners sowie charakteristischer Spuren in Form der auf den Ausdrucken angebrachten individueller Codes könne gesagt werden, dass alle Schreiben mit demselben Ausgabegerät gedruckt worden seien. Es könne nicht gesagt werden, ob Schreiben aus der D.R. Kongo, die von unterschiedlichen Behörden in unterschiedlichen Ortsteilen von Kinshasa stammen würden, auf dem gleichen Drucker hergestellt worden seien. Aus kriminaltechnischer Sicht seien derart hergestellte Formulare als Totalfälschung zu werten.

6.2. In ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung brachten die Beschwerdeführerinnen im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung vor, dass sie dieses Ergebnis nicht nachvollziehen könnten. Aufgrund des mangelhaften Verwaltungsapparates in der D.R. Kongo sei es unmöglich anhand eines Gerätes die Echtheit der betroffenen Dokumente festzustellen. Aus diesen Gründen könne auch nicht festgestellt werden, ob beide Schreiben aus dem selben Ausgabegerät stammen würden. Ferner habe der Sachverständige bei den Formularen nicht das Kästchen "es handelt sich um eine Totalfälschung" angekreuzt und habe darüber hinaus angegeben, dass weder Vergleichs- noch Informationsmaterial vorliege. Trotzdem sei er in der Gesamtbeurteilung zu dem Schluss gekommen, dass es sich um Totalfälschungen handle. Es seien keine relevanten Tatsachen festgestellt worden. Auch könne der Sachverständige einer österreichischen Behörde nicht wissen, welche Druckergeräte bzw. ob dieselben Druckergeräte in verschiedenen Gemeinden von Kinshasa verwendet würden. Daher werde der Einschätzung des Sachverständigen, es handle sich aus kriminaltechnischer Sicht um eine Totalfälschung, ausdrücklich widersprochen.

Ohne weiteres Vorbringen wurden der Stellungnahme nachstehende Unterlagen betreffend die Erstbeschwerdeführerin beigelegt:

* Teilnahmebestätigung vom XXXX .02.2020 über die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung "Menschen mit besonderen Bedürfnissen" und

* MRT-Befund der Lendenwirbelsäule vom XXXX .02.2020 ohne besondere Auffälligkeiten

Ein Vorbringen zu den Länderberichten des Bundesverwaltungsgerichtes über die allgemeine Lage in der Demokratischen Republik Kongo wurde nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen:

1.1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der zum Antragszeitpunkt noch minderjährigen, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt bereits volljährigen Zweitbeschwerdeführerin. Beide Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo und römisch-katholischen Glaubens. Die Erstbeschwerdeführerin gehört der Volksgruppe der Otetela an und stammt aus der kongolesischen Provinz XXXX , wo sie geboren und aufgewachsen ist. Ca. im Alter von 20 Jahren zog sie nach Kinshasa, der Hauptstadt der D.R. Kongo, wo sie bis zur Ausreise gelebt hat. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in Kinshasa geboren und lebte dort ebenfalls bis zu ihrer Ausreise. Die Erstbeschwerdeführerin ist verheiratet und Mutter von fünf Kindern (einschließlich der Zweitbeschwerdeführerin). Die Zweitbeschwerdeführerin ist ledig und kinderlos. Aufgrund eines Schreibens des medizinischen Zentrums von Kinshasa an die belgische Botschaft betreffend eine medizinische Behandlung der Zweitbeschwerdeführerin in Belgien wurde den Beschwerdeführerinnen belgische Schengen-Visa mit einer Gültigkeit von XXXX .05.2015 bis XXXX .07.2015 erteilt. In Besitz dieser Visa reisten die Beschwerdeführerinnen gemeinsam am XXXX .06.2015 aus der D.R. Kongo aus und am XXXX .06.2015 über den Flughafen Brüssel in Belgien ein. Nach ihrer Ankunft in Brüssel flogen sie weiter nach Wien und stellten am 01.07.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.1.2. Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben der Erstbeschwerdeführerin zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Demokratische Republik Kongo. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten der kongolesischen Behörden ausgesetzt ist, weil sie am XXXX im Zuge ihrer Tätigkeit als Krankenschwester Zeugin wurde, dass Personen, die im Zusammenhang mit einem Protestmarsch gegen die dritte Amtszeit von Präsident Kabila am selben Tag verletzt oder getötet wurden und zu ihr in das Krankenhaus gebracht wurden, von Uniformierten auf LKWs geladen und weggebracht wurden. Ebenso wenig wird festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin in der Nacht von XXXX . auf den XXXX von fünf bewaffneten Personen in ihrem Wohnhaus überfallen, verschleppt und drei Tage festgehalten worden war. Die Erstbeschwerdeführerin hat mit ihrem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht. Festgestellt wird, dass die Zweitbeschwerdeführerin die Demokratische Republik Kongo verlassen hat, um sich in Österreich medizinisch behandeln zu lassen.

Nicht festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall einer Rückkehr in die D.R. Kongo aus Gründen der Zugehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin zur Volksgruppe der Otetela und/oder aus Gründen ihres römisch-katholischen Glaubens einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wären. Ebenso wenig wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen bei einer Rückkehr in die D.R. Kongo aus sonstigen, in ihrer Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wären. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerinnen noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

1.1.3. Die Zweitbeschwerdeführerin leidet seit ihrem vierten Lebensjahr an Unterleibsblutungen und wurde diesbezüglich bereits in der D.R. Kongo behandelt. In Österreich begab sie sich ebenfalls in medizinische Behandlung, wobei ein gynäkologischer Befund vom XXXX 2016 keine Auffälligkeiten ergab und am XXXX 2016 unklare Mittelbauchbeschwerden diagnostiziert wurden. Nicht festgestellt wird, dass sich die Zweitbeschwerdeführerin nach dem XXXX 2016 in medizinischer bzw. gynäkologischer Behandlung befunden hat. Eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit wird ebenfalls nicht festgestellt. Die Erstbeschwerdeführerin leidet an einer protrahierten Lumbalgie (= Hexenschuss) und wurde diesbezüglich in Österreich medikamentös und physikalisch behandelt. Auch bei der Erstbeschwerdeführerin wird eine aktuelle Behandlungsbedürftigkeit nicht festgestellt. Sohin wird festgestellt, dass beide Beschwerdeführerinnen weder an einer schwerwiegenden psychischen noch an einer schwerwiegenden physischen Krankheit leiden.

In der Demokratischen Republik Kongo leben noch die Mutter, der Ehemann und vier Kinder der Erstbeschwerdeführerin bzw. die Großmutter, der Vater und vier Geschwister der Zweitbeschwerdeführerin. Zu diesen Angehörigen haben beide Beschwerdeführerinnen regelmäßigen Kontakt, sodass festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen in der D.R. Kongo über familiäre bzw. soziale Anknüpfungspunkte verfügen. Ebenso verfügen sie über eine gesicherte Existenzgrundlage. Die Erstbeschwerdeführerin, die in ihrem Herkunftsstaat die Matura gemacht hat, ist diplomierte Krankenschwester und hat seit Dezember 2011 bis kurz vor ihrer Ausreise in einem Krankenhaus in Kinshasa gearbeitet. Sie beherrscht neben Französisch auch die kongolesischen Sprachen Lingala und Otetela in Wort und Schrift. Durch ihre Arbeit als diplomierte Krankenschwester konnte sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder erwirtschaften. Die Zweitbeschwerdeführerin besuchte in der D.R. Kongo sechs Jahre lang eine Volks- bzw. Hauptschule und danach zwei Jahre lang ein Lycee. Sie spricht Französisch, Deutsch, Otetela und Lingala sowie etwas Englisch und etwas Italienisch. Der im Herkunftsstaat lebende Ehegatte der Erstbeschwerdeführerin bzw. Vater der Zweitbeschwerdeführerin arbeitet als Chauffeur.

Festgestellt wird sohin, dass die Erstbeschwerdeführerin über einen Schulabschluss mit Matura sowie über eine mehrjährige Berufserfahrung verfügt und arbeitsfähig ist. Auch die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über eine mehrjährige Schulbildung. Sohin wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall ihrer Rückkehr in die D.R. Kongo ein familiäres- bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würden.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführerinnen in die Demokratische Republik Kongo eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführerinnen als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.1.4. Ein Bruder der Erstbeschwerdeführerin bzw. Onkel der Zweitbeschwerdeführerin ist österreichischer Staatsangehöriger. Mit ihrem Bruder bzw. Onkel leben die Beschwerdeführerinnen im gemeinsamen Haushalt. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Beschwerdeführerinnen und ihrem Bruder bzw. Onkel besteht nicht.

Die Beschwerdeführerinnen sind in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig erwerbstätig, sondern leben seit April 2017 von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Zuvor waren sie nicht in der staatlichen Grundversorgung, sondern wurden von ihrem Bruder bzw. Onkel finanziell unterstützt. Die Erstbeschwerdeführerin ist seit November 2017 ca. drei Stunden täglich als freiwillige Mitarbeiterin in einem Alten- bzw. Pflegeheim tätig. Betreffend diese Tätigkeit wurde sie eingeschult, hat einen Erste Hilfe Kurs und eine weitere Ausbildung gemacht. Weiters hat sie mehrere Deutschkurse - zuletzt auf der Niveaustufe B1 - absolviert und kann sich einigermaßen in Deutsch verständigen. Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Österreich zunächst eine Neue Mittelschule besucht und im Schuljahr 2018/2019 die 11. Schulstufe einer landwirtschaftlichen Fachschule abgeschlossen. Aktuell besucht sie die erste Klasse eines dreijährigen Aufbaulehrgangs einer Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe. Die Zweitbeschwerdeführerin spricht sehr gut Deutsch. Beide Beschwerdeführerinnen sind strafrechtlich unbescholten. Sie leben seit Antragstellung am 01.07.2015 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nach Ablauf des belgischen Visums per XXXX .07.2015 nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus verfügen sie in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen in die Demokratische Republik Kongo gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur Lage in der Demokratischen Republik Kongo:

1.2.1. Politische Lage:

Die nationale Wahlkommission CENI erklärte am Donnerstag, den 10.1.2019, den Kandidaten der oppositionellen Union pour la Démocratie et le Progrès social UDPS, Félix Tshisekedi, zum Sieger der Präsidentschaftswahlen vom 30.12.2018 (JA 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019, ZO 10.1.2019, NZZ 10.1.2019). Es könnte der erste friedliche Machtwechsel seit 50 Jahren werden (FAZ 10.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019), wenn Tshisekedi den seit 2001 regierenden Joseph Kablia als Präsident ablöst (NTV 10.1.2019; vgl. ZO 10.1.2019).

Der 55-jährige Felix Tshisekedi ist der Sohn des 2017 verstorbenen, ehemaligen Ministerpräsidenten und langjährigen kongolesischen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi. Felix Tshisekedi versprach den Wählern, Korruption und Armut zu bekämpfen und das instabile Land zu befrieden, das immer noch von zahlreichen bewaffneten Konflikten erschüttert wird (FAZ 10.1.2019; vgl. NTV 10.1.2019). Der neue Präsident soll bereits am 18.1.2019 vereidigt werden (NTV 10.1.2019; vgl. RO 10.1.2019, VN 2.1.2019) und laut Wahlkommission müssen die endgültigen Ergebnisse der Wahl am 15.1.2019 vom Verfassungsgericht verkündet werde

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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