TE Vwgh Beschluss 2020/6/16 Ra 2020/19/0006

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103000
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38
EURallg
VwGG §62 Abs1
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs2
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs3
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des O H, vertreten durch Mag. Julia M. Kolda, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 95/1/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2018, W136 2132385-2/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 1. Oktober 2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er in seinem Herkunftsstaat aufgrund der Tätigkeit für ein Sicherheitsunternehmen von einer terroristischen Vereinigung bedroht worden sei.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 13. April 2017 als unbegründet ab.

Am 16. Jänner 2018 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er zusammengefasst damit, dass er sich vom Islam abgewandt habe und Bahai geworden sei. Aufgrund seiner Konversion drohe ihm in Afghanistan Verfolgung.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Mit Erkenntnis vom 24. Juni 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, nach den eigenen Angaben des Revisionswerbers sei seine Konversion bereits vor Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz erfolgt und hätte daher bereits in diesem Verfahren vorgebracht werden können. Der nunmehrige zweite Antrag auf internationalen Schutz sei daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, über die vom Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren eingeleitet wurde.

Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 18. Dezember 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1.      Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?

Falls Frage 1. bejaht wird:

2.       Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?

3.       Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“

Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Revision ebenfalls Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war (vgl. VwGH 23.3.2020, Ra 2019/14/0398, mwN).

Wien, am 16. Juni 2020

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190006.L02

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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