RS Vfgh 2020/6/13 WI2/2020, WI3/2020

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Veröffentlicht am 13.06.2020
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Index

L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art 141 Abs1 lita
Nö GRWO 1994 §29, §32 Abs2, §56
V über die Gestaltung von Drucksorten zur Vollziehung der Nö GRWO 1994
VfGG §7 Abs1, §67 Abs2

Leitsatz

Keine Stattgabe der Wahlanfechtung zur Wahl der Mitglieder des Gemeinderates der Marktgemeinde Langenrohr vom 26.01.2020; förmliche Zustimmung des Wahlwerbers zur Aufnahme in den Wahlvorschlag nach der Nö GRWO 1994 durch Unterschrift an falscher Stelle des Wahlvorschlages nicht gegeben; Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des Wahlvorschlags ohne Verbesserungsauftrag

Rechtssatz

Da der Anfechtungswerber auf der Parteiliste des Wahlvorschlages aufscheint und der Wahlvorschlag wegen seiner mangelnden Zustimmungserklärung als Wahlwerber gemäß §32 Abs2 litd NÖ GRWO 1994 zurückgewiesen wurde, steht die Zurückweisung des Wahlvorschlages auch mit der Person des Anfechtungswerbers in Zusammenhang; ihm wurde durch die Zurückweisung des Wahlvorschlages die Wählbarkeit aberkannt. Der Wahlwerber ist daher zur Anfechtung legitimiert. Maßgeblich für den Beginn der Anfechtungsfrist ist die Zustellung des Bescheides der Landes-Hauptwahlbehörde. Die Landes-Hauptwahlbehörde hat der Beschwerde mit Bescheid vom 03.03.2020 nicht stattgegeben. Die am 31.03.2020 eingebrachte Anfechtung ist daher jedenfalls rechtzeitig.

Zu den Bedenken des Anfechtungswerbers in Bezug auf §32 Abs2 litd NÖ GRWO 1994 ist festzuhalten, dass es nicht in Widerspruch zu den Wahlgrundsätzen steht, wenn grundsätzlich ein gültiger Wahlvorschlag eingebracht werden muss, der gewisse gesetzlich festgelegte Mindestanforderungen zu erfüllen hat, um überhaupt verbesserungsfähig zu sein. Die in §29 Abs2 litc iVm §32 Abs2 litd NÖ GRWO 1994 ua enthaltene Anordnung, dass der Wahlvorschlag die Zustimmung des Wahlwerbers enthalten muss, soll sicherstellen, dass zum einen der in der Parteiliste aufscheinende Wahlwerber mit seiner Unterschrift erklärt, mit der Nominierung als Wahlwerber einverstanden zu sein, und dass zum anderen nur solche Wahlwerber zur Wahl zugelassen werden, die grundsätzlich bereit sind, die Funktion auch auszuüben. Der VfGH würde eine solche Zustimmung - selbst ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung - für erforderlich erachten, sodass die Aufnahme eines auch das passive Wahlrecht besitzenden Wahlberechtigten in einen Wahlvorschlag ohne sein Wissen und eventuell auch gegen seinen Willen tatsächlich eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens bedeuten und daher zur Aufhebung des Wahlverfahrens führen kann. Denn die Nominierung eines Kandidaten auf einer bestimmten Parteiliste ohne seine Zustimmung oder gar gegen seinen erklärten Willen widerspräche dem Grundsatz der Freiheit der politischen Willensbildung und Betätigung sowie dem Postulat der Reinheit der Wahlen.

Dass nicht von sämtlichen Wahlwerbern, sondern lediglich von einem Wahlwerber die Zustimmung für einen verbesserungsfähigen Wahlvorschlag erforderlich ist, erklärt sich dadurch, dass bereits ein einziger Wahlwerber für einen gültigen Wahlvorschlag ausreichend ist. §29 Abs2 litb NÖ GRWO 1994 legt nämlich nur fest, dass es sich bei der Liste der Wahlwerber um "ein Verzeichnis von höchstens doppelt sovielen Bewerbern, als Gemeinderäte zu wählen sind", handeln muss; eine Mindestanzahl ist nicht vorgesehen. Auch §32 Abs2 litc NÖ GRWO 1994 verlangt für das Vorliegen eines verbesserungsfähigen Wahlvorschlages nur, dass dieser zumindest einen Wahlwerber enthält. Somit liegt im Hinblick auf die Zustimmungserklärungen jedenfalls ein gültiger Wahlvorschlag vor, wenn wenigstens ein Wahlwerber seine Zustimmung erteilt hat, auch wenn von den weiteren Wahlwerbern die Zustimmungserklärungen fehlen (und allenfalls auch nicht nach einem Verbesserungsauftrag beigebracht werden können). Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, wenn der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Verbesserungsfähigkeit eines Wahlvorschlages das Vorliegen von zumindest einer Zustimmung von einem der im Wahlvorschlag genannten Wahlwerber für erforderlich erachtet.

Nach stRsp des VfGH - vor dem Hintergrund der aus dem demokratischen Grundprinzip der Bundesverfassung abzuleitenden notwendigen Eindeutigkeit wahlrechtlicher Regelungen - sind Formalvorschriften der Wahlordnungen strikt nach ihrem Wortlaut auszulegen, soll nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet werden. Die Wahlbehörden sind durch die Formalvorschriften der Wahlordnungen streng gebunden.

Der Anfechtungswerber begründet seine Anfechtung damit, dass er als Wahlwerber seine Zustimmung zur Aufnahme in den Wahlvorschlag implizit durch seine Unterschrift an einer anderen Stelle des Wahlvorschlages erteilt habe. Dem ist entgegenzusetzen, dass diese Form der Zustimmungserklärung weder in der NÖ GRWO 1994 noch in der Verordnung über die Gestaltung der Drucksorten zur Vollziehung der NÖ GRWO 1994 vorgesehen ist. Gemäß §1 dieser Verordnung müssen die in der Anlage enthaltenen Muster verwendet werden; die Zustimmungserklärung gemäß Muster 6 der Anlage ist auch in Form einer Liste, in die die Namen mehrerer wahlwerbender Personen mit ihren Unterschriften eingetragen werden, darstellbar. Eine dementsprechende Zustimmungserklärung liegt hier nicht vor. Es wurde ausschließlich unter dem Punkt "III. Bezeichnung des/der zustellungsbevollmächtigten Vertreters/Vertreterin und des/der Stellvertreters/Stellvertreterin" eine Unterschrift gesetzt. Die Unterschrift des zustellungsbevollmächtigten Vertreters an dieser Stelle kann aber auf Grund des Wortlautes nicht als Zustimmungserklärung eines Wahlwerbers "gemäß Muster 6 der Anlage" gewertet werden, zumal es sich nach der NÖ GRWO 1994 bei einem zustellungsbevollmächtigten Vertreter nicht zugleich um einen Wahlwerber handeln muss. Die Unterschrift unter Punkt III. als zustellungsbevollmächtigter Vertreter kann daher schon deshalb nicht als Zustimmungserklärung eines Wahlwerbers gewertet werden.

(Vgl auch E v 13.06.2020, WI3/2020, betreffend die Wahl zum Gemeinderat der Stadtgemeinde Marchegg vom 26.01.2020).

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Wahlen, Gemeinderat, Wahlvorschlag, Wahlbehörden, Zustellungsbevollmächtigter, Wahlrecht passives, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:WI2.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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