TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 W148 2112541-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2019
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Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

AEUV Art267
B-VG Art133 Abs4
BWG §27
BWG §97 Abs1 Z4
BWG §97 Abs1 Z6
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W148 2112541-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan KEZNICKL als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER und den Richter Dr. Gert WALLISCH als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX SE, vormals XXXX AG, vom 03.06.2015, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 11.05.2015 zu GZ. FMA- XXXX in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.07.2015 zu GZ. FMA- XXXX in einer Angelegenheit nach dem Bankwesengesetz zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 14.07.2015, FMA- XXXX , ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und - unstrittiger - Sachverhalt:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.07.2015, hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde (im Folgenden: belangte Behörde) dem beschwerdeführenden Kreditinstitut wegen der Überschreitung von Großkrediten (Großveranlagungen) auf unkonsolidierter Basis bei einer Gruppe verbundener Kunden gemäß Art. 395 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (in weiter Folge: "CRR" gemäß der englischen Bezeichnung Capital Requirement Regulation) im Handelsbuch Zinsen in der Höhe von 94.951,41 EUR für die Monate März bis einschließlich September 2014 (Spruchpunkt I.1) bzw. Zinsen in der Höhe von 28.278,57 EUR für den Monat Oktober 2014 (Spruchpunkt I.2) vorgeschrieben. Die Vorschreibung der Zinsen erfolgte aufgrund einer nationalen Bestimmung, nämlich § 97 Abs. 1 Z. 4 Bankwesengesetz (BWG) in der Fassung BGBl. I Nr. 532/2014, welche vom 01.03.2014 bis 14.08.2015 in Kraft war, und die auf Art. 395 Abs. 1 der CRR Bezug nahm. Weiters lag dem Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I.2. (Anzeige vom 03.11.2014) die Annahme zugrunde, dass die FMA aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 vom 16. April 2014 (in weiterer Folge "SSM-Rahmenverordnung") für vor dem 04.11.2014 eingeleitete Verfahren weiterhin zuständig bleibe, was damit begründet wurde, dass das beschwerdeführende Kreditinstitut vor diesem Datum, nämlich am 03.11.2014, die Großkreditüberschreitung angezeigt habe und dies für die weitere Zuständigkeit der FMA aus Gründen der Verfahrensökonomie maßgeblich sei.

Dem liegt der Sachverhalt zugrunde, dass eine Überschreitung der Risikoposition nur des Handelsbuches vorlag.

2. Nach der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht der belangten Behörde knüpfen sowohl der hier maßgebliche § 97 Abs. 1 Z. 4 BWG (ab 01.03.2014), als auch die Vorgängerbestimmung des § 97 Abs. 1 Z. 6 (in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2012 bis zum 28.02.2014) an eine "Ordnungsnorm" an, die vorliegendenfalls verletzt worden sei. Im vorliegenden Verfahren sei dies Art. 395 Abs. 1 CRR, davor habe die Regelung auf eine vergleichbare nationale Bestimmung Bezug genommen, nämlich § 27 Abs. 15 bzw. Abs. 16 BWG (in der Fassung BGBl. I 145/2011). Zweck dieser Bestimmung sei die Begrenzung des bankgeschäftlichen Risikos bei Großkrediten (Großveranlagungen). Die Vorschreibung von Zinsen im Fall der Überschreitung der vorgesehenen Grenzen sei eine wirtschaftslenkende Maßnahme mit wettbewerbsrechtlichem Charakter und einer pauschalierten Abschöpfungslogik. Zur Vollziehung des Art. 395 CRR sei die EZB zuständig, wohingegen die Vollziehung des § 97 BWG davon nicht berührt sei und dafür weiterhin die belangte Behörde zuständig sei. Auf unionsrechtlicher Ebene (CRR) seien keine Zinsen (Abschöpfungszinsen) bei Verstößen gegen die Ordnungsnorm vorgesehen, hingegen sei nach Ansicht der belangten Behörde vom Unionsrecht "Raum für genau derartige nationale Besonderheiten gelassen" worden. Die belangte Behörde machte zur Begründung geltend, die Vorschreibung von Abschöpfungszinsen, wie sie in der von ihr angewendeten Bestimmung des § 97 Abs. 1 Z 4 BWG in der Fassung BGBl. I Nr. 532/2014 vorgesehen (gewesen) sei, falle nicht unter die unionsrechtlichen Begriffe der "Sanktion" ("sanctions") oder der "Maßnahmen" ("enforcement measures"), wie sie zum Beispiel in Art. 16 und 18 SSM-Verordnung verwendet werden. Daher erfolge eine Vorschreibung von Abschöpfungszinsen, wie sie im vorliegenden Fall nach österreichischem Recht verhängt wurden, nicht als solche Sanktion oder Maßnahme und folglich nicht "in Vollziehung der Ordnungsnormen der CRR", sondern bleibe jedenfalls in der Zuständigkeit der einzelnen nationalen Behörden. Das BWG normiere "explizit und gewollt" einen Bezug ausschließlich auf Art. 395 Abs. 1 CRR und nicht auf Art. 395 Abs. 5 CRR. Das Unionsrecht lasse nach Ansicht der belangten Behörde dem nationalen Gesetzgeber einen Spielraum für Rechtsfolgen "gänzlich anderer Rechtsnatur" auf Grundlage nationaler Regelungen bei Überschreitung der Grenzen des Abs. 1 des Art. 395 CRR.

3. Die Beschwerdeführerin argumentierte hingegen erstens, dass das einschlägige Unionsrecht anwendbar sei und dass keine sanktionierbare Überschreitung der Großkreditgrenzen vorliege, weil die Ausnahmebestimmung des Art. 395 Abs. 5 CRR ausdrücklich unter dort bestimmten Bedingungen ein Abweichen von Art. 395 Abs. 1 CRR vorsehe. Diese Ausnahmebedingungen seien hier erfüllt, insbesondere weil hier eine Überschreitung der Risikoposition nur des Handelsbuches vorliege. Weiters wurde eingewendet, dass nach Art. 149 iVm 48 SSM-Rahmenverordnung eine zuständigkeitsbegründende Verfahrenseinleitung durch die belangte Behörde vor dem Stichtag 04.11.2014 (also spätestens am 03.11.2014) hätte erfolgen müssen. Eine bloße Anzeige der Großkreditüberschreitung durch die Beschwerdeführerin am 03.11.2014 begründe keine Verfahrenseinleitung durch die belangte Behörde. Sie sei daher nicht zuständig.

4. Mit Urteil vom 07.08.2018, Rs. C-52/17, sprach der vom Bundesverwaltungsgericht aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens mit zwei einschlägigen Fragen der Auslegung des Unionsrechts befasste Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Folgendes aus:

"1. Art. 64 und Art. 65 Abs. 1 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG sowie Art. 395 Abs. 1 und 5 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der von einem Kreditinstitut bei Überschreitung der in Art. 395 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Obergrenzen für Risikopositionen automatisch Abschöpfungszinsen erhoben werden, selbst wenn es die in Art. 395 Abs. 5 der Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt, unter denen ein Kreditinstitut diese Obergrenzen überschreiten darf.

2. Art. 48 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) ist dahin auszulegen, dass ein Aufsichtsverfahren weder dann als formell eingeleitet im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, wenn ein Kreditinstitut der nationalen Aufsichtsbehörde die Überschreitung der in Art. 395 Abs. 1 der Verordnung Nr. 575/2013 vorgesehenen Obergrenzen meldet, noch dann, wenn die Aufsichtsbehörde in einem Parallelverfahren wegen ähnlicher Verstöße bereits einen Bescheid erlassen hat."

5. Mit Äußerung vom 05.02.2019 hat das beschwerdeführende Kreditinstitut mitgeteilt, dass mit Wirkung zum 29.12.2017 die XXXX AG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die damalige XXXX AG mit Sitz in XXXX , eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts XXXX unter HRB XXXX als übernehmende Gesellschaft verschmolzen sei. Unmittelbar danach habe letztere die Rechtsform einer Societas Europaea (SE) mit dem Firmenwortlaut " XXXX SE" angenommen. Diese habe ihren Sitz in XXXX mit der Geschäftsanschrift XXXX , eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichtes XXXX unter der GZ. HRB XXXX .

II. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in das offene Firmenbuch, durch Einsicht in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des BVwG.

Beweiswürdigend ist festzustellen, dass der Sachverhalt hinsichtlich der Überschreitungen der Großveranlagungsgrenzen der Höhe nach unbestritten war. Die diesbezüglichen Feststellungen stützen sich auf die Angaben der beschwerdeführenden Partei (vgl. die Anzeigen vom 03.04.2014, 07.07.2014, 08.10.2014 und 03.11.2014 an die belangte Behörde im verwaltungsbehördlichen Akt). Es haben sich auch sonst keinerlei Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Parteienangaben ergeben. Im Wesentlichen stellten sich im Verfahren zwei Rechtsfragen, die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH endgültig gelöst wurden.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Der unter I.4. zitierten Rechtsauffassung des EuGH hat das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdefall Rechnung zu tragen. Die angefochtene Vorschreibung von Pönalezinsen durch die mangels am 03.11.2014 bereits eingeleitetem Verfahren unzuständige FMA in Missachtung der Ausnahmebestimmung des Art. 395 Abs. 5 CRR erweist sich als rechtsgrundlos ergangen.

In Stattgebung der Beschwerde ist die Beschwerdevorentscheidung daher ersatzlos zu beheben. Dies kann gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ohne mündliche Verhandlung erfolgen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, denn die Rechtsfragen sind angesichts des ergangenen Urteils des EuGH vom 07.08.2018, Rs. C-52/17 (Anlassfall), eindeutig geklärt.

Schlagworte

Abschöpfungsverfahren Behebung der Entscheidung Beschwerdevorentscheidung ersatzlose Behebung EuGH Finanzmarktaufsicht Großveranlagung Kassation Pauschalierung Rechtsgrundlage Rechtsnachfolger Risikobeschränkung Risikominimierung Risikovermeidung Unzuständigkeit Unzuständigkeit BVwG Vorabentscheidungsersuchen Vorabentscheidungsverfahren Vorlageantrag Zinsabschöpfung Zinsen Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W148.2112541.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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