TE Vwgh Beschluss 2020/6/19 Ra 2020/19/0165

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/19/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in den Revisionssachen 1. der G S, und 2. der S O, beide in N, beide vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Spittelwiese 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2020, 1. I422 2208111-1/12E und 2. I422 2208109-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der volljährigen Zweitrevisionswerberin. Beide sind Staatsangehörige des Irak und stellten am 26. Mai 2016 Anträge auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen gaben sie im Wesentlichen an, dass der Schwiegersohn die Tochter der Erstrevisionswerberin bzw. Schwester der Zweitrevisionswerberin ermordet und gedroht habe, die ganze Familie zu töten.

2        Mit Bescheiden vom 30. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerberinnen zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerberinnen als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        In der Folge erhoben die Revisionswerberinnen die gegenständliche außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision im Wesentlichen vor, dasBVwG habe auf Grundlage einer unschlüssigen Beweiswürdigung das Vorbringen der Revisionswerberinnen zu den Fluchtgründen als nicht glaubhaft erachtet. Aufgrund der prekären Sicherheitslage, wie aus den aktuellen Länderberichten zum Irak hervorgehe, hätte es zudem den Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Die Revisionswerberinnen könnten sich im Irak keine Existenz aufbauen. Die Abschiebung in den Irak würde daher eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen. Zudem sei die Erstrevisionswerberin aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der für den Zugang zur Versorgung zurückzulegenden Entfernung eine Rückkehr in ihr Herkunftsland unzumutbar.

9        Insoweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung betreffend die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten wendet, ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0712 bis 0715, mwN). Das BVwG ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf widersprüchliche, nicht stringente Aussagen und gesteigertes Vorbringen der Revisionswerberinnen zu der Auffassung gelangt, dass sie eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnten. Der Revision gelingt es mit ihrem Vorbringen nicht, eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung aufzuzeigen.

10       Im Hinblick auf die Nichtgewährung des Status von subsidiär Schutzberechtigten stützte das BVwG seine Einschätzung insbesondere auf die im gegenständlichen Fall gesicherte Versorgungssituation der Revisionswerberinnen bei einer Rückkehr aufgrund der noch bestehenden familiären Anknüpfungspunkte in der Heimatstadt, der möglichen Aufnahme von Beschäftigung ihrer beiden Söhne, deren Asylansuchen ebenfalls bereits negativ entschieden worden sei, und der Möglichkeit der Aufnahme einer adäquaten Beschäftigung der volljährigen, gesunden und erwerbsfähigen Zweitrevisionswerberin. Angesichts dieser in der Revision unbestritten gebliebenen Feststellungen kann dem BVwG nicht entgegengetreten werden, wenn es die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten verneinte. Soweit die Revision die prekäre Sicherheitslage im Irak moniert und dabei pauschal auf die herangezogenen Länderberichte verweist, zeigt sie damit im Ergebnis nicht konkret auf den vorliegenden Fall bezogen auf, warum entgegen der festgestellten Situation in Erbil eine Rückkehr zu einer Verletzung von Rechten nach Art. 3 EMRK führen würde.

11       Soweit schließlich in der Revision behauptet wird, der Erstrevisionswerberin sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der für den Zugang zur Versorgung zurückzulegenden Entfernung eine Rückkehr in ihr Herkunftsland unzumutbar, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in Österreich zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung in seinem Herkunftsstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, soweit der Betroffene tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung hat. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt eine Abschiebung in den Herkunftsstaat zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Herkunftsstaat oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0484, mwN).

12       Fallbezogen ist festzuhalten, dass sich das BVwG mit dem Vorbringen und den vorgelegten Beweismitteln zum gesundheitlichen Zustand der Erstrevisionswerberin auseinandergesetzt und Magenprobleme, Bluthochdruck, Depressionen sowie Schlafstörungen festgestellt hat, jedoch zum Schluss gekommen ist, dass diese Leiden im Irak behandelbar seien. Dass die von der Erstrevisionswerberin ins Treffen geführten Krankheiten in ihrem Fall jene oben beschriebene Schwere und Intensität aufweisen würden, welche dazu führen könnte, dass es im Fall ihrer Rückführung in das Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinn der dargestellten Rechtsprechung kommen werde, wird mit dem allgemeinen Vorbringen zum Gesundheitszustand der Erstrevisionswerberin in der Revision sowie der lediglich unsubstantiiert vorgebrachten Behauptung, eine Rückkehr in das Herkunftsland sei aufgrund der für den Zugang zur Versorgung zurückzulegenden Entfernung unzumutbar, nicht dargetan.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190165.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten