TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/10 I414 2126220-2

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Veröffentlicht am 10.03.2020
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Entscheidungsdatum

10.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2126220-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christan EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass das in Spruchpunkt VIII. gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG verhängte Einreiseverbot auf die Dauer von 3 Jahren befristet wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 23.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung gab der BF zusammengefasst an, dass er Marokko verlassen habe, weil er der Volksgruppe der Berber angehöre und dort unterdrückt und diskriminiert werde. Im Falle seiner Rückkehr habe er Angst vor der politischen Lage (Erstverfahren AS 1 bis 11).

Nach der Zulassung des Verfahrens wurde der BF am 13.04.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als belangte Behörde oder BFA bezeichnet) niederschriftlich einvernommen. Zu den Gründen für das Verlassen seines Heimatstaates befragt, gab der BF zusammenfassend an, er stamme aus einer Gruppe namens Amazighi, welche ihre eigene Sprache habe. Sie hätten jedoch keine Rechte, sie bekommen keinen Job und der BF sei trotz Ausweis oft zur Polizei gebracht worden. Man müsse immer auf Arabisch sprechen und nicht in der eigenen Sprache. Er fühle sich im Marokko nicht sicher (AS 71 bis 75).

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag auf des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Marokko gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).

Begründend führte die belangte Behörde aus, es stehe fest, dass der BF seinen Heimatstaat aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen hat. Als Angehöriger der Volksgruppe der Berber gehöre er einer Mehrheit an und er trotz behaupteter Benachteiligungen mehrere Jobs verrichtete und eine Ausbildung genossen habe. In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der BF habe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft vorgebracht, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem BF sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da er in Marokko über genügend Anknüpfungspunkte habe und ein junger, gesunder, mobiler und arbeitsfähiger Mensch ohne familiäre Verpflichtungen sei. Die Grundversorgung in Marokko sei gewährleistet (Erstverfahren AS 77 bis 117).

Gegen den Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde (Erstverfahren AS 153 bis 161).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, Zl. XXXX, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Erstverfahren AS 173 bis 199). Dieses Erkenntnis erwuchs am 10.06.2016 in Rechtskraft (Erstverfahren AS 207).

Am 28.08.2017 wurde der BF vom LG für Strafsachen XXXX zu Zl. XXXX vom XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach §§ 27 Abs 2 zweiter Fall SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen, verurteilt.

Mit Mandatsbescheid vom XXXX wurde dem BF gemäß § 57 Abs 1 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG aufgetragen, Unterkunft bis zu seiner Ausreise in einer der Unterkunft XXXX zu nehmen. Dieser Aufforderung ist der BF nicht nachgekommen.

Der BF wurde nach mehreren gescheiterten Versuchen von den deutschen Behörden nach Österreich am XXXX rücküberstellt und stellte verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (AS 15). Zuvor hatte sich der BF in die Bundesrepublik Deutschland begeben, wo er erkennungsdienstlich behandelt wurde und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (AS 26).

Bei der Erstbefragung am 30.01.2020 gab der BF an, dass sich an seinen Fluchtgründen nichts geändert hätte, er aber bei seiner Rückkehr befürchte, dass er als konvertierter Christ Schwierigkeiten haben werde. Er würde immer nur diskriminiert werden. Er sei bereits mit 13 Jahren zum Christentum konvertiert (AS 19).

Am 06.02.2020 wurde der BF niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass er an psychischen Problemen leide und Medikamente einnehme. Er habe den nunmehrigen Antrag gestellt, weil er wegen seiner religiösen Richtung Probleme hätte. Er habe beim Erstverfahren nicht gewusst, dass man zwei Fluchtgründe erwähnen kann. Die damaligen Fluchtgründe hält er weiterhin aufrecht (AS 125 bis 141).

Am 10.02.2020 wurde der BF im Beisein einer Rechtsberatung neuerlich niederschriftlich einvernommen (AS 151 bis 157).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 30.01.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 55 Abs 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen den Bescheid wurde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wurde ein Einreiseverbot in der Dauer von 5 Jahren gegen den BF erlassen (Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 15b Abs 1 AsylG wurde dem BF aufgetragen, ab 31.01.2020 in der BS West AIBE Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt IX.).

Begründend wurde ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei, zumal der BF sich auf jene Gründe stützte, die er im bereits rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren vorbrachte. Zudem sei sein nunmehriger Fluchtgrund dem BF bereits vor Rechtskraft des Erstverfahrens bekannt gewesen. (AS 205 bis 282).

Mit Verfahrensanordnung vom 12.02.2020 wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt (AS 287 bis 289).

Mit Schriftsatz vom 27.02.2020 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der maßgebliche Sachverhalt dadurch geändert hätte, dass der BF nunmehr vorbringt, dass er mit 13 Jahren zum Christentum konvertiert sei und daher in Marokko immer wieder schikaniert wurde. Zudem leide der BF an Depressionen, hätte einen Selbstmordversuch hinter sich und war auch in stationärer Behandlung. Der psychische Gesundheitszustand habe sich seit dem ersten Asylverfahren massiv verschlechtert. Zudem sei die Bemessung des verhängten Einreiseverbotes überschießend bei der vom BF begangenen Straftat (AS 305 bis 321).

Mit Schriftsatz vom 28.02.2020, bei der zuständigen Gerichtsabteilung vollständig eingelangt am 03.03.2020, legte die Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der volljährige BF ist ledig, kinderlos und Staatsangehöriger Marokkos und gehört der Volksgruppe der Berber an.

Die Identität des BF nicht fest.

Der BF leidet an keinen schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten.

Der BF verfügt über eine siebenjährige Schulausbildung und hat den Beruf des Frisörs gelernt. Die Familienangehörigen des BF leben in Marokko. Die Muttersprache des BF ist Tamazighi, der BF spricht überdies Arabisch und Spanisch.

Der BF verfügt über keine familiären oder sonstigen nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich.

Der BF weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsichtlich auf.

Der BF übt in Österreich keine Erwerbstätigkeit aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF reiste spätestens am 23.03.2016 in österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX, Zl. XXXX wurde der Asylantrag abgewiesen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Der BF reiste im Mai 2018 nach Deutschland und stellte dort am 09.05.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge wurde der BF aufgrund der Dublin VO nach Österreich überstellt.

Am 30.01.2020 stellte der BF verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Am 28.08.2017 wurde der BF vom LG für Strafsachen XXXX zu Zl. XXXX vom XXXX wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach §§ 27 Abs 2 zweiter Fall SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt mit einer Probezeit von 3 Jahren nachgesehen, verurteilt.

Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache ist keine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten. Der BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

1.1. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko

Marokko ist gemäß § 1 Z 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung ein sicherer Herkunftsstaat.

Politische Lage

Marokko ist ein zentralistisch geprägter Staat. Das Land ist eine Monarchie mit dem König als weltlichem und geistigem Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und "Anführer der Gläubigen" (AA 6.5.2019a). Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 8.2019a; vgl. ÖB 5.2019). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Proteste im Norden des Landes sind vor allem Ausdruck der Unzufriedenheit mit der Umsetzung sozio-ökonomischer Reformen, die schleppend verläuft (AA 6.5.2019a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 5.2019).

Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 8.2019a). Hauptakteure der Exekutive sind die Minister, der Regierungschef und der König, der über einen Kreis hochrangiger Fachberater verfügt. Der König ist Vorsitzender des Ministerrates, hat Richtlinienkompetenz und ernennt nach Art. 47 der Verfassung von 2011 den Regierungschef aus der Partei, die bei den Wahlen als Sieger hervorgeht. Marokko verfügt seit der Unabhängigkeit über ein Mehrparteiensystem. Das Wahlrecht macht es schwierig für eine Partei, eine absolute Mehrheit zu erringen; Mehrparteienkoalitionen sind deshalb die Regel (AA 6.5.2019a).

Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt. Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus (Chambre des Conseillers) besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 8.2019a).

In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung ("Parti de la Justice et du Développement") hervor. Am 5.4.2017 ernannte König Mohammed VI Saad-Eddine El Othmani zum Premier-Minister. Größte Oppositionspartei ist die Partei für Authentizität und Modernität (PAM) (AA 6.5.2019a). Sie rangiert an zweiter Stelle mit 102 Sitzen und konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI - Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 8.2019a).

Seit Anfang 2017 ist Marokko wieder offiziell Mitglied der Afrikanischen Union (GIZ 8.2019a).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019a): Marokko - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/-/224120, Zugriff 21.1.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 21.1.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Sicherheitslage

Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 21.1.2020). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land, dem einzigen in Nordafrika, das auf diese Weise bewertet wird (FD 21.1.2020). In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 21.1.2020), bzw. wird von Reisen abgeraten (AA 21.1.2020). Die Westsahara bildet natürlich eine Ausnahme, diese darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden (FD 21.1.2020). Von Reisen in das Gebiet der Westsahara wird dringend abgeraten (AA 21.1.2020). Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (AA 21.1.2020 ; vgl. FD 21.1.2020 ). Seitens des BMEIA besteht eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Südmarokkos, insbesondere an der Grenze zu Algerien. Erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt in den übrigen Landesteilen (BMEIA 21.1.2020 ). Das Auswärtige Amt rät von Reisen in entlegene Gebiete der Sahara, in die Grenzregionen mit Algerien und Mauretanien und jenseits befestigter Straßen dringend ab (AA 21.1.2020 ).

Seit dem letzten Anschlag in Marokko (Marrakesch- Platz Jama el Fnaa) im April 2011, gab es keine weiteren Attentate (FD 21.1.2020). Trotz erhöhter Sicherheitsmaßnahmen besteht im ganzen Land das Risiko von terroristischen Akten (EDA 21.1.2020; vgl. FD 21.1.2020; BMEIA 21.1.2020). In Teilen der Sahara und des Sahels besteht das Risiko von Entführungen. Bisher waren in Marokko keine Entführungen zu beklagen (EDA 21.1.2020; vgl. BMEIA 21.1.2020).

Demonstrationen und Protestaktionen sind jederzeit im ganzen Land möglich. Vereinzelte gewalttätige Auseinandersetzungen können dabei nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.1.2020). Demonstrationen können sich spontan und unerwartet entwickeln. Zuletzt kam es in verschiedenen Städten Marokkos zu nicht genehmigten Demonstrationen und vereinzelt auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (AA 21.1.2020; vgl. BMEIA 21.1.2020). Aufgrund sozialer und politischer Spannungen kommt es seit Oktober 2016 in der Provinz Al Hoceima vermehrt zu Protestaktionen. Dabei kann es zu Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräfte kommen (EDA 21.1.2020).

Besondere Vorsicht ist auch in der Region Rif geboten. Die Ost-West-Achse Al Hoceima-Chefchaouen-Tetouan ist ruhig und weniger problematisch (FD 21.1.2020). Es kann zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in die lokale Drogenproduktion und den Drogenhandel involviert sind (EDA 21.1.2020).

In großen Teilen der Sahara sind bewaffnete Banden und islamistische Terroristen aktiv, die vom Schmuggel und von Entführungen leben. Das Entführungsrisiko ist in einigen Gebieten der Sahara und der Sahelzone hoch und nimmt noch zu (EDA 21.1.2020).Wegen des Entführungsrisikos wird von nicht dringenden Reisen ins Grenzgebiet zu Algerien abgeraten, bzw. gewarnt. Die Grenze zu Algerien ist geschlossen (AA 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020; BMEIA 21.1.2020).

Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara, erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Seither wird es sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden . Das Risiko von Entführungen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.1.2020). Von Fahrten in und durch das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara wird dringend abgeraten (AA 21.1.2020; vgl. EDA 21.1.2020).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (21.1.2020): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 21.1.2020

- EDA - Eidgenössisches Departemenet für auswärtige Angelegenheiten (21.1.2020): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html, Zugriff 21.1.2020

- FD - France Diplomatie (21.1.2020): Conseils aux Voyageurs - Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#derniere_nopush, Zugriff 21.1.2020

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 13.3.2019). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch endemische Korruption (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 5.2019; AA 14.2.2018) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 13.3.2019). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Mit dem in der Verfassung vorgesehenen und im April 2017 eingesetzten Conseil supérieur du pouvoir judiciaire (Oberster Rat der Rechtssprechenden Gewalt) wurden Richter- und Staatsanwaltschaft aus dem Verantwortungsbereich des Justizministeriums herausgelöst und verwalten sich nun selbst. Der Rat agiert als unabhängige Behörde. Mit der Herauslösung der Staatsanwaltschaft wurde formal die Unabhängigkeit der Ermittlungsbehörden von der Politik gestärkt. Es gibt jedoch Stimmen, die eine direkte Einflussnahme des Palastes befürchten, da sich Richterschaft und Staatsanwaltschaft nunmehr jeder demokratisch legitimierten Kontrolle entziehen (AA 14.2.2018).

Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 14.2.2018). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden. Das Strafprozessrecht erlaubt der Polizei, einen Verdächtigen bis zu 48 Stunden in Gewahrsam ("garde à vue") zu nehmen. Der Staatsanwalt kann diese Frist zweimal verlängern. Der Entwurf für ein neues Strafprozessgesetz sieht verbesserten Zugang zu Anwälten bereits im Gewahrsam vor. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 14.2.2018).

Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minderschweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 14.2.2018).

Seit Juli 2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben. Von der ordentlichen Gerichtsbarkeit wurden die Angeklagten 2017 zu Haftstrafen zwischen zwei Jahren und lebenslänglich verurteilt (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 5.9.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2004244.html, Zugriff 5.9.2019

Sicherheitsbehörden

Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die DGSN "Direction Générale de la Sûreté Nationale" (Nationalpolizei) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 14.2.2018). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED ("Direction Générale des Etudes et de Documentation") und den Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire") (AA 14.2.2018; vgl. ÖB 5.2019). Im April 2015 wurde zusätzlich das "Bureau central d'investigations judiciaires" (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 14.2.2018).

Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte ist gemäß USDOS wirksam (USDOS 13.3.2019), gemäß auswärtigem Amt hingegen sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004244.html, Zugriff 9.10.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung gewährleistet die Grundrechte und verbietet Folter und unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Die Sicherheitsbehörden unterliegen der effektiven Kontrolle der zivilen Behörden. Für das Jahr 2018 lagen dem U.S. Department of State keine Berichte über willkürliche oder ungesetzliche Tötungen oder systematische Misshandlung oder Folter durch den Staat vor (BAMF 3.6.2019). Die Regierung bestreitet, dass sie die Anwendung von Folter erlaubt (USDOS 13.3.2019).

Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 14.2.2018). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 14.2.2019; vgl. ÖB 5.2019). Der CNDH soll künftig die Rolle des Nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter übernehmen. Im Mai 2017 wurde ein entsprechender Entwurf in das Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet (AA 14.2.2018). Ein Nationaler Präventionsmechanismus zum Schutz vor Folter wurde mit Ende 2018 eingerichtet (AI 26.2.2019). Die marokkanische Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention. Systematische Folter findet nicht statt. Gleichwohl berichten NGOs über Fälle von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte. Betroffen sind laut Bericht des UN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, welche die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l'Homme") geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 14.2.2018).

Der Staatsminister für Menschenrechte räumte weiterhin ein, dass Folter immer noch in Einzelfällen auftritt, aber es sich nicht mehr um eine systematische Praxis handeln würde und dass die Regierung daran arbeite, diese auszurotten. Es besteht kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 13.3.2019). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat, insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST, vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien dokumentieren diese Vorwürfe nur bruchstückhaft (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- AI - Amnesty International (4.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Morocco/Western Sahara, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003693/MDE2998912019ENGLISH.pdf, Zugriff 9.10.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (3.6.2019): Länderreport 11 - Algerien, Marokko, Tunesien - Menschenrechtslage - Im Fokus: Vulnerable Personen, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/Laenderreporte/2019/laenderreport-11-algerien-marokko-tunesien.pdf?__blob=publicationFile&v=5, Zugriff am 10.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004244.html, Zugriff 9.10.2019

NGO¿s und Menschenrechtsaktivisten

Es gibt in Marokko eine lebendige und aktive Zivilgesellschaft mit nationalen und internationalen NGOs, die im Prinzip unbehelligt agieren kann. Verbote gegen einzelne Veranstaltungen und Einschränkungen für NGOs und Menschenrechtsorganisationen kommen jedoch vor. Ein NGO-Gesetz gibt es nicht. Für NGOs gilt das Vereinsrecht. Sie müssen sich beim Innenministerium registrieren lassen. Es kommt vor, dass die Registrierungsanzeigen nicht fristgemäß mit einer Eingangsbestätigung beantwortet werden (AA 14.2.2018).

Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 14.2.2018). Die Regierung trifft sich gelegentlich mit Vertretern von NGOs und beantwortet Anfragen und Empfehlungen seitens der NGOs (USDOS 13.3.2019).

Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains) und die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains). Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 9.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004244.html, Zugriff 9.10.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Grundrechtskatalog (Kapitel I und II) der Verfassung ist substantiell; wenn man noch die durch internationale Verpflichtungen übernommenen Grundrechte hinzuzählt, kann man von einem recht umfassenden Grundrechtsrechtsbestand ausgehen. Als eines der Kerngrundrechte fehlt die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Verfassung selbst stellt allerdings den Rechtsbestand unter den Vorbehalt der traditionellen "roten Linien" - Monarchie, islamischer Charakter von Staat und Gesellschaft, territoriale Integrität (i.e. Annexion der Westsahara) - quasi als "Baugesetze" des Rechtsgebäudes. Der vorhandene Rechtsbestand, der mit der neuen Verfassungslage, v.a. in Bereichen wie Familien- und Erbrecht, Medienrecht und Strafrecht, teilweise nicht mehr konform ist, gilt weiterhin (ÖB 5.2019).

In den unter Titel II aufgeführten Artikeln 19 bis 35 garantiert die Verfassung die universellen Menschenrechte (AA 14.2.2018).

Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Gewichtige Ausnahme: wer die Vorrangstellung der Religion des Islam in Frage stellt, die Person des Königs antastet oder die Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko anzweifelt. Obwohl Kritik an den Staatsdoktrinen strafrechtlich sanktioniert wird, werden entsprechende Verurteilungen in den vergangen Jahren eher selten bekannt. Marokkanische NGOs sind der Auffassung, dass administrative Schikanen eingesetzt und Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z. B. Ehebruch oder Steuervergehen) angestoßen oder auch konstruiert werden, um politisch Andersdenkende sowie kritische Journalisten einzuschüchtern oder zu verfolgen (AA 14.2.2018).

Im Mai 2017 stellte sich Marokko dem Universellen Staatenüberprüfungsverfahren (UPR) des UN-Menschenrechtsrats. Marokko akzeptierte 191 der 244 Empfehlungen (AA 14.2.2018).

Gesetzlich sind Meinungs- und Pressefreiheit garantiert, einige Gesetze schränken die Meinungsfreiheit, vor allem im Bereich der Presse und den sozialen Medien, ein (USDOS 13.3.2019). Meinungs- und Pressefreiheit sind verfassungsrechtlich geschützt, aber hinsichtlich der drei Staatsprinzipien eingeschränkt. Es kommt vereinzelt zur Strafverfolgung von Journalisten. Staatliche Zensur existiert nicht, sie wird durch die Selbstzensur der Medien im Bereich der drei Tabuthemen ersetzt. Ausländische Satellitensender und das Internet sind frei zugänglich (AA 14.2.2018).

Gesetzlich unter Strafe gestellt und aktiv verfolgt sind und werden kritische Äußerungen betreffend den Islam, die Institution der Monarchie und die offizielle Position der Regierung zur territorialen Integrität und den Anspruch auf das Gebiet der Westsahara (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 14.1.2020, AA 14.2.2018), sowie Kritik an Staatsinstitutionen oder das Gutheißen von Terrorismus (USDOS 20.4.2018; vgl. HRW 14.1.2020). Für Kritik in diesen Bereich können weiterhin Haftstrafen verhängt werden (HRW 14.1.2020). Für kritische Äußerungen in anderen Bereichen wurden Haftstrafen im Rahmen einer Änderung des Pressegesetzes im Juli 2016 abgeschafft und durch Geldstrafen ersetzt (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Verfolgung wegen politischer Überzeugungen erfolgt zwar nicht systematisch flächendeckend, bleibt aber ein reelles Risiko für politisch aktive Personen außerhalb des politischen Establishments und Freigeister. Parameter des "Wohlverhaltens" sind die "roten Linien" (Monarchie, Islam, territoriale Integrität) sowie der Kampf gegen den Terrorismus. Wer sich dagegen kritisch äußert oder dagegen politisch aktiv wird, muss mit Repression rechnen. Durch Fokussierung auf Einzelfälle, deren Publizierung gar nicht behindert wird, entsteht eine generalpräventive Grundstimmung: die Marokkaner wissen sehr gut abzuschätzen, wann sie mit Äußerungen in tiefes Wasser geraten könnten. Dies hindert aber nicht, dass Jugend, Menschenrechtsaktivisten, Interessensvertreter dennoch laufend ihre Stimme erheben, wobei nicht jede kritische oder freiherzige Äußerung unbedingt Konsequenzen haben muss; insbesondere Medien und Persönlichkeiten mit großer Visibilität wird ein gewisser Freiraum zugestanden. Gegenüber Regierung, Ministern und Parlament etwa kann ganz freimütig Kritik geübt werden. Die "kritische Masse" für das Eingreifen der Obrigkeit scheint erst beim Zusammentreffen mehrerer Faktoren zustande zu kommen: Etwa Infragestellen des Autoritätsgefüges (Königshaus, Sicherheitskräfte) oder Kritik am Günstlingsumfeld des Hofes ("Makhzen") verbunden mit publizitärer Reichweite des Autors (ÖB 5.2019).

Die - auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation, wobei Aktivisten, die für eine unabhängige Westsahara eintreten - vor allem im Gebiet der Westsahara selbst - besonders exponiert sind (ÖB 5.2019).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind in der Verfassung von 2011 verfassungsrechtlich geschützt, werden aber durch die "roten Linien" Glaube, König, Heimatland eingeschränkt (AA 14.2.2018). Versammlungen von mehr als drei Personen sind genehmigungspflichtig (USDOS 13.3.2019). Die Behörden gehen meist nicht gegen öffentliche Ansammlungen und die häufigen politischen Demonstrationen vor, selbst wenn diese nicht angemeldet sind (AA 14.2.2018). In Einzelfällen kommt es jedoch zur gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen (AA 14.2.2018; vgl. FH 4.2.2019; USDOS 20.4.2018; HRW 14.1.2020).

2017 gab es eine Vielzahl von Protesten gegen staatliches Versagen, Korruption und Machtwillkür in der Rif-Region, die unter dem Schlagwort "Hirak" zusammengefasst werden. Berichtet wurde von zunehmend hartem Durchgreifen der Sicherheitskräfte, Videos von Polizeieinsätzen wurden durch Aktivisten in Facebook hochgeladen (AA 14.2.2018).

Obwohl verfassungsmäßig Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist, schränkt die Regierung dieses Recht manchmal ein (USDOS 13.3.2019). Organisationen wird die offizielle Registrierung verweigert (HRW 14.1.2020; vgl. USDOS 13.3.2019). Auf diese Weise verbietet die Regierung politische Oppositionsgruppen, indem sie ihnen den NGO-Status nicht zuerkennt. Der NGO-Status wird auch Organisationen nicht zuerkannt, die den Islam als Staatsreligion, die Monarchie, oder die territoriale Integrität Marokkos infrage stellen (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006451.html, Zugriff 10.10.2019

- HRW - Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022718.html, Zugriff 20.1.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

- USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004244.html, Zugriff 9.10.2019

Religionsfreiheit

In Marokko sind Staat und Religion nicht getrennt (GIZ 10.2019b). Der sunnitische Islam malikitischer Rechtsschule ist die Staatsreligion in Marokko. Die verfassungsmäßige Stellung des Königs als Führer der Gläubigen und Vorsitzender des Ulema Rats (Möglichkeit des Erlassens religiös verbindlicher "fatwas") ist weithin akzeptiert (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 10.2019b; USDOS 21.6.2019). Das Religionsministerium kontrolliert strikt alle religiösen Einrichtungen und Aktivitäten und gibt das wöchentliche Freitagsgebet vor (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Zur Prävention von Radikalisierung überwachen die Sicherheitsorgane islamistische Aktivitäten in Moscheen und Schulen (AA 14.2.2018).

Art. 3 der Verfassung garantiert Religionsfreiheit (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Der Artikel zielt auf die Ausübung der Staatsreligion ab, schützt aber auch die Ausübung anderer anerkannter traditioneller Schriftreligionen wie Judentum und Christentum. Neuere Religionsgemeinschaften wie etwa die Baha'i werden ebenso wenig staatlich anerkannt wie abweichende islamische Konfessionen wie zum Beispiel die Schia. Fälle staatlicher Verfolgung aufgrund der Ausübung einer anderen als den anerkannten Religionen sind nicht bekannt (AA 14.2.2018).

Missionierung ist in Marokko nur Muslimen (de facto ausschließlich den Sunniten der malikitischen Rechtsschule) erlaubt (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019). Mit Strafe bedroht ist es, Gottesdienste jeder Art zu behindern, den Glauben eines (sunnitischen) Muslim "zu erschüttern" und zu missionieren (Art 220 Abs. 2 des marokkanischen Strafgesetzbuches). Dies schließt das Verteilen nicht-islamischer religiöser Schriften ein. Bibeln sind frei verkäuflich, werden jedoch bei Verdacht auf Missionarstätigkeit beschlagnahmt. Ausländische Missionare können unverzüglich des Landes verwiesen werden, wovon die marokkanischen Behörden in Einzelfällen Gebrauch machen (AA 14.2.2018).

Laizismus und Säkularismus sind gesellschaftlich negativ besetzt, der Abfall vom Islam (Apostasie) gilt als eine Art Todsünde, ist aber nicht strafbewehrt. Es gibt einen starken sozialen Druck, die islamischen Glaubensregeln zumindest im öffentlichen Raum zu befolgen. Grundsätzlich ist der freiwillige Religionswechsel Marokkanern nicht verboten, aber in allen Gesellschaftsschichten stark geächtet. Statusrechtlich ist eine Konversion zum Christentum für Marokkaner nicht möglich. Staatliche Stellen behandeln Konvertiten insbesondere familienrechtlich weiter als Muslime (AA 14.2.2018).

Nicht-Muslime müssten zum Islam konvertieren, um die Pflegschaft für ein muslimisches Kind übernehmen zu können. Ein muslimischer Mann darf nach marokkanischem muslimischem Recht eine nicht-muslimische Frau heiraten, eine muslimische Frau kann dagegen in keinem Fall einen nicht-muslimischen Mann heiraten (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 21.6.2019).

Die Behörden inhaftierten marokkanische Christen und befragten diese über ihren Kontakt zu anderen Christen. Passanten sollen während des Ramadan mindestens eine Person angegriffen haben, weil sie während des Ramadans in der Öffentlichkeit gegessen hatten (USDOS 21.6.2019).

Es gibt Berichte von gesellschaftlicher Diskriminierung basierend auf Religionszugehörigkeit, Glauben oder Religionsausübung. Christen berichten über sozialen Druck seitens nicht-christlicher Familienangehöriger und Freunde, zum Islam zu konvertieren. Juden leben vorwiegend unbehelligt im Land und können Gottesdienste in Synagogen feiern, es gibt jedoch vereinzelte Fälle von Antisemitismus. Baha'i bekennen sich nicht öffentlich zu ihrem Glauben, da ihre Glaubensrichtung als häretisch gilt (USDOS 21.6.2019). Marokkanische Christen und andere Religionsgemeinschaften üben ihren Glauben in der Regel nur im privaten Bereich aus. Marokkaner werden von staatlichen Organen gehindert, Gottesdienste in "ausländischen" Kirchen zu besuchen, und riskieren bei jeder öffentlichen Glaubenspraxis den Vorwurf des Missionierens (AA 14.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 21.1.2020

- USDOS - U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011110.html, Zugriff 10.10.2019

Religiöse Gruppen

Mehr als 99% der Bevölkerung sind sunnitische Moslems. Die restlichen religiösen Gruppen (Christen, Juden, schiitische Moslems und Baha'is) machen weniger als 1% der Bevölkerung aus (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 12.2019b; USDOS 21.6.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 7.10.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 21.1.2020

- USDOS - U.S. Departement of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom - Marocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011110.html, Zugriff 7.10.2019

Ethnische Minderheiten

Marokko erkennt ausdrücklich in seiner Verfassung die Diversität der Nation an. Staatliche Diskriminierung gegenüber ethnischen Minderheiten ist nicht vorhanden (AA 14.2.2018).

Etwa die Hälfte der Bevölkerung macht eine berberische Abstammung geltend und spricht eine der drei in Marokko vertretenen Berbersprachen. Dies ist wichtiger Teil ihrer Identität. Die meisten Berber in Marokko sehen sich jedoch nicht als ethnische Minderheit. Marokko fördert Sprache und Kultur der Berber inzwischen aktiv (AA 14.2.2018). Wer sich den Berbern, die eine recht heterogene, auf drei Hauptstämme aufgegliederte Bevölkerungsgruppe darstellen, zugehörig fühlt, hängt vom familiären, geographischen und soziokulturellen Hintergrund ab. Im Allgemeinen verweisen Berberstämmige mit Stolz auf ihre Abkunft, insbesondere wenn sie zu den alteingesessenen Familien oder Clans der historischen Städte im Berbergebiet (Fes, Marrakesch, Ouarzazate usw.) gehören. Der "Minderheitencharakter" der Berber ist bei ca. 40% der Bevölkerung mit berberischen Wurzeln relativ zu sehen. Aussagen über den Anteil von Berbern in bestimmten Bereichen (öffentlicher Dienst, Militär, freie Berufe, Wirtschaftstreibende) sind nicht greifbar. Nach Einschätzung der Botschaft mag eine Diskriminierung auf Grund der berberischen Herkunft im Einzelfall vorkommen, ein generelles diskriminierendes Verhaltensmuster ist nicht erkennbar (ÖB 5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 10.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Grundversorgung

Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert. Staatliche soziale Unterstützung ist kaum vorhanden, vielfach sind religiös-karitative Organisationen tätig. Die entscheidende Rolle bei der Betreuung Bedürftiger spielt nach wie vor die Familie. Staatliche und sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer gibt es nicht (AA 14.2.2018).

König Mohammed VI. und die bisherige Regierung streben eine durchgreifende Modernisierung und Diversifizierung des Landes an, das seine Chancen neben dem Hauptpartner EU verstärkt in Afrika sucht. Gebergemeinschaft, OECD und IWF unterstützen diesen Modernisierungskurs (AA 6.5.2019c). Formal ist Marokko eine freie Marktwirtschaft. Bedingt durch die starke Stellung der Königsfamilie und alteingesessener Eliten ist der Wettbewerb jedoch verzerrt. Seit dem Machtantritt von König Mohammed VI. hat die Vormachtstellung der Königsfamilie in Schlüsselsektoren wie Landwirtschaft, Bergbau, Einzelhandel, Transport, Telekommunikation und erneuerbaren Energien weiter zugenommen. Gleichzeitig sind immer mehr Marokkaner auf Überweisungen aus dem Ausland angewiesen, um zu überleben (GIZ 12.2019c).

Ein gravierendes Problem bildet nach wie vor die Arbeitslosigkeit 2018 (laut IMF bei 9,8%, Dunkelziffer liegt wesentlich höher), vor allem unter der Jugend (ÖB 5.2019). Der Bevölkerungszuwachs in den aktiven Altersgruppen liegt deutlich höher als die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die reale Arbeitslosenquote, insbesondere bei Jugendlichen, liegt deutlich über den offiziell angegebenen ca. 10% (AA 6.5.2019c).

Laut Informationen der Weltbank steht Marokko in der MENA-Region bei der Höhe der Auslandsüberweisungen von Migranten (Remittances) an dritter Stelle. Zur Sicherung des sozialen und politischen Friedens verteilt der Staat Subventionen: Diese wurden in den letzten Jahren allerdings gekürzt, von 5 Mrd. Euro auf voraussichtlich umgerechnet 1,2 Mrd. Euro in 2018. Für das Jahr 2019 wurde eine Erhöhung um 30% auf 1,6 Mrd. Euro angekündigt. Trotz Subventionskürzungen und Privatisierungen hat die Staatsverschuldung in den vergangenen Jahren zugenommen (GIZ 12.2019c).

Der informelle Bereich der Wirtschaft wird statistisch nicht erfasst, entfaltet aber erhebliche Absorptionskraft für den Arbeitsmarkt. Fremdsprachenkenntnisse - wie sie z.B. Heimkehrer aufweisen - sind insbesondere in der Tourismusbranche und deren Umfeld nützlich. Arbeitssuchenden steht die Internet-Plattform des nationalen Arbeitsmarktservices ANAPEC zur Verfügung (www.anapec.org), die neben aktueller Beschäftigungssuche auch Zugang zu Fortbildungsmöglichkeiten vermittelt. Unter 30-Jährige, die bestimmte Bildungsebenen erreicht haben, können mit Hilfe des OFPPT (www.ofppt.ma/) eine weiterführende Berufsausbildung einschlagen. Die marokkanische Regierung führt Programme der Armutsbekämpfung (INDH) und des sozialen Wohnbaus. Eine staatlich garantierte Grundversorgung/arbeitsloses Basiseinkommen existiert allerdings nicht. Der Mindestlohn (SMIG) liegt bei 2.570 Dirham (ca. EUR 234). Ein Monatslohn von etwa dem Doppelten dieses Betrags gilt als durchaus bürgerliches Einkommen. Statistisch beträgt der durchschnittliche Monatslohn eines Gehaltsempfängers 4.711 Dirham, wobei allerdings die Hälfte der - zur Sozialversicherung angemeldeten - Lohnempfänger nur den Mindestlohn empfängt. Ein ungelernter Hilfsarbeiter erhält für einen Arbeitstag (10 Std.) ca. 100 Dirham, Illegale aus der Subsahara erhalten weniger (ÖB 5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 14.10.2019

- AA - Auswärtiges Amt (6.5.2019c): Marokko - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/wirtschaft/224082, Zugriff 5.9.2019

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019c): LIPortal - Marokko - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/marokko/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.1.2020

- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Medizinische Versorgung

Politisch verantwortlich für die medizinische Versorgung ist das Gesundheitsministerium. Die meisten Marokkaner müssen für ihre Gesundheit allein vorsorgen. Wer einen formellen Arbeitsvertrag hat, ist zwar offiziell krankenversichert, aber viele Leistungen müssen trotzdem aus eigener Tasche bezahlt werden. Patienten mit geringem Einkommen haben seit 2002 die Möglichkeit, sich im Rahmen der öffentlichen Assurance Maladies Obligatoire (AMO) oder des Gesundheitssystems Régime d'Assistance Médicale (RAMED) behandeln zu lassen (GIZ 12.2019b).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht ganz zu vergleichen. In Rabat und Casablanca finden sich allerdings ausgezeichnete Privatkliniken von hohem Standard. Auf dem Lande hingegen kann die medizinische Versorgung bezüglich der apparativen Ausstattung bzw. Hygiene problematisch sein (AA 21.1.2020).

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 14.2.2018).

Rund 30.000 Menschen in Marokko sollen mit HIV infiziert sein. Knapp 50% der Infizierten sind weiblich. Schätzungsweise 2% der Prostituierten sind HIV-positiv. Damit hat Marokko in der MENA-Region eine Spitzenposition inne (GIZ 10.2019b). Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 14.2.2018).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3% der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis ("Carte RAMED"), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 ? pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 5.2019). Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine "Carte RAMED" erhalten. Bei Vorlage dieser Karte sind Behandlungen kostenfrei (AA 14.2.2018).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 5.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 14.10.2019

- AA - Auswärtiges Amt (21.1.2020): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/marokko-node/marokkosicherheit/224080, Zugriff 21.1.2020

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (10.2019b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 14.10.2019

- ÖB - Österreichische Botschaft in Rabat (5.2019): Asylländerbericht Marokko

Medikamentenverfügbarkeit Psychiatrie:

In Marokko sind die angegebenen Medikamente Aripiprazol (Wirkstoff engl. Aripiprazole, verfügbar gemäß BMA 9581) und Trittico (Wirkstoff engl. Trazodone, verfügbar gemäß BMA 9542). Solian (Wirkstoff engl. Amisulpride) ist nicht verfügbar, es ist jedoch gemäß Information von MedCOI vom 1.6.2017 ein Alternativmedikament von Aripiprazol, d.h. es ist nicht notwendig, sofern Aripiprazol verfügbar ist. Stationäre sowie ambulante Behandlung durch einen Psychiater sowie Psychologen sind ebenfalls verfügbar gemäß BMA 9542 und BMA 9581.

Quellen:

- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Marokko: Medikamentenverfügbarkeit Psychiatrie, 8. Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1406938/5209_1496993523_maro-rf-mev-medikamentenverfuegbarkeit-psychiatrie-2017-06-08-k.doc (Zugriff am 5. März 2020)

Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Krankheiten (Organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung) in Marokko und die Verfügbarkeit der Medikamente Durotiv 40mg (Esomeprazol), Levebon 1000mg (Levetiracetam), Mirtazapin 30mg (Mirtazapin), Paspertin (Metoclopramid-Hydrochlorid), Sirdalud 4mg (Tizanidin-Hydrochlorid) und Temesta 1 mg (Lorazepam):

Die folgenden Untersuchungen, bzw. Behandlungen sind in Marokko verfügbar:

- Stationäre Behandlung durch einen Neurologen ist im Hopital Des Specialites

Hay Ryad, in Rabat verfügbar

- Ambulante Behandlung bzw. Versorgung, sowie Nachuntersuchungen durch einen Neurologen sind im Private Neurology Practice, in der Av de France, in Rabat verfügbar

- Stationäre Behandlung durch einen Psychologen ist im Hopital des Specialites

Hay Ryad, in Rabat verfügbar, wie auch im Hopital ArRazi, in der Rue Ibn Rochd, in Salé.

- Ambulante Behandlung bzw. Versorgung, sowie Nachuntersuchungen durch einen Psychologen sind in der Private Psychology Practice, in der Rue YOUSSEF ben Tachefine, in Rabat verfügbar

- Psychiatrische Behandlung mittels Psychotherapie: andere als kognitive Verhaltenstherapie, ist im Hopital ArRazi, in der Rue Ibn Rochd, in Salé, verfügbar.

- Stationäre Behandlung durch einen Psychiater ist ebenfalls im Hopital ArRazi, in der Rue Ibn Rochd, in Salé verfügbar

- Stationäre Behandlung und ambulante Behandlung bzw. Versorgung, sowie Nachuntersuchungen durch einen Onkologen. sind am Institut National d'Oncologie, in der Av Allal Fassi, in Rabat verfügbar.

- Des Weiteren kann auch die Platzierung des zerebralen Shunts inklusive einer Vor- und Nachbehandlung der Operation in der Neurochirurgie durchgeführt werden und ist im Hopital des Specialites Hay Ryad, in Rabat verfügbar.

- Weiters sind auch stationäre Behandlung und ambulante Behandlung bzw. Versorgung, sowie Nachuntersuchungen durch einen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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