TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 G305 2191504-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2191375-1/18E

G305 2191504-1/18E

G305 2191505-1/18E

G305 2191498-1/18E

G305 2191499-1/18E

G305 2191502-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) der XXXX, geb. XXXX (BF1) 2.) des XXXX, geb. XXXX (BF2) 3.) des XXXX, geb. XXXX (BF3) 4.) des mj. XXXX, geb. XXXX (mj. BF4) 5.) des mj. XXXX, geb. XXXX (mj. BF5) und 6.) des mj.XXXX, geb. XXXX (mj. BF 6), die BF 3-6 vertreten durch die Mutter XXXX, geb. XXXX, sämtliche BF staatenlos, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen die jeweils zum XXXX.03.2018 datierten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Tirol, Zlen. XXXX (BF1), XXXX (BF2), XXXX (BF3), XXXX (mj. BF4), XXXX (mj. BF5) und XXXX (mj. BF6), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.08.2019, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

2. Der angefochtene Bescheid wird unter Berücksichtigung der in Art. 16 § 1 (1) 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 16/2020, normierten Grundsätze dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt VI. (die Spruchpunkte I. bis V. bleiben unverändert) zu lauten hat:

"VI. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer 14 Tage ab 01.05.2020."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1 Am 03.11.2015 stellten die jeweils zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigten XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Erstbeschwerdeführerin oder kurz: BF1), der zu diesem Zeitpunkt noch minderjährige XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Drittbeschwerdeführer oder kurz: BF3), mj. XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjähriger Viertbeschwerdeführer oder kurz: mj. BF4), mj. XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjähriger Fünftbeschwerdeführer oder kurz: mj. BF5) und mj. XXXX, geb. XXXX (in der Folge: minderjähriger Sechstbeschwerdeführer oder kurz: mj. BF6), alle palästinensischer Abstammung und staatenlos mit Herkunftsland Irak, vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2 Bereits am 12.09.2015 stellte der zu diesem Zeitpunkt unbegleitete minderjährige XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer oder kurz: BF2), so wie die BF1 palästinensischer Abstammung und staatenlos, vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3 Am 04.11.2015 wurden die BF1 und der BF3 im Rahmen einer von Organen des Stadtpolizeikomando XXXX durchgeführten Erstbefragung niederschriftlich einvernommen.

Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die BF1 an, dass Palästinenser im Irak als Terroristen behandelt werden würden und die Lebenssituation dort schlecht sei. In der Türkei sei alles Bestens gewesen [Erstbefragung der BF1, AS 9].

Für ihre vier, zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Kinder, die damals mj. BF3-6, stellte die BF1 als deren Mutter und gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz [Erstbefragung der BF1, AS 11].

Der zum Zeitpunkt der Erstbefragung mündige Minderjährige BF3 schloss sich den Angaben seiner Mutter an, machte zu den Fluchtgründen jedoch keine Angaben [Erstbefragung des BF3, AS 3ff].

Zur Reiseroute befragt, gab die BF1 an, dass die Familie am 30.08.2014 ausgehend von XXXX mit dem Pkw nach Syrien gereist sei und dann mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Nigde in der Türkei. Dort seien sie ein Jahr verblieben und mit dem Pkw weiter in Richtung Izmir. Die erste Schleppung sei bei der Überfahrt auf eine ihr namentlich nicht bekannt griechische Insel erfolgt. Auf dieser Insel seien sie erkennungsdienstlich behandelt und in der Folge von der Polizei begleitet nach Athen verbracht worden. Von dort seien sie weiter jeweils schlepperunterstützt nach Mazedonien, mit dem Bus nach Serbien und mittels Zug über Kroatien und Slowenien nach Klagenfurt gelangt, wo sie von ihrem Mann abgeholt worden seien. Im Irak und in der Türkei hätten die bfP jeweils ein Asylantrag gestellt, jener im Irak sei abgelaufen, über den Stand des Verfahrens in der Türkei konnte die BF1 keine Angaben machen [Erstbefragung der BF1, AS 7]. Die Routenangabe ist deckungsgleich mit jener des BF3 [Erstbefragung des BF3, AS 9]. Bei der Erstbefragung ergab sich, dass die bfP auf der griechischen Insel Mytilini erkennungsdienstlich behandelt worden waren [Erstbefragung der BF1, AS 9].

1.4 Am 13.09.2015 wurde der BF2 im Rahmen einer von Organen des Polizeiinspektion XXXX durchgeführten Erstbefragung niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF2 an, den Irak wegen des Krieges und der Angst vor IS-Kämpfern verlassen zu haben. Als staatenlose Palästinenser hätten sie auch keine Rechte gehabt [Erstbefragung des BF2, AS 37].

Zur Reiseroute befragt bestätigte der BF 2 die Angaben der BF1 bis zu deren Eintreffen in der türkischen Stadt Nigde. Er präzisierte die Angaben seiner Mutter dahingehend, dass die gesamte Familie einschließlich des Vaters den Irak verlassen hätte, dieser jedoch als Erster nach Österreich aufgebrochen sei. Der BF2 hätte dann alleine etwa zehn Tage vor seinem Aufgriff die Türkei mit dem Schlauchboot in Richtung Samos (Griechenland) verlassen, wo er von der Polizei angehalten worden sei. Nach einem Landesverweis habe er selbständig mit einem großen Schiff die Fahrt nach Athen angetreten und sei weiter mit dem Bus zur mazedonischen Grenze gelangt, welche er zu Fuß in Richtung Serbien überquert habe. Nach dem illegalen Grenzübertritt sei er mit dem Bus nach Belgrad gefahren und im Anschluss daran schlepperunterstützt mittels Pkw an die ungarische Grenze und nach dem Grenzübertritt wieder schlepperunterstützt zur österreichischen Grenze gelangt. Die Grenzübertritte seien jeweils illegal zu Fuß erfolgt. In Österreich sei er dann von der Polizei aufgegriffen worden. Eine erkennungsdienstliche Behandlung fand beim BF2 nicht statt [Erstbefragung des BF2, AS 35f].

1.5 Am 23.01.2018 wurde die BF1 ab 09.00 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Bei dieser Einvernahme wiederholte sie die von ihr bei der Erstbefragung erwähnten Probleme ob ihrer palästinensischen Abstammung und einer angeblich daraus resultierenden Diskriminierung. Die Schulen ihrer Kinder im Stadtteil XXXX in XXXX seien bombardiert worden und sei das Leben allgemein schwierig gewesen. Das größte Problem sei jedoch die mehrfache Bedrohung ihres Ehemannes gewesen. Dieser habe sie und die gemeinsamen Kinder bedroht. Es sei ihr nicht möglich gewesen, die örtlichen Märkte aufzusuchen. Die Miliz "Asaib Ahl al Haqq" habe die Familie bedroht, da der Ehemann der BF1 in einem Zementwerk für Treibstoffe zuständig gewesen sei und die Miliz gefordert hätte, dass er Anträge durchlasse. Daraufhin habe die Familie mehrfach Geldbeträge an die Miliz gezahlt. Nach dem Einmarsch des IS im Jahr 2014 sei von diesen gefordert worden, dass sich die älteren Söhne diesem anschließen sollten. Diese mehrfachen Bedrohungen hätten zur Flucht geführt [NS-BFA der BF1, AS 191].

Im Rahmen ihre vor dem BFA stattgehabten Einvernahme gab sie weiter an, unter Mittelmeerfieber, Bluthochdruck, Schilddrüsenproblemen und Gelenksentzündungen zu leiden und legte diesbezüglich ein Konvolut von medizinischen Berichten vor, die dem Akt der BF1 in Kopie beiliegen. Das Mittelmeerfieber und der Bluthochdruck seien schon im Irak diagnostiziert worden [Akt der BF1 AS 125-167].

1.6 Am 24.01.2018 wurde der BF2 ab 09.00 Uhr durch Organe des BFA einvernommen. Er bestätigte seine Angaben bei der Erstbefragung und führte ergänzend aus, dass es gegen ihn persönlich nie zu Verfolgungen gekommen sei. Er sei im Jahr 2014 vor dem Einmarsch des IS gemeinsam mit seinem Bruder, dem BF3, von uniformierten Männern festgenommen worden. Festnahmegrund sei die Bombardierung eines Hauses in der Nachbarschaft gewesen und dass sie als Palästinenser gegolten hätten. Nach zwei Tagen seien sie aus der Haft entlassen und vom Vater nach Hause geholt worden. Nach dem Einmarsch des IS sei er in der Zeit des Ramadan aufgefordert worden sich diesem anzuschließen, dies sei auch in der Moschee passiert. Aus Angst vor dem IS seien dann alle nach Ende des Ramadan geflüchtet. Auch sei es zu einer Bedrohung des Vaters gekommen, da er im Rahmen seiner Tätigkeit in einem Treibstofflager vom Islamischen Staat aufgefordert worden sei, "Fälschungen" zu machen [NS-BFA des BF2, AS 189].

1.7 Am 25.01.2018 wurde der BF3 ab 09.00 Uhr durch Organe des BFA einvernommen. Er bestätigte seine Angaben bei der Erstbefragung [NS-BFA des BF3, AS 120].

1.8 Am 25.01.2018 wurde der BF4 ab 11.15 Uhr durch Organe des BFA erstmalig zu seinen Fluchtgründen einvernommen, da er im Gegensatz zur Antragstellung vom 03.11.2015 zum Zeitpunkt der Niederschrift vor dem BFA als mündiger Minderjähriger zu behandeln war. Zu den Fluchtgründen gab er an, dass sein Vater und die gesamte Familie bedroht worden seien [NS-BFA des BF4, AS 113].

1.9 Mit jeweils zum XXXX.03.2018 datierten Bescheiden der belangten Behörde, wies das BFA die Anträge der beschwerdeführdenden Parteien (im der Folge auch: Beschwerdeführer oder kurz: bfP) vom 03.11.2015 bzw. vom 12.09.2015 auf Erteilung von internationalem Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt werde, dass die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die bfP keine asylrelevanten Bedrohungen glaubhaft machen konnten und diese durch die freiwillige Rückkehr des Vaters der BF2-6 entkräftet worden seien.

1.10 Gegen die zum 01.03.2018 datierten Bescheide erhoben die bfP Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärten sie, dass sie die sie betreffenden Bescheide - gestützt auf die Beschwerdegründe "inhaltliche Rechtswidrigkeit" und "Verletzung von Verfahrensvorschriften" - vollumfänglich anfechten und verbanden die Beschwerde mit den Anträgen 1.) auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, 2) auf Behebung der die angefochtenen Bescheide zur Gänze und Zuerkennung des Status der/des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG, 3.) in eventu mögen die Bescheide bezüglich des Spruchpunktes II. behoben und ihnen gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status einer/eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zuerkannt werden, 4.) in eventu möge der angefochtene Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III./IV. aufgehoben bzw. dahingehend abgeändert werden, dass die erlassenen Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig sind und ihnen ein Aufenthaltstitel aus den Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde oder 5.) der angefochtene Bescheid - im angefochtenen Umfang - ersatzlos behoben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverwiesen werde.

Die bfP brachten in der Beschwerde vor, dass das BFA veraltete Länderinformationen verwendet und auch keine Feststellungen zur Situation von Palästinensern im Irak sowie von zurückkehrenden Palästinensern getroffen habe.

1.11 Am 05.04.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.

1.12 Das BVwG verband die gegenständlichen Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 38 Abs. 2 AVG iVm § 17 VwGVG. Anlässlich einer am 05.08.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden die BF1, der BF2 und der BF3 sowie die mj. BF4 und mj. BF5 im Beisein ihrer Rechtsvertreterin (im Folgenden: RV), eines Behördenvertreters (im Folgenden: BehV) und eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. Für die unmündigen mj. BF4-BF6 war deren Anwesenheit nicht erforderlich, wobei die unmündigen mj. BF4 und BF5 anwesend waren und Fragen des vorsitzenden Richters beantworteten.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde der BF1 aufgetragen, für die dem Akt beiliegenden Dokumente in arabischer Schrift [AS 373-382], welche die Palästinensische Staatsangehörigkeit der bfP beweisen sollen, amtlich beglaubigte Übersetzungen vorzulegen [PV der bfP vom 08.05.2019, AS 34]. Mit Eingabe vom 29.08.2019 übermittelten die bfP im Wege ihrer Rechtsvertretung eine Stellungnahme, dass die bfP ob deren finanzieller Situation nicht in der Lage seien, die geforderten Übersetzungen vorzulegen und beantragten eine amtswegige Übersetzung [Stellungnahme der RV, OZ 10].

1.13. Mit Eingabe vom 29.10.2019 übermittelten die bfP im Wege ihrer Rechtsvertretung eine Stellungnahme zu den im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.08.2019 vorgelegten Länderinformationsblättern und ACCORD-Berichten [Stellungnahme der RV, OZ 14].

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen

Die BF1 führt die im Spruch angegebene Identität XXXX, geb. XXXX, lebt seit der Geburt im Herkunftsstaat Irak. Sie wurde, wie ihre Söhne, in XXXX geboren und lebte dort bis zu ihrer Flucht. Sie gehört der palästinensischen Minderheit des Irak an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Ihre Muttersprache ist arabisch [BF1, AS1; Kopie einer irakischen ID-Karte für Palästinenser, AS 317].

Sie heiratete 1997 traditionell und vor einem Personenstandgericht in XXXX den Vater der BF2-BF6, XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, mit welchem die Familie 2014 aus dem Irak ausreiste. Der Ehemann kehrte am 13.12.2017 freiwillig in den Irak zurück [PV der BF1 vom 05.08.2019, AS 8; Kopie der irakischen ID-Karte für Palästinenser des XXXX alias XXXX, AS 317].

Das Paar hat fünf Kinder, und zwar den BF2 (XXXX, geb. XXXX), den BF3 (XXXX, geb. XXXX), den mj. BF4 (mj. XXXX, geb. XXXX), den mj. BF5 (mj. XXXX, geb. XXXX) und den mj. BF6 (mj. XXXX, geb. XXXX), alle staatenlose Palästinenser [Kopien der irakischen ID-Karten, AS 317].

Wie der BF1 gehören auch ihre Söhne der Ethnie der Araber an und sind auch diese Muslime, die sich zur sunnitischen Glaubensrichtung bekennen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben ihren Hauptwohnsitz seit dem 12.09.2015 und 04.11.2015 im Bundesgebiet (seit XXXX.07.2019 an der Anschrift XXXX) [Auszug aus dem Zentralen Melderegister - ZMR].

1.2. Zur Ausreise, Reise, Einreise der beschwerdeführenden Parteien in Österreich und ihrer darauffolgenden Asylantragstellung:

Die bfP lebten von Geburt an bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX, im Bezirk XXXX in einem eigenen Haus [BF1 in NS-BFA AS 189; PV der BF1 vom 05.08.2019 S. 12].

Die bfP sind am 30.08.2015, ausgehend von XXXX, mit dem Pkw und öffentlichen Verkehrsmitteln aus ihrem Herkunftsstaat in die Türkei ausgereist und im Anschluss über Griechenland und die "Balkanroute" nach Österreich gelangt und am 12.09.2015 der BF2 und am 03.11.2015 die BF1 mit den damals mj. BF3-6 ohne Reisepässe und sohin illegal, ins Bundesgebiet eingereist [BF1, AS 7; BF2 AS35; PV der bfP in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019 S. 14].

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat (konkret in XXXX) besuchte die BF1 von 1984 bis 1993 die Grundschule, Zuletzt war sie als Hausfrau tätig [Erstbefragung der BF1, AS 1f; BF1 in NS-BFA vom 23.01.2087, AS 189; PV der BF1 vom 05.08.2019 S. 11].

Der BF2 hat im Herkunftsstaat durch zehn Jahre hindurch die Grundschule in XXXX besucht, zuletzt als Hilfsarbeiter in Fabriken gearbeitet und den Beruf des Friseurs erlernt. Weitere berufliche Ausbildungen erlernte er nicht [Erstbefragung des BF2, AS 31; PV des BF2 vom 05.08.2019 S. 12].

Der BF3 besuchte in XXXX 6 Jahre die Grundschule XXXX und im Anschluss daran zwei Jahre die Hauptschule, er erlernte keinen Beruf. Die Hauptschule hat er wegen des Einmarsches des IS nicht abgeschlossen [Erstbefragung des BF3, AS 3; PV des BF3 vom 05.08.2019 S. 13].

Der minderjährige BF4 besuchte in XXXX 6 Jahre lang die Grundschule und beendete das erste Jahr der Hauptschule wegen des Einmarsches des IS nicht. Der mj. BF5 besuchte drei Jahre die Grundschule und konnte diese, so wie seine Brüder, wegen des IS-Einmarsches nicht beenden [PV der mj. BF4 und BF5 vom 05.08.2019 S. 12].

Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie der BF1 besteht aus ihrem am 13.12.2017 freiwillig zurückgekehrten Ehemann, ihrem etwa 70 Jahre alten Vater sowie ihren Brüdern XXXX, XXXX und XXXX und der Schwester XXXX. Letztere ist Beamte im staatlichen Amt für Bildungswesen im Irak. Sie ist nach Abschluss einer akademischen Ausbildung in den Staatsdienst eingetreten und ist dort nach wie vor tätig. Die drei Brüder der BF1 sind allesamt verheiratet und haben minderjährige Kinder, die in XXXX im ehemaligen Wohnbezirk der bfP zur Schule gehen. Die Brüder der BF1 arbeiten in XXXX in der XXXX. Die Schwester der BF1 ist kinderlos und ledig [NS-BFA der BF1 AS 189; PV der BF1 vom 05.08.2019 S. 15]. Die Mutter der BF1 ist bereits verstorben. Sämtliche Geschwister der BF1 leben in eigenen Eigentumshäusern in XXXX [PV der BF1 vom 05.08.2019 S. 15f].

Der Ehegatte der BF1, er gehört, wie die bfP, ebenfalls zur Ethnie der Palästinenser, wurde am 24.05.2015 nach einem illegalen Grenzübertritt ins Bundesgebiet aufgegriffen und in der Folge erkennungsdienstlich behandelt. In der Folge stellte er vor Organen der LPD XXXX noch am selben Tag einen Asylantrag, worüber bei der belangten Behörde zur IFA-Zahl XXXX ein Asylverfahren anhängig gemacht wurde. Er hatte bereits am 28.04.2015 auf Kos (Griechenland) einen Asylantrag in einem EU-Mitgliedsstaat gestellt (EURODAC-Treffer: XXXX). Das in Österreich zur IFA-Zahl XXXX anhängige Asylverfahren endete am 13.12.2017 wegen der freiwilligen Ausreise des Ehegatten der BF1 in den Irak durch Einstellung [IZF-Abfrage zum Ehegatten der BF1].

Vor ihrer Flucht war es den bfP möglich, Lebensmittel, Wasser und andere Dinge des täglichen Bedarfs durch Kauf bei in der Nähe ihres Einfamilienhauses gelegenen Märkten und kleinen Geschäften zu decken. Gleiches gilt für die in XXXX lebenden Mitglieder der Kernfamilien der bfP, die ihren täglichen Bedarf nach wie vor auf diese Weise decken [PV der bfP vom 05.08.2019 S. 12 und 16ff].

Die BF1 hat bereits im Herkunftsstaat am Mittelmeerfieber gelitten und wurde sie diesbezüglich und wegen des bei ihr bestehenden Bluthochdrucks im Herkunftsstaat medikamentös behandelt [BF1 in Niederschrift des BFA vom 23.01.2018, S. 4 unten = AS 181]; bezüglich der mitbeschwerdeführenden Parteien gab sie an, dass ihre Kinder "vollkommen gesund" und keinerlei Krankheiten haben. Dem BF3 wurde im Irak eine Niere entfernt. Er kann normal leben und braucht keine Dialyse [BF1 in Niederschrift des BFA vom 23.01.2018, S. 5 oben = AS 182]. Anlässlich ihrer PV vor dem Bundesverwaltungsgericht gab die BF1 an, dass sie gegen das Mittelmeerfieber und den Bluthochdruck Medikamente einnehme. Die übrigen Beschwerdeführer gelten als gesund [PV der bfP in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019, S. 5].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die BF1 gab übereinstimmend mit den BF2 und BF3 an, dass ihre Flucht aus ihrer palästinensischen Abstammung resultiere und dies auch der Grund für die Flucht ihres Ehemannes gewesen sei. Sie führt jedoch auch an, dass sie ob der schlechten Lebenssituation ihr Herkunftsland verlassen habe. Zusätzlich sei ihr Ehemann und der Vater der BF2-6 durch Milizen und den Islamischen Staat bedroht worden.

Keine der beschwerdeführenden Parteien war je Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Keine der beschwerdeführenden Parteien hatte je ein Problem mit den Gerichten, der Polizei oder den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates. Keine der beschwerdeführenden Parteien war je Mitglied einer Miliz des Herkunftsstaates oder des IS. Dies alles gilt auch für den freiwillig wieder in den Irak zurückgekehrten Ehegatten der BF1 [PV der bfP in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019, S. 13f].

Die beschwerdeführenden Parteien konnten das Fluchtvorbringen, dass sie auf Grund einer Bedrohungssituation aus dem Irak ausgereist wären, nicht glaubhaft machen [PV der BF1-3 vom 05.08.2019 S23ff].

Keine der bfP war je einem gezielten Angriff auf ihre Person, von wem auch immer, ausgesetzt. Das gilt auch für den freiwillig wieder in den Irak zurückgekehrten Ehegatten der BF1.

Zwar sind die bfP als Palästinenser Teil einer irakischen Minderheit. Bei sämtlichen Befragungen gaben die bfP selbst an, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu diesem Teil einer irakischen Minderheit nie direkt Ziel und Opfer von Handlungen waren [NS-BFA der BF1-4; PV der BF1-3 vom 05.08.2019].

Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch eine (schiitische) Miliz aus religiösen und/oder politischen Gründen ausgesetzt gewesen wären.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der bfP im Bundesgebiet:

Die BF1 nahm am 24. November 2017 an einer Kompetenzanalyse der XXXX teil und legte einen XXXX vor [AS 169 und 171]. Für den BF2 liegt ebenso eine Kopie des XXXX vor sowie ein Zertifikat für einen Deutschkurs A2 im Zeitraum 26.03.2018 bis 31.07.2018. Vom 01.09.2016 bis zum 03.03.2017 arbeitete der BF2 für das Pflegeheim XXXX, wirkte von 28.08.2017 bis 03.09.2017 bei der Organisation einer Triathlon-Veranstaltung mit und wurde im Dezember 2017 mit dem BF3 für gemeinnützige Schneeräumungsarbeiten im Bereich des Sprengels XXXX herangezogen [XXXX AS 149ff; Bestätigung des Gemeindeverbandes XXXX AS 159; Schreiben der Gemeinde XXXX AS 163].

Der BF3 nahm im Oktober 2017 an einem Workshop "Kompetenzen erleben" teil und arbeitete einen Monat für das Pflegeheim XXXX. Er besucht vom 04.11.2016 bis zum 10.02.2017 eine öffentliche Schule in XXXX und im Anschluss daran einen Lehrgang für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache in XXXX. Auch für ihn liegt eine Kopie des XXXX vor [Bestätigung des Gemeindeverbandes XXXX AS 103; Schreiben der Gemeinde XXXX AS 163 des BF2; Schulbesuchsbestätigungen AS101f; XXXX AS 107ff].

Für den mj. BF4 liegen Schulbesuchsbestätigungen einer öffentlichen Schule in XXXX vor. Im Jahr 2016 engagiert er sich für zwei bis drei Monate bei einem Fußballclub [Schulbesuchsbestätigung AS 107, PV des BF4 vom 05.08.2019 S. 22].

Ob der Stellung als Asylwerbende erhielten die BF3 und BF4 Auskunft vom Arbeitsmarktservice, dass sie keine Arbeit aufnehmen dürften [PV des BF3 vom 05.08.2019 S. 22; negative AMS-Bescheide in Akt des BF4].

Die mj. BF5 und mj. BF6 besuchen derzeit öffentliche Schulen in XXXX [jeweils in Kopie vorliegende Schulbesuchsbestätigungen des BF5, AS 77f; Jahreszeugniskopien des BF5; Schulbesuchsbestätigung des BF6]

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Gerichte, die Verwaltungsbehörden oder die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wären. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen. Abgesehen davon ist hervorzuheben, dass der Ehegatte der BF1 am 15.12.2017 freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist und sich seit seiner Rückkehr dort unbehelligt aufhält. Auch die in XXXX teils mit den Angehörigen ihrer eigenen Kernfamilie verbliebenen Geschwister der BF1 gehen dort einer beruflichen Tätigkeit nach (die Brüder sind in der Baubranche tätig; die akademisch gebildete Schwester ist Beamtin im irakischen Bildungsministerium) und leben dort - völlig unbehelligt - in ihren eigenen Einfamilienhäusern in XXXX.

1.6.1. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat der bfP lässt sich nicht entnehmen, dass staatliche Organe wegen einer korrekten Amtsführung ins Visier dieser Miliz gelangt wären. Auch lässt sich den Berichten zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer nicht entnehmen, dass diese Miliz Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung verfolgen und vertreiben würden.

Quellen:

- Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017, http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

- UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

- BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

Die bfP haben anlässlich ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde bzw. anlässlich ihrer PV vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass weder sie, noch deren Ehegatte bzw. Vater, je Mitglied einer Miliz des Herkunftsstaates oder des IS waren bzw. hat auch keine der bfP angegeben, von einer Miliz für Kriegsdienste erfolglos angeworben worden zu sein und wegen einer Weigerung Konsequenzen ausgesetzt gewesen zu sein.

1.6.2. Alleinstehende Frauen

Jahre der Instabilität und des Krieges haben im Irak zu einer großen Zahl an Haushalten geführt, deren Haushaltsvorstande Frauen sind ("female-headed-households"). Laut einer Schätzung betrug die Zahl solcher Haushalte im Jahr 2011 zwischen einer und zwei Millionen (IOM 12.10.2011). Präzise Angaben existieren nicht. Die Zahlen variieren, je nach Art der Erhebung (MIGRI 22.5.2018; vgl. z.B. ICRC 8.2011). Als Witwen, Geschiedene oder von ihren Ehemännern Getrennte, versorgen diese Frauen ihre Familien alleine. Manchmal ist der Ehemann krank oder pflegebedürftig. Viele von Frauen geführte Haushalte stellen einen besonders vulnerablen Teil der irakischen Bevölkerung dar, vor allem in ländlichen Gebieten bzw. als IDPs (IOM 12.10.2011).

Zehn Prozent der irakischen Frauen sind Witwen, viele davon Alleinversorgerinnen ihrer Familien. Ohne männliche Angehörige erhöht sich das Risiko für diese Familien, Opfer von Kinderheirat und sexueller Ausbeutung zu werden (AA 12.2.2018).

Scheidung bleibt im Irak weiterhin mit starkem sozialen Stigma verbunden (MRG 11.2015; vgl. MIGRI 22.5.2018). Das gesellschaftliche Klima gegenüber Geschiedenen ist nicht offen repressiv. Üblicherweise werden geschiedene Frauen in die eigene Familie integriert. Sie müssen jedoch damit rechnen, schlechter bezahlte Arbeitsstellen annehmen zu müssen oder als Zweit- oder Drittfrau in Mehrehen erneut verheiratet zu werden. Im Rahmen einer Ehescheidung wird das Sorgerecht für Kinder ganz überwiegend den Vätern (und ihren Familien) zugesprochen (AA 12.2.2018). Laut einer Studie führt das mit einer Scheidung assoziierte gesellschaftliche Stigma dazu, dass viele Frauen in Beziehungen bleiben, in denen sie Missbrauch ausgesetzt sind, um Ablehnung bzw. die Androhung von noch größerer Gewalt durch Familienmitglieder und Mitglieder der Community zu vermeiden. In manchen Fällen ist das Stigma so groß, dass Frauen von ihren Familien gezwungen werden, zu ihren sie misshandelnden Ehemännern zurückzukehren. Geschiedene Frauen, die zu ihren Familien zurückkehren, sind aufgrund ihres Status als geschiedene Frauen oft weiteren Formen des Missbrauchs und der Stigmatisierung ausgesetzt (MRG 11.2015).

Opfern von Zwangsscheidungen wird die Rückkehr ins Elternhaus durch einen Ehrenkodex verwehrt. Bei Zwangsscheidungen handelt es sich um eine Praxis, die vor allem im Süden des Landes vorkommt. Dabei droht der Mann seiner Frau mit der Scheidung, falls ihre Familie ihm oder seiner Familie nicht mehr Geld zukommen lasst. Wenn dies nicht geschieht, muss die Frau ihren Mann und ihre Familie verlassen und bleibt als Verstoßene zurück. Die Rückkehr ins Elternhaus wird aus Ehrengrunden verwehrt (USDOS 20.4.2018).

Ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten können Frauen keine Ausweisdokumente erhalten (MIGRI 22.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Gesetzgebung hindert Frauen daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 16.1.2018). Frauen können ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten auch keinen Personalausweis bekommen, der etwa für den Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt wird (USDOS 20.4.2018). Zusätzlich wird generell erwartet, dass eine Frau immer mit einem Mann reist, der als ihr Vormund agiert (Lattimer EASO 26.4.2017).

Quellen:

- - AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 29.8.2018

- - FH - Freedom House (16.1.2018): Freedom in the World 2018: Iraq - Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 10.9.2018

- - ICRC - The International Committee of the Red Cross in Iraq (8.2011): Households Headed by Women in Iraq: A Case for Action, https://www.icrc.org/eng/assets/files/2011/iraq-womensurvey-2011-08-eng.pdf, Zugriff 10.9.2018

- - IOM - International Organization for Migration (12.10.2011): Iraq - Special Report: Female Headed Households, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Full%20Report_278.pdf, Zugriff 7.9.2018

- - Lattimer EASO (26.4.2017): Minorities and Vulnerable Groups - EASO COI Meeting Report Iraq: Practical Cooperation Meeting, 25-26 April 2017, Brussels, https://www.ecoi.net/en/file/local/1404903/90_1501570991_easo-2017-07-iraq-meetingreport.pdf, Zugriff 5.11.2018

- - MIGRI - Finnische Immigrationsbehorde Maahanmuuttovirasto (22.5.2018): Overview of the status of women living without a safety net in Iraq, https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/Plib/Report_Women_Iraq_Migri_CIS.pdf, Zugriff 3.9.2018

- - MRG - Minority Rights Group (11.2015): The Lost Women of Iraq: Family-based violence during armed conflict, https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2015/11/MRG-report-A4_OCTOBER-2015_WEB.pdf, Zugriff 4.9.2018

- - USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 4.9.2018

Anlassbezogen ist festzustellen, dass die zwischen der BF1 und deren freiwillig im Dezember 2017 in den Irak zurückgekehrten Ehegatten im Jahr 1997 in XXXX auf traditionelle Weise und vor einem Personenstandsgericht geschlossene Ehe nach wie vor aufrecht ist [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019, S. 8 unten].

Die Angabe der BF1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass eine Frau als geschieden gelte, wenn man mündlich "nur dreimal das Wort Scheidung in den Mund" nimmt, lässt sich mit den Länderinformationen zum Herkunftsstaat bzw. den herkunftsregionsspezifischen Länderberichten zu XXXX nicht in Einklang bringen. Vielmehr erfordert die Scheidung einer Ehe auch im Herkunftsstaat der bfP einen contrarius actus, sohin einer förmlichen Ehescheidung durch ein irakisches Personenstandsgericht. Die BF1 hat weder eine Ehescheidung durch ein irakisches Personenstandsgericht behauptet, noch konnte sie eine Ehescheidung durch Vorlage von Scheidungsurkunden nachweisen. Die Ehe ist nach wie vor aufrecht und wird die BF1 bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat auch nicht Gefahr laufen, als "Geschiedene" stigmatisiert zu werden. Dass die Ehe der BF1 nach wie vor aufrecht ist, ergibt sich auch aus ihren Angaben zur Frage "Haben Sie bzw. Ihr Ehegatte Verwandte im Irak?" vor dem Bundesverwaltungsgericht. In diesem Zusammenhang sprach sie wörtlich davon: "[...] Im Irak leben weiters mein Mann und mein Schwiegervater. [...]" [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019, S. 15 oben].

Der vor den bfP aus dem Irak "geflohene" Ehegatte der BF1 hält sich nach wie vor unbehelligt in XXXX auf und wird dieser in der Lage sein, bei einer Rückkehr der BF1 und der übrigen beschwerdeführenden Parteien wieder für diese zu sorgen. Selbst wenn ihr Ehegatte für die BF1 und die gemeinsamen Kinder nicht sorgen sollte, was anlassbezogen weder glaubwürdig dargetan wurde noch zu erwarten ist, leben im Herkunftsstaat die Angehörigen ihrer eigenen Kernfamilie jeweils in deren Einfamilienhäusern, die für die Rückkehrer sorgen könnten.

1.6.3. Kinder

Art. 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Irak ist dem Zusatzprotokoll zur VN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 12.2.2018). Das Gesetz verbietet die kommerzielle Ausbeutung von Kindern, sowie Pornografie jeglicher Art, einschließlich Kinderpornografie (USDOS 20.4.2018).

Im Falle einer Nichtregistrierung der Geburt eines Kindes werden diesem staatliche Leistungen wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme bei der Registrierung ihrer Kinder. Kinder, die nicht die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, haben ebenfalls keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Humanitäre Organisationen berichten von einem weit verbreiteten Problem bezüglich Kindern, die im IS-Gebiet geboren worden sind und keine von der Regierung ausgestellte Geburtsurkunden erhalten (USDOS 20.4.2018).

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt (AA 12.2.2018).

Über ein Viertel aller Kinder im Irak lebt in Armut. Dabei waren, über die letzten Jahrzehnte, Kinder im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten am stärksten betroffen (UN News 19.1.2018; vgl. UNICEF 31.1.2017). Armut wirkt sich nicht nur negativ auf die Bildung, sondern auch auf die Gesundheit von Kindern aus (UNICEF 31.1.2017). 22,6 Prozent der Kinder im Irak sind unterernährt (AA 12.2.2018). Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sind physisch unterentwickelt bzw. im Wachstum zurückgeblieben (UNICEF 31.1.2017).

Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch nimmt zu. Soziale Medien helfen verstärkt bei der Aufdeckung von Missbrauch und Folter (Al Monitor 2.5.2017). Berichten zufolge verkaufen Menschenhandelsnetze irakische Kinder zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland. Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln und Drogen zu verkaufen (USDOS 28.6.2018).

Die Verfassung und das Gesetz verbieten Kinderarbeit. In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der Zentralregierung fallen, beträgt das Mindestbeschäftigungsalter 15 Jahre. Das Gesetz begrenzt die Arbeitszeit für Personen unter 18 Jahren auf sieben Stunden pro Tag und verbietet Beschäftigungen, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral von Personen unter 18 Jahren schaden. Trotzdem gibt es im ganzen Land Fälle von Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen. Es gibt dokumentierte Fälle von durch den Konflikt intern vertriebenen Kindern, die gezwungen wurden Kinderarbeit zu leisten. Versuche der Regierung Kinderarbeit z.B. durch Inspektionen zu überwachen, blieben erfolglos (USDOS 20.4.2018).

Anlassbezogen ist nicht hervorgekommen, dass die minderjährigen Beschwerdeführer bei einer Rückkehr der sich aus den Länderberichten unsubstantiiert beschriebenen Lage von Kindern im Herkunftsstaat ausgesetzt sein könnte, zumal die Kinder der Geschwister der BF1 derzeit die Schule besuchen können. In der Nähe der Wohnhäuser der Familien befinden sich Schulen. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser ist intakt. Sämtliche Mitglieder der im Irak befindlichen Kernfamilie der bfP leben in der Nähe von Märkten und kleinen Geschäften, wo sie Waser und Lebensmittel einkaufen und so ihren essentiellen Bedarf decken [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift, S. 16ff]. Eine Schwester der BF1 arbeitet im Bildungssektor und ist in der Lage sich und ihren Vater zu versorgen, die Brüder der BF1 arbeiten am Bau und können mit den dadurch erworbenen Mitteln ihre Familien versorgen [NS-BFA der BF1 AS 189; PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift, S. 15ff]. Die mittelerweise erwachsenen BF2 und BF3 haben im Herkunftsstaat die Schule besucht, auch die mj. BF4 und BF4 besuchten im Irak die Schule [PV der BF2 bis BF5 in Verhandlungsniederschrift, S. 11f und S. 38f].

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598 1531143225 deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-

- stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 5.9.2018

- Al Monitor (2.5.2017): How can Iraq address child abuse, torture?, https://www.al-monitor.com/ pulse/originals/2017/05/child-abuse-iraq-domestic-violence.html. Zugriff 20.9.2018

- UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (16.5.2018): Children and armed conflict, https://www.ecoi.net/en/file/local/1436649/1930_1530169188_n1815109.pdf. Zugriff 18.7.2018

- UN News - United Nations News (19.1.2018): One in four Iraqi children impacted by conflict, poverty; education key for lasting peace - UNICEF, https://news.un.org/en/storv/2018/01/1000811. Zugriff 20.9.2018

- UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (31.1.2017): Child Poverty in Iraq: An Analysis of Child Poverty Trends and Policy Recommendations for the National

- Poverty Reduction Strategy 2017-202, https://reliefweb.int/report/iraq/child-poverty-iraq- analysis-child-poverty-trends-and-policy-recommendations-national, Zugriff 20.9.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 5.9.2018

- USDOS - United States Department of State (28.6.2018): Trafficking in Persons Report 2018 - Country Narratives - Iraq, https://www.state.gov/j/tip/rls/tiprpt/countries/2018/282675.htm. Zugriff 14.9.2018

Zur familiären Situation ihrer im Herkunftsstaat verbliebenen Verwandten gab die BF1 anlässlich ihrer PV vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass ihre drei in Mossul aufhältigen Brüder XXXX, XXXX und XXXX und die ebenfalls im Irak aufhältige Schwester XXXX jeweils in einem eigenen Einfamilienhaus leben. Während ihre Schwester - eine Beamtin im irakischen Bildungsministerium - unverheiratet und kinderlos geblieben ist, sind ihre Brüder jeweils verheiratet und haben diese eigene Kinder, die allesamt minderjährig sind. Die minderjährigen Kinder der Familien ihrer Brüder besuchen "alle die Schule in XXXX" und zwar im Bezirk XXXX (d.i. jener Bezirk, aus dem die bfP stammen). Wie ihre Geschwister gehören auch deren minderjährige Kinder der Ethnie der Palästinenser an und zeigt sich an deren Schulbesuch, dass sie als Schüler keine Diskriminierung, aus welchem Grund immer, erfahren. Der Schulbesuch der minderjährigen Kinder ihrer Geschwister spricht auch gegen die Behauptung der BF1, dass die Angehörigen der palästinensischen Minderheit im Irak benachteiligt würden [PV der BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 05.08.2019, S. 15]. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird es daher auch den minderjährigen Kindern der BF1 möglich sein, in XXXX eine Schule zu besuchen.

1.6.4. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 27.9.2018

- IWPR - Institute for War and Peace Reporting (25.11.2009): Fear chokes Nasiriya's Song, https://iwpr.net/global-voices/fear-chokes-nasiriyas-song, Zugriff 2.10.2009

- USDOS - United States Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394979.html, Zugriff 2.10.2018

- USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 21.9.2018

Die BF1 nahm bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Jahr 2015 eine Rolle als Hausfrau und Mutter ein. Sie übte zu keinem Zeitpunkt einen Beruf aus, der im Herkunftsstaat als gefährdet angesehen werden könnte. Der BF2 war im Herkunftsstaat als Hilfsarbeiter in Fabriken tätig. Dazu ist anzumerken, dass auch dieser Beruf nach den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien nicht als gefährdet gilt. Die restlichen Beschwerdeführer gingen ob ihres Alters in ihrem Heimatstaat keiner beruflichen Tätigkeit nach.

1.6.5. Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 13.6.2018).

Auf dem Land kann es bei gravierenden Krankheitsbildern problematisch werden. Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung. Staatliche wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore (GIZ 11.2018).

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser nur mit deutlich eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Korruption ist verbreitet. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.2.2018). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Die von den bfP vorgebrachten Beschwerden wurden zum Teil bereits im Irak behandelt bzw. stellen laut eigenen Angaben keine derartigen gesundheitlichen Einschränkungen dar, die nicht dort behandelt werden könnten.

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland- auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (11.2018): Irak - Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/#c37767. Zugriff 20.11.2018

- IOM - International Organization for Migration (13.6.2018): Länderinformationsblatt Irak (2017), https://www.bamf.de/SharedDocs/MILoDB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_irak-dl de.pdf:isessionid=0E66FF3FBC9BF77D6FB52022F1A7B611.1 cid294?blob=publicationFile. Zugriff 16.10.2018

- WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html. Zugriff 16.10.2018

Keine der bfP leidet an einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Schon anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde hatte die BF1 angegeben, dass sie im Irak das Mittelmeerfieber und Bluthochdruck gehabt hätte, wogegen sie im Irak medikamentös behandelt wurde; dagegen bekomme sie auch in Österreich Medikamente. Neben den genannten Erkrankungen schloss sie weitere aus. Aus dem Umstand, dass die BF1 bereits im Herkunftsstaat medikamentös gegen das Mittelmeerfieber und den Bluthochdruck behandelt wurde, ergibt sich, dass sie auch bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat dagegen medikamentös behandelt werden kann [BF1 in Niederschrift des BFA vom 23.01.2018, S, 4]. Die übrigen beschwerdeführenden Parteien sind vollkommen gesund. Das trifft auch auf den BF3 zu, dem im Herkunftsstaat eine Niere entfernt wurde und der keine Nachbehandlungen (etwa in Gestalt einer Dialyse) im Herkunftsstaat und in Österreich hatte bzw. hat [BF1, Ebda, S. 5 Mitte]. Zudem hat die BF1 angeben, dass sich in XXXX ein funktionierendes Krankenhaus befindet.

Keine der beschwerdeführenden Parteien leidet an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, die einem Rücktransport in den Herkunftsstaat bzw. einem Leben dort entgegenstünde.

1.6.6. Palästinenser

Palästinensische Fluchtlinge, die mehrheitlich 1948 aus dem Mandatsgebiet Palästina, das Israel wurde, bzw. aus den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten und 1991 aus den Golfstaaten flüchteten und sich im Irak ansiedelten, sowie deren Nachkommen, wurden von der irakischen Regierung nie offiziell als Fluchtlinge anerkannt. Entsprechend verschiedener Übereinkommen kommt ihnen aber ein Aufenthaltsrecht zu und sie sind in sozioökonomischer Hinsicht irakischen StaatsbürgerInnen nahezu gleichgestellt (UNHCR 27.4.2018).

Ein Großteil der palästinensischen Fluchtlinge im Irak lebt in Bagdad (UNHCR 27.4.2018).

Quellen:

- - AOHR - Arab Organisation for Human Rights in the UK (22.12.2017): Iraqi president ratifies law that strips Palestinians living in Iraq of their basic rights, http://aohr.org.uk/index.php/en/allreleases/item/8004-iraqi-president-ratifies-law-that-strips-palestinians-living-in-iraq-of-theirbasic-rights.html, Zugriff 27.8.2018

- - MEMO - Middle East Monitor (21.12.2017): Iraq to abolish rights given to Palestine refugees, https://www.middleeastmonitor.com/20171221-iraq-to-abolish-rights-given-to palestinerefugees/, Zugriff 27.8.2018

- - UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (27.4.2018): UNHCRKurzinformation zur Situation von PalastinenserInnen im Irak, http://www.refworld.org/pdfid/5ae335e94.pdf, Zugriff 27.8.2018

Anlassbezogen ist festzustellen, dass der Ehegatte der BF1 im Dezember 2017 freiwillig in den Irak zurückgekehrt ist und sich seither unbehelligt im Herkunftsstaat aufhält. Die Geschwister der BF1, die ebenfalls der Ethnie der Palästinenser angehören, leben mit deren Familien unbehelligt im Herkunftsstaat. Die aus den Familien der Brüder der BF1 hervorgegangenen Kinder gehen im Heimatbezirk der bfP, XXXX, in die Schule. Die Brüder gehen einer Erwerbstätigkeit in der Baubranche nach. Die akademisch gebildete Schwester der BF1, ebenfalls eine Palästinenserin, ist Beamtin im irakischen Bildungsministerium. Diese Umstände sprechen dafür, dass die Angehörigen der Kernfamilie der BF1 in der Heimatstadt XXXX frei von Diskriminierungen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Ethnie der Palästinenser leben.

Vor diesem Hintergrund wäre weder erklärbar, noch nachvollziehbar, dass die bfP nach ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Diskriminierung oder ein sonstiges Ungemach wegen ihrer Zugehörigkeit zur Ethnie der Palästinenser erleiden könnten.

1.7 Überdies lassen sich aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien keine Anhaltspunkte dahin entnehmen, dass sie mit den Behörden, der Polizei oder den Gerichten des Herkunftsstaates etwa wegen ihres Religionsbekenntnisses, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme gehabt hätten. Es gibt auch keinerlei Hinweise in die Richtung, dass sie oder die Angehörigen ihrer Kernfamilie politisch aktiv gewesen wären oder als Mitglied einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehört hätten.

Im Beschwerdeverfahren, das auch der Ermittlung ihrer Lebensumstände vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat diente, kam hervor, dass die bfP gemeinsam mit den Familien der Brüder in ihrer Wohngegend leben konnten und mit den Gegenständen des täglichen Bedarfs versorgt waren. Das trifft auf die Angehörigen der Kernfamilie der BF1, die seit ihrer Geburt bis laufend stets unbehelligt und ohne jede Form der Diskriminierung, sei es aus politischen, religiösen oder aus Gründen ihrer Zugehörigkeit zur Ethnie der Palästinenser, in der Heimatregion (Bezirk "XXXX" in XXXX) der bfP leben, zu.

Die beschwerdeführenden Parteien hatten zu keinem Zeitpunkt Kontakt mit Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ. Auch wurde kein Mitglied der beschwerdeführenden Familie je dazu angeworben, für diese oder eine andere (schiitische) Miliz oder den Islamischen Staat zu kämpfen. Auch sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die bfP (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.

Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass auch nur einer der Beschwerdeführer mit Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtungen Probleme gehabt hätte.

Die von den bfP vorgebrachten Bedrohungspunkte konnten sie weder im Rahmen verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens vor der belangten Behörde, noch in der am 05.08.2019 durchgeführten mündlichen Verhaltung als asylrelevante Bedrohungen glaubhaft machen.

Abschließend konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargeste

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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