TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/19 LVwG-2020/29/0461-24

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Veröffentlicht am 19.06.2020
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Entscheidungsdatum

19.06.2020

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Kantner über die Beschwerden des AA, Adresse 1         , Z und des BB, Adresse 1, Z, beide vertreten durch CC, Adresse 2, Z, gegen

-   den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 19.11.2019, *** (adressiert an BB) und

-   den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 19.11.2019, *** (adressiert an AA),

betreffend Vorschreibung des Baukostenbeitrages 1 gemäß der Abfallgebührenordnung der Gemeinde Z für das GStNr **1, KG Z, sowie

-   den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 19.11.2019, *** (adressiert an BB) und

-   den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 19.11.2019, *** (adressiert an AA),

betreffend Vorschreibung des Baukostenbeitrages 2 gemäß der Abfallgebührenordnung der Gemeinde Z für das GStNr **1, KG Z, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht:

1.       Den Beschwerden wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Jeweils mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 19.11.2019, ***, wurde den Beschwerdeführern für den Um- und Ausbau Gästehaus DD auf GstNr **1, KG Z, EZ ***, Objekt Adresse 1, EDV-Nr ***, der Baukostenbeitrag 1 und der Baukostenbeitrag 2 gemäß der Müllgebührenordnung der Gemeinde Z in Höhe von Euro 971,94 (Baukostenbeitrag 1) und Euro 607,71 (Baukostenbeitrag 2) zur Zahlung binnen einem Monat ab Zustellung des Bescheides vorgeschrieben. Die Berechnung erfolgte anhand der Bemessungsgrunde 1.185,98 m³ multipliziert mit dem Tarif von Euro 0,7455 (Baukostenbeitrag 1) bzw Euro 0,4661 (Baukostenbeitrag 2), jeweils zuzüglich 10 % USt.

Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und zusammengefasst ausgeführt, dass die Berechnung des Brutto-Rauminhaltes nicht richtig erfolgt sei. Bei der Ermittlung des Rauminhaltes seien Bauteile, welche bereits vor 50 Jahren errichtet worden seien, herangezogen worden, nach Ansicht der Beschwerdeführer seien jedoch nur jene Rauminhalte zu berücksichtigen, welche durch den Umbau 2019 dazugekommen seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 12.02.2020, ***, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Bescheid fälschlicherweise auf die Verordnung vom 04.04.1995 der Gemeinde Z bezogen habe, richtigerweise resultiere die Gebührenpflicht für die Baukostenbeiträge aus der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Z 2019 und dem Gemeinderatsbeschluss vom 18.12.2018, die Bemessungsgrundlage habe sich jedoch nicht verändert. Mit Baubewilligung vom 20.12.2018, ***, sei die Genehmigung des Um- und Zubaus erteilt worden, im Zuge der Prüfung der Baueingabe für den Um- und Ausbau des Gästehauses „DD“ sei jedoch festgestellt worden, dass teilweise Gebäudeteile im Untergeschoss, Erdgeschoss und Dachgeschoss ohne Genehmigung ausgeführt worden seien. Aus diesem Grund sei eine Nachreichung der Ausführungspläne gefordert worden, welche im Dezember 2018 gemeinsam mit den Planunterlagen des Um- und Zubaus nachgereicht und mit dem genannten Baubescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 20.12.2018 baubehördlich genehmigt worden seien.

Es seien sohin richtigerweise die Rauminhalte auch der bereits vor 50 Jahren errichteten Gebäudeteile berücksichtigt worden, zumal aufgrund der nicht genehmigten Ausführungen kein Tatbestand für die Vorschreibung der Anschlussgebühr entstanden sei, erst mit Baubewilligung vom 20.12.2018 seien die dazumal ausgeführten Zubauten genehmigt und der Abgabentatbestand ausgelöst worden. Die für das gegenständliche Objekt bislang baurechtlich genehmigten Ausführungen seien bereits der Gebührenpflicht unterzogen worden und bei der gegenständlichen Bauvorschreibung nicht berücksichtigt.

In der Folge stellten beide Beschwerdeführer fristgerecht den Vorlageantrag und wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol beantragt. Der Akt wurde sodann gemeinsam mit den Bauakten dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vorgelegt.

Am 29.05.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt, anlässlich welcher auch die Akten ***, *** und *** verhandelt, die Sach- und Rechtslage mit den anwesenden Parteien und Vertretern erörtert sowie der Beschwerdeführer BB sowie die Zeugen EE, CC und FF einvernommen wurden. AA ist zur Verhandlung nicht erschienen.

II.      Sachverhalt:

Beide Beschwerdeführer sind seit dem Jahr 2012 je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des GstNr **1, KG *** Z, EZ *** (Grundbuchsauszug vom 03.03.2020).

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 20.12.2018, ***, wurde der GG KG, Adresse 1, in Z, als Bauwerberin für das Vorhaben „Um- und Ausbau Gästehaus DD auf GstNr **1, KG Z, EZ ***“ die baubehördliche Bewilligung nach Maßgabe der, einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Planunterlagen und der Baubeschreibung sowie unter Einhaltung der angeführten Auflagen und Bedingungen, erteilt.

In der Zustellverfügung des Baubescheides sind (ua) die GG KG, Adresse 1, Z als Antragsteller sowie BB, Adresse 1, Z, und AA, Adresse 1, Z, als Eigentümer angeführt.

Je eine Ausfertigung des Bescheides wurde mittels Rsb an BB, AA und die GG KG, versandt, wobei als Adressat am Rückschein einmal BB, Adresse 1, Z, einmal AA, Adresse 1, Z, und einmal die GG KG, Adresse 1, Z, angeführt ist. Der Baubescheid wurde BB und AA jeweils am 24.12.2018, der Bauwerberin, der GG KG, am 08.01.2019, zugestellt (Rückscheine vom 24.12.2018 und 08.01.2019). Gegen den Baubescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben. Mit den Umbaumaßnahmen wurde sodann am 29.04.2019 begonnen (Baubeginnsmeldung vom 09.05.2019).

Für das GStNr **1 KG Z wurden bereits im Jahr 2018 Baukostenbeiträge vorgeschrieben sowie erstmalig mit Errichtung des Recyclinghofes im Jahr 1995. Die beiden Beschwerdeführer sind seit dem Jahr 1999 Komplementäre der GG KG (Auszug aus dem Unternehmensregister).

III.     Beweiswürdigung:

Vorangeführte Feststellungen ergeben sich aus den in Klammer angeführten unbedenklichen Urkunden und sowie aus dem von der Abgabenbehörde vorgelegten Bauakt. Dass Baukostenbeiträge erstmals ab Errichtung des Recyclinghofes und Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung vorgeschrieben wurden, teilten die Amtsleiterin sowie JJ anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung informativ mit.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Die verfahrenswesentlichen Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO); BGBl Nr 164/1961 idF BGBl I Nr 103/2019

„A. Entstehung des Abgabenanspruches.

§ 4.

(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

[…]

(3) In Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) bleiben unberührt.

(4) Der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ist ohne Einfluß auf die Entstehung des Abgabenanspruches.“

Die Abfallgebührenordnung der Gemeinde Z 2019, Gemeinderatsbeschluss der Gemeinde Z vom 18.12.2018, lautet auszugsweise wie folgt:

„§ 1 Arten der Gebühren

1. Die Gemeinde Z erhebt für die Benützung der Recyclingstraße, der Bioabfallvergasungsanlage und er Verladestationshalle (Abwurfschacht-Schredder) sowie für die Entsorgung von Abfällen und für die Abfallberatung folgende Gebühren:

a. Baukostenbeiträge

b. laufende Gebühren

§ 2 Baukostenbeiträge

1. Die Baukostenbeiträge dienen zur Deckung der Kosten der Herstellung der in § 1 genannten Anlagen einschließlich aller Nebenkosten (sofern diese Anlagen oder selbständig benützbare Teile hievon soweit fertiggestellt sind, dass sie benützt werden können), wobei zur Deckung der Gesamtkosten dieser Anlagen mehrere Baukostenbeiträge festgesetzt werden.

2. Zur Entrichtung von Baukostenbeiträgen sind alle Personen verpflichtet, die zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gebührenpflicht (siehe dazu Absatz 4) Eigentümer eines Gebäudes im Gemeindegebiet der Gemeinde Z sind oder denen ein Baurecht an einem solchen Gebäude zusteht sowie jene Personen, die das Eigentum oder das Baurecht an einem Gebäude nach Entstehen der Gebührenpflicht, aber vor Entrichtung des Baukostenbeitrages erwerben.

3. Für Gebäude, die während der Geltungsdauer dieser Verordnung im Gebiet der Gemeinde Z wiederaufgebaut, neu gebaut, oder durch einen Zubau erweitert werden, sind Baukostenbeiträge ebenfalls zu entrichten.

4. Die Pflicht zur Entrichtung eines Baukostenbeitrages entsteht hinsichtlich jener Gebäude, die schon ganz oder teilweise benützt werden, wenn der betreffende Baukostenbeitrag festgesetzt wird, mit Inkrafttreten der Verordnung, die den Baukostenteilbeitrag festsetzt.

5. Für neu errichtete oder wiederaufgebaute Gebäude, die erst nach Festsetzung des betreffenden Baukostenteilbetrages erstmalig benützt werden, entsteht die Gebührenpflicht, wenn der Eigentümer des neu errichteten oder wiederaufgebauten Gebäudes oder dessen Gehilfe eine der in § 1 genannten Anlagen das erste Mal benützt.

6. Für Um- und Zubauten, die erst nach Festsetzung des betreffenden Baukostenteilbetrages benützt werden, entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung dieses Baukostenteilbetrages binnen eines Jahres ab Rechtskraft der Baubewilligung. Wenn aber bis zu diesem Zeitpunkt nachweislich weder eine Benützung des umgebauten Gebäudes oder des Zubaues erfolgte, noch im Zusammenhang mit dem Um- bzw. Zubau eine der in § 1 genannten Anlagen in Anspruch genommen wurde, entsteht die Gebührenpflicht erst mit der erstmaligen Benützung des umgebauten Gebäudes bzw. des Zubaues oder wenn vorher eine der in § 1 genannten Anlagen im Zusammenhang mit dem Um- oder Zubau in Anspruch genommen wird.

[…]

§ 5 Gruppen

1. Im Hinblick darauf, dass die anfallenden Müllmengen nicht nur von der Gebäudegröße, sondern auch davon abhängen, wie ein Gebäude verwendet wird, werden die Gebäude für die Berechnung der Baukostenbeiträge und der laufenden Grundgebühr in folgende Gruppen eingeteilt:

2. Zur Gruppe I gehören alle Gebäude, die weder ganz noch teilweise gewerblich oder freiberuflich genutzt werden oder in denen höchstens 10 Betten für Beherbergung von Gästen bereitgestellt werden.

3. Zur Gruppe II gehören alle Gebäude, in denen Gäste beherbergt werden, wenn hiefür mehr als 10 Betten bereitgestellt werden, sofern außer einem Frühstück keine Speisen angeboten und keine anderen gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeiten in dem Gebäude ausgeübt werden.

[…]

§ 6 Gebührenschuldner

1. Schuldner der Abfallgebühren sind die Eigentümer der Grundstücke, für die Einrichtungen und Anlagen zur Entsorgung von Abfällen und die Abfallberatung bereitgestellt werden.

[…]

§ 11 Inkrafttreten

Die Abfallgebührenordnung tritt mit 01.02.2019 in Kraft. Gleichzeitig treten alle bisher beschlossenen Abfallgebührenverordnungen außer Kraft.“

Die wesentlichen Bestimmungen der bis 31.01.2019 geltenden Müllgebührenordnung der Gemeinde Z, Gemeinderatsbeschluss vom 04.04.1995 lauten auszugsweise wie folgt:

㤠1 Rechtsgrundlage und Gegenstand der Verordnung

Aufgrund des § 15 Abs. 3 Zif. 5 des FAG 1993, BGBl. Nr. 3071993 und aufgrund des Tiroler Abfallgebührengesetzes LGBl. Nr. 36/1991 beschließt der Gemeinderat der Gemeinde Z, für die Benützung der Recyclingstraße, der Kompostieranlage und der Mülldeponie bzw für die Entsorgung von Abfällen und für die Abfallberatung folgende Gebühren einzuheben:

1. Baukostenbeiträge und

2. laufende Gebühren

§ 2 Baukostenbeiträge

(1) Die Baukostenbeiträge dienen zur Deckung der Kosten der Herstellung der in § 1 genannten Anlagen einschließlich aller Nebenkosten (sofern diese Anlage oder selbständig benützbare Teile hievon soweit fertiggestellt sind, daß sie benützt werden können), wobei zur Deckung der Gesamtkosten dieser Anlagen mehrere Baukostenteilbeträge festgesetzt werden.

(2) Zur Entrichtung von Baukostenbeiträgen sind alle Personen verpflichtet, die zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gebührenpflicht (siehe dazu Absatz 3) Eigentümer eines Gebäudes im Gemeindegebiet der Gemeinde Z sind oder denen ein Baurecht an einem solchen Gebäude zusteht sowie jene Personen, die das Eigentum oder das Baurecht an einem Gebäude nach Entstehen der Gebührenpflicht, aber vor Entrichtung des Baukostenbeitrages erwerben.

Auch für Gebäude, die während der Geltungsdauer dieser Verordnung im Gebiet der Gemeinde Z wieder aufgebaut, neu gebaut, oder durch einen Zubau erweitert werden, sind Baukostenbeiträge zu entrichten.

(3) Die Pflicht zur Entrichtung eines Baukostenteilbetrages entsteht hinsichtlich jener Gebäude, die schon ganz oder teilweise benützt werden, wenn der betreffende Baukostenteilbetrag festgesetzt wird, mit Inkrafttreten der Verordnung, die den Baukostenbeitrag festsetzt.

Für neu errichtete oder wiederaufgebaute Gebäude, die erste nach Festsetzung des betreffenden Baukostenteilbetrages erstmalig benützt werden, entsteht die Gebührenpflicht, wenn der Eigentümer des neu errichteten oder wiederaufgebauten Gebäudes oder dessen Gehilfe eine der in § 1 genannten Anlagen das erste Mal benützt.

Für Um- und Zubauten, die erst nach Festsetzung des betreffenden Baukostenteilbetrages benützt werden, entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung dieses Baukostenteilbetrages binnen eines Jahres ab Rechtskraft der Baubewilligung. Wenn aber bis zu diesem Zeitpunkt nachweislich weder eine Benützung des umgebauten Gebäudes oder des Zubaues erfolgte, noch im Zusammenhang mit dem Um- bzw Zubau eine der in § 1 genannten Anlagen in Anspruch genommen wurde, entsteht die Gebührenpflicht erst mit der erstmaligen Benützung des umgebauten Gebäudes bzw des Zubaues oder wenn vorher eine der in § 1 genannten Anlagen im Zusammenhang mit dem Um- oder Zubau in Anspruch genommen wird.

[…]

V.       Erwägungen:

Gemäß § 4 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Gemäß Abs 3 leg cit bleiben in Abgabenvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (der Steuerschuld) unberührt. Gemäß Abs 4 leg cit ist der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches.

Entsprechend diesem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften hat das Landesverwaltungsgericht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes seiner Entscheidung zu Grunde zu legen (VwGH 31.08.2016, Ro 2014/17/0103).

Der Abgabenanspruch entsteht gemäß § 4 BAO grundsätzlich durch die Tatbestandsverwirklichung ohne weiteres Zutun der Behörde oder der Partei. Zum Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches ist auszuführen, dass diesem in mehrfacher Hinsicht abgabenrechtlich Bedeutung zu kommt, so um den Beginn des Laufes der Bemessungs- oder Festsetzungsverjährung zu bestimmen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass vor Entstehung eines Abgabenanspruches die Abgabe nicht fällig wird. Zudem ist eine Abgabenfestsetzung vor Entstehung des Abgabenanspruches grundsätzlich nicht zulässig.

Insbesondere im Zusammenhang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass vor Entstehen des Abgabenanspruches die Festsetzung der Abgabe nicht zulässig ist, ist es unumgänglich, gesetzlich zu normieren, zu welchem konkreten Zeitpunkt der Abgabenanspruch entsteht.

Für Um- und Zubauten, wie verfahrensgegenständlich erfolgt, definiert die seit 01.02.2019 geltende Abfallgebührenverordnung der Gemeinde Z 2019 als auch die mit 31.01.2019 außer Kraft getretene Müllgebührenverordnung, den „Zeitpunkt“ des Entstehens des Abgabenanspruches mit „binnen eines Jahres ab Rechtskraft der Baubewilligung“. Weiters ist normiert, dass - wenn bis zu diesem „Zeitpunkt“ nachweislich weder eine Benützung des umgebauten Gebäudes oder des Zubaues erfolgte, noch im Zusammenhang mit dem Um- bzw Zubau eine der in § 1 genannten Anlagen in Anspruch genommen wurde - die Gebührenpflicht mit der erstmaligen Benützung des umgebauten Gebäudes bzw des Zubaues oder wenn vorher eine der in § 1 genannten Anlagen im Zusammenhang mit dem Um- oder Zubau in Anspruch genommen wird.

Der Ausdruck „binnen eines Jahres ab Rechtskraft der Baubewilligung“ definiert jedoch keinen konkreten Zeitpunkt, sondern einen Zeitraum und ist als solcher daher nicht geeignet, den gemäß § 4 BAO geforderten konkreten Entstehungszeitpunkt des Abgabenanspruches festzulegen. Insbesondere würde es die diesbezügliche Bestimmung, dass der Abgabenzeitpunkt innerhalb eines Zeitraumes entstehen soll, der „Willkür“ der Abgabenbehörde überlassen, wann in diesem Zeitraum von einem Jahr (der Beginn des Zeitraumes ist durch die Rechtskraft der Baubewilligung ausreichend bestimmt) eine Abgabe vorgeschrieben wird, was sich insbesondere aufgrund der Rechtsunsicherheit (ua hinsichtlich der Höhe der Gebühr) zum Nachteil für den Abgabepflichtigen auswirken kann und insbesondere auch im Hinblick auf die Verjährungsbestimmungen nicht ausreichend konkretisiert ist.

Es stellt sich daher die Frage, ob in Zusammenschau mit dem zweiten Satz des § 2 Abs 6 der Abfallgebührenverordnung der Gemeinde Z 2019 (bzw dem gleichlautenden nachfolgenden Satz in § 2 Abs 3 der davor geltenden Müllgebührenordnung der Gemeinde Z) und Auslegung der Verordnung ein Entstehungszeitpunkt abgeleitete werden kann:

Hiezu ist festzuhalten, dass die Abfallgebührenverordnung der Gemeinde Z neben dem genannten Zeitraum von einem Jahr normiert, dass der Abgabenanspruch darüber hinaus erst zu einem noch späteren Zeitpunkt (als jenem nach Ablauf der Jahresfrist ab Rechtskraft der Baubewilligung) entstehen soll, sofern bis zum Ablauf der Jahresfrist eine Benützung der um- bzw zugebauten Gebäudeteile nachweislich nicht erfolgte oder die in § 1 genannten Anlagen in Anspruch genommen wurden. In diesem Fall nämlich erst mit der tatsächlichen Benützung der Gebäudeteile bzw tatsächlichen Inanspruchnahme der Anlagen iSd § 1.

In Zusammenschau mit dieser weiteren Bestimmung kann man insofern zur Ansicht gelangen, dass der Abgabentatbestand frühestens ein Jahr nach Rechtskraft der Baubewilligung entstehen sollte, sofern eine tatsächliche Benützung (des Gebäudes oder Anlage) bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht erfolgt, erst mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Benützung.

Umgelegt auf den gegenständlichen Sachverhalt gilt es sohin abzuklären, wann der Baubescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Z vom 20.12.2018, ***, mit welchem der GG KG, Adresse 1, in Z, als Bauwerberin für das Vorhaben „Um- und Ausbau Gästehaus DD auf GstNr **1, KG Z, EZ ***“ die baubehördliche Bewilligung nach Maßgabe der, einen integrierenden Bestandteil des Bescheides bildenden Planunterlagen und der Baubeschreibung sowie unter Einhaltung der angeführten Auflagen und Bedingungen, erteilt wurde, in Rechtskraft erwachsen ist.

Ein Bescheid wird nicht bereits mit seiner Erlassung, sondern mangels Rechtsmittelverzichts erst mit ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist formell rechtskräftig (VwGH 27.5.2019, Ra 2019/12/0023; 21.12.2016, Ra 2014/10/0054). Der Eintritt der formellen Rechtskraft ist im Übrigen bei einem Bescheid, der an mehrere Parteien ergeht, für jede Partei gesondert zu beurteilen (VwGH 26.02.2020, Fr 2019/05/0024).

Der Baubescheid war an mehrere Verfahrensparteien gerichtet. Aufgrund des Umstandes, dass der verfahrensgegenständliche Baubescheid zu verschiedenen Zeitpunkten (24.12.2018 an BB und AA bzw 08.01.2019 an die GG KG) zugestellt wurde, tritt die Rechtskraft daher erst (frühestes) mit Ablauf der Rechtsmittelfrist, gerechnet von der letzten Zustellung an, ein.

Der Bauwerberin, der GG KG, wurde der Baubescheid nachweislich erst am 08.01.2019 zugestellt, die 4-wöchige Rechtsmittelfrist endete daher am 05.02.2019.

Von Seiten der Abgabenbehörde wird diesbezüglich eingewandt, dass auch der GG KG der Baubescheid bereits am 24.12.2018 zugestellt worden sei, zumal beiden Beschwerdeführern, BB und AA, der Baubescheid jeweils am 24.12.2018 zugestellt wurde und folglich aufgrund des Umstandes, dass beide vertretungsbefugte Organe der GG KG sind bzw waren, der Baubescheid zu diesem Zeitpunkt auch der GG KG zugestellt und sohin gegenüber ihr rechtswirksam geworden sei. Dies unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um ein und denselben Bescheid gehandelt habe, welcher den Parteien im Bauverfahren zugestellt worden sei und folglich die weitere (zweite) Zustellung am 08.01.2019 der GG KG gegenüber keine Rechtswirkung mehr entfalten habe können. Dem ist jedoch nicht zu folgen:

Wie bereits ausgeführt, ist der Baubescheid gemäß Zustellverfügung (ua) an die Verfahrensparteien GG KG als Antragstellerin und Bauwerberin sowie an die beiden Beschwerdeführer als Grundeigentümer gerichtet. Es war sohin jeder Verfahrenspartei eine Ausfertigung (separat) zuzustellen. Grundsätzlich ist die Zustellung einer einzigen Bescheidausfertigung an zwei Parteien – sofern hiefür nicht besondere gesetzliche Bestimmungen normiert sind – nicht möglich, auch wenn am Briefkuvert mehrere Verfahrensparteien angeführt sind.

In Zusammenschau mit der Zustellverfügung und den im Bauakt befindlichen Rückscheinen ist ersichtlich, dass jene Bescheidausfertigungen, welche am 24.12.2018 zugestellt wurden, gemäß Adressierung am Kuvert einmal an AA und einmal an BB gerichtet waren, jene, welche am 08.01.2019 zugestellt wurde, an die GG KG. Die Behörde hat sohin ausdrücklich zu erkennen gegeben, wem sie jeweils die Bescheidausfertigung übermitteln wollte, sohin für welche Partei die Bescheidausfertigung bestimmt war. Jene beiden Ausfertigungen, welche am 24.12.2018 übernommen wurden, waren daher zweifelsfrei nicht für die GG KG bestimmt. Auch wenn die GG KG durch die Zustellung der beiden Bescheidausfertigungen an ihre Komplementäre „Kenntnis“ vom Bescheidinhalt erhalten hat, so löste diese Zustellung nicht den Beginn der Rechtsmittelfrist für die GG KG aus, zumal die Zustellung an BB und AA nicht in ihrer Funktion als Komplementäre, sondern als Grundeigentümer der Liegenschaft erfolgte, auf welcher der Zu- und Umbau bewilligt wurde.

Die am 08.01.2018 erfolgte Zustellung der Baubewilligung an die GG KG war daher die erste Zustellung, welche den Beginn der Rechtsmittelfrist für die GG KG auslöste, weshalb die Rechtskraft des Baubescheides der GG KG gegenüber erst mit 05.02.2019 eingetreten ist.

Die in der Abfallgebührenverordnung normierte Jahresfrist nach Rechtskraft der Baubewilligung endet daher mit 04.02.2020 und entsteht der Abgabentatbestand (sofern die Gebäudeteile oder die Anlagen nach § 1 der VO bereits genützt werden) für die Baukostenbeiträge erst mit diesem Zeitpunkt.

Die Vorschreibung der Baukostenteilbeträge 1 und 2 erfolgte daher zu einem Zeitpunkt (Bescheiddatum jeweils 19.11.2019, Zustellung jeweils am 22.11.2019), zu welchem der Abgabenanspruch noch nicht entstanden ist, weshalb eine Vorschreibung rechtswidrig war (VwGH 27.10.1983, 91/16/0165).

Die angefochtenen Bescheide waren daher zu beheben, zumal eine Vorschreibung der Baukostenbeiträge erst nach Eintritt der Abgabenpflicht zulässig ist und war spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Belehrung und Hinweise

Den Parteien des Beschwerdeverfahrens steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt, von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer abzufassen und einzubringen.

Beschwerdeführenden Parteien und den im Beschwerdeverfahren Beigetretenen steht weiters das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden.

Die für eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder eine Revision zu entrichtende Eingabegebühr beträgt Euro 240,00.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Kantner

(Richterin)

Schlagworte

Vorschreibung Abgabe vor Entstehung;
Abgabenanspruch nicht zulässig;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.29.0461.24

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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