TE Vwgh Beschluss 2020/6/12 Ra 2017/16/0116

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.06.2020
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §250 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der S GmbH in M, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1A, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 26. Mai 2017, Zl. RV/6200002/2017, betreffend Zurücknahmeerklärung einer Bescheidbeschwerde i.A. von Eingangsabgaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Im Gefolge einer den Zollwert und den Zolltarif betreffenden, vom Zollamt Salzburg bei der revisionswerbenden Gesellschaft (Revisionswerberin) durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung nach § 25 ZollR-DG teilte das Zollamt Salzburg der Revisionswerberin mit Bescheid vom 1. Februar 2016 einen nachträglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrag an Zoll mit. In acht näher angeführten Anmeldungen im Zeitraum zwischen dem 8. Februar 2013 und dem 15. Oktober 2015 seien näher bezeichnete Waren jeweils in eine unrichtige Warenposition eingereiht worden. Deshalb seien die Eingangsabgaben damals nicht in der geschuldeten Höhe buchmäßig erfasst worden.

2        Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom 11. Februar 2016 dagegen Beschwerde. Die im Prüfbericht „angegebenen Zolltarifnummern“ seien „nicht korrekt“, die Revisionswerberin habe diesbezüglich „die betreffenden Waren an das Zollamt Wien, Zentralstelle für verbindliche Zolltarifauskünfte geschickt“ und wolle „auf die Beantragung der TUA Untersuchung für diese Waren“ hinweisen.

3        Das Zollamt Salzburg forderte die Revisionswerberin mit Mängelbehebungsauftrag vom 17. Februar 2016 auf, die angeführten Mängel bis 3. März 2016 zu beheben. Der Beschwerde fehlten
- eine Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten werde,
- eine Erklärung, welche Änderungen beantragt würden,
- Muster, Abbildungen oder Beschreibungen, aus denen die für die Einreihung maßgeblichen Merkmale der Ware hervorgingen, wenn mit Bescheidbeschwerde die Einreihung einer Ware in den Zolltarif angefochten werde, wobei nachzuweisen sei, dass die den Gegenstand des angefochtenen Bescheids bildende Ware mit diesen Mustern, Abbildungen oder Beschreibungen übereinstimme.

4        Mit Schriftsatz vom 3. März 2016 teilte die Revisionswerberin dem Zollamt Salzburg mit, dass die Einreihung näher bezeichneter Waren in bestimmte Tarifpositionen angefochten werde, und erläuterte, weshalb diese Waren aus ihrer Sicht in andere näher genannte Tarifpositionen einzureihen seien.

5        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 15. Dezember 2016 änderte das Zollamt Salzburg hinsichtlich näher angeführter Waren zu vier Anmeldungen auf Grund einer anderen Tarifposition den Betrag an nachträglich buchmäßig erfassten Abgaben zu Ungunsten der Revisionswerberin und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab.

6        Die Revisionswerberin brachte dagegen mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2017 einen als „Einspruch“ bezeichneten Vorlageantrag ein.

7        Das Bundesfinanzgericht hielt der Revisionswerberin mit Schreiben vom 12. Mai 2017 vor, aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass die im Mängelbehebungsauftrag des Zollamts unter dem dritten Gedankenstrich geforderten Beilagen und Nachweise vorgelegt worden seien.

8        Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2017 teilte die Revisionswerberin dem Bundesfinanzgericht mit, dass die geforderten Nachweise bzw. Muster vorab bereits am 27. Jänner 2016 an das Zollamt Wien zur Prüfung geschickt worden seien. „(Dies wurde so telefonisch mit Frau [M] besprochen)“.

9        Das Bundesfinanzgericht erklärte mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde als zurückgenommen und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10       Mit der beim Zollamt Salzburg eingebrachten Beschwerde sei die Einreihung von Waren in den Zolltarif und die daraus resultierende Nacherhebung angefochten worden. Der Beschwerde seien keine Muster, Abbildungen oder Beschreibungen der Waren beigegeben worden. Die qualitativ schlechten Abbildungen der eingeführten Waren, die den Anmeldungen angeschlossen gewesen seien, vermögen die Beigabe von Mustern, Abbildungen oder Beschreibungen nicht zu ersetzen. Ohne diese Beilagen könne zB nicht festgestellt werden, welcher Stoff für aus verschiedenen Stoffen bestehende Waren charakterverleihend sei, was für die Einreihung der Waren in den Zolltarif jedoch entscheidend sei.

11       Im Auftrag zur Behebung dieser Mängel bis 3. März 2016 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde bei Versäumung der Mängelbehebungsfrist als zurückgenommen gelte.

12       Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

13       Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); das Zollamt Salzburg erstattete eine Revisionsbeantwortung und beansprucht den Ersatz der Aufwendungen.

14       Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15       Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Die Revisionswerberin führt zur Zulässigkeit ihrer Revision aus, der Abgabenbehörde sei bekannt gewesen, dass die Revisionswerberin Muster zur Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft an das Zollamt Wien geschickt habe. Dem Akteninhalt sei auch zu entnehmen, dass diese Vorgehensweise mit der Sachbearbeiterin des Zollamts Salzburg besprochen worden sei („im Akt befindliches Schreiben der Revisionswerberin des 23.5.2017“). Die Revisionswerberin habe sich an die belangte Behörde gewandt, um eine entsprechende Anleitung für das weitere Verfahren zu erhalten. Seitens der Behörde sei keine Rechtsbelehrung im Sinne des § 113 BAO dahingehend erteilt worden, dass die Zusendung der Muster an das Zollamt Wien nicht ausreiche, um den Mängelbehebungsauftrag zu erfüllen, und dass es der Revisionswerberin möglich gewesen wäre, einen entsprechenden Fristverlängerungsantrag zu stellen.

17       Gemäß § 113 BAO haben die Abgabenbehörden den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die für die Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.

18       Dass die in § 250 Abs. 2 BAO normierte Verpflichtung, im - hier unstrittig vorliegenden - Fall der Anfechtung der Einreihung einer Ware in den Zolltarif Muster, Abbildungen oder Beschreibungen, aus denen die für die Einreihung maßgeblichen Merkmale der Ware hervorgehen, der Bescheidbeschwerde beizugeben, nicht dadurch erfüllt wird, dass solche Unterlagen einer anderen Behörde (etwa dem Zollamt Wien im Zusammenhang mit einer verbindlichen Zolltarifauskunft - damals Art. 12 der Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom 19.10.1992, [Zollkodex - ZK]) vorgelegt werden, ergibt sich aus dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut der Bestimmung des § 250 Abs. 2 BAO.

19       Welche durch eine Fristverlängerung beseitigbaren Hindernisse bestanden hätten, die offenbar dem Zollamt Wien vorgelegten oder vorzulegenden Unterlagen auch der Bescheidbeschwerde beizugeben, lässt die Revisionswerberin offen.

20       Die Revisionswerberin lässt auch offen, wann sie sich „an die belangte Behörde gewandt“ habe, und behauptet in der Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision auch gar nicht konkret, ein solches Verlangen im Sinne des § 113 BAO vor der Versendung ihres Schriftsatzes vom 3. März 2016 gestellt zu haben. Eine Rechtsbelehrung nach Ablauf der Mängelbehebungsfrist am 3. März 2016 hätte am Eintritt der gesetzlichen eintretenden Rechtsfolge der Fiktion der Zurücknahme der Beschwerde von vornherein nichts mehr zu ändern vermocht.

21       Auch dem erwähnten Schriftsatz vom 23. Mai 2017 an das Bundesfinanzgericht und dem Akteninhalt, worauf in der Zulässigkeitsbegründung verwiesen wird, ist nicht zu entnehmen, dass „diese Vorgangsweise“ (die geforderten Unterlagen seien bereits am 26. Jänner 2016 an das Zollamt Wien gesendet worden) mit der Sachbearbeiterin des Zollamts Salzburg vor Ablauf der Mängelbehebungsfrist „so besprochen“ worden wäre.

22       Dass die Revisionswerberin vor Versendung des Schriftsatzes vom 3. März 2016 eine Rechtsbelehrung im Sinne des § 113 BAO verlangt und diesbezüglich „Kontakt mit der belangten Behörde zwecks der weiteren Vorgangsweise aufgenommen“ hätte, findet im Akteninhalt keine Deckung, welchem lediglich ein E-Mail-Verkehr zwischen der Revisionswerberin und jener Sachbearbeiterin (beginnend mit 7. März 2016) nach Ablauf der Mängelbehebungsfrist zu entnehmen ist. Deshalb unterläge eine solche Behauptung auch dem Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

23       Somit zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

24       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

25       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017160116.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten