TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/22 W133 2219781-1

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Veröffentlicht am 22.05.2020
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Entscheidungsdatum

22.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs5

Spruch

W133 2219781-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.05.2019, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat wie folgt:

"Ihr Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vom 10.01.2019 wird abgewiesen.

Der Grad der Behinderung beträgt 20 v.H.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin war seit 10.01.2001 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens nach der Richtsatzverordnung aufgrund der Aktenlage vom 20.01.2002. Die Funktionseinschränkungen wurden den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Zustand nach N.ani Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da im 2. Jahr nach der Operation rezidivfrei - bei Zustand nach Radiatio

g. z. III/d/356

40

2

Asthma bronchiale URS, da medik. Kompensierbar

g. z. III/a/286

30

zugeordnet und nach der Richtsatzverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 infolge einer ungünstigen wechselseitigen Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht.

Mit E-Mailnachricht vom 10.01.2019 stellte die Beschwerdeführerin unter Vorlage von medizinischen Befunden beim Sozialministeriumservice (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) den gegenständlichen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 31.01.2019 wurde die Beschwerdeführerin ersucht, das beiliegende Antragsformular ausgefüllt und unterzeichnet sowie ein Lichtbild zu übermitteln. Diesem Ersuchen kam die Beschwerdeführerin am 15.02.2019 nach.

Die belangte Behörde holte daraufhin Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 04.03.2019, Allgemeinmedizin vom 30.04.2019 und eine, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Allgemeinmedizinerin vom 01.05.2019 ein.

Im eingeholten Aktengutachten des Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 04.03.2019 wurde für diese Fachrichtung die Funktionseinschränkung der Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts Tabelle Zeile 1/ Spalte 5 GdB 15% gerundet auf 20%, auch wegen der großen Seitendifferenz links zu rechts.

12.02.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt.

Im eingeholten Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 30.04.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Zustand nach N.ani 2000 oberer Rahmensatz, da nach Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivgeschehen und nur milde Symptomatik bei zufriedenstellendem Ernährungszustand

07.04.04

20

2

Asthma Bronchiale oberer Rahmensatz, da medikamentös kompensiert

06.05.01

20

3

Bewegungseinschränkung des Kniegelenks rechts oberer Rahmensatz, da endlagige Einschränkung der Beugung

02.05.18

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht werde, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Es sei erstmals nach der Einschätzungsverordnung eingestuft worden, außerdem sei es zu einer Besserung der Leiden des Vorgutachtens gekommen. Das Leiden 3 sei neu hinzugekommen.

In der Gesamtbeurteilung der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 01.05.2019 wurden auf Grundlage der Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 04.03.2019 und Allgemeinmedizin vom 30.04.2019 die Funktionseinschränkungen zusammenfassend den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts Tabelle Zeile 1/ Spalte 5 GdB 15% gerundet auf 20%, auch wegen der großen Seitendifferenz links zu rechts.

12.02.01

20

2

Zustand nach N.ani 2000 oberer Rahmensatz, da nach Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivgeschehen und nur milde Symptomatik bei zufriedenstellendem Ernährungszustand

07.04.04

20

3

Asthma Bronchiale oberer Rahmensatz, da medikamentös kompensiert

06.05.01

20

4

Bewegungseinschränkung des Kniegelenks rechts oberer Rahmensatz, da endlagige Einschränkung der Beugung

02.05.18

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das führende Leiden 1 durch die Leiden 2, 3 und 4 nicht erhöht werde, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Es sei erstmals nach der Einschätzungsverordnung eingestuft worden, außerdem sei es zu einer Besserung der Leiden des Vorgutachtens gekommen. Die Leiden 1 und 4 seien neu hinzugekommen. Insgesamt ergebe sich dadurch eine Absenkung des Grades der Behinderung um drei Stufen.

Mit Schreiben vom 03.05.2019 räumte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die eingeholten Gutachten wurden der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Am 10.05.2019 bzw. 13.05.2019 brachte die Beschwerdeführerin ohne Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel Stellungnahmen bei der belangten Behörde ein. Darin bringt sie zusammengefasst vor, dass sie - obwohl sie rechts normal höre - ab einem gewissen Lärmpegel überhaupt nichts höre. Es sei ihr im öffentlichen Raum kaum möglich sich zu unterhalten, da sie nichts verstehe, sobald es Nebengeräusche gebe. Am linken Ohr habe sie immer einen Tinnitus, der sich trotz Behandlung und Medikamenten nicht gebessert habe. Der Zustand nach Analkarzinom sei alles andere als zufriedenstellend und habe sich nicht gebessert. Sie müsse im Gegenteil immer wieder damit rechnen, den Stuhl - nicht einmal für wenige Minuten - halten zu können. Jedoch wolle sie soweit als möglich von einer Operation Abstand nehmen. Hinzu kämen starke Blähungen, die sie nicht unterdrücken könne, und Medikamente hätten auch nicht geholfen, weshalb sie beim Essen sehr vorsichtig sei. Es liege eine ungünstige Leidensbeeinflussung betreffend Hörverlust und Analkarzinom vor. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass der Grad der Behinderung um drei Stufen abgesenkt worden sei.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 13.05.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 10.01.2019 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ab. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde von Amts wegen mit 20 v.H. neu festgesetzt. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, wonach der Grad der Behinderung nunmehr lediglich 20 v.H. betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 28.05.2019 fristgerecht eine Beschwerde. Ohne Vorlage weiterer Beweismittel bringt sie darin zusammengefasst vor, dass entgegen den Angaben im Gutachten sehr wohl die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "ist schwer hörbehindert" vorliegen würden. Im Falle von Nebengeräuschen höre sie auch auf dem rechten Ohr nichts mehr. Die Probleme bei N.ani 2000 hätten sich deutlich verschlechtert. Einerseits könne sie den Stuhl nicht halten und dann komme es zum anderen Extrem, und sie könne den Darm nicht ohne Manipulation entleeren. Sie müsse stets Einlangen tragen. Nach dem Hörsturz sei sie ein Jahr in Behandlung gewesen und es sei erfolglos ein Hörgerät versucht worden. Sie höre links - außer dem lauten Tinnitus - nichts mehr. Zusätzlich habe ihr rechtes Auge nie gelernt zu sehen und eine Brille helfe nicht, wodurch ihr Führerschein seit mehreren Jahren nicht mehr verlängert worden sei. Sie habe kein diesbezügliches Attest vorgelegt, weil die Einholung eines solchen teuer gewesen wäre. Sie sei der Meinung, dass die Probleme des Darmes und des linken Ohres ausreichend seien, um einen Grad der Behinderung von 50 v.H. zu bewirken.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 06.06.2019 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W115 zugeteilt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.01.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 07.02.2020 der Gerichtsabteilung W115 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Bei der Beschwerdeführerin war in einem Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 20.01.2002 nach der Richtsatzverordnung ein Grad der Behinderung von 50 v.H. beurteilt worden.

Am 10.01.2019 stellte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.05.2019 setzte die belangte Behörde nach Durchführung eines medizinischen Begutachtungsverfahrens den Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin von Amts wegen mit 20 v.H. neu fest.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts;

2) Zustand nach N.ani 2000, nach Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivgeschehen und nur milder Symptomatik bei zufriedenstellendem Ernährungszustand;

3) Asthma Bronchiale, medikamentös kompensiert;

4) Bewegungseinschränkung des Kniegelenks rechts, endlagige Einschränkung der Beugung.

Das führende Leiden 1 (Schwerhörigkeit links) wird durch die Leiden 2, 3 und 4 nicht erhöht, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Im Gegensatz zum Vorgutachten aus dem Jahr 2002 sind die Leiden der Beschwerdeführerin nun erstmals nach der Einschätzungsverordnung eingestuft worden. Außerdem ist es zu einer Besserung der Leiden des Vorgutachtens, nunmehr unter Leiden Nrn. 2 und 3 geführt, gekommen. Die Leiden 1 und 4 sind neu hinzugekommen. Insgesamt ergibt sich daraus eine Absenkung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin um drei Stufen von 50 v.H. auf 20 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 04.03.2019, Allgemeinmedizin vom 30.04.2019 und der Gesamtbeurteilung vom 01.05.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt nunmehr 20 v.H. Es wurden im Rahmen der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. der Beschwerde auch keine Befunde vorgelegt bzw. nachgereicht, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als in den Gutachten vom 04.03.2019, 30.04.2019 und 01.05.2019 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden; diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu dem im Jahr 2002 nach der Richtsatzverordnung festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H., zur gegenständlichen Antragstellung auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass sowie zur Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zum Grad der Behinderung gründen sich auf die seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten vom 04.03.2019 (HNO), 30.04.2019 (Allgemeinmedizin) und 01.05.2019 (Gesamtbeurteilung), basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachten setzen sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden und den Angaben der Beschwerdeführerin auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.

Das führende Leiden 1 "An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts" wurde korrekt der Positionsnummer 12.02.01, Tabelle Zeile 1/ Spalte 5, der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit an einem Ohr bei Normalhörigkeit am anderen Ohr betrifft, zugeordnet. Der Grad der Behinderung wurde wegen der großen Seitendifferenz links zu rechts von 15 v.H. auf 20 v.H. aufgerundet. Diese Beurteilung entspricht dem vorgelegten Tonaudiogramm vom 13.02.2019. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie am linken Ohr zusätzlich unter einem Tinnitus leide, ist auszuführen, dass das tatsächliche Vorliegen eines Tinnitus am linken Ohr von ihr im gegenständlichen Verfahren nicht befundmäßig belegt wurde und diese behauptete Funktionseinschränkung daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht objektiviert ist.

Den Zustand nach einem Analkarzinom im Jahr 2000 ordnete die Gutachterin korrekt dem oberen Rahmensatz der Positionsnummer 07.04.04 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche chronische Darmstörungen leichten Grades ohne chronische Schleimhautveränderungen betrifft, bei welchen geringe Beeinträchtigungen des Kräfte- und Ernährungszustandes vorliegen. Es konnte von der beigezogenen Sachverständigen nach Ablauf der Heilungsbewährung ohne Rezidivgeschehen eine nur milde Symptomatik bei zufriedenstellendem Ernährungszustand objektiviert werden. Dass Vorliegen von schweren Verdauungsproblemen bzw. Stuhlinkontinenz wurde von der Beschwerdeführerin zwar in ihren Stellungnahmen zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde behauptet, jedoch nicht befundmäßig belegt. Auch gab die Beschwerdeführerin bei ihrer persönlichen Untersuchung am 29.04.2019 selbst an, mit der Verdauung keine Probleme zu haben, wenn sie entsprechend auf ihre Ernährung achten würde. Somit ist betreffend die Verdauungsproblematik der Beschwerdeführerin eine einfache, zumutbare Therapieoption gegeben. Weiters wurden im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung sowohl ein guter Allgemeinzustand, als auch ein guter Ernährungszustand (Größe 164cm, Gewicht 57kg) erhoben.

Hinsichtlich der weiteren der Beurteilung unterzogenen Gesundheitsschädigungen wurden von der Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben.

Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde, dass ihr rechtes Auge nie gelernt habe zu sehen, und eine Brille nicht helfe, ist wiederum auszuführen, dass diese vorgebrachte Funktionseinschränkung von ihr weder im Rahmen der Begutachtung vorgebracht noch befundmäßig belegt wurde, weshalb es in der nunmehrigen Einschätzung nicht berücksichtigt werden kann.

Die Feststellung in der Gesamtbeurteilung im zusammenfassenden Gutachten, dass das führende Leiden 1 (Schwerhörigkeit links) durch die Leiden 2, 3 und 4 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt, ist aufgrund der Art der vorliegenden Funktionseinschränkungen nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.

Insgesamt ergibt sich, dass die Gesamtbeurteilung vom 01.05.2019 nunmehr aufgrund des Neufestsetzungsantrages nach der Einschätzungsverordnung zu erfolgen hatte. Im Vergleich dazu war das Vorgutachten noch auf Grundlage der Richtsatzverordnung erstellt worden, die in vielen Positionen andere (oft höhere) Einschätzungen enthielt als die nunmehr anzuwendende Einschätzungsverordnung. Weiters ist es insbesondere in Bezug auf das Leiden 2 (vormaliges Leiden 1) zu einer Besserung gekommen. Das Leiden 2 (vormaliges Leiden 1) und das Leiden 3 (vormaliges Leiden 2) wurden daher beide geringer bewertet als im Vorgutachten. Die Leiden 1 und 4 sind neu hinzugekommen. Daraus ergibt sich allerdings keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung von nunmehr 20 v.H., da - wie eben dargelegt - keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen dem führenden Leiden 1 und den weiteren festgestellten Leiden vorliegt. Die Absenkung des Grades der Behinderung um drei Stufen von 50 v.H. auf 20 v.H. ist daher nicht zu beanstanden.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen ihrer Stellungnahmen zum Parteiengehör und im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Beweismittel vor, die den Gutachtensergebnissen widersprechen würden. Sie ist daher den gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 04.03.2019 (HNO), 30.04.2019 (Allgemeinmedizin) und 01.05.2019 (Gesamtbeurteilung). Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

§ 55. ...

(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt.

..."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die Sachverständigengutachten vom 04.03.2019 (HNO), 30.04.2019 (Allgemeinmedizin) und 01.05.2019 (Gesamtbeurteilung) zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. vorliegt. Im Beschwerdefall hatte aufgrund des Antragszeitpunktes (10.01.2019) die Einschätzung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 251/2012 zu erfolgen. Die Funktionseinschränkungen wurden in den Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; vgl. dazu auch die obigen Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung.

Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, die eingeholten Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.

Da somit festzustellen war, dass der Gesamtgrad der Behinderung aktuell 20 v.H. beträgt, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 BBG eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2219781.1.00

Im RIS seit

06.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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