TE Vwgh Beschluss 2020/6/4 Ra 2020/15/0002

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Veröffentlicht am 04.06.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
61/01 Familienlastenausgleich

Norm

EStG 1988 §22 Z1
EStG 1988 §22 Z2
EStG 1988 §47 Abs2
FamLAG 1967 §41 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der F GmbH in V, vertreten durch die Steßl und Kasper Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Sporgasse 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. September 2019, Zl. RV/2100757/2016, betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2011 bis 2014, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsgegenstand das Handels- und Tischlergewerbe ist, wurde eine den Zeitraum Jänner 2011 bis Dezember 2014 umfassende gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) durchgeführt. Der Prüfer stellte u.a. fest, dass die Revisionswerberin im Rahmen eines Werkvertrages „Provisionen“ an den wesentlich (50%) beteiligten Gesellschafter X ausbezahlt habe, und vertrat den Standpunkt, dass die ausbezahlten Beträge dem Dienstgeberbeitrag und dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag unterlägen.

2        Das Finanzamt folgte dem Prüfer und setzte Dienstgeberbeiträge sowie Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 bis 2014 fest.

3        Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis keine Folge. Es stellte fest, dass X im Streitzeitraum zu 50% am Stammkapital der Revisionswerberin beteiligt gewesen sei und ihr aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung vom 28. Oktober 2010 laufend Geschäfte vermittelt habe. Auf der Homepage der Revisionswerberin sei X unter der Rubrik „Kontakte“ als technischer Berater, Verkäufer und Gebietsvertreter für das Bundesland Y präsentiert worden. Als solcher habe er in den Jahren 2011 bis 2014 die vom Prüfer festgestellten Zahlungen erhalten.

4        In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhaltes führte das Bundesfinanzgericht nach Darstellung der bezughabenden Gesetzesstellen und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen aus, X sei auf der Homepage der Revisionswerberin als technischer Berater, Verkäufer und Gebietsvertreter für das Bundesland Y präsentiert worden und er habe im Streitzeitraum laufend Geschäfte für die Revisionswerberin vermittelt. Er habe eine nach außen hin als auf Dauer angelegt erkennbare, operative Tätigkeit entfaltet, mit welcher der Unternehmenszweck der Revisionswerberin verwirklicht worden sei. Damit sei eine Eingliederung in den Organismus der Revisionswerberin im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu bejahen und es komme auf weitere Kriterien, wie das Unternehmerrisiko, nicht an, weshalb die diesbezüglichen Argumente der Revisionswerberin ins Leere gingen. Soweit die Revisionswerberin eine Eingliederung in den Organismus des Betriebes verneine, weil X im Streitzeitraum auch für andere Auftraggeber tätig gewesen sei, eigene Arbeitsmittel verwendet habe, nicht mit der Geschäftsführung befasst und weisungsungebunden gewesen sei, verkenne sie, dass die Eingliederung in den Organismus des Betriebes bereits durch jede nach außen hin als auf Dauer angelegt erkennbare, operative Tätigkeit hergestellt werde, die der Verwirklichung des Unternehmenszwecks diene. Anderen Gesichtspunkten, wie etwa den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten, komme im Lichte des vom Verwaltungsgerichtshof zum Eingliederungsbegriff entwickelten Begriffsverständnisses keine Bedeutung zu. Insbesondere stehe der Umstand, dass X als wesentlich beteiligter Gesellschafter der Revisionswerberin nicht auch deren handelsrechtlicher Geschäftsführer gewesen sei, der Annahme einer Eingliederung nicht entgegen.

5        Der fehlenden Weisungsgebundenheit von X komme keine Relevanz zu, weil der Verwaltungsgerichtshofes bereits im Erkenntnis vom 10. November 2004, 2003/13/0018, ausgesprochen habe, das in § 47 Abs. 2 EStG 1988 normierte Tatbestandselement des Weisungsgebundenheit werde durch den in § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 verwendeten Ausdruck „sonst“ beseitigt, sodass dieses Merkmal keine Voraussetzung für die Verwirklichung des Einkünftetatbestandes des § 22 Z 2 EStG 1988 sei.

6        Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere in einem verstärkten Senat ergangenen Erkenntnis vom 10. November 2004, 2003/13/0018, abgewichen sei.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, gegenständlich handle es sich um einen typischen Werkvertrag für selbständige Handelsvertreter. Beispielsweise würden auch zivilrechtliche Streitigkeiten in Handelsvertreterangelegenheiten nicht vor den Arbeits- und Sozialgerichten ausgefochten, sondern vor Handelsgerichten, zumal es sich um Ansprüche zwischen selbständigen Unternehmern handle. Darüber hinaus beurteile das Bundesfinanzgericht eine zentrale Rechtsfrage des revisionsgegenständlichen Erkenntnisses, nämlich „die Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft“, anhand der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere VwGH 10.11.2004, 2003/13/0018), die sich allerdings in den letzten Jahren grundlegend geändert habe. Zudem habe das Bundesfinanzgericht in seinen Erwägungen Sachverhaltselemente außer Acht gelassen, die eine klare Beurteilung des „Eingliederungskriteriums“ verhinderten.

11       Mit diesem Vorbringen wird keine im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG relevante Rechtsfrage aufgezeigt, weil der Verwaltungsgerichtshof die rechtlichen Voraussetzungen der Erzielung von Einkünften nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 hinsichtlich der zu 25% oder mehr an einer Kapitalgesellschaft beteiligten oder über eine Sperrminorität verfügenden Personen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. November 2004, 2003/13/0018, klargestellt hat. Nach den Entscheidungsgründen des genannten Erkenntnisses kommt bei der Frage, ob Einkünfte nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 erzielt werden, entscheidende Bedeutung dem Umstand zu, ob der Gesellschafter bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert ist. Weiteren Elementen, wie etwa dem Fehlen eines Unternehmerrisikos oder einer als „laufend“ zu erkennenden Lohnzahlung, kann nur in solchen Fällen Bedeutung zukommen, in denen eine Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes nicht klar zu erkennen wäre.

12       Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 25.11.2009, 2007/15/0181, und 19.3.2008, 2008/15/0083), dass der Umstand, dass der Gesellschafter nicht (nur) Aufgaben der Geschäftsführung, sondern (auch) Tätigkeiten im operativen Bereich der GmbH ausübt, einer Übernahme der in der Judikatur erarbeiteten Grundsätze, unter welchen von der Erzielung von Einkünften nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 ausgegangen werden kann, nicht entgegensteht. Die Bestimmung des § 41 Abs. 2 FLAG 1967 iVm § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 stellt auf die Art der Tätigkeit des an der Kapitalgesellschaft wesentlich Beteiligten nicht ab. Der Beurteilung der Einkünfte als solche nach § 22 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 steht es nach dieser Rechtsprechung nicht entgegen, wenn die Art der Tätigkeit, würde sie nicht der Gesellschaft erbracht werden, eine andere Einstufung der daraus erzielten Einkünfte, etwa als solche nach § 22 Z 1 EStG 1988 geböte.

13       Dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf „die Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes der Gesellschaft“ in den letzten Jahren grundlegend geändert habe, trifft - abgesehen davon, dass mit diesen Ausführungen im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision dem in ständiger Rechtsprechung geforderten Konkretisierungsgebot nicht entsprochen wird (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 34 VwGG E 183 ff) - nicht zu.

14       Ob und inwieweit das Bundesfinanzgericht Sachverhaltselemente außer Acht gelassen hat, die eine klare Beurteilung des „Eingliederungskriteriums“ verhinderten, wird im Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit dazu in den Gründen ausgeführt wird, das Bundesfinanzgericht habe das Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung ausschließlich auf eine Firmenbuchabfrage gestützt und den am 24. Juni 2010 protokollierten Beschluss der Gesellschafter nicht gewürdigt, eine „Firmenentflechtung“ durchzuführen, deren Zweck es gewesen sei, dass X sowohl als Gesellschafter als auch als Geschäftsführer aus der revisionswerbenden Gesellschaft ausscheide, genügt es darauf zu verweisen, dass dieser Beschluss laut angefochtenem Erkenntnis - und in der Revision nicht bestritten - erst im Jahr 2016 und damit nach dem Streitzeitraum (vollständig) umgesetzt worden ist.

15       Dem Zulässigkeitsvorbringen, wonach im gegenständlichen Fall die Anwendung von Normen die Enteignung der Revisionswerberin von einem Teil ihres Vermögens bewirke, ist zu entgegnen, dass die Frage einer allfälligen Verletzung im verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz (Art. 5 StGG und Art. 1 1. ... EMRK) keine vom Verwaltungsgerichtshof im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösende Rechtsfrage bildet (vgl. etwa VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0254).

16       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 4. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150002.L00

Im RIS seit

22.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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