TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/20 97/15/0153

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Veröffentlicht am 20.02.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §250 Abs1;
BAO §293 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/15/0154

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde 1. des B S und 2. der C S, beide in P, beide vertreten durch Hofbauer, Krömer & Nusterer, Rechtsanwälte Partnerschaft in St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Juli 1997,

1. GA 7 - 993/1/97 und 2. GA 7 - 994/97, beide betreffend Löschung gemäß § 235 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat jedem der Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 15.000 S (insgesamt sohin 30.000 S) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beiden Beschwerdeführer sind Gesellschafter der F-KG. Die gemeinsamen Vertreter der Beschwerdeführer richteten in deren Namen am 27. Jänner 1993 ein Schreiben an das Finanzamt, in welchem zum Ausdruck gebracht wird, "daß die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Sanierungsgewinnes in Höhe von S 3,475.783 im Wirtschaftsjahr 1988/89 gegeben sind". Die Betriebsprüfung habe sich allerdings dieser Ansicht nicht angeschlossen und die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinnes nicht anerkannt, wodurch "eine Steuermehrleistung in der Höhe von rd. S 2 Mio. entstanden" sei. Um ein umfangreiches Rechtsmittelverfahren zu vermeiden, werde beantragt, den von den Beschwerdeführern errechneten Betrag durch Abschreibung zu erlassen.

Das Finanzamt erließ gegenüber dem Erstbeschwerdeführer einen mit 1. April 1993 datierten Bescheid, mit welchem ausgesprochen wurde, daß Einkommensteuer 1990 in Höhe von 617.454 S gemäß § 235 Abs. 1 BAO durch Abschreibung gelöscht werde. Zugleich erließ das Finanzamt gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin einen im wesentlichen gleichlautenden Bescheid, mit welchem Einkommensteuer 1990 in Höhe von 593.649 S gemäß § 235 Abs. 1 BAO durch Abschreibung gelöscht wurde.

Der Erstbeschwerdeführer reichte durch seine Vertreter das Schreiben vom 20. April 1993 beim Finanzamt ein, welches folgenden Wortlaut aufweist:

"Betrifft: Bescheid gemäß § 235 Abs. 1

...

Namens und im Auftrage unseres oben angeführten Mandanten möchten wir der guten Ordnung halber mitteilen, daß es sich nicht wie im Bescheid angeführt um die Einkommensteuer 1990, sondern um die Einkommensteuer 1989 handelt.

Wir ersuchen um Richtigstellung und verbleiben."

Die Zweitbeschwerdeführerin reichte durch ihre Vertreter ein gleichlautendes, ebenfalls mit 20. April 1993 datiertes Schreiben beim Finanzamt ein.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, der Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 1. April 1993 betreffend Löschung gemäß § 235 BAO werde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Zur Begründung wird ausgeführt, das Schreiben vom 20. April 1993 erfülle die Inhaltsvoraussetzungen einer Berufung und sei als solche zu werten. § 235 BAO normiere als Voraussetzung für die Löschung von Abgaben deren absolute Uneinbringlichkeit. Weder aus der Eingabe vom 27. Jänner 1993 noch aus der Berufung ergebe sich, daß die Einbringung der Einkommensteuer 1990 offenkundig aussichtslos sei. Im übrigen dürfe eine Löschung nicht deshalb ausgesprochen werden, um ein umfangreiches Rechtsmittelverfahren zu vermeiden. Der Löschungsbescheid vom 1. April 1993 erweise sich somit als rechtswidrig und sei daher aufzuheben. Ergänzend werde darauf verwiesen, daß ein Antrag auf Löschung in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehen sei, ein Rechtsanspruch auf eine Löschung sohin nicht bestehe. Im übrigen sei die Einkommensteuer 1989 bereits getilgt, weshalb insoweit eine Maßnahme gemäß § 235 BAO im Gesetz keine Deckung finde.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, der Berufung des Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 1. April 1993 betreffend Löschung gemäß § 235 BAO werde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Die Bescheidbegründung entspricht jener des erstangefochtenen Bescheides.

Gegen diese Bescheide wenden sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden.

In jedem der beiden Beschwerdeverfahren legte die belangte Behörde unter Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

Bei der Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischritts an. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist eine davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck kommende Absicht des Einschreiters nicht maßgeblich (vgl das hg Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, 94/16/0158). Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Behörde hingegen gehalten, die Absicht der Partei zu erforschen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1992, 92/13/0127, SlgNF 6678/F).

Der Inhalt der Schreiben vom 20. April 1993 ("der guten Ordnung halber mitteilen") legt nahe, daß sie Mitteilungen sind, mit denen das Finanzamt von einer - vermeintlichen, etwa auf einen Schreibfehler zurückgehenden - Unrichtigkeit hätte in Kenntnis gesetzt werden sollen. Auch wenn die Schreiben mit dem Ersuchen um Richtigstellung enden, scheint das Ziel der Eingaben in einer Anregung für ein Vorgehen nach § 293 Abs. 1 BAO zu liegen.

Der Inhalt der in Rede stehenden Schreiben läßt jedenfalls nicht mit Sicherheit erkennen, daß die Beschwerdeführer Berufung (gegen die Löschungsbescheide) haben erheben wollen. Solcherart wäre es der belangten Behörde oblegen, Erhebungen über die Parteiabsicht zu pflegen, bevor sie die Eingaben als Berufungen qualifiziert und darüber abspricht. Da die belangte Behörde derartige Erhebungen nicht angestellt hat, sind die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Die angefochtenen Bescheide waren somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994. Die mit 12.500 S bezifferte Pauschalgebühr für den Schriftsatzaufwand beinhaltet bereits die Umsatzsteuer.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997150153.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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