TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/18 96/09/0240

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Veröffentlicht am 18.02.1998
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs1;
GmbHG §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der "A.L.E.X."

Gastronomiebetrieb Gesellschaft mbH in Wien, vertreten durch DDr. Wolfgang Schulter, Rechtsanwalt in Wien I, Fleischmarkt 28, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. Juli 1996, Zl. 10/6702 B/156 6727, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei beantragte am 21. März 1996 beim Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für Bojka Sekulic - eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina - für die berufliche Tätigkeit als Kellnerin; spezielle Kenntnisse oder Ausbildung seien - nach den Antragsangaben - nicht erforderlich.

Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien mit Bescheid vom 2. April 1996 gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ab.

Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei - vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Aleksa Paunovic - Berufung. Sie brachte darin im wesentlichen vor, die beantragte Ausländerin sei (als Bosnierin) Flüchtling und im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes. Es sei beabsichtigt, diese Ausländerin - die aus dem Kriegsgebiet komme und alles verloren habe - als Kellnerin zu beschäftigen. Es werde um positive Erledigung ersucht, damit auch "die Menschenrechte und die entsprechenden positiven Gesetze" nicht neuerlich unberücksichtigt "verbleiben".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Juli 1996 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage - soweit für den Beschwerdefall relevant - aus, auch wenn nach der Bestimmung des § 1 Z 2 der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung Bewilligungen erteilt werden dürften, sei trotzdem zu prüfen, ob die Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zulasse. Die Überprüfung der Lage des relevanten Arbeitsmarktes habe ergeben, daß "derzeit für die konkret beantragte Beschäftigung eine Ersatzkraftstellung mit geeigneten Personen, die gemäß § 4b AuslBG vordergründig in den Arbeitsmarkt einzugliedern sind, durchaus realisierbar erscheint". Mit Schreiben vom 12. April 1996 habe die Behörde erster Instanz angefragt, ob die beschwerdeführende Partei Interesse an einer Ersatzkraftstellung habe. Daraufhin habe die beschwerdeführende Partei einen Vermittlungsauftrag für "Kellnerin und Aufräumerin" erteilt. Anläßlich eines Telefonates mit dem Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste-Gastgewerbe Wien am 7. Juni 1996 habe "die beschwerdeführende Partei" bekanntgegeben, daß sie nur die beantragte Ausländerin, bei der es sich "um Ihre Tante handelt", beschäftigen wolle. Aufgrund dieses Desinteresses an der "angebotenen Ersatzkraftstellung" sei die Zulässigkeit zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht gegeben. Außerdem verfüge die beantragte Ausländerin über keinen Qualifikationsnachweis für die beabsichtigte Verwendung als Kellnerin. In Österreich sei für die vorgesehene Tätigkeit der Abschluß in diesem Lehrberuf, seit 1. Juli 1995 "Restaurantfachfrau", in der Dauer von drei Jahren erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in folgenden Rechten verletzt: "rechtswidrige Anwendung bzw. Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG, Verletzung des rechtlichen Gehörs und mangelnde Schlüssigkeit des Bescheides". Sie bringt dazu im wesentlichen vor, die Feststellung über ihr angebliches Desinteresse an einer Ersatzkraftstellung sei weder nachvollziehbar noch durch den Akteninhalt gedeckt. Sie habe einen sogenannten "Vermittlungsauftrag" erteilt. Es könne lediglich festgestellt werden, daß keine (adäquaten) Ersatzkräfte zur Verfügung gestellt worden seien. Ihr Lokal werde vorwiegend von Gästen aus "Jugoslawien" besucht; die Beherrschung der "jugoslawischen" Sprache sei daher für die Ausübung der beabsichtigten Beschäftigung unerläßlich. Das Arbeitsmarktservice sei seiner Verpflichtung, die Möglichkeit einer Ersatzkraftstellung zu prüfen, nicht nachgekommen. Im gegenständlichen Fall habe der Dienstgeber die Stellung von Ersatzkräften nicht abgelehnt. Aus der beigebrachten Beilage sei zu ersehen, daß eine Ersatzkraftstellung bejaht worden sei. Die Behörde habe ihr den festgestellten Sachverhalt nicht vorgehalten. Auch hinsichtlich des Qualifikationsnachweises erscheine der angefochtene Bescheid widersprüchlich und nur mangelhaft begründet.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung ausschließlich auf § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt.

Nach dieser Gesetzesbestimmung ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG muß aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt werden, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrundezulegen sind (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1995, Zl. 93/09/0451, und vom 29. August 1996, Zl. 95/09/0040).

Die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen (zweiter Tatbestand des § 4 Abs. 1 AuslBG) kommen jedoch erst dann zum Tragen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer (in der Reihenfolge nach § 4b AuslBG) zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung (Prüfung der Arbeitsmarktlage) erübrigt sich indes dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 93/09/0426, und vom 29. August 1996, Zl. 95/09/0040).

Gemäß § 58 Abs. 2 - des nach Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG auf das behördliche Verfahren der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwendenden - AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diesen Anforderungen entspricht jedoch weder das abgeführte Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß seitens der beschwerdeführenden Partei das Ersuchen der Behörde, die Zuweisung von Ersatzkräften zuzulassen, nicht abgelehnt wurde. Die beschwerdeführende Partei hat den verlangten Vermittlungsauftrag erteilt; dieser langte nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten am 29. April 1996 bei der Behörde ein.

Zu ihrer abweisenden Entscheidung nach § 4 Abs. 1 AuslBG gelangte die belangte Behörde jedoch deshalb, weil "anläßlich eines Telefonates am 7.6.1996" eine im Bescheid nicht näher bezeichnete Person bekanntgegeben habe, daß die beschwerdeführende Partei nur die beantragte Ausländerin beschäftigen wolle. Die belangte Behörde läßt dabei außer acht, daß nach dieser Begründung nicht zu erkennen ist, ob die herangezogene Erklärung - die zur Annahme der unbegründeten Ablehnung einer Ersatzkraftstellung führte - von einer für die beschwerdeführende Partei - einer Gesellschaft mbH - vertretungsbefugten Person abgegeben wurde (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0309, vom 15. September 1994, Zl. 93/09/0123, und vom 15. Dezember 1994, Zl. 93/09/0426). In diesem Zusammenhang ist des weiteren darauf zu verweisen, daß die beschwerdeführende Partei im Berufungsverfahren rechtsfreundlich vertreten war und insbesondere auch der (nach Erhebung der Berufung) erteilte Vermittlungsauftrag von diesem rechtsfreundlichen Vertreter unterfertigt wurde. Daß dieser rechtsfreundliche Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 7. Juni 1996 die von der belangten Behörde herangezogene negative Stellungnahme hinsichtlich der Zuweisung von Ersatzkräften abgegeben habe, ist nicht aktenkundig und wurde von der belangten Behörde auch nicht festgestellt. Einem nach dem Aktenplan als "EDV-Texteintragung über das Telefonat mit dem BF vom 7.6.1996" bezeichneten Ausdruck kann nur entnommen werden, daß "nach heutigem Anruf des DG (Nichte der Fr.S.)" diese Person "nur die Tante einstellen möchte". Welche konkrete Person damit gemeint ist bzw. welche Personen dieses Telefonat geführt haben sollen, geht aus dem nicht unterfertigten Ausdruck nicht hervor. Die von der belangten Behörde als Begründung für die unbegründete Ablehnung der Ersatzkraftstellung herangezogene Erklärung ist daher hinsichtlich der beschwerdeführenen Partei nicht zuordenbar (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 94/09/0030). Solcherart fehlen aber im angefochtenen Bescheid nachvollziehbare Feststellungen über die unbegründete Ablehnung einer Ersatzkraftstellung seitens der beschwerdeführenden Partei.

Es ist daher auch die rechtserhebliche Frage ungeklärt geblieben, ob taugliche Ersatzkräfte zur Deckung des von der beschwerdeführenden Partei geltend gemachten Arbeitskräftebedarfes vorhanden sind. Der bloße Hinweis auf das Vorhandensein von geeigneten Personen, mit denen eine Ersatzkraftstellung "durchaus realisierbar erscheine", vermag freilich die Vornahme konkreter Vermittlungsversuche nicht zu ersetzen (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0309). Daß überhaupt Vermittlungsversuche von der Behörde unternommen wurden, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu erkennen.

Soweit die belangte Behörde (ohne - wie bereits dargelegt wurde - vorerst ausreichende Ermittlungen hinsichtlich der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes anzustellen) den zweiten Tatbestand des § 4 Abs. 1 AuslBG mit der Begründung eines für die beantragte Ausländerin fehlenden Qualifikationsnachweises verneinte, kann nicht nachvollzogen werden, inwieweit (und unter Anwendung welcher konkreten Rechtslage) für den zu besetzenden Arbeitsplatz (berufliche Tätigkeit als Kellnerin und Aufräumerin ohne spezielle Kenntnisse oder Ausbildung) ein gesetzlich zwingendes Erfordernis bestehe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. August 1996, Zl. 95/09/0040, und vom 22. Juni 1995, Zl. 93/09/0451). Die beschwerdeführende Partei hat - wie sich aus ihrem Antrag und dem Anforderungsprofil in ihrem Vermittlungsauftrag ergibt - nicht die Beschäftigung einer "Restaurantfachfrau" begehrt. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, ob die von der belangten Behörde angenommene Qualifikation den von der beschwerdeführenden Partei zugrundegelegten Anforderungen entspricht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0112).

Die belangte Behörde hat aus den dargelegten Gründen somit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ferner bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den überhöht verzeichneten Aufwand für Beilagen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090240.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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