TE Bvwg Beschluss 2020/1/27 W147 2157684-1

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Veröffentlicht am 27.01.2020
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Entscheidungsdatum

27.01.2020

Norm

ASVG §133 Abs2
ASVG §31
ASVG §351c Abs10 Z1
ASVG §351f
ASVG §351g
ASVG §351h
ASVG §351j Abs1
AVG §52
AVG §53
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art6 Abs1
VO-EKO §22
VO-EKO §23 Abs1 Z2
VO-EKO §24 Abs1
VO-EKO §24 Abs2
VO-EKO §24 Abs3
VO-EKO §25 Abs2
VO-EKO §25 Abs3 Z1
VO-EKO §26
VO-EKO §35
VO-EKO §36 Abs1
VO-EKO §37
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs4
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W147 2157682-1/32E

W147 2157684-1/30E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Anna BUCSICS und Mag.a Dr.in Sabine VOGLER sowie die fachkundigen Laienrichter DDr. Wolfgang KÖNIGSHOFER und ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Beschwerden der XXXX , vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Schottenring 19, gegen die Bescheide des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 18. April 2017, Zl. VPM-68.1/17/Kr:Pat:NI/Hd Abschnitt VII/1869-16 und Zl.VPM-68.1/17/Kr:Pat:Nl/Bra Abschnitt VII/1870-16 betreffend Streichung der Arzneispezialitäten XXXX und XXXX aus dem Erstattungskodex beschlossen:

A)

I. In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 22/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, zur Erlassung neuer Bescheide an den Dachverband zurückverwiesen.

II. Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018, hat der Dachverband die Kosten des Verfahrens in der Höhe von 5 240 Euro zu tragen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 8. November 2016 leitete der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger (nunmehr: Dachverband) ein Verfahren auf Streichung der im Spruch genannten Arzneispezialitäten ein und begründete dies mit dem Umstand, dass mit 1. November 2016 dritte wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte (mit dem Wirkstoff: Buprenorphin) in den Gelben Bereich des Erstattungskodex aufgenommen worden seien. Eine Preissenkung der Originalprodukte (die im Spruch genannten Arzneispezialitäten) auf Grund der Aufnahme der dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte sei bis dato nicht vereinbart worden.

Gemäß § 25 Abs. 2 Z 1 lit. b iVm Abs. 5 VO-EKO iVm §§ 1 Abs. 1 Z 2 iVm 3 Abs. 2 der ökonomischen Beurteilungskriterien der Grundsätze der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission sei der Preis des im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Originalproduktes spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes mindestens auf den Preis des dritten im Gelben Bereich angeführten Nachfolgeproduktes zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben sei. Könne keine Einigung erzielt werden, so seien die Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Auch die im Erstattungskodex angeführte Verwendung der gegenständlichen Arzneispezialitäten müsse geändert und an den aktuelleren Regeltext der wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten angepasst werden. Daher beabsichtige der Hauptverband die Verwendung von derzeit:

XXXX

auf

XXXX

zu ändern.

2. Mit Schreiben vom 26. Dezember 2016 zweifelte das Unternehmen die Qualität der dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte an und forderte Stabilitäts- und Bioäquivalenzdaten.

3. Mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 wurden der Beschwerdeführerin die angeforderten Daten zur Verfügung gestellt und eine Frist von 30 Tagen gemäß § 36 Abs. 2 VO-EKO eingeräumt, um zum Verfahren Stellung zu nehmen.

4. In einer Stellungnahme vom 20. Februar 2017 vermeinte die Beschwerdeführerin, dass der angebotene Preis seitens des das dritte Nachfolgerprodukt vertreibenden Unternehmens auf Dauer nicht wirtschaftlich anbietbar sei und sei schlussendlich hiedurch die Patientenversorgung gefährdet. Hinzuweisen sei, dass das vom HV herangezogene Vergleichsprodukt XXXX in der Bundesrepublik Deutschland nach zwei Jahren vom Markt genommen und dort seit November 2014 nicht mehr erhältlich sei.

Bei einem Verbleib im Gelben Bereich mit der weiterhin bestehenden bestimmten Verwendung "Zur Substitutionsbehandlung (lt. Suchtgiftverordnung), bei Unverträglichkeit der kostengünstigeren Therapiealternative Methadon." wurden folgende FAP/DAP angeboten:

Sollten die XXXX -Arzneispezialitäten aus dem EKO gestrichen werden, führe dies zu erheblichen medizinischen Problemen, weil die Umstellung oder besser Zwangsumstellung bei dieser Patientengruppe besonders problematisch und diesen Patienten nicht zumutbar sei.

Für Deutschland habe der gemeinsame Bundesausschuss eine Substitutionsausschlussliste erstellt und halte der deutsche Gesetzgeber eine Substitution von Buprenorphin durch Generika für zumindest problematisch. "Nachbauprodukte" müssten - vereinfacht gesagt - mit statistischen Methoden nachweisen, dass die Vergleichsparameter mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit innerhalb von 80% bis 125% des Original-Arzneimittels liegen. Gemessen würde der Einfachheit halber der Blutplasmaspiegel. Diese Schwankungsbreite zeige sich für einige Arzneimittel mit geringerer therapeutischer Breite als zu hoch, daher würden Mediziner und Zulassungsbehörden für die Klasse der NTI-Drugs (Arzneimittel mit narrow therapeutic index) engere Grenzen fordern, oder anders gesagt, präzisere "Nachbauprodukte".

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit verweise für besondere Arzneimittelgruppen auf diese engeren Grenzen. Zu diesen Arzneimitteln würde sie die Opioide zählen, vertreten durch Morphine.

Der Beschwerdeführerin würden nur die Daten vom dritten Generikum vorliegen und könnten daher in diesem Verfahren nur diese Daten kommentiert werden. Ähnliches gelte mit hoher Wahrscheinlichkeit für alle generischen "Nachbauprodukte".

Kurz formuliert würden die vom Unternehmen eingereichten Daten außerhalb der engeren Grenzen für NTI-Drugs 0,9 - 1,11 liegen (d.h. die pharmakokinetischen Vergleichsparameter würden nicht mit mindestens 90%iger Wahrscheinlichkeit innerhalb von 90 % bis 111 % der Werte des Originalprodukts liegen) und vereinfacht könne gesagt werden: Bei XXXX sei um 7 % mehr Buprenorphin um 20 % früher und ca. 50 % (1 Stunde) länger im Plasma vorhanden.

Nach klassischer Generika Denkweise passe dies schon, denn klassisch - aber für Buprenorphin unrichtig - sei eine Überdosierung das größere Risiko.

Derzeit liege zu wenig Evidenz vor, dass generische "Nachbauprodukte" in diesem Therapiegebiet zu klinisch ähnlicher Wirkung führen. "Nachbauprodukte", die nicht innerhalb der engeren NTI-Spezifikationen gefertigt werden würden, seien für diese Indikation zu ungenau und durch die tendenzielle Unterfüllung zur Vermeidung von Überdosierungen zu wenig wirksam. Obwohl sie den üblichen 80 % bis 125 % Regeln für die Schwankungsbreite der "Nachbauprodukte" entsprächen, würden sie von den Patienten als weniger wirksam wahrgenommen und abgelehnt. Sucht sei ein Teil der psychiatrischen Erkrankungen - Suchtpatienten hätten psychiatrische Grunderkrankungen.

Die von IMS erhobenen Umsatzdaten ("Annual Totals") zeigen, dass selbst sechs Jahre nach Einführung von generischen "Nachbauprodukten" die Nachfrage nach XXXX hoch und bei ca. 80% liege. Patienten würden daher eine hohe Therapietreue zeigen und "ihrem" Substitutionsmedikament vertrauen.

Die behandelnden Ärzte würden die Wichtigkeit einer stabilen Therapie bestätigen und eine Umstellung (Zwangsumstellung) ablehnen.

Eine Umstellung (Zwangsumstellung) bringe keine Kosteneinsparung für den Hauptverband. Eine sehr breit angelegte Studie durch Synovate Healthcare Ltd und Synovate Healthcare Germany mit 228 Patienten und 50 Konsumenten (nicht in Substitutionstherapie) sei ausgelegt gewesen, um ein valides Bild über die Konsummuster und Gewohnheiten, den Gesundheits- und Erwerbsstatus und vieles mehr dieser Gruppe zu erheben. Diese Erhebung sei parallel auch in anderen europäischen Staaten gelaufen.

Zusammengefasst ergebe sich:

? Patienten und Konsumenten hätten ein klares Ranking der Substitutionsmedikamente - XXXX , XXXX , XXXX .

? Patienten würden zu 80%-90% das Medikament erhalten, das sie vom Arzt verlangen.

? Mit diesem seien sie zu ca. 80% zufrieden und würden sich stabil fühlen.

Es sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Patienten, wenn XXXX nicht mehr zur Verfügung stehe, auf ein bekanntes, höchstwahrscheinlich erprobtes und mit hoher Wahrscheinlichkeit am Schwarzmarkt nachgefragtes Substitutionsmittel umsteigen würden.

Trotz einer Einteilung der Arzneimittel in First-, Second- und Thirdline-Präparate habe sich nicht diese, sondern die Patientenpräferenz durchgesetzt. Wie oben gezeigt, seien retardierte Morphine die Marktführer, obwohl sie laut Regeltext eigentlich nur in der Drittlinie verschrieben werden sollten. Eine Einschränkung der gefährlichen Morphine in Retardform ( XXXX und XXXX ) sei dem HV nicht gelungen, sondern im Gegenteil, der Patientenwunsch habe sie mit ca. 60% der Patienten zum Marktführer gemacht.

Es wäre weltfremd und eine Verkennung der Tatsachen anzunehmen, dass bei einem Wegfall von XXXX Patienten nicht in signifikantem Maß auf ein bekanntes (potentes) Substitutionsmedikament umstellen. Es sei daher eine Umstellung auf die in etwa viermal so teuren Morphine in Retardform zu erwarten ( XXXX und XXXX ) und damit seien signifikante Mehrkosten für den HV zu erwarten.

Ein Streichen von XXXX aus der Erstattung führe daher schon im direkten Umstieg auf andere Arzneimittel zu Mehrkosten in Millionenhöhe, genau so viel sei zusätzlich an Folgekosten der Therapieunterbrechung anzusetzen. Aus dem oben Gesagten ergebe sich, dass eine Streichung der XXXX -Arzneispezialitäten für die Patienten unzumutbar wäre. Deshalb sei eine Listung zu einem Preis gerechtfertigt, der über dem Preis des dritten Generikums liege.

5. In ihrer Empfehlung vom 9. März 2017 führte die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission aus, die Änderung der Verwendung beruhe auf ökonomischen Gründen. Im Gelben Bereich des EKO sei eine Vielzahl an Arzneispezialitäten angeführt, die den Wirkstoff Buprenorphin enthalten würden.

Im Rahmen der Festlegung der therapeutischen Alternativen und deren Dosierung als Grundlage für die medizinisch therapeutische Evaluation gemäß § 23 Abs. 1 Z 2 VO-EKO wurden folgende Präparate und deren Dosierungen zum Vergleich mit den gegenständlichen Arzneispezialität herangezogen:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

*Der Faktor diene der Umrechnung der single dose unit (vorgegebene Einheit pro Packung: Kapsel, Tablette, ..) auf eine therapeutisch vergleichbare Größe (8 mg Buprenorphin)

Tabelle kann nicht abgebildet werden

*Der Faktor diene der Umrechnung der single dose unit (vorgegebene Einheit pro Packung: Kapsel, Tablette, ..) auf eine therapeutisch vergleichbare Größe (2 mg Buprenorphin)

Aus medizinisch-therapeutischer Sicht sei die derzeitige Verwendung:

"Gelber Bereich (RE1):

XXXX

nicht zweckmäßig und sollte wie folgt festgelegt werden:

"Gelber Bereich (RE1):

XXXX

Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass die Verwendung an die aktuelle Verwendung des zuletzt in den EKO aufgenommenen Buprenorphin-Produktes angepasst werden sollte.

Im Schreiben vom 26. Dezember 2016 habe das Unternehmen der vom Hauptverband vorgeschlagenen Verwendung nicht zugestimmt und Einsicht in die Bioäquivalenzdaten des dritten Nachfolgers verlangt.

Allerdings sei aus medizinischer Sicht auch die Streichung aus dem Erstattungskodex vertretbar, da gleichwertige therapeutische Alternativen im EKO angeführt seien.

Im Zuge der gesundheitsökonomischen Evaluation wurde ausgeführt, dass gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 25 Abs. 2 Z 1 lit a iVm Abs. 5 VO-EKO iVm §§ 1 Abs. 1 Z 2 iVm 3 Abs. 2 der ökonomischen Beurteilungskriterien der Grundsätze der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission der Preis des im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten zweiten Nachfolgeproduktes spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes - das ist XXXX - mindestens auf den Preis des dritten im Gelben Bereich angeführten Nachfolgeproduktes zu senken sei, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben sei.

Bei Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der gegenständlichen Arzneispezialitäten im Kontext der Alternativen (insbesondere hinsichtlich eines Preisvergleiches auf Basis des Fabriks-/Depotabgabepreises) sei von folgenden Daten auszugehen:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

* Fabriksabgabepreis Schlüsselstärke

** Der Faktor dient der Umrechnung der single dose unit (vorgegebene Einheit pro Packung: Kapsel, Tablette, ...) auf eine therapeutisch vergleichbare Größe (Dosierung pro Tag).

Aufgrund der pharmakologischen und medizinisch-therapeutischen Evaluation seien für die gesundheitsökonomische Evaluation folgende Vergleichsprodukte herangezogen worden:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

* Fabriksabgabepreis Schlüsselstärke

** Der Faktor dient der Umrechnung der single dose unit (vorgegebene Einheit pro Packung: Kapsel, Tablette, ...) auf eine therapeutisch vergleichbare Größe (Dosierung pro Tag).

Gemäß § 25 Abs. 2 Z 1 lit a iVm Abs. 5 VO-EKO iVm §§ 1 Abs. 1 Z 2 iVm 3 Abs. 2 der ökonomischen Beurteilungskriterien der Grundsätze der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission sei der Preis des im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Originärs spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes mindestens auf den Preis des dritten im Gelben Bereich angeführten Nachfolgeproduktes zu senken, damit die Wirtschaftlichkeit gegeben sei.

Die Arzneispezialitäten XXXX (div. Wirkstoffstärken) befinden sich im Gelben Bereich des Erstattungskodex und seien der jeweilige Erstanbieter. Mit 1. November 2016 sei ein drittes wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt, nämlich XXXX in den Gelben Bereich des Erstattungskodex aufgenommen worden.

Auch die im EKO angeführte Verwendung der gegenständlichen Arzneispezialität müsse geändert und an den Regeltext des dritten Nachfolgeproduktes angepasst werden.

Mit folgenden Preisen wäre die Wirtschaftlichkeit der ggs. Arzneispezialitäten für den Gelben Bereich des EKO gegeben:

Tabelle kann nicht abgebildet werden

* Fabriksabgabepreis Schlüsselstärke

Mit dem Anbot vom 20. Februar 2017 habe das vertriebsberechtigte Unternehmen unter anderem einen Preisabschlag von XXXX statt der geforderten XXXX angeboten.

Eine umfassende Durchsicht der am 20. Februar 2017 eingereichten Stellungnahme des vertriebsberechtigten Unternehmens sei aus zeitlichen Gründen nicht möglich und juristisch nicht erforderlich gewesen. Allerdings sei das preisliche Angebot berücksichtigt worden, welches jedoch nicht den Kriterien der Wirtschaftlichkeit der VO-EKO entspreche.

Dem Unternehmen sei bereits am 8. November 2016 die Möglichkeit zur Stellungnahme gemäß § 36 Abs. 2 VO-EKO gegeben worden, dies binnen einer Frist von 30 Tagen.

Mit Schreiben vom 26. Dezember 2016 habe das Unternehmen die Qualität des dritten Generikums angezweifelt und Stabilitäts- und Bioäquivalenzdaten gefordert, ohne weitere inhaltliche Argumente gegen die Streichung der gegenständlichen Arzneispezialitäten vorzubringen.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2016 seien dem Unternehmen die angeforderten Daten zur Verfügung gestellt und dem Unternehmen - ohne, dass dies in der Verfahrensordnung vorgesehen wäre - erneut eine Frist von 30 Tagen gemäß § 36 Abs. 2 VO-EKO eingeräumt worden, um zum Verfahren Stellung zu nehmen. Diese Frist sei am 30. Jänner 2017 verstrichen.

Am 20. Februar 2017 habe das Unternehmen weit über 600 Seiten diverser Dokumente und eine inhaltliche Stellungnahme übermittelt. Der Zweck des § 36 Abs. 2 VO-EKO sei es ein rasches Verfahren ohne mögliche Verzögerungen durch verfristete Stellungnahmen von Unternehmen zu gewährleisten. Diese Dokumente müssten daher vom Hauptverband nicht berücksichtigt werden.

Die Preise seien hinsichtlich des Verhältnisses zur Wirkstoffstärke (Ausgangsbasis Schlüsselstärke 8 mg) geprüft worden, die Vorgaben gemäß § 25 Abs. 3 Z 1 VO-EKO würden auf zu hohem Preisniveau erfüllt werden.

Aus gesundheitsökonomischer Sicht sei daher die Streichung der gegenständlichen Arzneispezialitäten geboten.

6. Mit Bescheiden vom 18. April 2017 wurden die im Spruch genannten Arzneispezialitäten gemäß § 37 Abs. 1 VO-EKO aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex gestrichen.

Begründend führte der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger im Wesentlichen die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission an, wobei er auch auf die umfangreiche Stellungnahme der Beschwerdeführerin einging.

In ihrer Begründung aus medizinisch-therapeutischer Sicht führte die belangte Behörde demnach ergänzend aus, dass das pharmazeutische Unternehmen auch im Schreiben vom 20. Februar 2017 auf der bisherigen Verwendung beharrte, ohne jedoch den Nachteil der vom Hauptverband vorgeschlagenen Verwendung aufzeigen zu können. Das vertriebsberechtigte Unternehmen führe aus, dass der Zusatz "bei Unverträglichkeit der kostengünstigeren Therapiealternative Methadon" der Sozialversicherung einen ökonomischen Vorteil bringen würde.

Da jedoch durch Weglassen dieses Zusatzes und Gleichbehandlung der gegenständlichen Arzneispezialitäten mit den wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukten dem pharmazeutischen Unternehmen kein Nachteil entstehe, sei an der vom Hauptverband vorgeschlagenen Verwendung festzuhalten.

Trotz der nicht erforderlichen Befassung mit den eingereichten Unterlagen werde an dieser Stelle auf die vorgebrachten Behauptungen im Schreiben des Unternehmens vom 20. Februar 2017 eingegangen:

Das Unternehmen führe an, dass ein besonderes Interesse am Vorhandensein des Originalproduktes XXXX im EKO bestehe, was einen höheren Preis als jenen des dritten Generikums rechtfertigen würde. Zwei Hauptargumente werden bezüglich dieses besonderen Interesses vom Unternehmen angeführt, einerseits sei die Umstellung den Patientinnen nicht zumutbar, andererseits würden für den Hauptverband keine Kosteneinsparungen resultieren.

Zur Umstellung der Patientinnen auf generische Buprenorphin-Präparate sei anzuführen:

Das Unternehmen argumentiere, dass eine Umstellung nicht zumutbar sei, da Buprenorphin in Deutschland auf der "Substitutionsausschlussliste" des G-BA seit 01. August 2016 stehe.

Ungeachtet der Tatsache, dass diese Regelung nur für Deutschland gelte, sei diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass der G-BA nur Buprenorphin enthaltende transdermale Pflaster mit unterschiedlicher Applikationshäufigkeit (z.B. alle 3 bzw. 4 Tage) auf die Liste gesetzt habe, welche nicht gegeneinander ersetzt werden dürften. "Ein Austausch Btm haltiger Pflaster kommt nur in Betracht, wenn auch die gesamte Wirkstoffmenge (Beladungsmenge) identisch ist." Buprenorphin Sublingual-Tabletten seien damit nicht gemeint. Der G-BA habe deshalb explizit geschrieben, dass "der Austausch von opiathaltigen Schmerzmitteln durch Generika entsprechend den rechtlichen Vorgaben des Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) grundsätzlich möglich ist." (G-BA Zusammenfassende Dokumentation über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL): Anlage VII - Regelungen zur Austauschbarkeit von Arzneimitteln. (aut idem) Stand: 21. April 2016 )

Es sei auch prinzipiell anzumerken, dass es anders als in Deutschland in Österreich keine Regelung gebe, welche explizit den Austausch eines verordneten Arzneimittels gegen ein kostengünstigeres, wirkstoffgleiches Arzneimittel durch Apotheker/Apothekerinnen vorsieht, wenn Ärzte/Ärztinnen bei der Verordnung den Ersatz nicht ausgeschlossen haben.

Mit Wirkung zum 1. April 2014 sei dem G-BA die Aufgabe übertragen worden, Arzneimittel zu bestimmen, deren Ersatz durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel generell ausgeschlossen ist (Substitutionsausschlussliste). Als Beurteilungskriterien würden unter anderem eine enge therapeutische Breite und Hinweise, dass ein Ersatz durch ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ohne ärztliche Kontrolle möglich sei, herangezogen.

In Österreich würden generell Arzneimittel, also auch solche die dem Suchtgiftgesetz unterliegen, ohnehin nur von Ärzten/Ärztinnen umgestellt. Kein Apotheker würde Suchtgift-Präparate ohne ärztliche Anordnung mit Generika austauschen, weshalb sich die gesetzlichen Regelungen aus Deutschland nicht auf Österreich übertragen lassen würden.

Weiters werde vom Unternehmen vorgebracht, dass für bestimmte Medikamente mit NTI (narrow therapeutic index) engere Grenzen bei der Bioäqivalenz-Prüfung gefordert werden sollten.

Dazu sei anzumerken, dass die EMA Guideline diese Verengung des Konfidenz-Intervalls bei NTI-Drugs bereits vorsehe: "In specific cases of products with narrow therapeutic index, the acceptance interval for AUC and for Cmax (where Cmax is of particular importance for safety), should be tightened to 90.00-111.11%" In der Guideline werde auch speziell darauf hingewiesen, dass die Entscheidung, wann eine Substanz als NTI-Drug angesehen werden muss, von Fall zu Fall aufgrund klinischer Überlegungen getroffen werden müsse. (Guideline on the Investigation of Bioequivalence, Doc.Ref.: CPMP/EWP/QWP/1401/98 rev.1/Corr**, Kap. 4.1.9, S. 16.)

Im Fall von Buprenorphin gebe es in der Fachinformation (FI) keine Hinweise, dass es sich um eine NTI-Drug handle. In der FI von XXXX würde es heißen: "Buprenorphin hat aufgrund seiner partiellen Opioid-agonistischen Eigenschaften eine hohe Sicherheitsbreite, seine dämpfende Wirkung besonders auf Herz- und Atemfunktionen ist eingeschränkt." Es würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass geringfügige Änderungen in der Dosis oder Konzentration des Wirkstoffes zu schwerwiegenden unerwünschten Nebenwirkungen führen. Angaben zu einem Drug-Monitoring oder vergleichbaren Anforderungen zur Therapiekontrolle über die Phase der Therapieeinstellung hinaus, seien nicht vorhanden.

Das Unternehmen behaupte weiters, dass Buprenorphin-Generikaprodukte weniger wirksam seien, weil sie "unterfüllt würden" um eine Überdosierung zu vermeiden, und die Patienten würden sie als zu wenig wirksam empfinden und ablehnen.

Dazu sei anzumerken, dass einem Generikum nur bei Erfüllung aller gesetzlichen Auflagen eine Zulassung für den europäischen Markt erteilt werde. Sämtliche in den EKO aufgenommenen Generika seien anhand der geltenden Bioäqivalenz Richtlinien geprüft worden und würden daher die vom Arzneimittelgesetz festgelegten Bestimmungen für ein Generikum hinsichtlich gleicher qualitativer und quantitativer Zusammensetzung erfüllen. Die obigen Behauptungen seien daher nicht haltbar.

Weiters zitiere das Unternehmen aus dem Konsensuspapier der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologischen Psychiatrie, dass ein Wechsel auf ein Generikum bei folgenden Fällen nur eingeschränkt zu empfehlen sei: u.a. psychisch kranke PatientInnen als eine spezielle PatientInnengruppe, bei diffiziler Einstellung, bei Substanzen mit geringer therapeutischer Breite.

Hierzu sei anzumerken dass jede PatientInnengruppe "speziell" sei und viele Arzneimittel aus den unterschiedlichsten Fachbereichen einer individuellen Einstellung und Dosierung bedürfen, was jedoch nicht prinzipiell gegen den Wechsel auf ein Generikum spreche, sofern dieser sorgfältig durch Ärzte/Ärztinnen durchgeführt werde, was anzunehmen sei.

Vom Unternehmen werde angeführt, dass bereits geringfügige Änderungen im Aussehen der Tabletten bzw. Packungen zu massiver Verunsicherung bei psychiatrischen Patienten/Patientinnen führen würden und sich negativ auf die Compliance auswirken würden.

Auch hierzu könne festgehalten werden, dass psychiatrische Patienten/Patientinnen bezüglich Compliance keine alleinige Sonderstellung einnehmen würden. In allen bzw. verschiedenen Patientengruppen könne es Probleme mit Compliance geben, wobei Menschen viele Gründe hätten, warum sie ihre Medikation nicht einnehmen. Eine ausführliche ärztliche Beratung sowie regelmäßige Überprüfung des Therapieergebnisses könne die Compliance bei allen Patientengruppen deutlich verbessern, und es gebe deshalb keinen Grund, generell vom Wechsel auf ein Generikum abzusehen.

Desweiteren werde vom Unternehmen vorgebracht, dass eine Umstellung keine Kosteneinsparung bringe, da Patienten/Patientinnen bei Wegfall "ihres bekannten XXXX " auf die (teureren) retardierten Morphine ( XXXX , XXXX ) umstellen würden.

Hierzu sei angemerkt, dass jedes der im EKO angeführten Mittel zur Behandlung von Suchterkrankungen eigene Charakteristika wie Indikation, Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Interaktionspotential aufweise, weshalb die Entscheidung, welcher Wirkstoff bzw. welches Präparat für die/den individuelle/n Patientin/Patienten das geeignete ist, die/der Ärztin/Arzt zu treffen habe. Dementsprechend müssten bei Therapieentscheidungen vorrangig medizinische Gründe berücksichtigt werden. Eine Umstellung von Buprenorphin auf retardierte Morphine sei daher nur bei entsprechender medizinischer Notwendigkeit des anderen Wirkstoffes sinnvoll. Die Behauptung des Unternehmens, dass es bei Umstellung vom Originalprodukt XXXX auf wirkstoffgleiche Nachfolgeprodukte zu mehr Verordnungen von retardierten Morphinen käme, seien nicht belegt und spekulativ, aber auch irrelevant.

Sämtliche vom Unternehmen eingereichten Unterlagen würden keine neuen Informationen in dieser Sache liefern. Expertinnenmeinungen und Einzelfallberichte hätten ein hohes Verzerrungspotential und seien prinzipiell wenig valide. Die in der VO-EKO dargestellte Rangfolge der Validität der Evidenz reihe Stellungnahmen einzelner Experten und Expertinnen an letzter Stelle (vgl. § 24 Abs. 3 VO-EKO).

Als Fazit wurde in diesem Zusammenhang in der Begründung des Bescheides ausgeführt:

"Die Nachfolgeprodukte im EKO sind bioäquivalent. Das Unternehmen hat keinen Nachweis erbracht, dass eine Umstellung von XXXX auf ein im EKO angeführtes Nachfolgeprodukt generell medizinisch kontraindiziert ist. Dies ist bei bioäquivalenten Produkten auch nicht anzunehmen. Es wurden keine Nachweise vorgebracht, dass infolge eines Ersatzes von XXXX durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel relevante klinische Beeinträchtigungen auftreten oder dass eine Umstellung nur erschwert möglich oder unmöglich wäre. Dass in der Substitutionstherapie wie in anderen Therapiegebieten Dosierungen individuell anzupassen sind und allfällige Umstellungen und regelmäßige Kontrollen durch die/den behandelnde/n Ärztin/Arzt erfolgen sollten, steht außer Frage. Diesbezüglich nimmt Buprenorphin auch keine relevante Sonderstellung gegenüber anderen verschreibungspflichtigen Medikamenten zur Behandlung von Suchterkrankungen, psychiatrischen Erkrankungen oder anderen zB neurologischen Erkrankungen ein, die speziell bei XXXX ein Abweichen von gültigen EKO-Regelungen gerechtfertigt oder notwendig erscheinen lässt. Mit den drei Nachfolgeprodukten stehen angemessene, geeignete Therapien zur Verfügung."

Ergänzend wurde in der Begründung aus gesundheitsökonomischer Sicht ausgeführt, dass das vertriebsberechtigte Unternehmen bei Wegfall von XXXX aus dem EKO einen Wechsel der Patientinnen auf die teureren retardierten Morphine ( XXXX , XXXX ) und deshalb Mehrkosten in Millionenhöhe für die österreichische Sozialversicherung prognostiziere. Dies sei nicht nachvollziehbar, da, der medizinisch-therapeutischen Bewertung folgend, bei Wegfall von XXXX im Regelfall auf die im EKO gelisteten Nachfolgeprodukte zurückgegriffen werde. Wenn das pharmazeutische Unternehmen in seiner Stellungnahme einen Preisvergleich mit den retardierten Morphinen vornehme, sei dieser für dieses Verfahren somit medizinisch und formal unerheblich.

7. In den nunmehr verfahrensgegenständlichen fristgerecht eingebrachten Beschwerden führte die Beschwerdeführerin eingangs nach Darlegung des Verfahrensganges an, sie werde im Folgenden darlegen, dass es keine Vorschrift gebe, welche die Absenkung des Preises des Originalprodukte auf den Preis des dritten Generikums zwingend vorschreiben würde und würde auch der VfGH in stRsp festhalten, dass ein Interesse am Verbleib eines teureren Originalproduktes bestehen könne.

Weiters werde die Beschwerdeführerin ausführlich zeigen, dass im erstinstanzlichen Verfahren anhand einer Vielzahl von Metaanalysen, Studien und sonstiger wissenschaftlicher Dokumente nachgewiesen worden sei, dass eine Umstellung unzumutbar sei und die belangte Behörde die meisten dieser wissenschaftlichen Quellen einfach ignoriert habe.

Auch werde die Beschwerdeführerin aufzeigen, dass die belangte Behörde Art. 6 Z 2 der Transparenz-RL (gemeint 89/105/EWG 98/105/EWG vom 21.12.1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme, im Folgenden: Transparenzrichtlinie) verletzte, indem sie die Stellungnahme der HEK der Beschwerdeführerin niemals zur Äußerung vorgehalten habe und auch sonst nicht darauf eingegangen sei. Dabei gehe die Beschwerdeführerin davon aus, dass es eine solche Stellungnahme gegeben habe, schließlich hätte die HEK ja auch über die Streichung von XXXX beraten.

Weiters werde die Beschwerdeführerin darlegen, dass Buprenorphin (Transdermalpflaster) in Deutschland auf die Substitutionsausschlussliste gesetzt worden sei und somit in Deutschland als nur mit Vorsicht austauschbar betrachtet werde und dass in Norwegen XXXX für Patienten ohne Aufzahlung der Preisdifferenz zu Generika verfügbar sei.

Schließlich werde die Beschwerdeführerin begründen, warum die Streichung von XXXX nicht nur zur erhöhten Verschreibung von Burpenorphin-Generika, sondern auch zur vermehrten Verschreibung alternativer Behandlungsmethoden einschließlich Methadon und retardierter Morphine mit entsprechenden Konsequenzen führen würde. Dies würde nicht zur erhofften Kostensenkung führen, sondern lasse eine Kostensteigerung erwarten. Zudem bestünden Ansatzpunkte auf ein wahrscheinlich erhöhtes Mortalitätsrisiko.

7.1. Beschwerdepunkt: Senkung auf Preis des dritten Generikums nicht zwingend

Die belangte Behörde stütze die Streichung ausdrücklich auf die §§ 36 Abs. 1 iVm 25 Abs. 2 Z 1 lit. b und Abs. 5 VO-EKO iVm §§ 1 Abs. 1 Z 2 iVm 3 Abs. 2 der ökonomischen Beurteilungskriterien der Grundsätze der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (ÖBK).

Dazu sei zunächst auszuführen, dass weder das ASVG noch die VO-EKO vom vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts die Senkung auf einen konkreten Preis verlange, sobald das dritte Nachfolgeprodukt aufgenommen werde. § 351c Abs. 10 ASVG bestimme lediglich, dass nach der dritten Preisreduktion mit dem vertriebsberechtigen Unternehmen "eine neuerliche Preisreduktion" zu vereinbaren sei. Eine konkrete Höhe lege § 351c Abs. 10 ASVG aber nicht fest. Gleiches gelte für § 25 Abs. 2 Z 1 lit. b VO-EKO, der lediglich bestimme, dass der Preis des Originalprodukts "neuerlich zu senken" sei.

Konkrete Vorgaben zur Höhe des Preises enthalte eigentlich nur die ÖBK. Sie würden verlangen, dass spätestens drei Monate nach Aufnahme des dritten wirkstoffgleichen Nachfolgeproduktes der Preis des Originalproduktes auf den Preis des dritten angeführten Nachfolgeprodukts zu senken sei, damit die Wirtschaftlichkeit des Originalproduktes (weiterhin) gegeben sei (§ 1 Abs. 1 Z 2 ÖBK iVm § 3 Abs. 2 ÖBK).

Der VfGH habe aber bereits mehrfach klargestellt, dass die ÖBK für die belangte Behörde unverbindlich seien. Sie seien insbesondere nicht als Verordnung zu qualifizieren (VfGH 14.03.2012, B 970/09 [VfSlg 19.631]). Die belangte Behörde müsse daher nicht auf eine Senkung auf den Preis des dritten Nachfolgeproduktes bestehen.

Nach der Rechtsprechung des VfGH könnten bestimmte Interessen das Verbleiben eines Originalproduktes auch zu einem höheren Preis als jenem des dritten Generikums rechtfertigen. Ein derartiges Interesse könne etwa bestehen, wenn sich auf Grund bestimmter Eigenschaften des Originalproduktes oder der damit zu therapierenden Erkrankung eine Umstellung von Patienten auf ein Generikum nur erschwert möglich sei. Ein derartiges Interesse habe der Hauptverband im Zuge der nach § 351c Abs. 10 Z 1 vorletzter Satz ASVG zu führenden Verhandlungen mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts zu berücksichtigen, allerdings mit den wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung abzuwägen (VfGH 11.03.2014, B 1451/2011).

Dieser Rechtsprechung folge auch das BVwG. Falls keine Senkung des Preises des Originalproduktes auf den Preis des dritten Generikums möglich sei, mag die Streichung des Originalproduktes zwar die Regel sein, es gebe aber auch Ausnahmen. Wenn es dem Unternehmen gelinge, ein entsprechendes Interesse der Öffentlichkeit am Verbleib der Arzneispezialität nachzuweisen, müsse die Streichung unterbleiben (BVwG 04.07.2016, W118 2126528).

Die Beschwerdeführerin habe im Verfahren vor der belangten Behörde detailliert dargelegt, weshalb ein erhebliches Interesse an der Listung von XXXX zu den genannten Konditionen bestehe. Sie hätte konkrete Probleme dargelegt, die sich bei der Umstellung auf Buprenorphin-Generika ergeben würden und diese Behauptungen auch durch wissenschaftliche Unterlagen belegt.

7.1.2. Suchtpatienten kaum umstellbar:

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Stellungnahme vom 20. Februar 2017 detailliert ausgeführt, warum bei suchtkranken Menschen eine Umstellung auf ein Generikum gefährlicher sei als bei anderen Patienten. Sie hätte dargelegt, dass bei diesen Patienten die Umstellung auf ein Generikum eher zu einem Therapieabbruch führe, was die Patienten naheliegender Weise dem Risiko schwerwiegender gesundheitlicher Nachtteile bis hin zu "einem potenziell höheren höheren Mortalität" [sic] aussetze. Wie sogleich auszuführen sei, hätte die Beschwerdeführerin all diese Behauptungen durch wissenschaftliche Quellen unterlegt. Die vorgelegten wissenschaftlichen Dokumente seien von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid jedoch einfach ignoriert worden.

7.1.3. Umstellung bei XXXX besonders heikel, Risiken eines Therapieabbruchs

Die Beschwerdeführerin habe etwa die (qualitative) Studie "Utilisation des génériques de la buprénorphinehaut dosage (BHD): évaluation qualitative" von El-Haïk et al vorgelegt. Diese Studie befasse sich unter anderem ganz konkret mit der Ersetzbarkeit von XXXX durch Generika. Der Beschwerde werde eine deutsche Übersetzung der Studie angeschlossen. Die Studienautoren kämen zum Ergebnis, dass die Umstellung auf Generika bei XXXX besonders heikel sei. Die Studienautoren würden schildern, dass die von ihnen befragten Ärzte bei der Verschreibung von Generika aufgrund ihrer Erfahrungen besonders zurückhaltend seien:

"Die meisten befragten Ärzte sind sich jedoch einig, dass sie keine Umstellung bei Patienten vornehmen möchten, die bereits langfristig mit dem Originalmedikament behandelt werden. Sie fürchten, den Patienten zu verunsichern und für eine Destabilisierung verantwortlich zu sein."

Zusammenfassend würden die Autoren meinen:

"Die Umstellung vom Originalpräparat auf das Generikum ist bei Patienten, bei denen "eine missbräuchliche Verwendung vorliegt" oder bei Patienten, die durch XXXX stabilisiert wurden, heikel. Patienten bevorzugen die Originalmedikamente, entweder aus galenischen Gründen oder weil sie diese als wirksamer wahrnehmen. Fazit: In Bezug auf Generika für hochdosiertes Buprenorphin besteht eine gewisse Skepsis."

Dass Suchtpatienten "ihrem" Substitutionsmedikament vertrauen und ihm trotz der Verfügbarkeit von Generika treu bleiben, zeige auch eine Marktanalyse des Marktforschungsunternehmens IMS Health, welche die Marktanteile von XXXX und seiner Generika unter die Lupe nehme.

7.1.4. In wissenschaftlichen Stellungnahmen werden Umstellungsschwierigkeiten anerkannt:

In den sachverständigen Stellungnahmen von XXXX und XXXX werde bestätigt, dass bei der Umstellung von Suchtpatienten auf Generika Zurückhaltung geboten sei. Die Experten würden davon ausgehen, dass bei einer Umstellung von XXXX auf ein Buprenorphin-Generikum das Risiko eines Therapieabbruchs bestehe. Die wahrscheinlichen Folgen einer solchen Unterbrechung würden weiter unten dargestellt. Die Stellungnahmen seien sehr deutlich:

"Aus langjähriger Erfahrung kann ich bestätigen, dass Patienten ihrem Medikament treu bleiben und bei Umstellung sehr sensibel reagieren. Es kam zu vermehrten Rückfällen, was nicht im Sinne der Langzeittherapie gewünscht ist, die Patienten mussten neu eingestellt werden und Monate lange Arbeit war zu nichte gemacht." ( XXXX )

"Aufgrund meiner Erfahrung als Leiter der Suchtambulanz des XXXX in XXXX ist eine Umstellung oder eine Zwangsumstellung bei einer stabilen Therapie aus medizinischen Gründen als unzumutbar abzulehnen.

Die meisten Patienten leiden an einer psychiatrischen Grunderkrankung, die jede Therapieänderung besonders risikoreich macht. Die mit einer Umstellung verbundene Angst vor schmerzhaften Entzugserscheinungen führt oft dazu, dass Patienten die Therapie abbrechen und sich von anderen Versorgungseinrichtungen Substitutionsmedikamente verschreiben lassen, die sie kennen. Oft führt das auch zu Therapieabbrüchen." ( XXXX )

"Die Therapieumstellung von Substitutionspatienten, auch wenn es sich dabei um dieselbe Wirkungssubstanz handelt, bereitet in der Praxis oft erhebliche Schwierigkeiten." (XXXX)

"In Fortsetzung zum Besuch bei XXXX , Hauptverband der österr. Sozialversicherungsträger am 21.12.2016 erlaube ich mir schriftlich festzulegen, dass nach einer fachärztlichen und wissenschaftlichen Erfahrung die Streichung von XXXX am Österr. Markt im Rahmen des laufenden Streichungsverfahrens dramatische Nachteile für die Gruppe der PatientInnen mit Substanzkonsumstörungen von Morphinen (DSM V 304) entstehen könnten." ( XXXX )

7.1.5. Weitere Umstellungsschwierigkeiten

Die Beschwerdeführerin habe auch die Metaanalyse "Switching from Brand-Name to Generic Psychotropic Medications" von Julie Eve Desmarais et al vorgelegt. Diese setze sich mit der Substituierbarkeit von Generika auseinander. Sie komme zum Ergebnis, dass etwa bei kardiovaskulären Erkrankungen Arzneimittel relativ problemlos gegen Generika ausgetauscht werden könnten, während dies bei neurologischen bzw. psychiatrischen Anwendungsgebieten gerade nicht der Fall sei:

"Not all studies comparing generics to brand medications have found differences. For instance, a recent systematic review and meta-analysis [Kesselheim AS, Misono AS, Lee JL, et al Clinical equivalence of generic and brand-name drugs used in cardiovascular disease: A systematic review and meta-analysis. JAMA 2008; 300:2514-2526.] suggested that most cardio¬vascular generic medications are clinically equivalent to their brand counterparts [...]

Conversely, studies with medications used in neurology, psychiatry, and transplantation medicine [Chenu F, Batten LA, Zernig G, Ladstaetter E, Hebert C, Blier P. Comparison of pharmacokinetic profiles of brand-name and generic formulations of citalopram and venlafaxine: A crossover study. J Clin Psychiatry 2009;70:958-966.] reveal concerning differences between formulations."

Die Autoren würden daher den Schluss ziehen:

"Generics do not always lead to the anticipated monetary savings and also raise compliance issues."

Auch habe die Beschwerdeführerin die Studie "The Effect of an Apparent Change to a Branded or Generic Medication on Drug Effectiveness and Side Effects" von K. Faasse et al vorgelegt. Diese Studie belege, dass der Umstieg auf Generika oft zu einem verminderten Maß an objektiver und subjektiver Wirksamkeit und auch zu erhöhten Nebenwirkungen führe:

"The results of this research offer evidence that an apparent medication change from a branded drug to a generic alternative may be problematic, at least in part, because of a loss of associated placebo effects and enhanced nocebo effects, resulting in reduced medication efficacy and an increase in the number of symptoms attributed to the changed medication [...]

Medication formulation change, particularly to generic medication, seems to be associated with reduced subjective and objective measures of medication effectiveness and increased side effects."

7.1.6 Therapieabbrecher seien einer höheren Mortalität ausgesetzt:

Soweit Suchtpatienten aufgrund ihrer Verunsicherung ihre Substitutionstherapie abbrechen, seien sie einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt. Das ergebe sich aus der der von uns vorgelegten PREMOS-Studie "Mortalität in der langfristigen Substitution: Häufigkeit, Ursachen und Prädiktoren" von M. Soyka et al. Auszugsweise würden die Autoren der PREMOS-Studie etwa meinen:

"Die überwiegende Mehrzahl (55,7%) der Todesfälle trat bei Personen auf, die zumeist schon seit mehreren Monaten nicht mehr in Substitution standen [...]

Die überwiegende Zahl der Patienten verstarb außerhalb der Substitution - zumeist Monate nach einem Therapieabbruch. Dies bestätigt zusammen mit der Prädiktoranalyse die bekannten Befunde, dass Zeitphasen ohne Substitution eine Hochrisikophase für erhöhte Mortalität darstellen (Degenhardt et al 2011) [...]

Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse dafür, dass die Substitutionstherapie effektiv das Mortalitätsrisiko der Patienten senkt, ohne Hinweise darauf zu geben, dass das Substitutionsmittel selbst ein Risikofaktor sein könnte."

Daraus ergebe sich somit, dass jeder Therapieabbruch das Risiko der Mortalität erhöhe, woraus sich ergebe, dass die Umstellung von Patienten besondere Vorsicht erfordere, um einen Therapieabbruch zu verhindern.

7.1.7. Belangte Behörde ignoriere wissenschaftliche Quellen:

Die belangte Behörde habe sich mit keiner der vorgelegten oben erwähnten Studien auseinandergesetzt. Auf Seite 6 des angefochtenen Bescheides vermeine diese lediglich, dass jede Patientengruppe speziell sei und viele Arzneimittel eine sorgfältige Einstellung verlangen. Damit impliziere die belangte Behörde aber, dass von XXXX auf Generika umzustellende Patienten von ihren Ärzten mit Dosisanpassung einzustellen seien. Dadurch gebe sie aber im Ergebnis zu, dass eine ärztliche Beaufsichtigung wie bei einem Therapiebeginn erforderlich wäre, was aber bei Generika naturgemäß eigentlich gerade nicht erforderlich sein sollte.

Der erhöhte Überwachungsaufwand durch Ärzte, den die belangte Behörde implizit einräume, ziehe geradezu zwingend auch höhere Kosten für die Krankenversicherungen nach sich. In dieser Hinsicht gehe die Beschwerdeführerin davon aus, dass die Kosten einer ärztlichen Konsultation durch einen Suchtpatienten bei etwa EUR 30,00 liegen.

Aufgrund eines Vergleiches der derzeit im EKO angeführten Preise von XXXX und einem Buprenorphin-Generikums 8 mg ergebe sich, dass Einsparungen in Höhe von rund EUR XXXX pro Tag ( XXXX sein) erzielt werden könnten, die aufgrund des erhöhten Überwachungsaufwands tatsächlich wieder verloren gehen würden. Wenn man im Übrigen den von der Beschwerdeführerin bereits angebotenen Preis mit dem Preis des Buprenorphin-Generikums vergleiche, würden sich Einsparungen in Höhe von XXXX pro Tag bezogen auf eine Wirkstoffmenge von XXXX ( XXXX ) ergeben, die jedoch durch den erhöhten Überwachungsaufwand völlig ausgeglichen werden würden. Diese Analyse fokussiere sich auf die Kostenfolgen einer Umstellung der Patienten von XXXX zu einem Buprenoprhin-Generikum und bilde nicht die Kosten und Folgen in Bezug auf Patienten ab, die ihre Therapie abbrechen oder auf alternative Therapien umgestellt werden würden, was unten näher beleuchtet werde.

Weiters vermeine die belangte Behörde, dass Expertenmeinungen und Einzelfallberichte prinzipiell wenig Aussagekraft hätten. Darauf sei zu erwidern, dass sich die belangte Behörde aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen nur jene herausgepickt habe, die man noch am ehesten als Meinungen einzelner Experten bezeichnen könnte. Tatsächlich hätte die Beschwerdeführerin auch Experten-Statements von XXXX und XXXX vorgelegt, denen ebenfalls zu entnehmen sei, dass bei Suchtpatienten äußerste Zurückhaltung bei der Umstellung auf Generika geboten sei. Dass Einzelfallberichte und Meinungen einzelner Experten einen allenfalls nur geringen Evidenzgrad hätten, bedeute aber noch lange nicht, dass diesen keine Beweiskraft zukäme. Die belangte Behörde hätte sich auch mit diesen Unterlagen auseinandersetzen und sie durch zumindest gleichstarke Beweismittel entkräften müssen, was sie aber nicht getan habe. Alles andere sei eine glatte Verletzung der anwendbaren Verfahrensvorschriften (VwGH 06.07.2016, Ro 2016/08/0012).

Allerdings stütze sich die Beschwerdeführerin ohnehin nicht ausschließlich auf diese Statements, sondern in erster Linie auf die oben erwähnten Studien, welche die belangte Behörde einfach ignoriert habe. Bemerkenswert sei aber, dass die vorgelegten Stellungnahmen einzelner Ärzte sehr gut mit den anderen vorgelegten Unterlagen korrelieren und diese bestätigen würden.

Beim Großteil der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen handle es sich um Studien bzw. Metaanalysen, die in anerkannten und Peer-Review-Journals veröffentlicht worden seien. So könne etwa nicht behauptet werden, dass es sich bei der Studie von El-Haik et al. lediglich um eine vereinzelte Expertenmeinung handeln würde. Offenbar ignoriere die belangte Behörde den durchwegs wissenschaftlichen Charakter der vorgelegten Unterlagen auch deshalb, um sich selbst eine Entkräftung auf demselben wissenschaftlichen Niveau zu ersparen.

Nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens habe die erkennende Behörde (wissenschaftliche) Unterlagen einer Verfahrenspartei (zumindest) auf gleichem wissenschaftlichen Niveau zu widerlegen, wenn sie den Ausführungen der Partei nicht folgen will (VwGH 06.07.2016, Ro 2016/08/0012). Nach ständiger Rsp des VwGH könne einem schlüssigen Sachverständigengutachten mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden. Sein Beweiswert könne grundsätzlich nur mehr durch Vorbringen auf gleichem fachlichen Niveau erschüttert werden (VwGH 20.02.1992, 91/09/0154; Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 65; § 45 Rz 13f [Stand 1.7.2005, rdb.at]). Indem die Behörde die von der Beschwerdeführerin vorgelegten wissenschaftlichen Dokumente schlichtweg ignoriert habe, belaste sie den angefochtenen Bescheid mit einem schweren Begründungsmangel.

7.2. Beschwerdepunkt: Verstoß gegen Art 6 Abs 1 der Transparenzrichtlinie

Offenkundig stütze sich die belangte Behörde auf eine Empfehlung der HEK, die XXXX in ihrer Sitzung vom 09.03.2017 behandelt habe. Die Stellungnahme der HEK sei der Beschwerdeführerin jedoch nicht zur Äußerung vorgehalten und auch im angefochtenen Bescheid nicht erwähnt worden. Dadurch sei gegen Art 6 der Transparenzrichtlinie verstoßen worden.

Gemäß Art 6 Z 2 der Transparenzrichtlinie müsse eine Entscheidung, ein Arzneimittel nicht in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse aufzunehmen, eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten; gegebenenfalls seien zugrundeliegende Stellungnahmen oder Empfehlungen von Sachverständigen hierin anzugeben. Die belangte Behörde habe der Beschwerdeführerin die Stellungnahme der HEK weder vorgehalten noch sei sie darauf in ihrem Bescheid eingegangen. Es liege somit ein klarer Verstoß gegen Art 6 Z 2 der Transparenzrichtlinie vor.

Den Verpflichtungen aus der Transparenzrichtlinie könne sich die belangte Behörde auch nicht dadurch entziehen, dass sie auf die Stellungnahme der HEK in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich Bezug nehme. Die Ansätze fachlicher Begründung würden offenbar nicht aus eigenem Fachwissen der belangten Behörde stammen. Wenn sie diese Ausführungen nicht aus der fachlichen Stellungnahme der HEK entnommen habe, gäbe es überhaupt keine sachlichen, den Anforderungen der Transparenzrichtlinie entsprechenden Belege für die von der Behörde vertretene Auffassung.

7.3. Beschwerdepunkt: Deutsche Substitutionsausschussliste und andere Länder, in denen Umstellungsschwierigkeiten anerkannt werden

Gemäß § 129 Abs. 1 Z 1 des fünften deutschen Sozialgesetzbuches (SGB V) seien deutsche Apotheken bei der Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte zur Abgabe eines preisgünstigen Arzneimittels verpflichtet, wenn der Arzt

a) ein Arzneimittel nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordne

oder

b) die Ersetzung des Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen habe.

Die Apotheken müssten ein Arzneimittel abgeben, das mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch sei, für ein gleiches Anwendungsgebiet zugelassen sei und die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitze.

Vereinfacht gesagt könne in Deutschland somit grundsätzlich jeder Apotheker das vom Arzt verordnete Arzneimittel durch ein Generikum ersetzen, wenn der Arzt diese nicht ausgeschlossen habe.

Gemäß § 129 Abs. 1a SGB V erstelle der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 SGB V eine Liste, bei denen die Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abweichend von § 129 Abs. 1 Z 1 lit b SGB V ausgeschlossen sei (Substitutionsausschussliste). Ein Arzneimittel könne dann für die Substitutionsausschlussliste bestimmt werden, wenn:

? schon eine geringfügige Änderung der Dosis oder Konzentration des Wirkstoffes (z.B. im Plasma) zu klinisch relevanten Wirkungsveränderungen führe,

? infolge des Ersetzens durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht nur patientenindividuell begründete relevante klinische Beeinträchtigungen auftreten könnten,

? die Fachinformation Anforderungen zur Therapiekontrolle vorsehe, aus denen sich ableiten lasse, dass das Ersetzen durch ein anderes wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ohne ärztliche Kontrolle möglich sei (§ 52 des 8. Abschnitts des 4. Kapitels der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses, abrufbar unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492- 1331/VerfO_2016-10-20_iK-2017-01-20.pdf [Stand 16.05.2017]).

Auf Grundlage dieser Bestimmungen habe der Gemeinsame Bundesausschuss am 21.04.2016 - also vor etwas mehr als einem Jahr - Buprenorphin-Pflaster auf die Substitutionsausschlussliste gesetzt. Für den Gemeinsamen Bundesausschuss handle es sich bei Buprenorphin somit um einen Wirkstoff, für den eine generelle Austauschbarkeit sorgfältig überdacht werden sollte.

Die belangte Behörde halte dem auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides zusammengefasst entgegen, dass es in Österreich mangels vergleichbarer Rechtslage keine Substitutionsausschussliste gebe und die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht auf Österreich übertragbar sei. Das sei unzutreffend. Natürlich gelten die medizinischen Gründe und die Logik, die den Gemeinsamen Bundesausschuss dazu bewogen hätten, Buprenorphin-Pflaster auf die Substitutionsausschussliste zu setzen, auch für Österreich.

In dieser Hinsicht sei auch anzumerken, dass in Norwegen, obwohl dort eine Apotheke grundsätzlich gemäß § 6-6 Apothekengesetzes ein Originalprodukt durch ein auf einer Austauschliste geführtes Generikum austauschen könne und vom Patienten eine Aufzahlung für das teurere Originalprodukt verlangt werden könne, wenn es auf der Austauschliste ein Generikum gebe (Bläreseptforskriften § 8), die Apotheke gegen den Willen des Patienten oder des Bestellers keine Umstellung vornehmen könne. Da die Verschreibung von XXXX im Übrigen der Verordnung über die Bestellung und den Vertrieb von Arzneien durch Apotheken (Forskrift om rekvirering og utlevering av legemidler fra apotek av 27. april 1998 nr 455 - "Bestell¬Verordnung") und der Verordnung über die arzneimittelbasierte Therapie (Forskrift om legemiddelassistert rehabilitering of 18. desember 2009 nr 1641 - "LAR¬Verordnung") unterliege, könnten Patienten, denen eine arzneimittelbasierte Therapie nach der LAR-Verordnung gewährt worden sei, auf XXXX bestehen, ohne dass sie dafür einen Aufschlag bezahlen müssten. Die Kosten dafür würden nach Kapitel 5 des Gesetzes über spezialisierte Gesundheitsdienste ("spesialisthelsetjeneste") von der Regierung finanziert werden. Norwegen anerkenne somit die Schwierigkeit der Umstellung auf ein Buprenorphin-Generikum und gewähre den Patienten XXXX , ohne dass sie dafür Nachteile tragen müssten.

7.4. Beschwerdepunkt: Folgen der Zwangsumstellung, Umstieg auf Buprenorphin-Generika unwahrscheinlich

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass Patienten nach der Streichung von XXXX auf andere Buprenorphin-Generika umgestellt werden. Dass Patienten im Falle der Streichung eines Originalprodukts auf die verfügbaren Generika zurückgreifen, mag im Allgemeinen naheliegen. Bei XXXX sei das aber gerade nicht so, wie die von der Beschwerdeführerin in erster Instanz vorgelegten Zahlen und Fakten klar und deutlich belegen würden.

Zunächst einmal sei festzuhalten, dass Österreich bei der Verschreibung retardierter Morphine im europäischen Vergleich Spitzenreiter sei. In den meisten anderen europäischen Staaten würden retardierte Morphine keine oder nur eine marginale Rolle spielen. So betrage der Marktanteil retardierter Morphine dort meistens 0%. In Österreich betrage der Marktanteil von retardierten Morphinen hingegen 55%. Retardierte Morphine seien in Österreich unter den Drogenersatzstoffen somit die Marktführer, wie sich auch aus einer folgenden Grafik ergebe.

21 % aller in Österreich behandelten Patienten würden eine Behandlung mit Methadon bzw. Levomethadon erhalten. Ganz offenkundig sei die österreichische Substitutionspraxis daher in einzigartiger Weise auf die Verschreibung retardierter Morphine fokussiert. Alleine diese Besonderheit spreche dafür, dass es im Falle der Streichung von XXXX nicht automatisch zur Verschreibung von Buprenorphin-Generika kommen werde, sondern das Risiko eines Therapieabbruches bestehe und im Falle der Fortsetzung der Therapie auch auf Therapiealternativen wie etwa Methadon oder retardierte Morphine umgestellt werden könnte.

Aus den dargestellten Daten ergebe sich, dass einem Patienten mit 55%-iger Wahrscheinlichkeit retardierte Morphine und mit 21%-iger Wahrscheinlichkeit (Levo-) methadon verschrieben werden würde, wenn er mit der Behandlung beginne. In dieser Hinsicht gebe es keinen Unterschied zwischen Patienten, die das erste Mal mit einer Substitutionstherapie beginnen und solchen, die nach einem vorausgegangenen Therapieabbruch wieder mit einer Therapie beginnen würden.

Während also bei Patienten, die von XXXX auf ein Buprenorphin-Generikum umgestellt werden würden, keine Änderung des Mortalitätsrisikos gegeben sei und es auf den ersten Blick Einsparungen gebe (obwohl diese aufgrund des erhöhten Überwachungsaufwandes wie beschrieben wieder aufgezehrt werden könnten), würden Patienten, die nicht erfolgreich auf ein Buprenorphin-Generikum umgestellt würden, entweder

? ihre Therapie abbrechen, wodurch sie einem erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt seien;

? auf retardierte Morphine umgestellt (entweder unmittelbar oder infolge eines Abbruches zur Vermeidung des erhöhten Mortalitätsrisikos nach einem Therapieabbruch), wodurch keine Einsparungen, sondern Kostensteigerungen bewirkt würden; oder

? sofort auf Methadon umgestellt (entweder unmittelbar oder infolge eines Abbruches zur Vermeidung des erhöhten Mortalitätsrisikos nach einem Therapieabbruch), wodurch der Patient einem erhöhten mit der Behandlung durch Methadon verbundenen Mortalitätsrisiko ausgesetzt sei.

Der Umstand, dass Patienten von Buprenorphin auf alternative Substitutionsmittel umgestellt werden könnten, werde auch durch einen Blick in die von der Synovate Healthcare Ltd im Jahr 2011 durchgeführte Studie bestätigt. 87% aller auf retardierte Morphine eingestellten Patienten hätten angegeben, dass man ihnen mit retardierten Morphinen genau jenes Drogenersatzmittel verschrieb, nach dem sie ihren Arzt gefragt hätten. Bei Methadon seien es 74% gewesen. Eine folgende Grafik stelle daher eindrucksvoll unter Beweis, dass Patienten von ihren Ärzten retardierte Morphine bzw. Methadon verschrieben bekommen würden, wenn sie danach fragen würden.

Die von der Synovate Healthcare Ltd durchgeführte Studie befasse sich auch mit der Beliebtheit der einzelnen Substitutionsarzneimittel. Die befragten Patienten hätten die verfügbaren Arzneimittel nach dem Schulnotensystem beurteilt. Am besten habe das zu den retardierten Morphinen zählende XXXX abgeschnitten, gefolgt von XXXX . An dritter Stelle sei mit XXXX ein weiteres retardiertes Morphin gestanden.

Diese Wahl der Patienten entspreche auch den Marktanteilen der Drogenersatzstoffe, wie sie von der Gesundheit Österreich GmbH in ihrem Bericht für das Jahr 2016 veröffentlicht worden seien.

Aus angeführten Zahlen ergebe sich somit

? Retardierte Morphine seien unter suchtkranken Menschen die beliebtesten Drogenersatzstoffe.

? Patienten, die ihren Arzt nach einem bestimmten Substitutionsmittel fragen, würden es auch erhalten.

Dadurch sei belegt, dass XXXX im Falle seiner Streichung wohl kaum durch andere Buprenorphin-Generika, sondern in erster Linie durch retardierte Morphine und auch Methadon ersetzt werden würde. Die vermehrte Gabe retardierter Morphine sei somit keine Spekulation, - wie die belangte Behörde auf Seite 7 des angefochtenen Bescheides vermeine - sondern die durch harte Zahlen untermauerte Realität. Jedenfalls habe die belangte Behörde außer der pauschalen Abqualifikation der vorgetragenen Zahlen und Belege nicht die geringsten Beweisergebnisse anführen können, welche das Vorbringen der Beschwerdeführerin auch nur ansatzweise widerlegen würden.

Kostensteigerung

Wie oben ausgeführt sei im Falle einer Streichung von XXXX nicht mit einer Umstellung auf andere Buprenorphin-Generika, sondern mit einer erhöhten Verschreibung retardierter Morph

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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