TE Vwgh Beschluss 2020/6/4 Ra 2020/22/0042

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Veröffentlicht am 04.06.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §18 Abs3 idF 1990/357
AVG §18 Abs4 idF 1990/357
AVG §56
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des O A E H S A, vertreten durch die Rihs Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. Dezember 2019, VGW-151/009/5427/2019-10, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Ein Ersatz der Kosten findet nicht statt.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein ägyptischer Staatsangehöriger, verfügte zunächst über Aufenthaltsbewilligungen als Student, nach seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsbürgerin über eine Aufenthaltsbewilligung als Familienangehöriger und - nach der Scheidung - über eine „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, zuletzt mit Gültigkeit bis 14.11.2018.

2        Am 30.11.2018 - und somit verspätet - stellte er einen weiteren Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, wobei er sowohl das Kästchen „Verlängerungsantrag“ als auch „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ ankreuzte.

3        Nachdem der Revisionswerber weder einem Ladungstermin noch einem schriftlichen Mängelbehebungsauftrag Folge geleistet hatte, wies der Landeshauptmann von Wien (Behörde) den Antrag des Revisionswerbers - gestützt auf § 13 Abs. 3 AVG - zurück, weil er „den beantragten Aufenthaltszweck nach Überprüfung und Aufforderung der Behörde nicht geändert“ habe.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers mit einer hier nicht relevanten Maßgabe ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig. Dieses abweisende Erkenntnis trägt das Datum 12.12.2019.

5        Dagegen richtet sich die gegenständliche Revision, in der unter anderem beantragt wurde, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und dem Revisionswerber den beantragten Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ erteilen, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufheben. Mit der Revision wurde das angefochtene Erkenntnis (vom 12.12.2019) vorgelegt, auf dem sich der Eingangsstempel der Kanzlei des Rechtsvertreters des Revisionswerbers vom 11.12.2019 befindet.

6        Mit der Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof wies das VwG darauf hin, dass der Genehmigungsberechtigte am 4.12.2019 das im Akt einliegende Erkenntnis, mit dem der angefochtene Bescheid behoben worden sei, durch Unterschrift intern genehmigt habe. Dieses aufhebende Erkenntnis sei am 9.12.2019 gemeinsam mit dem Akt an die Behörde expediert und dieser am 11.12.2019 zugestellt worden. Am 6.12.2019 seien die für den Revisionswerber und den Bundesminister für Inneres bestimmten Ausfertigungen abgefertigt und dem Bundesminister für Inneres am 6.12.2019 per E-Mail und dem Revisionswerber am 11.12.2019 elektronisch zugestellt worden. Aufgrund eines technischen Fehlers seien dem Revisionswerber und dem Bundesminister für Inneres aber eine im „JURA“ vorhandene, intern nicht genehmigte abweisende Erledigung übermittelt worden. Dies sei erst durch die am 22.1.2020 eingelangte Revision bekannt geworden. Dem Revisionswerber und dem Bundesminister für Inneres sei sogleich am 23.1.2020 das intern genehmigte Erkenntnis vom 4.12.2019, das der Behörde bereits am 11.12.2019 zugestellt worden war, übermittelt worden.

7        Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes führte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers aus, er habe nicht gewusst, dass die zugestellte Entscheidung des VwG intern nicht genehmigt gewesen sei und habe daher aus anwaltlicher Vorsicht Revision erhoben. Es erscheine zweifelhaft, ob die Zustellung des angeblich intern nicht genehmigten Entscheidungsentwurfes keinerlei Rechtswirkungen entfalte, zumal es nicht möglich sei, die „behördeninterne“ Genehmigung zu überprüfen und nachzuvollziehen. Rechtsakte, die nicht mit absoluter Nichtigkeit behaftet seien, seien der Rechtskraft fähig und müssten angefochten werden, anderenfalls erwüchsen sie in Rechtskraft. Falls der Verwaltungsgerichtshof der zugestellten, angeblich nicht genehmigten Ausfertigung keinerlei Rechtswirkungen zugestehe, werde das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof als gegenstandslos einzustellen sein. Der Revisionswerber habe gemäß § 55 iVm § 47 Abs. 2 Z 1 VwGG Anspruch auf Ersatz der Kosten.

8        Gemäß dem auch in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten anzuwendenden § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

9        Von der Frage der Genehmigung einer Erledigung (der Willensbildung, verkörpert in der Urschrift) ist jene der Frage der Bekanntgabe der Erledigung durch die Übermittlung (Zustellung) der schriftlichen Ausfertigung der Erledigung zu unterscheiden. Die behördeninterne Genehmigung der Entscheidung wird - seit der Novelle BGBl. 1990/357 - in Abs. 3, die Ausfertigung dieser Entscheidung an die Partei in Abs. 4 des § 18 AVG geregelt. Dementsprechend betonen Rechtsprechung und Lehre, dass ein Mangel der Urschrift auch nicht durch eine fehlerfreie Ausfertigung saniert werden kann. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann vielmehr eine Ausfertigung nur dann rechtliche Wirkungen zeitigen, wenn ihr eine gemäß § 18 Abs. 3 AVG genehmigte Erledigung (und nicht bloß ein Bescheidentwurf) zugrunde liegt (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG I [zweite Ausgabe] § 18 Rz 12 AVG zitierte Rechtsprechung). Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).

10       Die vorgelegten Verfahrensakten enthalten ein vom Richter des VwG unterschriebenes Erkenntnis vom 4.12.2019, in dem der Beschwerde des Revisionswerbers Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben wurde. Eine abweisende Entscheidung, wie sie dem Revisionswerber zugestellt wurde, ist den Verfahrensakten nicht zu entnehmen. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kann die dem Revisionswerber übermittelte, elektronisch verfügbare, aber vom Genehmigungsberechtigten nicht durch Unterschrift genehmigte Zwischenfassung, in der die Beschwerde abgewiesen wurde, mangels Genehmigung keine rechtlichen Wirkungen zeitigen.

11       Die vorliegende Revision war somit mangels Vorliegen eines gemäß Art. 133 B-VG einer Revision zugänglichen Erkenntnisses des VwG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

12       Ein Kostenersatz findet - da keine Klaglosstellung im Sinn des § 33 VwGG vorliegt - gemäß § 51 VwGG nicht statt.

Wien, am 4. Juni 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Unterschrift Unterschrift des Genehmigenden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220042.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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