TE Vwgh Beschluss 2020/7/15 Ra 2020/17/0049

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Veröffentlicht am 15.07.2020
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Index

E6J
E6O
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VStG §9 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und den Hofrat Mag. Berger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M S in P, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10 (4. OG), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. Jänner 2020, LVwG-S-838/001-2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 11. März 2019 wurde über den Revisionswerber als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft wegen drei näher konkretisierter Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz - GSpG im Zeitraum 23. Jänner 2018 bis 22. Jänner 2019 drei Geldstrafen sowie drei Ersatzfreiheitsstrafen verhängt. Ferner wurden dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens sowie der Ersatz bestimmter Barauslagen vorgeschrieben.

2        2.1. Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorgeschrieben. Das LVwG sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        2.2. Das LVwG stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Geräte seien vom 23. Jänner 2018 bis 22. Jänner 2019 betriebsbereit in einem näher bezeichneten Lokal gestanden und für jedermann zugänglich gewesen. Am 22. Jänner 2019 habe eine glücksspielrechtliche Kontrolle der Finanzpolizei stattgefunden, bei der die drei näher beschriebenen Geräte betriebsbereit und voll funktionsfähig vorgefunden worden seien. Lokalinhaberin sei die vom Revisionswerber vertretene Gesellschaft gewesen. Zugangsbeschränkungen zum Lokal und zu den Glücksspielgeräten habe es keine gegeben. Auf allen Geräten seien Testspiele durchgeführt worden. Es handle sich bei allen Geräten um Walzenspielgeräte, bei denen nach Eingabe von Geld und Betätigung einer Taste virtuelle Walzen mit unterschiedlichen Symbolen zu rotieren begännen und nach einer kurzen Zeit ohne Einflussmöglichkeit des Spielers zum Stillstand kämen, wobei je nach Endposition der Walzen entweder ein Gewinn erzielt oder das Spiel verloren worden sei. Hinsichtlich der Geräte 2 und 3 sei es zwar möglich gewesen, die Walzen mit Hilfe der „Hold“-Tasten verzögert anzuhalten, es sei jedoch für das menschliche Auge keinesfalls wahrnehmbar oder steuerbar gewesen, welches Symbol dann auf dem Bildschirm sichtbar geworden sei. Dem Spieler sei es daher nicht möglich gewesen, den Walzenlauf bzw. den Stillstand der Walzen in irgendeiner Form zu beeinflussen, weshalb das Spiel vorwiegend vom Zufall abgehangen sei. Auf allen drei Geräten sei eine „Gamble-Funktion“ vorhanden gewesen. Für die Teilnahme an den Spielen sei jeweils eine vermögenswerte Leistung in Form eines Einsatzes zu leisten gewesen, der jeweils in näher dargestellter Höhe mit näheren in Aussicht gestellten Gewinnen möglich gewesen sei. Die Gesellschaft habe die Aufstellung der Geräte zugelassen und dadurch potentiellen Spielern in Form der Ermöglichung der Durchführung eines Spieles zugänglich gemacht; ferner habe sie dafür Sorge getragen, dass die Geräte täglich eingeschaltet den Spielern zur Verfügung gestanden seien, und an der Auszahlung erzielter Spielgewinne in näher umschriebener Form mitgewirkt. Es liege für die Durchführung der Spiele keine Bewilligung bzw. Konzession vor. Weiters traf das LVwG nähere Feststellungen zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG, erläuterte seine Beweiswürdigung, die rechtlichen Erwägungen und die Strafbemessung. Beweiswürdigend hielt das LVwG hinsichtlich der Feststellung der Funktionsweise der Geräte fest, diese basiere auf den übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen der Zeugen, die die durchgeführten Testspiele dargelegt hätten. Diese hätten Erinnerungen an die „verfahrensgegenständlichen“ Geräte und nicht bloß an ähnliche oder baugleiche Geräte. Da sich die Sachverhaltsannahmen bereits aus den bislang vorliegenden Beweisergebnissen zweifelsfrei feststellen ließen, sei kein Gutachten eines Sachverständigen einzuholen gewesen.

4        2.3. Die Behandlung der vom Revisionswerber gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem mit Beschluss vom 5. März 2020, E 552/2020-5, abgelehnt. Die Beschwerde wurde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

5        2.4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        3.1. Die Revision erweist sich als unzulässig:

7        3.1.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       3.1.2. Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, es liege ein Verstoß gegen die ständige Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur dynamischen Kohärenzprüfung vor. Das LVwG habe im Hinblick auf die amtswegige Beurteilung der Unionsrechtskonformität des GSpG lediglich Unterlagen aus dem Zeitraum 2010 bis 2016 zu Grunde gelegt, die vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen seien unberücksichtigt geblieben.

11       Dazu ist auszuführen, dass die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt sind (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das LVwG im Revisionsfall nicht abgewichen. Entgegen dem weiteren Vorbringen steht die angefochtene Entscheidung daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12. Darüber hinaus wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht näher dargelegt.

12       3.1.3. Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, das LVwGhabe gegen die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Stattgabe von Beweisanträgen verstoßen: Die Geräte seien von der Finanzpolizei Probe bespielt worden und vom Zeugen G. sei ausgesagt worden, dass es bei zwei Geräten mit Hilfe der „Hold-Taste“ möglich gewesen sei, die Walzen anzuhalten. Das LVwG habe dennoch den Beweisanträgen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass es sich um Geschicklichkeitsautomaten handle, sowie auf Einholung einer Stellungnahme des Geräteherstellers nicht stattgegeben. Dies widerspreche näherer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Vermeidung antizipierender Beweiswürdigung.

13       Die Frage, ob bei den der vorliegenden Bestrafung zugrunde liegenden Spielen das Spielergebnis vorwiegend vom Zufall abhängt, unterliegt der Beurteilung im Einzelfall; diese ist als solche grundsätzlich nicht revisibel. Dass das LVwG zu einem völlig unvertretbaren Ergebnis (vgl. in diesem Zusammenhang VwGH 1.10.2019, Ra 2019/17/0078, mwN) gelangt wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt (zur Qualifikation virtueller Walzenspiele als Glücksspiele vgl. z.B. VwGH 12.7.2018, Ra 2018/17/0134). Ob in diesem Zusammenhang ausreichende Beweisergebnisse vorhanden waren, um Rückschlüsse auf den tatsächlichen Spielverlauf ziehen zu können, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als reine Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge daher insgesamt nur vor, wenn das LVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/17/0024 bis 0026, mwN). Das LVwG hat im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Einvernahme jener Personen, die auf den konkreten Geräten gespielt haben, nachvollziehbar begründet, wie es zu seinen Feststellungen gelangt ist. Dass das LVwG seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, sodass die Einholung des genannten Sachverständigengutachtens und der genannten Stellungnahme geboten gewesen wäre, wird vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2019/17/0069).

14       3.2. In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

15       4. Die vorliegende Revision war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 15. Juli 2020

Gerichtsentscheidung

62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB
62015CJ0685 Online Games VORAB
62017CJ0003 Sporting Odds VORAB
62017CO0079 Gmalieva VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020170049.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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