TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/8 W156 2226589-1

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Entscheidungsdatum

08.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §25

Spruch

W156 2226589-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr Sozialversicherung der Selbständigen) vom 18.10.2019, VSNR XXXX , beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, nunmehr Sozialversicherung der Selbständigen (im Folgenden: SVs) hat mit dem Bescheid vom 18.10.2019 festgestellt, dass Herr XXXX , VSNR XXXX , (in der Folge: BF) vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 monatliche Beiträge zur Pensionsversicherung in Höhe von monatlich ? 1.021,97 mit Fälligkeit 31.08.2019 zu zahlen habe.

Begründend führte die SVS aus, dass der BF im Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 aufgrund seiner Tätigkeit als Vermittler von Aufträgen der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG und der Unfallversicherung gemäß § 8 ASVG unterlegen sei. Er beziehe seit dem 01.10.2013 eine Alterspension. Der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2017 weise Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ? 66.289,94 aus.

Eine gesetzliche Ausnahme von der Verpflichtung zur Zahlung von Pensionsversicherungsbeiträgen für erwerbstätige Bezieher einer Alterspension bestehe nicht.

Unter Zitierung des § 25 Abs. 1 und Abs. 2 GSVG sowie § 27 GSVG führte die SVA die Ermittlung der Beitragsgrundlage aus.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde an die SVS, in der verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Vorschreibung der Pensionsversicherungsbeiträge vorgebracht wurden, die nach Ansicht des BF in keinem Verhältnis zum Höherversicherungsbeitrag stünden. Unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung sei das Verhältnis der vorgeschriebenen Pensionsversicherungsbeiträge zu den Höherversicherungsbeträgen ein Verstoß gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und

3. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der SVS am 13.12.2019 einlangend vorgelegt.

4. Die am 03.02.2020 einlangende Stellungnahme des BF zum übermittelten Vorlageschreiben der SVS äußerte im Wesentliche erneut verfassungsrechtliche Bedenken.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und bezieht seit dem 01.10.2013 eine Alterspension.

Im Jahr 2017 wies der Einkommenssteuerbescheid des BF Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von ? 66.289,94 aus.

Diesbezüglich liegt ein rechtskräftiger Einkommenssteuerbescheid vom 7.11.2018 vor, der der SVS per technischen Datenaustausch am 07.01.2019 gemäß §229 a GSVG übermittelt wurde.

Die Einkünfte des BF aus selbstständiger Arbeit für 2107 überschritten jeweils die GSVG-Versicherungsgrenze für neue Selbstständige.

2. Beweiswürdigung:

Der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und wurde vom BF in der Beschwerde nicht bestritten. Bestritten wurde auch nicht die Höhe der festgestellten monatlichen Beiträge zur Pensionsversicherung oder deren Berechnung.

Vorgebracht wurde ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Materiellrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, dass seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die in Betracht kommende Versicherungsgrenze (§ 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6) übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im nach hinein festzustellen.

3.2. Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Der BF bestreitet in der Beschwerde das Vorliegen jener Tatsachen nicht, die seine Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG, die daraus resultierende Beitragsgrundlage, die monatlichen Beiträge auslösten.

Insbesondere wurde auch nicht bestritten, dass der Einkommenssteuerbescheid des BF aus dem Jahr 2017 in Rechtskraft erwuchs und diese Einkünfte dem bekämpften Bescheid rechtsrichtig zugrunde gelegt wurden.

Das Beschwerdevorbringen richtet sich einzig gegen den Umstand, dass die für den BF zu erwartende Gegenleistung in der Pensionshöhe in keinem Verhältnis zu den vorgeschriebenen Pensionsversicherungsbeiträgen steht und daher verfassungsrechtlich eine Verletzung des Gleichheitsgebots bedeute.

Der BF hat in seiner Beschwerde über die ausschließlich verfassungsrechtlichen Bedenken hinaus kein weiteres Vorbringen erstattet, worin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides seitens des BF erkannt wurde. Den Beschwerdeausführungen des BF ist zu entnehmen, dass der dem Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt nicht bestritten wird. Ein weiteres, auf eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides abzielendes Vorbringen wurde nicht erstattet und war für das Bundesverwaltungsgericht aus der Beschwerde auch nicht zu erkennen.

Zur vorgebrachten Verfassungswidrigkeit:

Das System der Pflichtversicherung in Österreich ist ein System der ex-lege Versicherung, als tragendes Prinzip der Sozialversicherung wird die Solidarität angesehen wird. Das Wesen der Pflichtversicherung liegt darin, dass grundsätzlich nicht ein bestimmter Vertrag die Rechtsfolgen auslöst, sondern dass an das Eintreten eines bestimmten im Gesetz festgelegten Sachverhaltes, also an die Erfüllung eines bestimmten gesetzlichen Tatbestandes, die Rechtsfolgen geknüpft sind und daher im Rahmen der Pflichtversicherung die Privatautonomie möglichst ausgeschaltet ist.

Seit dem 01.01.2000 herrscht generell in der Sozialversicherung das Prinzip der Mehrfachversicherung. Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Doppel- und Mehrfachversicherung hat sich der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur mehrfach geäußert:

"Ein System, in dem die Versicherungspflicht an eine bestimmte Erwerbstätigkeit anknüpft, sodass bei gleichzeitigem Bestehen zweier oder mehrerer Erwerbstätigkeiten eine sogenannte Doppel- bzw. Mehrfachversicherung eintritt, erweckt keine verfassungsrechtlichen Bedenken." (VfSlg 4714/1964, 4801/1964 und 6181/1970).

"Auch begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, jedes Erwerbseinkommen gesondert bis zur Höchstbeitragsgrundlage der Beitragsberechnung zugrunde zu legen.

Die Erstattung von Beiträgen in Fällen der Doppel- oder Mehrfachversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht auch dann nicht geboten, wenn die sich in solchen Fällen ergebende Beitragsbelastung die der Höchstbeitragsgrundlage entsprechende Beitragsleistung übersteigen würde." (VfSlg 14802/1997, S 420 f). (Vgl VfGH B869/03.)

Dem Vorbringen des BF, die Vorschreibung von Pensionsversicherungsbeiträgen aufgrund eines Alters ohne für ihn zu erwartenden adäquate Gegenleistung wäre eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebots, ist somit entgegenzuhalten, dass nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (vgl. zB B 893/05, Slg. 4714/1964; Slg. 6015/1969; Slg. 6181/1970) die österreichische Sozialversicherung vom Grundgedanken getragen wird, dass die Pflichtversicherten in der Sozialversicherung eine Riskengemeinschaft bilden. Dabei steht der Versorgungsgedanke im Vordergrund, der den Versicherungsgedanken in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückdrängt. Es ist für die Pflichtversicherung ohne Belang, ob der Einzelne der Sozialversicherung bedarf, sie erwünscht oder ob er sie für sinnlos erachtet. Über den individuellen Sonderinteressen stehen die gemeinsamen Interessen der in der Pflichtversicherung zusammengeschlossenen Personen. Die Riskengemeinschaft ist eine Solidaritätsgemeinschaft. Dieser Gemeinschaftsgedanke ist für die Sozialversicherung typisch und wesentlich. (VwGH 19.03.2003; Zl. 2003/03/19; VfGH vom 18.06.2009, Zl. B111/09; vom 19.06.2001, Zl. G115/00); zur Verfassungsmäßigkeit der Doppel- und Mehrfachversicherung siehe u.a. VfSlg. 6181/1964; VfSlg. 4801/1964; VfSlg. 6181/1970, VfGH vom 30.06.2004; Zl. B 869/03).

In der gesetzlichen Sozialversicherung gilt also - aufgrund des Hervortretens des Versorgungsgedankens vor dem Versicherungsgedanken - keine Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Es muss in der gesetzlichen Sozialversicherung in Kauf genommen werden, dass es in manchen Fällen trotz bestehender Pflichtversicherung zu keinem Leistungsanfall kommt. Es bestehen keine gleichheitswidrigen Bedenken, Pensionisten, die eine pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, weiterhin mit Pensionsversicherungsbeiträgen zu belasten, mag es auch künftig zu keinem Pensionsanfall kommen (vgl. VfGH 19.6.2001, B864/98).

Die behauptete Verfassungswidrigkeit der gegenständlichen gesetzlichen Bestimmung konnte vom sohin nicht aufgezeigt werden.

Dass der im Gesetz bestimmte Tatbestand, der die Versicherungspflicht auslöst, auch eingetreten ist, wurde vom BF nicht in Abrede gestellt. Vor dem Hintergrund, dass maßgeblich ist, ob Einkünfte aus selbständiger Arbeit im verfahrensrelevanten Zeitraum erzielt wurde, die die relevante Versicherungsgrenze übersteigen - dies ist durch den in Rechtskraft erwachsenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 erwiesen und unbestritten -, geht das Vorbringen des BF, dass er aus den gesetzlichen Bestimmungen des § 25 und § 27 GSVG nicht ersehen könne, dass er als Bezieher eine Alterspension zur Leistung von Pensionsversicherungsbeiträgen, die gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstießen, ins Leere. Gleiches gilt für die Ausführungen des BF zu § 2 Abs. 2 Z4 GSVG, aus dem der Wille des Gesetzgebers nicht zu ersehen sei, Beziehern von Alterspensionen Beiträge zur Pensionsversicherung aus Einkünften aus selbständiger Abriet vorzuschreiben, wissend, dass diese Pensionsbeiträge aus biologischen Gründen verloren seien.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3.Zum Entfall einer mündliche Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.

In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, Zl. 2010/07/0111, mwN) (VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159).

Der BF hat keine Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auch nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG).

Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (Sh. Punkt 3.2) . Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Alterspension Beitragspflicht Mehrfachversicherung Pensionsversicherung selbstständig Erwerbstätiger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2226589.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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