TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/6 Ra 2019/04/0011

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §81
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Ing. W S in P, vertreten durch Dr. Gerhard Richter und Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 16. November 2018, Zl. LVwG 43.21-2161/2017-6, betreffend gewerberechtliches Betriebsanlagenverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung; mitbeteiligte Parteien: 1. L GmbH und 2. W GmbH beide in P, beide vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH, 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren betreffend Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit gewerbebehördlichem Bescheid vom 29. Oktober 1990 wurde den Rechtsvorgängern der mitbeteiligten Parteien für einen Speditionsbetrieb die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Betriebsanlage in Form einer LKW-Abstellfläche für 33 Lastkraftwagen und -anhänger, eines Werkstättengebäudes samt Nebenräumen, eines Bürogebäudes samt Nebenräumen, eines Speditionsgebäudes, einer Dieseltreibstoffeigentankstelle mit zwei Zapfsäulen und eines LKW-Waschplatzes auf näher bezeichneten Liegenschaften unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt.

2        Der Revisionswerber bewohnt ein Haus in unmittelbarer Nachbarschaft.

3        1.2. Mit Eingabe vom 30. März 2016 - ergänzt durch die Eingabe vom 13. Dezember 2016 - zeigten die Mitbeteiligten die Änderung der Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1994 durch Lageänderung einer genehmigten Betriebstankstelle inklusive Flugdach an.

4        1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. April 2017 wurde die angezeigte Änderung zur Kenntnis genommen.

5        1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht).

6        1.5. Der Revisionswerber brachte in seiner Beschwerde auf das für das Revisionsverfahren Wesentliche zusammengefasst vor, der Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 1990 („Grundgenehmigung“) sei mangels Inbetriebnahme eines wesentlichen Teils der Betriebsanlage innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist erloschen, sodass keine rechtswirksame Genehmigung vorliege, die geändert werden könne. Die Mitbeteiligten hätten seitdem die betriebliche Tätigkeit konsenslos fortgesetzt und in der Folge Betriebsanlagenteile auf den Grundstücke errichtet, ohne dass diese in der Genehmigung aus dem Jahr 1990 vorgesehen gewesen wären. In den folgenden Jahren seien trotz Erlöschens der ursprünglichen Genehmigung wiederholt Änderungen bewilligt worden, wobei die betreffenden Bescheide jeweils nachträgliche Bewilligungen für konsenslos errichtete und benutzte Betriebsanlagenbereiche dargestellt hätten. Auch die verfahrensgegenständliche Änderung der Betriebsanlage beruhe nicht auf einer aufrechten Betriebsanlagengenehmigung, weshalb die belangte Behörde zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen für ein Änderungsanzeigeverfahren angenommen habe.

7        2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 16. November 2018 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

8        Hinsichtlich des Vorbringens des Revisionswerbers, der Bescheid der belangten Behörde vom 29. Oktober 1990 (Grundgenehmigung) sei erloschen, verwies das Verwaltungsgericht auf seine Entscheidung vom 15. Juni 2018, LVwG 43.21-2626/2015-48, in welcher es sich umfassend mit der erteilten Grundgenehmigung auseinandergesetzt habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass diese nicht erloschen wäre, weshalb sich die folgenden Änderungsgenehmigungs- bzw. Anzeigeverfahren auf diese stützen könnten.

9        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

10       Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

11       4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12       4.1. Das Verwaltungsgericht verweist in seiner Begründung hinsichtlich des vorgebrachten Erlöschens der Grundgenehmigung auf sein Erkenntnis vom 15. Juni 2016, LVwG 43.21-2626/2015-48. Diese Entscheidung war Gegenstand des Revisionsverfahrens zu Ra 2018/04/0154, 155 und wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. April 2020 aufgehoben.

13       Aus den dort dargelegten Entscheidungsgründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, gründet auch das verfahrensgegenständliche Erkenntnis auf der vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, es sei auf Basis der dort getroffenen Feststellungen vom aufrechten Bestehen der Grundgenehmigung aus vom 29. Oktober 1990 betreffend die Betriebsanlage, auf welche sich das verfahrensgegenständliche Änderungsgenehmigungsverfahren bezieht, auszugehen.

14       Das angefochtene Erkenntnis war demzufolge wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

15       4.2. Ergänzend ist aufgrund der Ausführungen in der Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei festzuhalten, dass Gegenstand eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 81 GewO 1994 nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage ist, nicht jedoch die geänderte Betriebsanlage insgesamt (vgl. etwa VwGH 14.4.1999, 98/04/0191). Die Rechtskraft der Genehmigung gemäß § 81 GewO 1994 kann daher immer nur jene Änderung umfassen, die Gegenstand des jeweiligen Änderungsgenehmigungsverfahrens war.

16       4.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Umsatzsteuer ist nach § 47 Abs. 1 VwGG nicht gesondert zuzusprechen, weil diese bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Wien, am 6. Juli 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040011.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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