TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/5 VGW-123/046/1360/2020

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Index

L72009 Beschaffung Vergabe Wien
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

WVRG 2014 §13 Abs1
WVRG 2014 §15
WVRG 2014 §16
BVergG 2018 §101
BVergG 2018 §365

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Dr. Zirm als Vorsitzende, Mag. Schmied als Berichter und Mag. Schreiner-Hasberger als Beisitzerin über den Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 31.01.2020, auf Nichtigerklärung der zweiten Ausschreibungsberichtigung vom 27.01.2020 betreffend das Vergabeverfahren der Stadt Wien - Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) "Lieferung von Einweg-OP-Mänteln an die Unternehmung Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV)" nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Verkündung am 18.2.2020

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 13 Abs. 1 WVRG 2014 wird der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibungsberichtigung vom 27.1.2020 ebenso wie die Eventualanträge auf Nichtigerklärung von Teilen der Ausschreibungsberichtigung abgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat gemäß den §§ 15 und 16 WVRG 2014 die von ihr entrichteten Pauschalgebühren von 416,-- Euro selbst zu tragen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Stadt Wien – Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) führt in ihrer Eigenschaft als Auftraggeberin ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Rahmenvertrags über die Lieferung von Einweg-OP-Mänteln durch. Der geschätzte Auftragswert liegt im Oberschwellenbereich gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018, jedoch unterhalb des zehnfachen Schwellenwertes. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union erfolgte am 18.12.2019 zur Zahl 2019/S 244-599701. Das Verfahren befindet sich im Stadium der Ausschreibung noch vor der Angebotseröffnung. Der Ablauf der Angebotsfrist war in der Stammfassung der Ausschreibung für den 21.1.2020 vorgesehen.

Mit Schriftsatz vom 13.1.2020 beantragte die A. GmbH die Nichtigerklärung der Ausschreibung, in eventu die Nichtigerklärung von in den Eventualanträgen näher bezeichneten Teilen der Ausschreibungsunterlagen.

Mit der ersten Berichtigung der Ausschreibung vom 17.1.2020 hat die Auftraggeberin das Ende der Angebotsfrist vom 21.1.2020 auf den 31.1.2020 verschoben.

Mit der zweiten Berichtigung vom 27.1.2020, kundgemacht am 31.1.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zur Zahl 2020/S021-046029, wurden die Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen betreffend den Lieferumfang (Punkt 2 der besonderen Vertragsbestimmungen) und die Preisbildung bzw. -erstellung (Punkt 4 der Besonderen Teilnahmebestimmungen) insofern geändert, als nun eine jährliche Mindestabnahmemenge im Umfang des bisherigen geschätzten Jahresbedarfs vorgesehen wurde. Außerdem wurde in Punkt 9 der Besonderen Teilnahmebestimmungen (Zuschlagskriterien) der Passus, wonach nur die drei preislich bestgereihten Angebote einer Qualitätsbewertung unterzogen werden, gestrichen. Das Ende der Angebotsfrist wurde auf den 28.2.2020 verschoben.

Mit Schriftsatz vom 30.1.2020, eingelangt am 31.1.2020, beantragte die Antragstellerin die Nichtigerklärung der zweiten Berichtigung vom 27.1.2020, in eventu die Nichtigerklärung von in den Eventualanträgen näher bezeichneten Teilen dieser Berichtigung.

Zur Antragslegitimation führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass sie beabsichtige, sich am gegenständlichen Vergabeverfahren zu beteiligen. Aus der Sicht der Antragstellerin sei die Berichtigung rechtswidrig, zumal es erforderlich gewesen wäre, die Ausschreibung zur Gänze zu widerrufen. Ein Schaden für die Antragstellerin liege nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 22.6.2011, 2009/04/0128) bereits dann vor, wenn sie an dem solcherart gesetzwidrigen Vergabeverfahren teilnehmen müsse. Außerdem betrage der bereits betriebene Aufwand für die Prüfung der Ausschreibungsunterlagen und die Rechtsberatungskosten bereits ca. 5.000,-- Euro. Weiterer Schaden drohe durch den Verlust einer Chance auf Zuschlagserteilung und den Verlust von Referenzaufträgen.

Inhaltlich erweise sich die zweite Ausschreibungsberichtigung schon deshalb als rechtswidrig, weil sie eine Änderung des Bieterkreises nach sich ziehe. Für jeden Unternehmer sei nämlich bei der Beurteilung, ob ein Vertrag wirtschaftlich interessant ist, maßgeblich, von welchem Auftragsvolumen auszugehen sei. Dafür wiederum sei die nunmehr eingeführte Mindestabnahmemenge das Hauptkriterium. Die nunmehr neu festgelegte Kalkulationsbasis habe zudem Auswirkungen auf den Angebotspreis. Auch die Beseitigung der Festlegung, wonach lediglich die drei preislich bestgereihten Angebote einer weiteren Qualitätsbeurteilung unterzogen werden, sei für den Bieterkreis von Relevanz. Unternehmen, deren Produkte qualitativ besonders hochwertig seien, preislich aber höher liegen, hätten nämlich durch die ursprüngliche Festlegung von der Teilnahme abgeschreckt werden können.

Schließlich sei auch die mit der zweiten Berichtigung eingeführte Vertragsänderungsklausel, wonach die Überschreitung der jährlichen Mengenschätzungen um bis zu 50% möglich ist und Änderungen bei der Mindestabgabemenge durch die Auflassung oder Hinzunahme einzelner Anstalten sowie durch Standortverlegungen innerhalb Wiens einvernehmlich vereinbart werden können, rechtswidrig. Diese Klausel widerspreche § 365 Abs. 3 BVergG 2018. Hinsichtlich der Mengenänderungen bis 50% wären keine Anwendungsvoraussetzungen vorgesehen und hinsichtlich der einvernehmlich zu vereinbarenden Änderungen seien Umfang und Art der Änderungen nicht festgelegt.

Die Auftraggeberin trat dem Nichtigerklärungsantrag in ihrer Stellungnahme vom 10.2.2020 entgegen und betonte u.a. die fehlende Antragslegitimation der Antragstellerin. Dieser sei durch die Wahl des Mittels der Berichtigung keinesfalls ein Schaden entstanden, weil ihre Situation und Wettbewerbsstellung auch durch einen Widerruf und eine Neuausschreibung verbessert werden würde. Anders als in dem von der Antragstellerin zur Begründung der Zulässigkeit ihres Antrags ins Treffen geführten Judikat des Verwaltungsgerichtshofes werde gegenständlich durch die erfolgte Berichtigung der Ausschreibung die Möglichkeit der Antragstellerin, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen, in keiner Weise beeinträchtigt. Zweck des Vergabekontrollverfahrens sei einzig und allein die Ermöglichung der subjektiven Rechtsdurchsetzung. Eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Am 18.2.2020 fand am Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher sowohl der gegen die Ausschreibung in ihrer Stammfassung gerichtete Nachprüfungsantrag als auch der gegenständliche, gegen die zweite Ausschreibungsberichtigung gerichtete Nachprüfungsantrag erörtert wurden.

In der Verhandlung vertrat die Auftraggeberin den Standpunkt, dass der Nachprüfungsantrag gegen die zweite Berichtigung der Ausschreibung zum einen unzulässig und zum anderen inhaltlich nicht berechtigt sei. Zur Zulässigkeit betonte sie, dass durch die gegenständliche Berichtigung die Antragstellerin klaglos gestellt worden und nicht ersichtlich sei, inwieweit sie durch die Berechtigung einen Schaden oder Rechtsnachteil erleiden würde. Was die Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsberichtigung betreffe, werde auch darauf hingewiesen, dass sich durch diese Berichtigung der Bieterkreis nicht ändere. Zum einen sei schon nach der ursprünglichen Ausschreibung mit den nun als solche festgelegten Mindestabnahmemengen zu kalkulieren gewesen, zum anderen sei nicht ersichtlich, inwieweit sich durch die Klarstellung des Kreises jener Bieter, die einer Qualitätsprüfung im Rahmen der Zuschlagsentscheidung unterzogen werden, der Kreis der potenziellen Bieter ändern könnte. Zur Vertragsänderungsklausel sei festzuhalten, dass § 365 BVergG 2018 nicht die Zulässigkeit von Vertragsänderungsklauseln in Ausschreibungen regle, sondern die Zulässigkeit von nachträglichen Vertragsänderungen. Dies ergebe sich unter anderem aus der Judikatur des EuGH, der in seiner Entscheidung C-91/08 Wall AG trotz Bestehens einer Vertragsänderungsklausel in der Ausschreibung eine nachträgliche Vertragsänderung als wesentlich und unzulässig qualifiziert habe.

Die Antragstellerin betonte, dass der Nachprüfungsantrag nicht der Verzögerung des Vergabeverfahrens diene, sondern aufgrund des Unterlassens eines Widerrufs der Ausschreibung durch die Auftraggeberin die Antragstellerin sich zur Stellung eines Nachprüfungsantrags nachgerade verpflichtet gesehen habe.

Über den auf die Nichtigerklärung der zweiten Ausschreibungsberichtigung gerichteten Antrag vom 30.1.2020 wurde mit dem gegenständlichen Erkenntnis abgesprochen. Das Erkenntnis wurde am 18.2.2020 samt den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet. Am 2.3.2020 beantragte die Antragstellerin eine schriftliche Ausfertigung dieser Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

I.       Sachverhalt

Aufgrund der diesbezüglichen unbestritten gebliebenen Aktenlage wird Folgendes als erwiesen festgestellt:

Die Stadt Wien – Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) führt in ihrer Eigenschaft als Auftraggeberin ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Rahmenvertrags über die Lieferung von Einweg-OP-Mänteln durch. Der geschätzte Auftragswert liegt im Oberschwellenbereich gemäß § 12 Abs 1 Z 1 BVergG 2018, jedoch unterhalb des zehnfachen Schwellenwertes. Die Bekanntmachung des Vergabeverfahrens im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union erfolgte am 18.12.2019 zur Zahl 2019/S 244-599701. Das Verfahren befindet sich im Stadium der Ausschreibung noch vor der Angebotseröffnung. Der Ablauf der Angebotsfrist war in der Stammfassung der Ausschreibung für den 21.1.2020 vorgesehen.

Mit Schriftsatz vom 13.1.2020 beantragte die A. die Nichtigerklärung der Ausschreibung, in eventu die Nichtigerklärung von in den Eventualanträgen näher bezeichneten Teilen der Ausschreibungsunterlagen.

Mit der ersten Berichtigung der Ausschreibung vom 17.1.2020 hat die Auftraggeberin das Ende der Angebotsfrist vom 21.1.2020 auf den 31.1.2020 verschoben.

Mit der gegenständlichen zweiten Berichtigung der Ausschreibung vom 27.1.2020 wurde der Ablauf der Angebotsfrist erneut, diesmal auf den 28.2.2020 verschoben. Außerdem wurde die Ausschreibung wie folgt geändert:

Punkt 2 der Besonderen Vertragsbestimmungen wurde ergänzt (die Ergänzungen sind kursiv hervorgehoben) und lautet nunmehr:

„2. Lieferumfang

Bei den im Leistungsverzeichnis-Preiserstellung angegebenen Mengen (siehe Beilage 13.01 – Seite 6 von 6) handelt es sich um den von den Anstalten der Unternehmung Wiener Krankenanstaltenverbund gemeldeten, geschätzten Bedarf eines Jahres. Diese Mengen stellen zudem die jährlichen Mindestabrufmengen dar. Die Überschreitung der im Leistungsverzeichnis-Preiserstellung angegebenen jährlichen Mengenschätzungen um bis zu 50% ist möglich. Änderungen durch die Auflassung oder Hinzunahme einzelner Anstalten sowie durch Standortverlegungen innerhalb Wiens können einvernehmlich vereinbart werden (zur Möglichkeit der Preisanpassung bei daraus resultierenden Unterschreitungen der angegebenen Mengen siehe Punkt 3.4.4. der WD 314).“

Punkt 4 der Besonderen Teilnahmebestimmungen wurde ergänzt (die Ergänzungen sind kursiv hervorgehoben) und lautet nunmehr:

„4. Preisbildung bzw. Erstellung

Für die Preisbildung sind alle dem Angebot zugrundeliegenden Unterlagen sowie die Umstände vor Ort vom Bieter zu berücksichtigen und in seine Kalkulation mit einzubeziehen.

Bei den im Leistungsverzeichnis-Preiserstellung (siehe Beilage 13.01 – Seite 6 von 6) angegebenen Mengen handelt es sich um Schätzungen, basierend auf bisherigen Erfahrungswerten; bei der Kalkulation ist vom Abruf zumindest dieser Mengen auszugehen.

Es ist eine Auspreisung im Preiserstellungsblatt vorzunehmen. Es ist der Gesamtpreis aller Positionen zu errechnen.“

In Punkt 10 der Besonderen Teilnahmebestimmungen ist der kursiv hervorgehobene zweite Satz im zweiten Absatz entfallen:

„10. Bewertung der Zuschlagskriterien und Berechnungsbeispiel

Tischtest

In einem ersten Begutachtungsverfahren nach der Angebotsprüfung durch einen Arbeitskreis aus fachkundigen Vertretern mehrere Krankenanstalten werden jene Produkte ermittelt und ausgeschieden, die geforderte Mindestkriterien nicht zur Gänze erfüllen.

Praxistest

Die verbleibenden Produkte kommen in die engere Wahl um Testen. Die zu testenden Produkte werden auf die drei preislich bestgereihten Angebote eingeschränkt. Getestet wird in mehreren Einrichtungen des KAV. Siehe Beilage 13.13.2 Testbögen – Praxistest.“

Die zweite Ausschreibungsberichtigung vom 27.1.2020 wurde von der Auftraggeberin noch am selben Tag auf die Vergabeplattform gestellt und am 31.1.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union zur Zahl 2020/S021-046029 kundgemacht.

II.      Maßgebliche Rechtsgrundlagen

§ 101 BVergG 2018 lautet:

„Berichtigung der Ausschreibung

(1) Werden während der Angebotsfrist Änderungen der Ausschreibung erforderlich, so sind die Ausschreibungsunterlagen und erforderlichenfalls auch die Bekanntmachung zu berichtigen und die Angebotsfrist erforderlichenfalls entsprechend zu verlängern.

(2) Ist eine Berichtigung der Ausschreibungsunterlagen erforderlich, so ist allen Bewerbern oder Bietern die Berichtigung zu übermitteln bzw. bereitzustellen. Ist dies nicht möglich, so ist die Berichtigung in gleicher Weise wie die Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung zu stellen, zu übermitteln oder bereitzustellen.“

§ 365 Abs. 1 BVerG 2018 lautet:

„Wesentliche Änderungen von Verträgen und Rahmenvereinbarungen während ihrer Laufzeit sind nur nach einer erneuten Durchführung eines Vergabeverfahrens zulässig. Eine Änderung eines Vertrages oder einer Rahmenvereinbarung ist wesentlich, wenn sie dazu führt, dass sich der Vertrag oder die Rahmenvereinbarung erheblich vom ursprünglichen Vertrag bzw. der ursprünglichen Rahmenvereinbarung unterscheidet.“

III.     Rechtliche Beurteilung

1.) Zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags:

Auf die von der Auftraggeberin aufgeworfene Frage der Zulässigkeit des gegenständlichen Nachprüfungsantrages braucht im Folgenden nicht näher eingegangen zu werden, zumal der Antrag ohnedies inhaltlich abzuweisen war und weder der Antragstellerin noch der Antragsgegnerin durch die Abweisung trotz allenfalls gebotener Zurückweisung des Antrags ein Nachteil erwachsen kann. In diesem Zusammenhang sei aber dennoch darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin es verabsäumt hat, darzulegen, inwieweit ihr aus der behaupteten Rechtswidrigkeit der Änderung der gegenständlichen Ausschreibungsberichtigung ein Nachteil oder gar ein Schaden entstehen könnte, hat doch die Auftraggeberin lediglich die im vorangegangenen Nachprüfungsantrag vorgetragene Kritik der Antragstellerin an den nunmehr berichtigten Passagen der Ausschreibung aufgegriffen und selbige im Sinne dieses ersten Nachprüfungsantrags berichtigt. Selbst wenn, wie die Antragstellerin vermeint, ein Widerruf der Ausschreibung das objektiv rechtsrichtige Mittel der Wahl gewesen sein sollte, vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit die Antragstellerin durch einen Widerruf besser gestellt wäre als durch eine Berichtigung. Dies plausibel darzulegen, ist der Antragstellerin nicht gelungen.

In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die Antragstellerin unstrittig Auftragnehmerin des gegenwärtigen Auftrages ist, dessen Neuausschreibung sie mit dem gegenständlichen Antrag sowie mit dem vorangegangenen Antrag bekämpft. Sofern die Antragstellerin vor diesem Hintergrund ins Treffen führt, sie sehe sich nicht in der Lage, im Zuge der gegenständlichen Neuausschreibung des Auftrags ein konkurrenzfähiges Angebot zu legen, vermag sie das Erfordernis eines Widerrufs nicht darzulegen, dient doch das Vergaberecht primär der Förderung und Sicherstellung von Transparenz und fairem Wettbewerb und keineswegs der Perpetuierung bestehender Vertragsverhältnisse zwischen öffentlichen Auftragnehmern und ihren Lieferanten.

2.) Zum Lieferumfang (Punkt 2 der besonderen Vertragsbestimmungen und Punkt 4 der besonderen Teilnahmebestimmungen) und zu den Zuschlagskriterien (Punkt 10 2.Absatz 2.Satz der besonderen Teilnahmebestimmungen):

Vor der gegenständlichen Berichtigung der Festlegungen zum Lieferumfang war die Ausschreibung für einen verständigen Bieter so zu verstehen, dass es sich bei den im Leistungsverzeichnis-Preiserstellung genannten Liefermengen um den vom Auftraggeber geschätzten Jahresbedarf handelte, dass mit diesen Mengen zu kalkulieren sei, dass aber nicht garantiert sei, ob tatsächlich nicht ein höherer oder auch ein niedrigerer Jahresbedarf vom Auftraggeber abgerufen wird. Vor diesem Hintergrund erwies sich die unbefristete Dauer des gegenständlichen Lieferauftrags als problematisch, zumal nur Rahmenverträge, nicht aber Rahmenvereinbarungen auf unbestimmte Dauer abgeschlossen werden dürfen und das Vorsehen einer Mindestabnahmemenge nach herrschender Lehre gerade ein zentrales Kriterium für das Vorliegen eines Rahmenvertrages darstellt. Zur Entschärfung dieser Problematik hat die Auftraggeberin die gegenständliche Berichtigung vorgenommen. Dabei hat die Auftraggeberin auch die Kritik der Antragstellerin an der (ursprünglichen) Einschränkung des Kreises der einer Qualitätsprüfung im Rahmen des Praxistests zu unterziehenden Produkte auf die drei preislich bestgereihten Angebote aufgegriffen und den entsprechenden Passus in den Festlegungen gestrichen.

Nach der Auffassung der Antragstellerin sind diese von der Auftraggeberin vorgenommenen Änderungen der Ausschreibungsunterlagen einer Berichtigung nicht zugänglich, sodass aus der Sicht der Antragstellerin (zwingend) ein Widerruf der Ausschreibung erforderlich gewesen wäre.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind Berichtigungen von Festlegungen in der Ausschreibung unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

„Eine Berichtigung der Ausschreibung ist … nicht nur auf die Anwendungsfälle des § 62 Abs. 4 AVG beschränkt, sondern erfasst auch vom Auftraggeber übersehene oder vergessene wesentliche Bestimmungen in den Ausschreibungsbedingungen, sofern diese nicht zu einer inhaltlichen Änderung der Ausschreibung führen. (VwGH vom 29.6.2005, 2002/04/0180).“

„Fraglich ist daher allein, welche Auswirkungen die … Berichtigung … auf die bestandsfest gewordene Ausschreibung hat. § 90 Abs. 1 BVergG 2006 bestimmt, dass eine Berichtigung vorzunehmen ist, wenn eine Änderung der Ausschreibung erforderlich ist. Im Zuge dessen ist erforderlichenfalls auch die Angebotsfrist zu verlängern. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, ist eine Berichtigung der Ausschreibung nur insoweit zulässig, als es dadurch nicht zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung kommt; diesfalls wäre nämlich die Ausschreibung wegen Vorliegens zwingender Gründe zu widerrufen (siehe das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2005, Zl. 2002/04/0180, mwH). Durch die Berichtigung wird somit die Ausschreibung nicht zur Gänze neu gefasst, sondern nur - in bestimmten Punkten - abgeändert. Vor diesem Hintergrund ist aber nicht davon auszugehen, dass mit einer Berichtigung und einer damit verbundenen Verlängerung der Angebotsfrist die bereits eingetretene Bestandskraft der Ausschreibung zur Gänze wieder beseitigt wird. Vielmehr besteht eine Anfechtungsmöglichkeit nur hinsichtlich des Inhalts der Berichtigung, die eine sonstige Festlegung während der Angebotsfrist gemäß § 2 Z. 16 lit. a sublit. aa BVergG 2006 und somit eine - eigenständige - gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt (VwGH vom 12.9.2013, 2010/04/0119).“

„Die Streichung von einzelnen Bestimmungen der Ausschreibung, die diskriminierende Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit enthalten, durch die Vergabekontrollbehörde ist in § 26 Abs. 2 WVRG - und in Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 89/665/EWG (Rechtsmittel-Richtlinie) - ausdrücklich vorgesehen. … Eine Streichung solcher Bestimmungen kommt dann nicht in Betracht, wenn danach kein Ausschreibungsgegenstand verbliebe, die Ausschreibung dadurch einen gänzlich anderen Inhalt bekäme oder ein anderer Bieterkreis angesprochen würde. In diesen Fällen wäre die gesamte Ausschreibung zu widerrufen (vgl. auch Reisner in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, Kommentar zum Bundesvergabegesetz 2006, Rz 20 zu § 325) (VwSlg 17883 A/2010).“

Der EuGH hat zur Frage der Zulässigkeit der Berichtigung von Ausschreibungen in seiner Entscheidung vom 5. April 2017, C-298/15, Borta, festgehalten:

„70 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich des Weiteren, dass der Auftraggeber während des Vergabeverfahrens den Umfang der wesentlichen Bedingungen des Auftrags grundsätzlich nicht verändern darf, zu denen die technischen Spezifikationen und die Vergabekriterien gehören und auf die die interessierten Wirtschaftsteilnehmer bei ihrer Entscheidung, ob sie die Einreichung eines Angebots vorbereiten oder nicht oder aber auf eine Teilnahme am Verfahren über die Vergabe des fraglichen Auftrags verzichten, vertraut haben.

71 Gleichwohl folgt daraus nicht, dass jede Änderung der Verdingungsunterlagen nach Bekanntmachung der Ausschreibung grundsätzlich und unter allen Umständen unzulässig ist.

72 So hat der Auftraggeber ausnahmsweise die Möglichkeit, bestimmte Punkte der Verdingungsunterlagen zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn sie einer bloßen Klarstellung bedürfen oder offensichtliche sachliche Fehler behoben werden sollen – vorausgesetzt, es werden alle Bieter darüber informiert.

73 Der öffentliche Auftraggeber muss zudem befugt sein, bestimmte Änderungen der Verdingungsunterlagen, insbesondere hinsichtlich der Bedingungen und Modalitäten der Kumulierung beruflicher Kapazitäten, vorzunehmen, sofern die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung sowie das Transparenzgebot eingehalten werden.

74 Dieses Erfordernis bedeutet erstens, dass die betreffenden Änderungen, wenngleich sie erheblich sein können, nicht so wesentlich sein dürfen, dass sie potenzielle Bieter angezogen hätten, die ohne diese Änderungen kein Angebot abgeben könnten. Dies könnte u. a. der Fall sein, wenn die Änderungen den Auftrag gegenüber seiner ursprünglichen Beschreibung seiner Art nach merklich verändern.

75 Zweitens bringt es das genannte Erfordernis mit sich, dass diese Änderungen in angemessener Weise bekannt gemacht werden, so dass alle durchschnittlich fachkundigen potenziellen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt unter den gleichen Bedingungen und zum gleichen Zeitpunkt davon Kenntnis nehmen können.

76 Drittens verlangt dieses Erfordernis zum einen, dass die Änderungen vorgenommen werden, bevor die Bieter Angebote abgegeben haben, und zum anderen, dass die Frist für die Abgabe dieser Angebote, wenn die Änderungen erheblich sind, verlängert wird, dass sich die Dauer der Verlängerung nach dem Umfang der Änderungen richtet und dass diese Dauer ausreichend ist, damit die interessierten Wirtschaftsteilnehmer ihr Angebot in der Folge anpassen können.

77 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass in Bezug auf einen öffentlichen Auftrag, der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/17 fällt, aber an dem ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung sowie das Transparenzgebot, die sich u. a. aus den Art. 49 und 56 AEUV ergeben, dahin auszulegen sind, dass ihnen Änderungen einer Klausel der Verdingungsunterlagen über die Bedingungen und Modalitäten der Kumulierung beruflicher Kapazitäten wie der im Ausgangsverfahren streitigen Klausel 4.3, die der Auftraggeber nach der Bekanntmachung der Ausschreibung vornimmt, nicht zuwiderlaufen, sofern erstens die vorgenommenen Änderungen nicht so wesentlich sind, dass sie potenzielle Bieter angezogen hätten, die ohne diese Änderungen kein Angebot abgeben könnten, zweitens diese Änderungen in angemessener Weise bekannt gemacht werden und drittens die Änderungen vorgenommen werden, bevor die Bieter Angebote abgegeben haben, die Frist für die Abgabe dieser Angebote, wenn die Änderungen erheblich sind, verlängert wird, die Dauer der Verlängerung sich nach dem Umfang der Änderungen richtet und diese Dauer ausreichend ist, damit die interessierten Wirtschaftsteilnehmer ihr Angebot in der Folge anpassen können. Ob es sich so verhält, ist durch das vorlegende Gericht zu überprüfen.“

a)   Lieferumfang

Durch die gegenständliche Berichtigung, insbesondere durch das Vorsehen einer Mindestabnahmemenge ist nun ohne jeden Zweifel klargestellt worden, dass ein unbefristeter Rahmenvertrag ausgeschrieben wird. Eine wesentliche Änderung des Gegenstands der Vergabe kann darin nicht erkannt werden. Ebenso wenig vermag das Gericht die Argumentation der Antragstellerin nachzuvollziehen, wonach sich durch die Änderungen beim Lieferumfang der Kreis der potentiellen Bieter wesentlich ändern würde. Nach wie vor haben nämlich die Bieter mit denselben (von der Auftraggeberin geschätzten) Liefermengen zu kalkulieren. Die in der Kalkulation zu berücksichtigenden jährlich zu liefernden Leistungen haben daher weder dem Umfang noch der Art nach eine Änderung erfahren. Für die potentiellen Bieter gibt es lediglich ein Mehr an Sicherheit, wissen sie doch, dass nunmehr die kalkulierten Jahresmengen ihnen von der AG garantiert abgenommen werden.

Zudem war schon vor der gegenständlichen Berichtigung für jeden verständigen Bieter erkennbar, dass die Auftraggeberin einen Rahmenvertrag und nicht eine Rahmenvereinbarung ausgeschrieben hat. Dies zeigt sich sowohl an der Bezeichnung der Ausschreibung als „Rahmenvertrag“ als auch daran, dass ein Abruf von benötigten Einweg OP-Mänteln nur aus dem gegenständlichen Auftrag und nur von einem einzigen Vertragspartner erfolgen sollte. Als weiteres Indiz für das Vorliegen eines Rahmenvertrages ist auch dessen unbefristete Dauer heranzuziehen, ist doch im gesamten Nachprüfungsverfahren kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, der Auftraggeberin zu unterstellen, vorsätzlich eine vergaberechtlich offenkundig rechtswidrige unbefristete Rahmenvereinbarung im Auge gehabt zu haben. Durch das Einfügen einer Mindestabnahmemenge mit der gegenständlichen zweiten Ausschreibungsberichtigung wurde somit nicht eine Rahmenvereinbarung in einen Rahmenvertrag transferiert, sondern ein zuvor fehlendes Element des Rahmenvertrags in die Festlegungen aufgenommen.

b)   Zuschlagskriterien

In der ursprünglichen Version der Ausschreibung war vorgesehen, dass die einem Praxistest, aus welchem sich die für die Zuschlagsentscheidung relevanten Qualitätspunkte ergeben, unterzogenen Produkte auf Produkte der drei preislich bestgereihten Angebote beschränkt werden. Diese Einschränkung wurde aufgrund der daran im ersten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin erhobenen Kritik nunmehr ersatzlos fallen gelassen.

Dass sich dadurch der Kreis der potentiellen Bieter wesentlich ändern könnte, das heißt, dass dadurch potentielle Bieter angezogen sein könnten, die ohne diese Änderung kein Angebot hätten legen können, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen, sodass im Ergebnis von einer aus vergaberechtlicher Sicht zulässigen Ausschreibungsberichtigung auszugehen war.

Dazu kommt, dass die gegenständliche zweite Berichtigung von der Auftraggeberin im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht wurde und somit für volle Transparenz gesorgt wurde. Schließlich bleibt noch festzuhalten, dass schon mit der ersten Ausschreibungsberichtigung vom 17.1.2020 der Ablauf der Angebotsfrist vom 21.1.2020 auf den 31.1.2020 und mit der gegenständlichen zweiten Berichtigung auf den 28.2.2020 nach hinten verschoben wurde, sodass interessierte Wirtschaftsteilnehmer ausreichend Zeit hatten, ihr Angebot entsprechend anzupassen.

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass es durch die gegenständliche zweite Berichtigung der Ausschreibung weder zu einer inhaltlich wesentlich anderen Ausschreibung gekommen ist noch eine Änderung des Bieterkreises erfolgt ist oder die Ausschreibung einen gänzlich anderen Inhalt erhalten hat. Die Änderungen sind nicht so wesentlich, dass sie potenzielle Bieter angezogen hätten, die ohne diese Änderungen kein Angebot abgeben könnten. Sie wurden in angemessener Weise bekannt gemacht und ist auch die Frist für die Abgabe von Angeboten erheblich verlängert worden, sodass interessierte Wirtschaftsteilnehmer in die Lage versetzt wurden, ihr Angebot entsprechend anpassen zu können. Die betreffenden Berichtigungen entsprechen damit den Anforderungen des Gesetzes sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin war somit nicht von einer Verpflichtung der Auftraggeberin zum Widerruf der Ausschreibung auszugehen.

3.) Zu den nachträglichen Vertragsänderungen:

Soweit die Antragstellerin die in der zweiten Berichtigung in Punkt 2 der besonderen Vertragsbestimmungen betreffend den Lieferumfang enthaltene Festlegung, wonach die Überschreitung der im Leistungsverzeichnis – Preiserstellung angegebenen jährlichen Mengenschätzungen um bis zu 50% möglich ist, als unzulässige nachträgliche Vertragsänderungsklausel beanstandet ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich bei dieser Festlegung gar nicht um eine nachträgliche Vertragsänderungsklausel handelt. Vielmehr wird damit klargestellt, dass die betreffenden Mengenschätzungen – wie im vorangehenden Satz explizit ausgesprochen – Mindestabrufmengen sind und dieser Mindestabruf bis zu 50% überschritten werden kann. Die Bieter haben somit Gewissheit, dass die Jahresschätzmenge jedenfalls abgerufen wird und darüber hinaus im Rahmen des laufenden Vertrages auch bis zu 50% mehr abgerufen werden kann. Eine derartige Festlegung steht weder im Widerspruch zu § 365 BVergG 2018 noch zu sonstigen Vorschriften des Vergaberechts, müssten doch andernfalls Lieferaufträge mit variablem Leistungsumfang per se als vergaberechtswidrig angesehen werden, wofür sich jedoch weder in der Lehre noch in der Judikatur entsprechende Anhaltspunkte finden.

Dagegen handelt es sich bei der folgenden Festlegung im nächsten Satz, wonach durch die Aufnahme oder Hinzunahme einzelner Anstalten sowie durch Standortverlegungen innerhalb Wiens Änderungen (gemeint: des Lieferumfangs) einvernehmlich vereinbart werden können, sehr wohl um die Option für eine nachträgliche Vertragsänderung, wobei jedoch eine solche nur im Einvernehmen mit dem Auftragnehmer erfolgen kann, sodass selbigem durch die betreffende Festlegung kein Nachteil droht. Ob die betreffende Festlegung objektiv rechtsrichtig ist, hatte das Verwaltungsgericht aus den im Folgenden dargelegten Gründen nicht zu prüfen.

Die Vorgaben des § 365 BVergG 2018 betreffend die (einvernehmliche) Änderung von Verträgen während ihrer Laufzeit zielen darauf ab, sicherzustellen, dass wesentliche Vertragsänderungen nur nach erneuter Durchführung eines Vergabeverfahrens zulässig sein sollen. Dieser Grundsatz ist in § 365 Abs. 1 BVergG 2018 unmissverständlich grundgelegt. Der folgende Abs. 2 stellt keine zusätzlichen oder gar abweichenden Grundsätze auf, sondern konkretisiert lediglich, wann von einer wesentlichen nachträglichen Vertragsänderung auszugehen ist. Durch § 365 BVergG 2018 sollen somit nicht die potentiellen Bieter der aktuellen Ausschreibung geschützt werden, sondern soll vielmehr für den Fall, dass die Ausschreibung nach Zuschlagserteilung einvernehmlich zwischen den Vertragspartnern wesentlich geändert werden sollte, sichergestellt werden, dass dann eine Neuausschreibung erfolgt und somit auch andere potentielle Bieter (auch solche, die zur Zeit noch gar nicht marktpräsent sein mögen) eine Chance bekommen sollen, für den wesentlich abgeänderten Auftrag ein Angebot zu legen.

Ob es überhaupt zu einer nachträglichen Vertragsänderung kommen wird und ob eine solche als wesentlich im Sinne des § 365 BVergG 2018 ist, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Daher sind die in der gegenständlichen Ausschreibungsberichtigung verankerten Bestimmungen über nachträgliche Vertragsänderungen der nachprüfenden Kontrolle durch das Verwaltungsgericht zum momentanen Zeitpunkt entzogen. Erst dann, wenn die Vertragspartner des gegenständlichen Auftrags sich tatsächlich über eine nachträgliche Vertragsänderung einigen sollten, ist vom Gericht aufgrund eines Nachprüfungsantrags, der dann von jedem potentiellen Bieter gestellt werden könnte, zu beurteilen, ob es nach § 365 BVergG 2018 einer Neuausschreibung bedurft hätte.

Der Nachprüfungsantrag war somit samt den Eventualanträgen abzuweisen.

IV.) Pauschalgebühren

Bei einem Nachprüfungsantrag auf Nachprüfung der Ausschreibung - dazu zählt auch ein auf die Nachprüfung einer Ausschreibungsberichtigung gerichteter Nachprüfungsantrag wie er gegenständlich vorliegt - kommt der reduzierte Gebührensatz des § 3 Abs. 1 der Wiener Vergabe-Pauschalgebührenverordnung - WVPVO zur Anwendung. Zumal gegenständlich ein Liefer- und Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich ausgeschrieben ist, beträgt die Pauschalgebühr also 25% von 2081 Euro, das sind 520,25 Euro.

Gemäß § 15 Abs. 4 WVRG beträgt für den Fall, dass dieselbe Antragstellerin im selben Vergabeverfahren das Verwaltungsgericht bereits einmal mit einem Nichtigerklärungs- oder Feststellungsantrag befasst hat, die Gebühr jedes folgenden Antrags 80% des festgesetzten Gebührensatzes.

Da gegenständlich ein solcher Folgeantrag vorliegt - die Antragstellerin hat bereits die Nichtigerklärung der Ausschreibung in ihrer ursprünglichen Fassung vor der gegenständlichen Berichtigung beantragt gehabt -, beläuft sich die Pauschalgebühr auf 80% von 520,25 Euro, das sind abgerundet 416,--Euro. Dieser Betrag ist von der Antragstellerin auch entrichtet worden.

Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren weder ganz noch teilweise obsiegt hat, war gemäß § 16 WVRG 2014 auszusprechen, dass sie die von ihr entrichteten Gebühren für den Nachprüfungsantrag in der Höhe von 416,-- Euro selbst zu tragen hat.

V.) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Art. 131 Abs. 3B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffes „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" kann somit auch auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ablehnungsrecht nach Art. 131 Abs. 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des VwGH von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen hingegen ist der VwGH nicht zuständig (VwGH 12.08.2014, Ra 2014/06/0015).

Da sich das Gericht gegenständlich bei jenen Rechtsfragen, denen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, an der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs orientiert hat und diese Judikatur keineswegs widersprüchlich ist, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor. Die (ordentliche) Revision war somit nicht zuzulassen.

Schlagworte

Vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren; Zuschlagsentscheidung; Antrag auf Nichtigerklärung; Ausschreibung; Berichtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.123.046.1360.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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