TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/10 W119 2148347-1

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Veröffentlicht am 10.03.2020
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Entscheidungsdatum

10.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2148347-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.1.2017, Zahl: IFA: 1124936207 Verfahren: 161068155, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 1.8.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 2.8.2016 brachte die Beschwerdeführerin zu den Gründen befragt, warum sie ihr Herkunftsland verlassen habe, vor, seit ca. 7 Monaten mit ihrem Freund zusammen zu sein und gemeinsam in einer Mietwohnung gelebt zu haben. Als sie am 10.7.2016 nach Hause gekommen sei, hätten sich sehr viele Polizisten vor ihrem Haus befunden und die Beschwerdeführerin habe von einem Nachbarn erfahren, dass die Polizei bei ihr viele Waffen und eine große Menge Drogen gefunden hätte. Um einer Festnahme zu entgehen, habe sie den Entschluss gefasst, China zu verlassen. Bei einer Rückkehr befürchte sie eine Verurteilung und die Todesstrafe.

Die Beschwerdeführerin stamme aus XXXX , sei ledig und konfessionslos, gehöre der Volksgruppe der Han an, habe von 1989 bis 1993 die Grundschule besucht und sei in einem Textilgeschäft selbstständig gewesen.

Am 24.10.2016 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dabei gab sie im zunächst an, der Volksgruppe der Han-Chinesen anzugehören und ledig, konfessionslos sowie chinesische Staatsangehörige zu sein. Von Geburt an bis Juli 2016 habe sie in der Stadt XXXX - Kreisstadt XXXX in der Provinz XXXX gewohnt bzw. sei an der Adresse ihrer Eltern von Geburt an bis zum 10.7.2016 aufhältig gewesen. Vom 10.7.2016 bis zur Ausreise habe sie in einem Zelt an einem Berg in XXXX , dessen Name sie nicht kenne, gelebt. Später erklärte die Beschwerdeführerin, von 2010 bis Ende 2015 alleine und von Ende 2015 bis 10.7.2016 gemeinsam mit ihrem Freund in der Kreisstadt XXXX wohnhaft gewesen zu sein. Ihr von der Sicherheitsbehörde von der Stadt XXXX Ende 2015 ausgestellter Reisepass sei ihr nach der Landung in Wien vom Schlepper abgenommen worden. Die Grundschule habe die Beschwerdeführerin von 1989 bis 1993 in der Stadt XXXX besucht. Gelebt hätte sie vom Einkommen aus ihrem eigenen Textilgeschäft, das sie von 2003 bis 2016 alleine betrieben habe. Ihre Eltern hätten ein eigenes Haus und lebten von der eigenen Landwirtschaft, Geschwister habe die Beschwerdeführerin keine.

Die Polizei hätte eine große Menge von Waffen und Drogen gefunden, die ihr Freund in ihrem Zimmer gelagert gehabt habe, zudem wäre die Wohnung unter dem Namen der Beschwerdeführerin gemietet gewesen. Aus diesem Grund habe sie China verlassen, von der Polizei bei Gericht vorgeführt worden sei sich jedoch nicht, sondern weggelaufen. Andererseits bestehe ein Haftbefehl gegen ihre Person, das habe ihr eine Freundin gesagt, als die Beschwerdeführerin auf dem Berg in XXXX gewesen sei. Nach der Flucht habe diese sie einmal angerufen. In China sei es üblich, dass man Haftbefehle online einsehen könne. Sie wisse jedoch weder, von welcher Behörde der Haftbefehl ausgestellt worden sei noch seit wann er bestehe.

Ihr Freund habe ihr nie sein Geburtsdatum genannt und keine fixe Beschäftigung gehabt. Sie wisse nicht viel über ihn und sei nie bei ihm zuhause gewesen. Ende 2015 hätten sie sich in ihrem Textilgeschäft kennen gelernt.

Als die Beschwerdeführerin am 10.7. nach Hause gekommen sei, habe sie sehr viele Polizisten bei sich zu Hause und vor dem Haus sehr viele Zuschauer gesehen. Bevor sie überhaupt in die Wohnung gelangt wäre, habe sie eine Nachbarin sofort aufgehalten und ihr geraten, schnell wegzulaufen, denn es gebe dort sehr viele Polizisten. Man hätte bei der Beschwerdeführerin in der Wohnung sehr viele Waffen und Drogen gefunden. Diese sei dann sofort zu ihrem Elternhaus gelaufen, habe dort ihren Reisepass und ihren Personalausweis mitgenommen und am zweiten Tag ihr Geschäftslokal verkauft. Dann sei sie in die Stadt XXXX gefahren und habe mehrere Tage auf dem Berg in XXXX gewartet. In XXXX habe sie ein Inserat von dem Schlepper gesehen und dann den Kontakt zu ihm hergestellt. Am 28.8.2016 sei sie nach Peking gefahren, am 30.8.2016 habe sie Peking verlassen und sei am nächsten Tag mit dem Flugzeug in Wien angekommen. Die Beschwerdeführerin hätte sogar in der Zeitung von dem Vorfall gelesen.

Eine große Menge an Waffen und Drogen wären gefunden worden und in China würde man dafür zum Tode verurteilt. Es sei ihr auch nicht möglich gewesen, nach Hause zurückzukehren, denn diese Mietwohnung habe auf ihren Namen gelautet. Sie und ihr Freund hätten dort gemeinsam gelebt, die Polizei hätte dort eine große Mengen Waffen und Drogen sichergestellt und würde sich an sie als Mieterin halten. Mehr könne sie dazu nicht sagen. Es wäre nicht möglich gewesen, dies alles bei einer Sicherheitsbehörde aufzuklären, weil das in ihrer Wohnung passiert und ihr Freund schon seit langem untergetaucht sei. Man hätte sie sofort festgenommen. Nachgefragt, seit wann ihr Freund untergetaucht wäre, erklärte sie, es nicht genau zu wissen. Am 10.7. bevor sie die Wohnung verlassen habe, sei er noch zu Hause gewesen. Nachgefragt, woher sie von seinem Untertauchen wisse, gab die Beschwerdeführerin an, die Polizisten seien bei ihr in der Wohnung gewesen und hätten diese Dinge festgestellt, er sei nicht zu Hause und seither nicht mehr erreichbar gewesen. Die Beschwerdeführerin habe keine Kenntnis darüber, welche Menge an Waffen, welche Waffen genau, welche Drogen bzw. welche Menge an Drogen in Ihrer Wohnung sichergestellt worden sei.

Für den Verkauf ihres Geschäftslokales habe sie "zur Weitergabe" auf einen Zettel geschrieben, diesen auf die Türe geklebt. Danach sei dann eine Frau gekommen und habe nach dem Geschäft gefragt. Wegen der Dringlichkeit hätte sie ihr das Geschäft etwas günstiger verkauft. Von ihrem Freund wisse sich nichts, sie habe nichts mehr von ihm gehört.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten, Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Dagegen wurde in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

Am 15.1.2020 hielt das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Chinesisch eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei nicht teilnahm.

Zunächst gab die Beschwerdeführerin an, gesund und im Kreis XXXX , Bezirk XXXX in der Provinz XXXX in China geboren worden zu sein. Auf Vorhalt, beim Bundesamt habe sie gesagt, dass sie in der Stadt XXXX geboren wäre, erwiderte sie, sie sei im Kreis XXXX geboren, habe aber in der Stadt XXXX gearbeitet. Der Geburtsort sei XXXX , aber das wäre keine Stadt, der Arbeitsort sei eine Stadt, ebenfalls mit dem Namen XXXX . Im Kreis XXXX habe sie bis 2011 bei ihren Eltern gewohnt, dann in einer näher genannten Straße in der Stadt XXXX . Ihre Eltern seien Bauern gewesen, sie selbst habe ein Bekleidungsgeschäft geführt. Kontakt zu ihren Eltern habe sie nicht. Wenn sie sie kontaktierte, würde sie die chinesische Polizei finden.

Ihren Freund habe sie in ihrem Geschäft kennengelernt, Beruf habe er keinen ausgeübt und hätte ihr angegeben, im Jahr XXXX geboren zu sein. Aufgefordert, über ihn zu erzählen, gab die Beschwerdeführerin an: "Ich habe ihn in meinem Geschäft kennengelernt. Und knapp einen Monat später haben wir zusammengelebt. Er kam oft in mein Geschäft, um mir zu helfen. Er war auch nie bei meiner Familie und ich war auch nie bei seiner Familie." Wovon er seinen Lebensunterhalt bestritten habe wisse sie nicht ganz genau, er habe keinen Job und manchmal gesagt, er werde für ein paar Tage zu einem Freund fahren. Sie hätte ihn sehr selten finanziell unterstützt, manchmal habe er bei ihr gegessen. Er hätte zwar eine eigene Wohnung gehabt, die Adresse kenne sie aber nicht.

Das letzte Mal habe sie ihn am 10.7.2016 gesehen, ca. 7 Uhr in der Früh. In der Nacht vom 9. Juli hätten sie zusammengelebt bis in der Früh des 10. Juli und sie sei dann zum Wareneinkauf gefahren.

Als sie nach Hause gekommen sei, habe sie viele Polizisten vor ihrer Wohnung gesehen. Ihr Nachbar habe ihr berichtet, die Polizisten wären zu ihrer Wohnung gekommen und hätten dort Waffen und Drogen gefunden. Er wohne direkt neben ihr und habe die Polizisten gesehen. Nachgefragt, woher der Nachbar vom Drogen- und Waffenfund bei ihr gewusst hätte, erklärte die Beschwerdeführerin, die Sachen seien in ihrer Wohnung gefunden und herausgetragen worden. Sie selbst habe dies nicht gesehen und wisse nicht, wer die Polizei verständigt habe. Sie habe keine Kenntnis darüber, ob die Polizei sie kontaktiert hätte. Die Beschwerdeführerin sei zu ihren Eltern gefahren, habe ihrer Mutter alles erzählt, ihren Reisepass, den Personalausweis sowie den Meldezettel mitgenommen, die Wohngegend verlassen und sei nach XXXX gefahren. XXXX sei eine andere Stadt und sie habe gedacht, die Polizei werde so schnell nicht nachkommen.

Nachgefragt, woher sie wisse, dass die Polizei nach Ihr gesucht hätte, antwortete die Beschwerdeführerin: "Ich vermute, weil die Wohnung ist meine Wohnung und wenn die Polizei in meiner Wohnung diese Sachen gefunden hat, werde ich sicher von der Polizei gesucht". Nachdem sie in XXXX angekommen sei, habe ein Bekannter sie angerufen und ihr gesagt, er hätte im Internet gesehen, dass sie gesucht werde. Im Internet gebe es einen Haftbefehl. Es wäre üblich, dass Haftbefehle in China online gestellt werden.

Vorgehalten, beim Bundesamt habe sie gesagt, dass eine Freundin ihr davon erzählt habe, dass ein Haftbefehl gegen sie bestünde und sie diese Freundin angerufen hätte, erwiderte die Beschwerdeführerin: "Der Kontakt zwischen der Freundin und mir fand öfters statt. Ich habe sie öfters angerufen und sie mich auch." Wiederholt gefragt, warum sie zuvor gesagt habe, ein Bekannter habe ihr vom Haftbefehl im Internet erzählt, erklärte sie: "Das sind zwei Personen. Der Nachbar hat mir erzählt, was in meiner Wohnung passiert ist. Danach hat es nur meine Freundin namens [...] gegeben, die mir von meinem Haftbefehl erzählt hat." Nochmals vorgehalten, sie habe zuvor von einem Bekannten erzählt, der den Haftbefehl gesehen habe, erwiderte sie, das sei ihre Freundin, ein männlicher Bekannter und eine weibliche Freundin seien das Gleiche. Die Dolmetscherin gab dazu an, dass in der chinesischen Sprache sofort hervorgeht, ob es sich bei Bekannten um männliche oder um weibliche Personen handelt.

Weiters gab die Beschwerdeführerin an, von XXXX aus die Freundin zwei bis drei Mal angerufen zu haben. Wie die Waffen und Drogen in ihre Wohnung gekommen sein sollen, wisse die Beschwerdeführerin nicht. Nach diesem Ereignis habe sie ihren Freund sofort angerufen, aber er sei nicht mehr erreichbar gewesen. Sie habe nicht versucht, der Polizei zu erklären, dass sie damit nichts zu tun habe, weil es in ihrer Wohnung passiert wäre und sie könne das nicht erklären und hätte sich nicht getraut. In der Früh vom 10. Juli wäre sie in XXXX angekommen und dann bis 28. Juli dortgeblieben.

Am 10. Juli sei sie so gegen 7 Uhr abends nach Hause gefahren und habe entdeckt, dass die Polizei in Ihrer Wohnung sei. Nachgefragt, warum sie dann am 10. Juli in der Früh nach XXXX gefahren wäre, antwortete die Beschwerdeführerin: "Das ist am 10. Juli nach 12 Uhr. Am 10. Juli nach Mitternacht bin ich in XXXX angekommen."

Ihre Angaben beim Bundesamt vorgehalten, dass sie, nachdem die Polizei bei ihr in der Wohnung gewesen wäre, ihre Eltern aufgesucht, Reisepass und Personalausweis mitgenommen und am zweiten Tag Ihr Geschäftslokal verkauft hätte, erwiderte sei: "Ja, doch. An dem zweiten Tag habe ich einen Berater von meinem Geschäft beauftragt, einen Zettel an die Geschäftstür zu kleben." An diesem zweiten Tag wäre sie in XXXX gewesen. Neuerlich vorgehalten, beim Bundesamt habe sie gesagt, dass sie selbst den Zettel auf die Geschäftstür geklebt hätte, erklärte sie: "Ich konnte nichts ins Geschäft, die Polizei würde auch dorthin kommen." Es wäre zwar gefährlich gewesen zu ihren Eltern nach Hause zu gehen, aber sie habe ihren Ausweis gebraucht. Ihr Geschäft habe sie verkaufen können, an wen wisse sie nicht, diese Person habe den Zettel gelesen. Sie habe ihn nicht gesehen, sie hätten telefoniert. Der Käufer sei weiblich gewesen, und habe ihr über 20 000 RMB aufs Konto überwiesen.

In Österreich habe die Beschwerdeführerin keinen Kurs besucht. Sie lerne Deutsch von ihrem Freund und von seinem Kind und arbeite, aber sehr selten, im Rotlichtmilieu. Auch habe sie österreichische Freunde, die sie von der Arbeit kenne. Es handle sich um Kunden. Mitglied in einem Verein sei sie nicht und besuche keine Kurse.

Die Beschwerdeführerin passe auf die Kinder ihres Freundes auf. Er habe sieben, drei seien groß, ein Kind sei zehn Jahre alt. Ihr Freund sei ihr Kunde gewesen, danach wäre eine Partnerschaft entstanden. Unterhalten würden sie sich in englischer Sprache. Kennengelernt hätten sie sich im Jänner 2018, vier bis fünf Monate danach - im April - sei eine Beziehung daraus geworden und die Beschwerdeführerin wohne seit November 2018 bei ihm. Gemeldet wäre sie deswegen erst seit Juli 2019, weil sie Angst hätte, dass die Polizei sie finde und nach China zurückführe. Dann habe ihr der Rechtsanwalt zur Meldung geraten.

Seitens der erkennenden Richterin wurde festgestellt, dass Deutschkenntnisse bei der Beschwerdeführerin rudimentär vorhanden sind.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin als Zeuge einvernommen und gab zunächst an, sie würden sich seit Jänner 2018 kennen. Ein Paar seien sie seit Anfang April Ende März. Es habe langsam angefangen und sich dann aufgebaut. Sein Einkommen betrage netto ca. 1.500 EUR. Er habe sieben Kinder. Seine Lebensgefährtin sei verstorben, deshalb müsse er keine Alimente bezahlen. Zwei Kinder seien erwachsen, aber alle lebten bei ihm. Nach dem Tod seiner Partnerin sei er zwei Monate zu Hause gewesen, um alles zu arrangieren, dank der Beschwerdeführerin wäre es jetzt leichter. Die Zukunft bleibe hoffentlich so wie bis jetzt. Er würde sie auch gerne heiraten, sie komme mit den Kindern wunderbar zurecht. Eine Ersatzmutter werde sie nie werden, aber sie sei ein wertvolles Mitglied der Familie. Neben dem Einkaufen gebe es Ausflüge, z.B. in den Prater, Donaupark, zum Spazieren. Zu Hause spielten sie Brettspiele. Eine Abschiebung wäre nicht nur für ihn schlimm, sondern auch für die Kinder. Sie wäre eine wichtige Bezugsperson. Das jüngste Kind sei neun Jahre und der Altersunterschied betrage ca. 2 Jahre. Sie probierten Deutsch zu üben und lernten gerade das Schreiben. Zumeist sprächen sie Englisch und für die Kinder sei das auch gut.

Der Beschwerdeführerin wurden die in das Verfahren eingeführten Länderberichte (LIB vom 16.12. 2019) übergeben und ihr eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

Am 30.1.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingebrachten Länderberichten ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, ist konfessionslos und gehört der Volksgruppe der Han an.

Sie reiste am 31.7.2016 per Flugzeug in das Bundesgebiet ein und stellte am 1.8.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der VR China besuchte die Beschwerdeführerin mindestens von 1989 bis 1993 die Schule und erwirtschaftete sich von 2003 bis zur Ausreise ihren Unterhalt als Selbstständige in ihrem eigenen Textilgeschäft. Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Festgestellt wird daher, dass die Beschwerdeführerin in der Lage ist durch eigene Erwerbstätigkeit in China ihren Unterhalt zu sichern. Zudem befinden sich noch ihre Eltern in der Heimat, die Landwirte sind und ein eigenes Haus besitzen.

Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, in der Heimat ernsthaft von Verfolgung bedroht zu sein.

Die Beschwerdeführerin hat in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen. Seit März oder April 2018 lebt sie mit ihrem Partner zusammen und sie ist seit Juli 2019 offiziell bei ihm gemeldet. Sie kümmert sich mit um die jüngeren der sieben Kinder ihres Partners, das jüngste Kind ist neun Jahre alt, zwei sind bereits volljährig. Die Familie geht zusammen einkaufen, macht Ausflüge und spielt zu Hause Brettspiele. Meistens unterhalten sie sich auf Englisch und üben mit der Beschwerdeführerin die deutsche Sprache. Ihr Partner verdient 1500 Euro netto. Die Beschwerdeführerin ist legal im Rotlichtmilieu tätig.

Die Beschwerdeführerin verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse, besuchte keine Kurse und ist nicht Mitglied in Vereinen. Sie hat nach eigenen Angaben österreichische Freunde, bei denen es sich um Kunden handelt.

Feststellungen zur Situation in der Volksrepublik China:

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 16. 12. 2019)

Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,385 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2018) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 20.11.2019).

China ist in 22 Provinzen, fünf Autonome Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) untergliedert (AA 3.2019a). Hongkong hat seit dem Souveränitätsübergang vom Vereinigten Königreich auf die Volksrepublik China zum 1. Juli 1997 den Status einer Sonderverwaltungsregion (Special Administrative Region - SAR). Grundlage für den Souveränitätsübergang ist die von den beiden Regierungschefs am 19. Dezember 1984 in Peking unterzeichnete ?Gemeinsame Erklärung'. Nach dem dort verankerten Prinzip 'Ein Land, zwei Systeme' kann Hongkong für 50 Jahre sein marktwirtschaftliches Wirtschaftssystem aufrechterhalten und genießt einen hohen Grad an politischer und rechtlicher Autonomie. Zum 1. Juli 1997 trat auch das Hongkonger "Basic Law" in Kraft und löste die koloniale Verfassung ab. Macau wurde nach einem ähnlichen Abkommen am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Vereinigung mit Taiwan zur "Wiederherstellung der nationalen territorialen Integrität" bleibt eines der erklärten Kernziele chinesischer Politik (AA 3.2019a).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 3.2019a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 13.3.2019). Die KP ist die allbestimmende politische Kraft. Der 19. Parteitag hat im Oktober 2017 ein neues Zentralkomitee (ZK) gewählt, dem alle wichtigen Entscheidungsträger in Staat, Regierung, Armee und Gesellschaft angehören. Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas. Das Zentralkomitee wiederum wählt das Politbüro (25 Mitglieder) und den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit 7 Mitglieder). Letzteres ist das ranghöchste Parteiorgan und gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor durch die Parteiführung erarbeitet, wobei über das genaue Verfahren und dessen Grad der Formalisierung keine Klarheit besteht (AA 3.2019a vgl. USDOS 13.3.2019).

Xi Jinping ist zudem Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte, die seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind. Der 2018 erneut gewählte Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (AA 3.2019a).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt (FH 2.2019a). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der Nationale Volkskongress (NVK) ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 9.2019). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung (FH 1.2017a). Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 2.2019a). Eine parlamentarische Opposition zur KPCh gibt es nicht (AA 14.12.2018). Es gibt weitere acht kleine "demokratische Parteien", die auch im Nationalen Volkskongress, aber vor allem in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes vertreten sind. Deren Vorsitzender ist Wang Yang. Das Gremium unter Führung der KP Chinas hat lediglich beratende Funktion (AA 3.2019a).

Der Nationale Volkskongress hat mit seiner ersten Sitzung der 13. Legislaturperiode (5. - 20. März 2018) Xi Jinping erneut zum Staatspräsidenten gewählt (AA 3.2019a). Xi Jinping ist Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte (AA 3.2019a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 13.3.2019). Präsident Xi Jinping hat seine Absicht bekundet, auf unbestimmte Zeit zu regieren, nachdem die chinesische Legislative im März 2018 die Verfassung geändert hatte, um die Amtszeit für die Präsidentschaft zu verkürzen (HRW 17.1.2019). Vorrangige Ziele der chinesischen Führung sind die Entwicklung des "Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter" und die Verwirklichung des "chinesischen Traums vom großartigen Wiederaufstieg der chinesischen Nation". Die Wahrung der politischen und sozialen Stabilität unter Führung der Partei gilt als wichtigstes Ziel der KP Chinas. Die strenge Führung durch die Partei soll dabei in allen Bereichen der Gesellschaft durchgesetzt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reform und Stärkung der Partei. Schwerpunkte sind der Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft sowie die Stärkung der zentralen Kontrolle der Parteiführung.

Die von Deng Xiaoping im Jahr 1978 verkündete Ära von "Reform und Öffnung" hat China eine lange Phase anhaltend hohen Wachstums gebracht. Vor dem 40-jährigen Jubiläum von "Reform und Öffnung" im Dezember 2018 scheinen die wirtschaftlichen Reformanstrengungen jedoch weitgehend zum Erliegen gekommen zu sein. Angesichts der dramatischen Herausforderungen durch den demografischen Wandel, die Umweltbelastungen und die weiter zunehmende soziale Ungleichheit erscheint eine Fortsetzung der Reformagenda umso dringlicher. (AA 3.2019a).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (3.2019a): China - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/-/200846, Zugriff 26.9.2019

?AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019

?CIA - Central Intelligence Agency (20.11.2019): The World Factbook - China, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 20.11.2019

?FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019

?FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 21.10.2019

?HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002248.html, Zugriff 22.10.2019

?LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.190

?USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html , Zugriff 14.10.2019

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China auch 2018 zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Nachdem die Anzahl sogenannter "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg mit großer Geschwindigkeit zunahm, werden hierzu seit 2008 (> 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet, einer von ihnen zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 14.12.2018)

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem (z.B. Social Credit System) sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019

?LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

?USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html , Zugriff 14.10.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen (AA 14.12.2018). Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber (FH 2.2019a). Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 3.2019a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 14.12.2019). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2019). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sogenannter "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen solche, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 2.2019a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, d.h. der Kommunistischen Partei (KP), keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2019).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2019).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahme seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2019).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) und die Oberste Staatsanwaltschaft haben wiederholt gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet zudem sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren verstärkte Aufmerksamkeit (AA 14.12.2018).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") für Drogenabhängige wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des Zentralkomitees (ZK) im November 2013 offiziell am 28. Dezember 2013 abgeschafft. Es liegen jedoch Erkenntnisse vor, wonach die entsprechenden Haftanstalten lediglich in "legal education centers" umbenannt wurden (AA 14.12.2018).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt die "Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befinden, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Das Strafprozessgesetz sieht zudem vor, dass Verdächtige, die die staatliche Sicherheit gefährden, an einem "designierten Ort" bis zu 6 Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können. Dieser Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2019).

Die Staatsorgane greifen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2019; vgl. AA 14.12.2018, AI 22.2.2018).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "schwarzen Gefängnissen" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 14.12.2018).

Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert vor allem die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und des Verteidigers im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der durch Behördenwillkür und Intransparenz geprägten Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 14.12.2018).

Seit 2014 wurden schrittweise Reformen zur Verbesserung der Justizleistung unter Wahrung der Parteivormachtstellung durchgeführt. Die Änderungen konzentrierten sich auf die Erhöhung der Transparenz, Professionalität und Autonomie gegenüber den lokalen Behörden (FH 2.2019a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StGB) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 60

politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 14.12.2018). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr 2017 über an (AI 22.2.2018). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang in der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. Unter anderem wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 14.12.2018).

Auch 2018 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlicher Verfolgung fort (FH 2.2019a). Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien und Aktivisten, droht bei öffentlicher Kritik am System Festnahme und Haft (AI 1.10.2019; vgl. ZO 29.1.2019, DP 19.1.2018). Von Schikanösen Maßnahmen können auch Familienangehörige betroffen sein (AI 1.10.2019; vgl. TAZ 29.3.2016).

Seit der offiziellen Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" werden Menschenrechtsaktivisten nicht mehr in administrativer Haft angehalten, sondern systematisch auf Basis von Strafrechtstatbeständen wie Staatsgefährdung, Separatismus, Volksverhetzung, oder gemeiner Vergehen oder Verbrechen verurteilt, womit der Anschein der Rechtsstaatlichkeit erweckt werden soll. Aufgrund der vagen Tatbestände, des Zusammenhalts der einzelnen Institutionen und des Mangels an unabhängiger engagierter anwaltlicher Vertretung, kann ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt relativ leicht "geschaffen" werden (ÖB 11.2019). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Anstiftung zum Separatismus" oder "Terrorismus", "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", wie auch "Streitsucht und Unruhestiftung" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2019; vgl. AI 22.2.2018).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Millionen Eingaben [Petente] eingereicht. Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um unliebsame Personen aus dem Verkehr zu ziehen. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber 2018 noch aussteht (AA 14.12.2018).

Quellen:

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Sicherheitsbehörden

Zivile Behörden haben die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte (USDOS 13.3.2019). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 3.2019a). Xi Jinping, der Vorsitzende der ZMK der Kommunistischen Partei Chinas, ist Oberkommandierender der Streitkräfte, welche seit 1997 direkt der Kommunistischen Partei Chinas unterstellt sind (AA 3.2018a). Die Ausgaben für die innere Sicherheit sind in allen Provinzen und Regionen im Zeitraum von 2007 bis 2016 um 215 Prozent angestiegen und erhöhten sich 2018 insbesondere in sensiblen Minderheitenregionen wie Xinjiang und Tibet weiter (DFAT 3.10.2019).

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen (ÖB 11.2019).

Im Juni 2017 wurde mit dem Aufklärungsgesetz ("Intelligence Law", 2017; geändert 2018), durch das Ständige Komitee des Nationalen Volkskongresses Chinas, ein neues Gesetz erlassen, welches über die staatlichen Sicherheitsbehörden hinaus jedes einzelne Mitglied der chinesischen Gesellschaft aufruft, zur nationalen Aufklärungsarbeit beizutragen und nachrichtendienstlich relevante Informationen über Dritte, die an Aktivitäten beteiligt sind, welche der nationalen Sicherheit Chinas oder seinen Interessen schaden können, an die Behörden weiterzugeben (DFAT 3.10.2019). Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2019).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

Quellen:

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?FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.4.2017): Peking belohnt Bürger für Enttarnung ausländischer Spione, http://www.faz.net/aktuell/politik/china-bezahlt-buerger-fuer-enttarnung-auslaendischer-spione-14967307.html, Zugriff 21.10.2019

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Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 14.12.2018). In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und bei verdächtigen Todesfällen in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 11.2019; vgl. FH 2.2019a).

Menschenrechtsanwälte äußern Besorgnis darüber, dass Rechtsanwälte und Aktivisten weiterhin nach Inhaftierung verschiedenen Formen von Folter, Misshandlung oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind. Angehörige der ethnischen Minderheit der Uiguren berichten von systematischer Folter und anderer erniedrigender Behandlung durch im Strafvollzug und in den Internierungslagern beschäftigte Beamte (USDOS 13.3.2019).

Die chinesische Führung erklärte am 4. Parteiplenum 2014 zum Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, oder einzelne Polizisten nach tödlicher Folter (und öffentlicher Empörung) entlassen werden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 11.2019; vgl. AI 22.2.2018).

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Das revidierte Strafverfahrensrecht verbietet die Verwendung von Geständnissen und Zeugenaussagen, die unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommen sind (neuer Art. 53), sowie sonstiger illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 14.12.2018). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 2.2019a). Von Medien, Menschenrechtsgruppen, Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft und Uiguren wird über die Anwendung von Gewalt und Folter gegen Uiguren in Umerziehungszentren berichtet (DFAT 3.9.2019).

Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 14.12.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019

-AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424999.html , Zugriff am 23.10.2019

-DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 22.11.2019

-FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019

-ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html , Zugriff 14.10.2019

Korruption

Korruption stellt nach wie vor ein großes Problem im Land dar (USDOS 13.3.2019). China scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 39 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 87. Rang von 180 Staaten auf (TI 2019). 2017 wurde China mit 41 Punkten (Rang 77 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Trotz diverser Anti-Korruptionsmaßnahmen bewirken Korruption und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes, nach wie vor deutliche Zeichen von Unzufriedenheit in der Bevölkerung (LVAk 9.2019). Die weitest verbreiteten Formen von Korruption in China sind Bestechung, Veruntreuung öffentlicher Gelder und Günstlingswirtschaft durch Regierungsvertreter. Korruption, politische Einmischung und Vermittlungsleistungen sind beim .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 60

Erwerb öffentlicher Dienstleistungen und im Umgang mit dem Rechtssystem üblich (DFAT 3.10.2019). Gemäß der Auswertung des Globalen Korruptions-Barometers für China zum Jahre 2017, haben 26 Prozent der Befragten Vermittlungszahlungen geleistet, um Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, einschließlich Bildung, Leistungen im Gesundheitswesen und der Strafverfolgungsbehörden zu erhalten (TI 2.3.2017). Auch die von der Regierung stark regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur sind anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeldzahlungen. (USDOS 13.3.2019).

Bei seinem Amtsantritt startete Präsident Xi eine landesweite Anti-Korruptionskampagne (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 2.2019a). Ziel dieser Kampagne war, hochrangige und niederrangige korrupte Beamte zu fassen. 2013 wurden von den Behörden 172.000 Anti-Korruptionsuntersuchungen durchgeführt, im Jahre 2015 waren es 330.000. 2017 wurden 527.000 Untersuchungen durchgeführt und im im ersten Halbjahr 2017 waren es 302.000 Untersuchungen (DFAT 3.10.2019). Mehr als eine Million Beamte wurden nach offiziellen Angaben bisher überprüft und bestraft (FH 2.2019a). Bis Mitte 2017 sind durch das behördliche Durchgreifen über 1.800 Beamte dingfest gemacht worden, darunter 182 Beamte auf Ebene der stellvertretenden Provinz- oder stellvertretenden Ministerialebene bzw. darüber. Die erfolgten Untersuchungen führten zu Verhaftungen, Ausschlüssen aus der Partei und der Verurteilung von 1.130 Beamten (darunter 139 hoher Beamter) wegen Korruption (DFAT 3.10.2019). Unter den Gemaßregelten befinden sich hochrangige Staats- und Parteifunktionäre aus dem Sicherheitsapparat, dem Militär, dem Außenministerium, staatlichen Unternehmen und den staatlichen Medien (DFAT 3.10.2019; vgl. FH 2.2019a).

Obwohl die Beamten mit strafrechtlichen Sanktionen wegen Korruption konfrontiert waren, haben die Regierung und die CCP das Gesetz nicht konsequent und transparent umgesetzt (USDOS 13.3.2019).

Eine stark auf Parteiloyalität und Verschwiegenheit fokussierte Antikorruptionskampagne kennzeichnet gegenwärtig die innenpolitischen Entwicklungen (AA 14.12.2018).

Quellen:

?AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019

?DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (3.10.2019): DFAT Country Information Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2019379/country-information-report-china.pdf, Zugriff 22.11.2019

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 60

?FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019

?LVAk - Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.193

?TI - Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 20.11.2019

?TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2017, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017#regional, Zugriff 20.11.2019

?TI - Transparency International (2.3.2017): Corruption in Asia Pacific: what 20,000+ people told us, https://www.transparency.org/news/feature/corruption_in_asia_pacific_what_20000_people_told_us, Zugriff 20.11.2019

?USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), https://www.ecoi.net/de/dokument/2004237.html , Zugriff 14.10.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an, darunter die Konvention gegen Folter. Die VR China hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte 1998 zwar unterzeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert.(AA 3.2019a).

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 60

verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sogenannten schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige durch Bedrohungen bis hin zur "Sippenhaft"; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die Kommunistische Partei, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 14.12.2018).

Oberstes Ziel ist die Aufrechterhaltung "sozialer Stabilität", die aus Sicht der chinesischen Führung unerlässlich für die weitere Entwicklung des Landes ist (AA 14.12.2018).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (zum Beispiel Unschuldsvermutung, Recht auf Verteidigung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 3.2019a).

Häufig kommen Übergriffe lokaler Amtsträger bzw. von denen beauftragter Dritter vor, die im Ergebnis den Zielen der Regierungspolitik entsprechen oder der Wahrung des Einkommens dieser Personen dienen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 14.12.2018).

Chinas wissenschaftliches Entwicklungskonzept hält auch Einzug in die "Soziale Steuerung" durch und für die Partei. Umfassende Sicherheit, so erkannte die Partei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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