TE Vwgh Beschluss 1998/1/28 97/01/0994

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Veröffentlicht am 28.01.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über den Antrag der S R in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung eines Mangels der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. April 1997, Zl. 4.350.576/2-III/13/97, betreffend Ausdehnung der Asylgewährung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. April 1997 wurde der am 7. Oktober 1996 gestellte Asylausdehnungsantrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", in Erledigung ihrer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. März 1997 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob durch ihren Verfahrenshelfer Dr. W dagegen rechtzeitig die zur hg. Zl. 97/01/0640 protokollierte Beschwerde. Mit hg. Beschluß vom 6. August 1997, dem Beschwerdevertreter am 28. August 1997 durch Hinterlegung zugestellt, wurde die Beschwerde zur Verbesserung durch Anschluß einer Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides binnen zwei Wochen zurückgestellt.

Mit dem am 25. September 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz legte der Beschwerdevertreter die Beschwerde unter Anschluß einer Kopie des angefochtenen Bescheides wieder vor und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Mängelbehebung. Diesen Antrag begründete er wie folgt:

Am 28. August 1997 sei der Beschwerdevertreter allein in der Kanzlei auch als Urlaubsvertreter seines Kanzleikollegen tätig gewesen und habe auch für diesen den Posteingang sowie die Termineintragungen erledigt. Am Vormittag habe er Verhandlungen zu verrichten gehabt. Daher habe er die hinterlegte Post erst am Nachmittag beim Postamt beheben können. In der Kanzlei habe er die Bearbeitung des auf dem Tisch aufgebreiteten Posteinlaufes unterbrechen müssen, weil er bemerkt habe, daß infolge eines Rohrbruches "das gesamte Klosett unter Wasser" gestanden und bereits Wasser über die Türschwelle in den Büroraum ausgetreten sei und den Büroraum überschwemmt habe. Er habe daher hastig die Post in die Tagespostmappe gegeben und den Schreibtisch abgeräumt, um die Akten vor dem drohenden Nässeschaden zu sichern. Hiebei müsse der Mängelbehebungsauftrag - in noch ungeöffnetem Zustand - irrtümlich und unbemerkt in einen Akt betreffend eine "Pflichtverteidigung" gelangt sein. Der Beschwerdevertreter habe den Mängelbehebungsauftrag erst am 24. September 1997 anläßlich der Bearbeitung des Aktes betreffend "Pflichtverteidigung" bemerkt. Ein derartiges Versehen sei dem Beschwerdevertreter in seiner fünfundzwanzigjährigen Tätigkeit als selbständiger Rechtsanwalt noch nie passiert.

Der diesem Vorbringen entsprechende Sachverhalt wird aufgrund der vorgelegten eidesstättigen Erklärungen des Beschwerdevertreters und seines Kanzleikollegen je vom 4. Dezember 1997 und des Serviceberichts vom 8. September 1997 sowie der Rechnung vom 24. September 1997 über die Reperatur des Wasserschadens als erwiesen angenommen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einem minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. etwa den Beschluß vom 26. Juni 1997, Zl. 97/18/0302).

Zweifellos handelt es sich bei dem Rohrbruch in den Räumen der Kanzlei des Beschwerdevertreters um ein unvorhergesehenes Ereignis. Der Beschwerdevertreter war dadurch gezwungen, seine Arbeit (Sortieren der eingegangenen Post) sofort zu unterbrechen und Maßnahmen zur Minimierung des Schadens zu ergreifen. Daß er im Zuge dieser Ereignisse das ungeöffnete Kuvert, welches den Mängelbehebungsauftrag beinhaltete, unbemerkt in einen anderen Akt legte, stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch unter Berücksichtigung des an berufliche rechtskundige Parteienvertreter anzulegenden strengen Maßstabes (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis zur Zl. 97/18/0302) keine auffallende Sorglosigkeit dar. Das die rechtzeitige Mängelbehebung hindernde Ereignis ist erst durch das zufällige Entdecken des Mängelbehebungsauftrages anläßlich der Bearbeitung des Aktes betreffend die "Pflichtverteidigung" weggefallen. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde somit rechtzeitig gestellt.

Mangels Vorliegens eines den minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschuldens des Beschwerdevertreters war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997010994.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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