TE Vwgh Erkenntnis 1976/1/19 1160/75

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Veröffentlicht am 19.01.1976
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Index

KFG
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §45 Abs1
KFG 1967 §45 Abs4 Satz2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmelz, Großmann, Dr. Pichler und Dr. Drexler als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Mag. Dr. Kail, über die Beschwerde des MT in W, vertreten durch Dr. Heinz Schuster, Rechtsanwalt in Hainburg/Donau, Ungarstraße 9/3/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. April 1975, Zl. MA 70-IX/T 104/74/Str., betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit der Beschwerdeführer wegen Übertretung des § 45 Abs. 1 KFG 1967 bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien-Bezirkspolizeikommissariat Wieden sprach mit Straferkenntnis vom 18. Juli 1974 aus, der Beschwerdeführer habe am 7. Mai 1974 um 9.05 Uhr in Wien, Favoritenstraße-Möllwaldplatz, einen Pkw der Marke Steyr-Fiat 850 mit einem der Nummer nach bestimmten Probefahrtkennzeichen gelenkt und 1) den Führerschein nicht mit sich geführt, 2) das Probefahrtkennzeichen mißbräuchlich verwendet. Dadurch habe der Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen zu 1) gemäß § 102 Abs. 5 lit. a und zu 2) § 45 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) begangen. Gemäß § 134 dieses Gesetzes werde gegen den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von zu

1.) S 100,-- (Ersatzarreststrafe 12 Stunden), zu

2.) S 500,-- (Ersatzarreststrafe 60 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführte im wesentlichen gehe es darum, ob die vom Beschwerdeführer durchgeführte Fahrt eine Probefahrt im Sinne des Gesetzes (§ 45 KFG) sei. Der Beschwerdeführer behaupte, rechtsfreundlich vertreten, daß es sich sehr wohl um eine solche Probefahrt gehandelt habe, normiere doch § 45 Abs. 1 KFG ausdrücklich, „daß auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ als Probefahrten zu gelten hätten. Die Überführung des gegenständlichen Pkws, der vom Beschwerdeführer gelenkt worden sei, von S zur Firma W in W, stelle eine klare und nachweisbare Probefahrt im Sinne des Gesetzes dar und sei im § 45 KFG gedeckt. Es sei doch einleuchtend, daß ein Pkw, der keinen Schlüssel habe, wohl kaum verkauft werden könne, da es ja einem Verkäufer nicht zugemutet werden könne, den Wagen vor jeder Fahrt kurzzuschließen. Zum Beweis dessen sei Herr KK, Leiter der Gebrauchtwagenabteilung, als Zeuge angeboten worden. Zu diesem Vorbringen sei festzustellen: Ein Schlüssel müsse wohl vorhanden gewesen sein, denn sonst hätte er nicht fahren können. Es brauchte daher auf den Beweis der Zeugeneinvernahme des KK nicht eingegangen werden. Ein solches Vorbringen stelle aber überhaupt keinen Grund dar, eine Probefahrt durchzuführen. Sei kein Schlüssel vorhanden, so könnten solche wohl auch unter Anführung von Nummern des Schlosses, sollte eine Nummer nicht vorhanden sein, so durch Ausbauen des Schlosses leicht beschafft werden. Um ein Fahrzeug erst reparieren zu lassen bzw. (und) oder einen Schlüssel erst anfertigen zu lassen, könne nicht als eine Fahrt zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes (ein anderer Tatbestand des § 45 Abs. 1 KFG könne jedoch nicht herangezogen werden) verstanden werden. § 45 sei als Ausnahmebestimmung sehr streng auszulegen. Im Rahmen des Geschäftsbetriebes solle doch wohl nur heißen, daß ein Betrieb, der etwa, wie im vorliegenden Fall, zum Gegenstand seiner Tätigkeit den Handel mit Kraftfahrzeugen oder die Miete oder Leihe von Pkws habe, eine Fahrt im Rahmen dieses Geschäftsbetriebes, d.h. der eigentlichen Tätigkeit des Betriebes nach, eine solche Überführung eines Fahrzeuges veranlasse oder durchführe, nicht jedoch könne darunter eine Fahrt zum Zwecke des Abholens eines Schlüssels unterstellt werden, der angefertigt werden sollte oder bereits angefertigt worden sei oder zur Reparatur des Zündschlosses. Die Erteilung des Auftrags zur Reparatur bzw. zur Nachfertigung von Schlüsseln falle nicht mehr in den eigentlichen Gegenstand des Betriebes, welcher sich mit dem Kraftfahrzeughandel und der Kraftfahrzeugreparatur in S befasse. Wohl hätte noch eine solche Fahrt als eine Überführung im Sinne der Probefahrt gelten können, wenn der Beschwerdeführer einen Filialbetrieb des betreffenden Unternehmers aufgesucht hätte, und dort allenfalls die Reparaturen durchführen bzw. die Schlüssel anfertigen zu lassen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Der Beschwerdeführer sei nämlich zur Firma W gefahren, um sich einen Schlüssel abzuholen. Damit sei nach Ansicht der belangten Behörde der Beschwerdeführer nicht mehr im Rahmen des Geschäftsbetriebes im Sinne des Kraftfahrgesetzes tätig geworden, denn das Fahrzeug sei - genau genommen - gar nicht überführt, sondern wiederum zurückgeführt worden, nämlich wieder in den Hauptbetrieb nach S. Der Zweck sei somit nicht eine Überführung nach einem anderen Ort, sondern eine Tätigkeit, welche im weiteren Sinn als eine Reparatur bzw. Wartung verstanden werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ und „unrichtige rechtliche Beurteilung“ geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, daß der Handel mit Fahrzeugen auch einen solchen mit Gebrauchtwagen einschließe. Im gegenständlichen Falle habe es sich um einen Gebrauchtwagen gehandelt, der im Unternehmen der Firma N zur Weiterveräußerung bestimmt gewesen sei. Es könne wohl daran kein Zweifel bestehen, daß in einem gut geführten Betrieb jeder Gebrauchtwagen, bevor er weiterverkauft werde, einer Überholung unterzogen werde, und auftretende Mängel sofort behoben würden. Soweit dazu die Möglichkeit bestünde, geschehe dies im eigenen Betrieb, in manchen Fällen sei die Firma N aber gezwungen, eine Reparatur in fremden Werkstätten durchführen zu lassen. Dazu sei aber die Überführung in diese Werkstätte notwendig. Im gegenständlichen Falle sei ja vom Beschwerdeführer nicht ein Haustor- oder Schraubenschlüssel geholt worden, sondern es seien für dieses Fahrzeug Schlüssel angefertigt und das Kraftfahrzeugschloß überprüft worden, welche Tätigkeit nicht Gegenstand des Betriebes N sei, sondern sei hiezu eine Spezialwerkstätte in Anspruch zu nehmen gewesen. Genau genommen sei das Fahrzeug gar nicht überführt, sondern wiederum zurückgeführt worden, nämlich in den Hauptbetrieb nach S, weshalb der Beschwerdeführer damit nicht mehr im Rahmen des Geschäftsbetriebes im Sinne des Kraftfahrgesetzes tätig geworden sei.

Im Beschwerdefall geht es vor allem darum, ob die Verbringung eines nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges mit einem Probefahrtkennzeichen zu einer anderen Firma, um dort einen Ersatzschlüssel zu beschaffen und das Fahrzeugschloß überprüfen zu lassen, noch als Probefahrt gewertet werden kann.

Gemäß § 45 Abs. 1 zweiter Satz KFG sind Probefahrten Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes und Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt des Kraftfahrgesetzes. „Im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ erfolgt jedenfalls die Überführung eines Fahrzeuges in einen Filialbetrieb desselben Unternehmens. Aber auch die Überführung eines Fahrzeuges zu einem anderen Gewerbebetrieb, zB um Schlüssel für das Fahrzeug zu besorgen oder das Fahrzeugschloß überprüfen zu lassen, wird, als „im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ getätigt, anzusehen sein, da nach der Fertigstellung der Schlüssel oder Ausbesserung des Fahrzeugschlosses die Überprüfung der Verwendungsfähigkeit des Schlüssels und des Schlosses noch in diesem Unternehmen dem Fahrzeuginhaber zuzubilligen ist.

Im Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer das Fahrzeug zur Besorgung von Ersatzschlüsseln zu einem anderen Betrieb überführt. Diese Überführung fand demnach „im Rahmen des Geschäftsbetriebes“ statt.

Da die belangte Behörde den Beschwerdeführer wegen einer solchen Überführung eines Fahrzeuges bestraft hat, hat sie die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Abschließend sei noch bemerkt, daß eine mißbräuchliche Verwendung von Probefahrtkennzeichen richtigerweise der Bestimmung des § 45 Abs. 4 zweiter Satz KFG und nicht der des § 45 Abs. 1 KFG zu unterstellen gewesen wäre (vgl.Erkenntnis vom 15. März 1973, Zl. 1629/72).

Was aber die Übertretung der Vorschrift des § 102 Abs. 5 lit. a KFG anlangt, so hat der Beschwerdeführer die Beschwerde nicht ausgeführt. Da auch der Verwaltungsgerichtshof in diesem Punkt keine Rechtswidrigkeit erblicken konnte, war die Beschwerde in dieser Hinsicht als unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die Vorschriften der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975.

Wien, am 19. Jänner 1967

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1976:1975001160.X00

Im RIS seit

30.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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