TE Vwgh Beschluss 2020/7/13 Ro 2020/02/0001

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E10301000
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
37/02 Kreditwesen
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §1
BaSAG 2015 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EURallg
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
32014L0059 Abwicklungs-RL Kreditinstitute Wertpapierfirmen

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2020/02/0002 B 16.07.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der I GmbH in K (Deutschland), vertreten durch die Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. März 2020, W204 2165564-1/12E, betreffend Vorstellungsbescheid nach dem BaSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        1.1. Die revisionswerbende Partei ist mit einem Nominalbetrag von € 600.000,-- Gläubigerin einer bestimmten Vorzugsobligation der H Ltd.

2        1.2. Mit Mandatsbescheid vom 10. April 2016 ordnete die belangte Behörde in ihrer Funktion als Abwicklungsbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz - BaSAG, BGBl. I Nr. 98/2014, unter Berufung auf die Abwicklungsvoraussetzungen bei der H A AG gemäß § 50 Abs. 1 iVm. § 74 Abs. 2 iVm. § 58 Abs. 1 BaSAG für die H A AG und sämtliche GläubigerMaßnahmen an; u.a. wurden die Nennwerte nachrangiger Verbindlichkeiten auf null herabgesetzt und für nähere berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten eine Quote festgelegt (Mandatsbescheid II).

3        1.3. Aufgrund der - u.a. auch von der revisionswerbenden Partei - erhobenen Vorstellungen erließ die belangte Behörde den Vorstellungsbescheid vom 2. Mai 2017. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung ordnete die belangte Behörde in Spruchpunkt I. an, dass die Posten des harten Kernkapitals (Grundkapital der H A AG und als Eigenkapital ausgewiesenes Partizipationskapital; Spruchpunkt I.1.) sowie der Nennwert der Instrumente des Ergänzungskapitals (Spruchpunkt I.2.) jeweils einschließlich der bis zum 28. Februar 2015 aufgelaufenen Zinsen auf null (herab-)gesetzt würden. In Spruchpunkt II. ordnete die belangte Behörde an, dass der Nennwert der von Spruchpunkt I.2 nicht erfassten nachrangigen Verbindlichkeiten der H A AG - darunter auch die Forderung der revisionswerbenden Partei - jeweils einschließlich der bis zum 28. Februar 2015 aufgelaufenen Zinsen ebenfalls auf null herabgesetzt werde (Spruchpunkt II.1.); für berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten werde eine Quote festgesetzt und in Spruchpunkt III. zusammengefasst der Zinssatz ab 1. März 2015 auf null gesetzt (Punkt III.1.) und die Fälligkeit dieser (samt der bis zum 28. Februar 2015 angefallenenZinsen) dahingehend geändert, dass sie mit dem Auflösungsbeschluss nach § 84 Abs. 9 BaSAG, jedoch spätestens am 31. Dezember 2023, eintrete (Spruchpunkt III.3.).

4        2.1. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die von der revisionswerbenden Partei gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig, weil zu den Rechtsfragen, ob die H A AG in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (BRRD), ABl. Nr. L 173 vom 12. Juni 2014, bzw. des BaSAG falle, ob die Ausgestaltung der Unabhängigkeit der FMA als Abwicklungsbehörde den unionsrechtlichen Vorgaben genüge, auf welchen Zeitpunkt bei der Prüfung des Vorliegens der Abwicklungsvoraussetzungen abzustellen sei und unter welchen Umständen diese anzunehmen seien, sowie, ob eine Gläubigerbeteiligung auch in einem Fall wie dem vorliegenden angeordnet werden könne, in dem die Veräußerung von Unternehmenswerten und die Ausgliederung von Vermögenswerten bereits zuvor durch ein eigenes Gesetz angeordnet worden sei, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

5        2.2. Das BVwG traf nähere Feststellungen zur Chronologie der Ereignisse (u.a. Verstaatlichung, Einbindung der Europäischen Kommission, Gesetzesbeschlüsse), zur Anzeige gemäß § 114 Abs. 1 iVm. § 51 Abs. 1 Z 3 BaSAG zur vorläufigen Prüfung der Werthaltigkeit der Aktiva durch eine Wirtschaftsprüfung GmbH, zur abschließenden Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der H A AG durch einen unabhängigen Bewertungsprüfer, zur Bilanz- und Kapitalstruktur der H A AG, deren Verbindlichkeiten und Vermögenswerten sowie den nachrangigen Verbindlichkeiten der revisionswerbenden Partei. In der Folge erläuterte das BVwG seine Beweiswürdigung.

6        2.3. Begründend führte das BVwG in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass die BRRD aus näheren Gründen auch Abbaueinheiten wie die H A AG umfassen solle; eine bereits begonnene Abwicklung könne nicht zum Ausschluss der Anwendung der BRRD führen, vielmehr stelle die Abwicklung gerade den Regelungsgegenstand der BRRD dar. Die BRRD habe mit ihrer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union am 12. Juni 2014 eine europarechtliche Sperrwirkung entfaltet; nationale Gesetzgeber hätten zu diesem Zeitpunkt keine Handlungen setzten dürfen, die die Erreichung der Ziele und Zwecke der BRRD hätten gefährden dürfen; für dieses Ergebnis spräche auch nähere Rechtsprechung des EuGH. Eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit liege aus näheren Gründen nicht vor. Die belangte Behörde sei für die Erlassung des Vorstellungsbescheides zuständig gewesen. Das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen sei nicht nochmals zu prüfen. Es lägen alle Voraussetzungen für eine Gläubigerbeteiligung vor; Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Kommission seien einzuhalten gewesen.

7        3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

8        3.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

9        4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       4.2. Zur Zulässigkeit der Revision wird Folgendes vorgebracht:

13       4.2.1. Es habe eine rechtswidrig eingerichtete Behörde entschieden; zwar könne entsprechend Art. 3 der Richtlinie 2014/59/EU („BRRD“) ausnahmsweise die für die Aufsicht zuständige Behörde als Abwicklungsbehörde vorgesehen werden; dies jedoch nur dann, wenn „angemessene strukturbezogene Regelungen bestehen, mit denen die operative Unabhängigkeit sichergestellt und Interessenkonflikte [...] vermieden werden“. Dazu zähle gemäß Art. 3 Abs. 3 BRRD auch die strukturelle Trennung des für die Aufsichtsfunktion zuständigen Personals von jenem, das für die Wahrnehmung der Abwicklungsfunktionen zuständig sei. Die FMA sei als Aufsichtsbehörde auch gesetzlich als Abwicklungsbehörde vorgesehen. Laut der aktuellen veröffentlichten Geschäftsordnung sei die FMA in Bereiche gegliedert; die Bankenabwicklung sei ein Bereich, besondere Regelungen zur Unabhängigkeit enthalte die Geschäftsordnung nicht. § 7 der Geschäftsordnung sehe vor, dass u.a. Bereichsleiter zur bereichsübergreifenden Zeichnung berechtigt seien und weitere Mitarbeiter für den Zuständigkeitsbereich mehrerer Abteilungen oder auch zur bereichsübergreifenden Zeichnung berechtigt werden könnten. Der Vorstand könne jederzeit die in der Geschäftsordnung übertragenen Aufgaben an sich ziehen. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob mit den gesetzlichen Regelungen im BaSAG und dem FMABG sowie mit den Regelungen der Geschäftsordnung die Vorgaben der BRRD an die Unabhängigkeit der Abwicklungsbehörde ordnungsgemäß umgesetzt würden; dies sei fraglich, weil § 3 BaSAG nicht selbst die zur Gewährleistung der Unabhängigkeit erforderlichen Organisationsmaßnahmen festlege, sondern die Regelsetzung an die FMA delegiere. Die bereichsübergreifende Zeichnungsberechtigung und die Arrogationsbefugnis des Vorstandes konterkariere die Unabhängigkeit der Abteilung.

14       Hinsichtlich der Zuständigkeit der belangten Behörde, Entscheidungen nach dem BaSAG zu treffen, liegt Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162). Die Unzuständigkeit einer Behörde aufgrund Widerspruchs gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben liegt im Übrigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn gegen die konkrete Besetzung einer Behörde Bedenken bestehen (in diesem Sinne vgl. VwGH 15.12.2014, 2013/04/0108). Gegen die konkrete Ausgestaltung im vorliegenden Fall wurde jedoch kein diesbezügliches Vorbringen erstattet, sondern lediglich Vermutungen aufgrund der Geschäftsordnung angestellt. Das BaSAG enthält konkrete Regelungen hinsichtlich der Unabhängigkeit der belangten Behörde als Abwicklungsbehörde. Im Revisionsfall ist nicht ersichtlich, dass diesen im konkreten Fall nicht entsprochen worden ist. Da auch ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt, wird mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

15       4.2.2. Weiters stelle sich die Frage nach der Anwendbarkeit des BaSAG und der BRRD auf die H A AG: Die Bankenkonzession der H A AG sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Oktober 2014 erloschen. Die BRRD sei am 12. Juni 2014 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden und am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft getreten; die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten habe bis 31. Dezember 2014 zu erfolgen gehabt. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob auf eine Einrichtung, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der die BRRD umsetzenden nationalen Vorschriften kein Einlagengeschäft mehr betreibe, vom Anwendungsbereich der BRRD erfasst sei. Aufgrund der fristgerechten Umsetzung der BRRD in nationales Recht stelle sich keine Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie. Es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, ob es unionsrechtlich zulässig sei, dass § 162 Abs. 6 BaSAG den Anwendungsbereich des 4. Teiles des BaSAG iSd. Art. 1 Abs. 2 BRRD erweitere und ob im Fall der Erweiterung dieses wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit unangewendet zu bleiben habe. Aufgrund des Wortlautes des Art. 1 Abs. 2 BRRD sei fraglich, ob eine einzige Einrichtung (die genannte Abbaugesellschaft) in das BaSAG (teilweise) einbezogen werden dürfe, obwohl solche zusätzlichen Bestimmungen allgemein gelten müssten.

16       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Revision dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf einen klaren Gesetzeswortlaut stützen kann. Ist somit die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. VwGH 9.9.2016, Ra 2016/12/0062).

17       Die zunächst formulierte Rechtsfrage lässt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 162 Abs. 6 BaSAG beantworten, der vorsieht, dass der 4. Teil des BaSAG sowohl auf die Abbaugesellschaft gemäß § 162 BaSAG als auch auf die Abbaueinheit gemäß § 2 GSA, BGBl. I Nr. 51/2014, anwendbar ist. Zur Frage, ob diese gesetzliche Einbeziehung unionsrechtlich zulässig ist, ist auszuführen, dass Art. 1 Abs. 2 BRRD es den Mitgliedstaaten ermöglicht, strengere als die in dieser Richtlinie und den auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten vorgesehenen Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten oder zusätzliche Bestimmungen zu erlassen, vorausgesetzt, dass die Bestimmungen allgemein gelten und nicht im Widerspruch zu dieser Richtlinie und den auf ihrer Grundlage erlassenen delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten stehen. Mit § 162 Abs. 6 BaSAG wird - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht eine Abbaugesellschaft in den 4. Teil des BaSAG miteinbezogen; vielmehr wird die Geltung des 4. Teiles für alle Abbaugesellschaften iSd. § 162 BaSAG angeordnet. Aufgrund dieser allgemeinen Anordnung stellt sich die von der revisionswerbenden Partei formulierte Rechtsfrage nicht. Zur Einbeziehung der Abbaueinheit gemäß § 2 GSA gibt es kein Zulässigkeitsvorbringen.

18       4.2.3. Weiters stelle sich die Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Feststellung der Abwicklungsvoraussetzungen; das Verwaltungsgericht vertrete die Auffassung, dass im Verfahren das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen nicht erneut zu prüfen sei. Vielmehr sei es ausreichend, dass der (wahrscheinliche) Ausfall zum Zeitpunkt der Anordnung der ersten Abwicklungsmaßnahme festgestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei einem Bescheid stets die entscheidungsrelevante Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides zugrunde zu legen. Von dieser Rechtsprechung sei das Verwaltungsgericht abgewichen. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob aufgrund der Zielsetzungen der BRRD vom Grundsatz der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt abzuweichen sei. Das BVwG habe keine Ermittlungen dazu angestellt, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 BaSAG immer noch vorlägen.

19       Zu diesem Vorbringen ist auszuführen, dass das BVwG das Vorliegen der Abwicklungsvoraussetzungen mit näherer Begründung zum Zeitpunkt der ersten Abwicklungsmaßnahme selbst geprüft und nicht bloß auf den Bescheid der belangten Behörde verwiesen hat. Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision enthält kein Vorbringen, dass bzw. aufgrund welcher Umstände diese Voraussetzungen zum Entscheidungszeitpunkt bei einem abzuwickelnden Institut nicht mehr vorgelegen seien bzw. - mangels Darlegung im konkreten Einzelfall - überhaupt denkmöglich nicht mehr vorliegen könnten. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher nicht und zwar auch nicht im - von der revisionswerbenden Partei nicht näher ausgeführten - Zusammenhang mit der BRRD.

20       4.2.4. Darüber hinaus bringt die revisionswerbende Partei zur Zulässigkeit vor, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der Abwicklungsziele des § 48 BaSAG sowie zur Frage, ob alle Abwicklungsziele bei Erlassung einer Abwicklungsmaßnahme erreicht werden müssten sowie zur Frage des bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung anzuwendenden Maßstabes, vor. Mangels Teilnahme der H A AG am Finanzmarkt habe die Finanzmarktstabilität nicht mehr gefährdet werden können.

21       Wie bereits ausgeführt, liegt auch dann keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn der Gesetzeswortlaut klar und eindeutig ist (vgl. Rn. 12). § 48 BaSAG legt dabei in eindeutiger Weise die Abwicklungsziele fest, § 49 Abs. 2 BaSAG determiniert das öffentliche Interesse an einer Abwicklungsmaßnahme näher.Das BVwG hat im vorliegenden Fall eine solche Interessen- und Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. Auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren beruhende Einzelfallentscheidungen sind jedoch als solche grundsätzlich nicht revisibel (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0108, mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird damit daher nicht aufgezeigt.

22       4.2.5. Weiters wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das BVwG habe die Zulässigkeit des Abwicklungsinstrumentes der Gläubigerbeteiligung gemäß § 85 Abs. 2 BaSAG bejaht. Bereits aus dem Wortlaut des § 85 Abs. 2 BaSAG aber auch aus teleologischer Sicht und in unionsrechtskonformer Interpretation ergebe sich, dass die Anordnung der Gläubigerbeteiligung nur zulässig sei, um die (teilweise) Aufrechterhaltung der Tätigkeit des ausfallenden Instituts sicherzustellen. Es müsse mit dieser Maßnahme somit ein - hier nicht gegebener - über eine bloße Vermögensverwertung dieses Instituts hinausgehender Zweck verfolgt werden. Es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Anordnung der Abwicklungsmaßnahme der Gläubigerbeteiligung.

23       Auch hinsichtlich dieser Rechtsfrage ist darauf zu verweisen, dass § 162 Abs. 6 BaSAG eindeutig vorsieht, dass der 4. Teil des BaSAG - somit auch das Instrument der Gläubigerbeteiligung der §§ 85 ff BaSAG - für die Abbaueinheit gemäß § 2 GSA anwendbar ist. Auch in diesem Zusammenhang stellt sich daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

24       4.2.6. Zuletzt wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, Fragen der Einhaltung des Unionsrechts zählten zu den Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung. Die in der Zulässigkeitsbegründung angeführten Rechtsfragen beträfen auch die Auslegung des Unionsrechts, weil die angeführten Bestimmungen im BaSAG in Umsetzung der BRRD ergangen seien bzw. sich in Bezug auf § 162 Abs. 6 BaSAG die Frage des Anwendungsvorranges des Unionsrechts stelle. Es liege diesbezüglich keine Rechtsprechung des EuGH vor.

25       Das BVwG hat sich mit der vorliegenden Judikatur des EuGH ausführlich auseinandergesetzt und die angefochtene Entscheidung diesbezüglich begründet. Mit dem allgemein gehaltenen Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung - ohne Bezug zum konkreten Sachverhalt - wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. VwGH 25.2.2019, Ra 2019/02/0034, mwN).

26       5.1. In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm. Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG mit Beschluss zurückzuweisen.

27       5.2. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

28       6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Juli 2020

Schlagworte

Behördenorganisation Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020020001.J00

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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